What would Grandma do? - Veronika Smoor - E-Book

What would Grandma do? E-Book

Veronika Smoor

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Beschreibung

Back to the roots: Das Haushaltsbuch für Minimalisten und Selbstversorger Ein nachhaltiges Leben zu führen ist im Grunde leicht. Dafür brauchen wir uns nur am Lebensstil unserer Großeltern zu orientieren. In dem umfassenden Haushalts-Ratgeber "What would Grandma do??" testet Autorin Veronika Smoor dieses alte Wissen auf Tauglichkeit im heutigen Alltag. Ob einfache Kochrezepte, selbstgemachtes Waschmittel oder Tipps und Tricks fürs Gärtnern – hier wird jeder fündig. - Selbstversorger: Rezepte und Anleitungen vom Gemüsegarten bis zum Vorratsschrank - DIY-Ideen: Gut für die Seele und die Umwelt - Geld sparen, Abfall vermeiden, nachhaltig konsumieren: Tipps & Tricks für den Alltag - Minimalismus, der Spaß macht: Weniger ist mehr! - Omas Haushaltstipps: Traditionelle Werte modern interpretiert Was die Großmutter noch wusste: Life Hacks für eine ökologische Haushaltsführung Mit dem neu entdeckten Granny-Pragmatismus gelingt es jedem von uns, den eigenen Haushalt aktiv und umweltbewusst zu gestalten: Essen selbst anbauen, Upcycling betreiben oder Reparieren statt wegwerfen. Was im ersten Moment wie Verzicht klingt, kann Spaß machen und Erleichterung bringen. Das gilt auch für Beziehungen: Wer zunächst den Nachbarn fragt und nicht das Internet, hat wahrscheinlich bald neue Freunde. In die Zukunft führen viele richtige Wege – Veronika Smoor zeigt uns einige davon auf.

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VERONIKA SMOOR, Jahrgang 1974, lebt mit ihren zwei Kindern und ihrem Mann auf dem Land bei Heilbronn. Aufgewachsen in einem traditionellen Gutshaus, lernte sie von klein auf, wie man einen Garten bestellt, Kräuter sammelt und Marmelade einkocht. Ihr Werdegang führte sie in die Schreinerei, ins Flugwesen, auf Weltreisen, ins Sekretariat und letztendlich zum Schreiben. Seit 2013 schreibt sie Artikel und eine Kolumne für das Magazin „Family“ und ist für das Nachhaltigkeitsmagazin „Anders leben“ im Herausgeber-Beirat tätig.

Mehr Infos: www.veronikasmoor.com

Instagram:@what_would_grandma_do

Veronika Smoor

WHAT WOULDgrandmaDO?

Nachhaltiger lebenmit dem alten Wissenunserer Großmütter

Inhalt

Vorwort

WHAT WOULD GRANDMA DO?

Granny war die erste Öko-Aktivistin

Meine Geschichte

Homemaking

Gegenkulturell leben

Was Oma und Opa dir raten würden

Lerne, was du kannst

UNSER HAB UND GUT

Minimalismus ist keine neue Erfindung

Woran erkenne ich Qualität?

Ausmisten

Nachhaltiger Konsum

Nutze, was du hast

HAUSHALTSROUTINE

Dein Haushaltsordner

Putzen

Putzmittel

DIY-Reinigungsmittel

Wäsche

Waschmittel selbst herstellen

SPARSAM LEBEN

Hier meine Spartipps

Strom, Wasser, Wärme

KOCHEN UND BACKEN

Was soll ich bloß kochen?

Kochen nach Saison

Frühjahr

Sommer

Herbst

Winter

Supergünstige Gerichte

Fertiggerichte

Backen

Snacks

Die wirtschaftliche Küche

Reste retten

Food-Sharing-Konzepte

Sammeln

GARTEN

Was ist ein Granny-Garten?

Blumen

Gemüse und Obstanbau im Garten

Beete

Welches Gemüse und Obst soll ich anbauen?

Mehrjähriges Gemüse

Voranzucht

Anbauplan

Apropos Schädlinge!

Dünger

Wasser

Kompost

Ausrüstung

Haltbarmachung

Rezepte

TRADITIONELLE FERTIGKEITEN

Stricken

Nähen

Naturkosmetik

Alte Hausmittel

Husten und Schnupfen

Fieber

Ohrenschmerzen

Durchfall und Bauchschmerzen

Insektenstiche

KREISLAUFDENKEN

Upcyceln, Wiederverwerten, Reparieren

Upcyceln

Wiederverwerten

Reparieren

GRANNY-WERTE

Rituale

Freizeit

Der Sonntag

Genügsamkeit

Dankbarkeit

Nachbarschaftlichkeit

Schlusswort

Anhang

Fußnoten

Register

Vielleicht gehst du am nächstenWochenende hinaus in die Natur,suchst Wildkräuter und verarbeitestsie zu Tee oder einer Suppe.

Am Anfang ein paar Gedanken

Vorgestern fragte mich eine Freundin: „Um was geht es in deinem neuen Buch?“ Wenig fürchte ich so sehr wie diese Frage. Meine Manuskripte lassen sich nicht auf ein sauber verschnürtes Thema, auf einen Satz herunterbrechen. Außerdem besitze ich gegenüber meinen Büchern einen mütterlichen Beschützerinstinkt. Ein Buchmanuskript ist nämlich wie ein ungeborenes Baby und die Frage, um was es in meinem Buch geht, ist ähnlich der, die man werdenden Eltern stellt: „Und? Was wird es denn?“ Mädchen? Junge? Man hofft auf nette Reaktionen. Dieses Ungeborene ist jedoch noch viel mehr als nur sein Geschlecht. Es wird sich mit Leben füllen und vielleicht ein großartiger Witzeerzähler oder eine Rennfahrerin oder jemand, der ganz besonders gut Gefühle oder Kreativität oder Intellekt ausdrücken kann. Ein Kind ist so viel mehr als nur ein Geschlecht. Und dieses Buch ist so viel mehr als nur ein trockenes Thema.

Alles habe ich zwischen diese zwei Buchdeckel gepackt, was sich im Laufe der letzten 48 Jahre in mir angesammelt hat an praktischem Know-How: Beobachtungen, Überzeugungen, Ausprobieren. Vieles verdanke ich den Älteren, die den Weg vor mir gegangen sind. Ich habe ihnen zugehört und kann mich seit jeher für ihre Geschichten, ihre Werte und ihr Wissen erwärmen.

Die gleiche Freundin, die sich neugierig nach dem Inhalt meines Buches erkundigte, seufzte frustriert auf, als ich ihr einige Details nannte. „Ich bewundere ja, wenn andere das schaffen mit dem Kochen und Selbermachen und Gärtnern. Aber ich habe dafür gar keine Zeit.“ Ich verstand sie zutiefst. Und ich habe nachgedacht. So soll dieses Buch gar kein Appell an dich sein. Lies es durch und pick dir einen kleinen Anfang heraus. Etwas, das dir Freude macht. Keinen Leistungsdruck verursacht. Vielleicht gehst du am nächsten Wochenende hinaus in die Natur, suchst Wildkräuter und verarbeitest sie zu Tee oder einer Suppe. Oder du packst endlich etwas an, das dir schon lange auf der Seele lastet: Du verschaffst dir eine Übersicht über deine Finanzen. Oder du legst einen Haushaltsordner an. Oder eine Liste mit günstigen Gerichten. Oder du lernst, deine Kleidung zu reparieren.

Ich glaube nicht, das eine Einzelperson alles können muss. Wie schrecklich wäre das? Erstens wäre das der todsichere Weg in einen Burn-out. Und zweitens bräuchten wir einander nicht, wenn man seine eigene One-Man- oder One-Woman-Show ist. Du würdest gerne lernen, deine Kleidung zu reparieren? Aber du hast zwei linke Hände? Vielleicht gibt es in der Nachbarschaft eine Oma, die so etwas gerne übernehmen würde. Du findest die Idee eines eigenen Gemüsegartens eine feine Sache, aber dir fehlt die Zeit? Vielleicht kannst du ein kleines Stück Land zusammen mit anderen bebauen. Oder der ältere Herr am Ende des Dorfes braucht etwas Unterstützung bei der Gartenarbeit. Gegen ein wenig Mitarbeit an einem Samstag könnte er dich in Naturalien entlohnen. Neben den Früchten aus seinem Garten würdest du auch von seinem Wissensschatz profitieren. Die Haltbarmachung interessiert dich, aber du kannst nicht den ganzen Sommer in der Küche stehen und 40 Weckflaschen Tomatensoße einkochen? Tu dich mit Gleichgesinnten zusammen und veranstaltet einmal im Sommer oder Frühherbst eine große Einkoch-Party. Ladet eine erfahrene Oma ein, die euch alle Kniffe und Tricks beibringen kann. Gemeinsam kann man sehr viel mehr wegarbeiten als allein. Am Ende freut sich jeder über Gläser voller Sommer.

Es ist nicht wichtig, alles zu können, sondern unterwegs zu sein.

Wofür wir alle Raum in unserem Leben machen können: unseren Lebensstil ausrichten an der Bescheidenheit und an den Werten unserer Vorfahren. Nie war dies ein drängenderes Anliegen als in dieser Zeit. Meine Vorschläge sollen dir dabei eine Unterstützung und Motivation sein.

Was auch immer du aus diesem Buch in die Praxis umsetzt: Ich habe alle Rezepte und Anleitungen getestet. Es kann aber sein, dass dein Ergebnis anders ausfällt als meines. Backöfen haben eine unterschiedliche Performance. Im Winter gelingt ein Hefeteig anders als im Sommer. Manchem fehlt zu Beginn die Routine, die sich jedoch – versprochen! – mit der Zeit einstellen wird.

Ich hoffe, dass dein Exemplar viele Flecke und Knicke bekommt, weil du es wieder und wieder zur Hand nimmst, Stellen anstreichst, es neben den Herd legst, es im Beet vergisst und Freunden ausleihst.

LOS geht‘s …

What would Grandma do?

Granny war die erste Öko-Aktivistin

Um eines vorab zu klären: Ich bin weit davon entfernt, eine Großmutter zu sein. Hoffentlich.

Meine Kinder stehen nämlich erst an der Schwelle zum Teenageralter und sie wissen hoffentlich, dass sie sich bitteschön alle Zeit der Welt lassen dürfen, mich zur Oma zu machen. Wenn sie 30 sind, können wir gerne drüber reden.

Aber vor einigen Jahren bin ich auf den Geschmack feiner Großmutterqualitäten gestoßen und pflege seitdem meine innere Oma. Ich bleibe nicht mehr zwanghaft am Abend so lange auf, bis ich das Gefühl habe, die Zeit, welche ich tagsüber mit Haushalt, Job und Kindern verbracht habe, aufgewogen zu haben. Nein. Ich gehe zu einer vernünftigen Omazeit ins Bett (ich weiß nicht, was du für vernünftig hältst – bei mir ist das 22 Uhr). Ich bin ein besserer Mensch mit ausreichend Schlaf. Frag meine Mitmenschen.

Ich habe Vergnügen an Stricken und Gärtnern und Quilten gefunden. Als mich meine amerikanische Freundin besuchte und sie in meinem Arbeitszimmer einen angefangenen Quilt entdeckte, lachte sie: „Quilten? Das machen bei uns nur die Omas.“

Tja, aber deine Oma konnte vielleicht nicht nur aus alten Stoffresten etwas neues Wunderschönes und Wärmendes schaffen, sondern auch Hühnersuppe kochen, wenn du krank warst, und sie hatte ihre Garderobe sowie ihre Finanzen immer fest im Griff. Was werden wir tun, wenn wir mal in dem Alter sind? Maggi-Fix-Tüten aufreißen, billige Polyesterdecken kaufen und Konsumschulden abbezahlen?

Irgendwann im letzten Jahrhundert ist die Wissenskette gerissen. Anstatt von den Alten zu lernen, belächelten wir sie und begruben den uralten, von Generation zu Generation transportierten Wissensschatz unter Fertigprodukten und dumpfer Berieselung.

Aber mit dem Verlust des alten Wissens – und damit meine ich nicht schnell abrufbares Wikipediawissen, sondern eines, das dem Menschen tief in Knochen und Seele sitzt – sind uns oft gute Werte aus den Händen geglitten: Nachbarschaftshilfe, Bescheidenheit, Treue, Nächstenliebe.

Mir liegt nichts daran, die alten Zeiten zu vergolden. Sie waren genauso verworren und schwierig wie heute. (Nur dass Oma und Opa sich nicht mit Algorithmen abplagen mussten.) Aber ohne das alte Knochen- und Seelenwissen haben wir kein Handwerkszeug, um den Krankheiten dieser Zeiten zu begegnen.

Ein wichtiges Handwerkzeug, das sich wie ein roter Faden durch dieses Buch ziehen wird, nenne ich „Granny-Pragmatismus“. Dieser Granny-Pragmatismus hat folgende Kennzeichen:

•Nutze, was du hast.

•Sei zufrieden mit dem, was du hast und wer du bist.

•Kaufe nur, was du wirklich brauchst und in der besten Qualität.

•Gehe behutsam mit den Dingen, Menschen und der Natur um.

•Sei ein guter Nachbar.

•Kultiviere Freude an den einfachen Dingen.

Moderne Gegenbewegungen zum entfesselten Kapitalismus wie z. B. Achtsamkeit, Digital Detox, Nachhaltigkeit, Gemeinwohlökonomie, Marie Kondo, Slow Food, Slow Living, etc. kann man allesamt im Granny-Pragmatismus verorten.

Oder andersrum gesagt: Wenn wir den Granny-Pragmatismus zu einem dauerhaften Lebensstil machen, werden Nachhaltigkeit, Gemeinwohlökonomie und Slow Living zum automatischen Nebenprodukt.

Während ich dieses Buch schreibe, überholen mich die Ereignisse und auf einmal ist Verzicht ein Wort, das auf der Startseite von Nachrichtenportalen auftaucht. Ich höre große Skepsis und Widerwillen gegenüber dem Wort „Verzicht“. Vielen macht es Angst, es klingt nach erzwungener Einschränkung. Aber lass mich Verzicht in andere Worte packen, die es geradezu verlockend machen: Stell dir vor, dir bleibt am Ende des Monats Geld übrig, du würdest dein Leben mit größerer Leichtigkeit bestreiten und spürtest eine größere innere und äußere Unabhängigkeit!

Was ich zutiefst glaube: Wenn wir weiterhin mit den uns anvertrauten Ressourcen umgehen, als wären sie ein All-You-Can-Eat-Buffett, werden uns die Klimakrise und ihre Folgen sowieso dazu zwingen, uns einzuschränken. Also warum nicht hier und heute den Granny-Pragmatismus zum dauerhaften Lebensstil machen und lernen, was wir können und darin eine ganz unerwartete Erfüllung finden?

Das ist ein Bild meiner Mutter, 15-fache Oma und 5-fache Uroma. Du wirst im nächsten Kapitel mehr von ihr erfahren. Sie hat mich geprägt. Auch wenn ich das niemals wollte. Tja, so ist das mit Müttern. Sie ist Teil einer Generation, die das Knochen- und Seelenwissen noch besaß. Und diese Generation hat keinen Nerv für:

Wellnesstempel

Hunde-Outfits

Lach-Yoga

Capital Bra

Antibakterielle Reiniger („Ein bisschen Dreck hat noch nie geschadet.“)

Handyglitzerhüllen

Handlettering („Kind, das haben wir in der Schule gelernt und hieß Schönschrift!“)

Instagram Filter

Proteinpulver

Einhorn-Badeinseln

Sternzeichen-Tattoos

Vanilla-Cupcake-Duftkerzen („Mach das aus. Davon bekomm‘ ich Kopfschmerzen.“)

Billigflüge

Schottergärten

Anti-Aging-Cremes Coffee to goo („Wer ist Kofi

Togo? Ein UN-Abgeordneter?“)

Meine Geschichte

Meine Großmütter habe ich nie kennengelernt. Ich kenne sie nur aus Erzählungen und von Bildern. Die eine Großmutter war eine imposante Gestalt. Sie bestand von Kopf bis Fuß aus drolligen Rundungen. Zeitweise geplagt von Depressionen, führte sie einen Gutshof, überdauerte finanzielle Engpässe, zog zwei Kinder groß und starb mit Ende 60. Die andere Großmutter verwandelte sich von einer gesunden Stadtpflanze zur mittellosen, ausgezehrten Flüchtlingsfrau. Bewältigte klaglos unaussprechliche Strapazen mit drei kleinen Kindern und starb kurz nach dem Krieg an Tuberkulose.

Meine Mutter, das ehemalige Flüchtlingskind, hat mich spät bekommen. Und deshalb wuchs ich etwas anders auf als meine Mitschüler. Wer nämlich einmal Hunger und Not erlebt hat, wirtschaftet anders. Was war also schon dabei, das eigene Kind in die alte Jeans des Bruders zu stecken? Viel, wie sich herausstellen sollte. Denn besagtes Kind sehnte sich nach einer Stonewashed Jeans. Und knöchelhohen „Adidas“, wenn wir schon dabei sind!

Sie lebte nach den alten Wegen, beobachtete Modetrends immer erst eine Weile und entschied dann, ob sie diesen folgen wollte. Während Müttern das Stillen abgewöhnt wurde, stillte sie eisern (trotz Abmahnung durch die Kinderkrankenschwester). Während Toastbrot die Esstische eroberte, buk sie ihr Sauerteigbrot. Während andere Kinder in der Pause eine Milchschnitte, ein „BIFI“ und „Capri-Sonne“ aus ihrem nagelneuen, glänzenden „Scout-Ranzen“ angelten, holte ich verschämt meine Dose mit einer Vollkornschnitte und einen Becher mit selbst gepresstem Apfelsaft aus meinem alten Lederranzen, den gefühlt 28 Geschwister vor mir genutzt hatten.

Während andere bei Erkältung „Wick MediNait“ eingeflößt bekamen, ließ sie uns über Kamillendämpfen inhalieren und mit Salbeitee gurgeln.

Ich lernte das alte Knochen- und Seelenwissen. Den Sommer verbrachte ich im Garten, erntete Erdbeeren, verkochte sie literweise zu Marmeladen. Wir pflückten im Frühjahr Brennnesseln für Ersatzspinat und Kräuter gegen verschiedene Unpässlichkeiten. Mit Kuchen wurde ich zur kranken Nachbarin geschickt und zum Spielen immer nach draußen. Das Leben fügte sich in den Rhythmus der Jahreszeiten. Und wenn das Leben schmerzhafte Bocksprünge machte, beteten wir.

Vor 14 Jahren wurde ich selbst Mutter. Das brachte meine Mutter zum Staunen, denn sie war der Meinung, Schwangerschaft und Sesshaftwerdung seien ganz und gar untypisch für mich. Die Jahre zuvor war ich unstet durch die Welt getingelt. Mal als Flugbegleiterin. Ein anderes Mal mit Rucksack auf dem Rücken. Ich war in der Welt zu Hause und hielt es selten länger als ein, zwei Jahre an einem Ort aus. Aber man ist ja nie nur eines, sondern vieles.

Ich war also nicht nur vergnügungssüchtige Weltenbummlerin, sondern sehnte mich nach einem Ort, an dem ich von Kopf bis Fuß zu Hause sein konnte. Ich traf meinen späteren Mann. Wir heirateten, stolperten über ein zu mietendes Häuschen auf dem Land und zogen ein. An die unansehnliche Fassade pflanzte ich Wilden Wein. Hellblaue Fliesen zierten das Bad, orangefarbene die Küche. Je hässlicher das Haus, desto interessanter die Herausforderung, es schön und wohnlich zu machen. Im Bad stellte ich Farne auf und legte den Boden mit bequemen Matten aus. In der Küche kochte ich Erdbeermarmelade und hoffte, der Duft würde von den orangefarbenen Wänden ablenken. Ich ging in Elternzeit. Wir entschieden uns für ein traditionelles Familienmodell. Nicht aus ideologischen, sondern aus rein praktischen Gründen. Wir waren zufrieden.

Als mein Mädchen zur Welt kam, stellte sich unsere Welt auf den Kopf. In jeder Hinsicht. Bleierne Müdigkeit und Hormonwallungen waren plötzlich neue Herausforderungen. Glückseligkeit bügelte so manche Unbill aus. Zwei Jahre später gesellte sich Mädchen Nr. 2 zu unserer Familie.

Mein Knochen- und Seelenwissen hatte seit meinen Teenagerjahren Winterschlaf gehalten. Aber mit den Geburten unserer Kinder erwachte es zu neuem Leben. Ich war zutiefst glücklich und zufrieden, die ersten Jahre für Heim und Garten und Kinder zuständig sein zu dürfen. Denn das eröffnete mir ganz neue, ungeahnte Handlungsspielräume.

Mit einem Patchworkkissen fing es an. Mal wieder besuchte ich mit meinen zwei kleinen Mädchen meine Eltern auf ihrem Bauernhof. Ich wühle gerne in alten Sachen, und auf einer meiner Erkundungsreisen durchs Haus entdeckte ich die Stoffrestekiste. Sie stand vergessen in einer Rumpelkammer, und als ich den Deckel öffnete, traf mich der Geruch vergangener Jahrzehnte wie ein Schlag. Alte Gardinen und Jeansreste. Hier ein Stück Trachtenstoff, der von einer Näharbeit in den 70ern übrig geblieben war. Eine alte Schürze, die Erinnerungen an unsere Hofküche hervorrief. Dort ein Modestoff aus den 50ern, an manchen Stellen ausgeblichen, weil er als Vorhang jahrelang in der Küche gehangen hatte. Meine Mutter warf nichts weg. Ich schob die Stoffe hin und her wie Puzzleteile, bis ich mit den Farb- und Musterkombinationen einverstanden war. Meine Mutter baute ihre alte Nähmaschine auf. Sie zeigte mir die einzelnen Arbeitsschritte, die so kompliziert gar nicht waren. Ich schnitt kleine Quadrate aus und verliebte mich in das Geräusch, das die Stoffschere macht, wenn sie durch Baumwollgewebe ratscht. Ich machte etwas mit meinen Händen! Aus Dingen, die 30 und 40 Jahre lang in einer Kiste auf Wiederverwertung gewartet hatten! Das fühlte sich zutiefst befriedigend an. Manchmal staunt man, welche Potenziale in einem selbst schlummern. Und in alten Dingen.

Das Patchworkkissen war die Initialzündung, die etwas Grundlegendes in mir weckte: die Erkenntnis, dass ich etwas mit meinen Händen schaffen kann aus Dingen, die ich bereits im Haus habe. Eine Tür war in mir aufgestoßen worden, zögerlich und neugierig trat ich ein. Der Patchworkschritt zog weitere Schritte nach sich. Größere. Mutigere. Ich wollte mehr von diesem beglückenden Gefühl der Selbstwirksamkeit!

Meine nächsten Projekte: Ich baute ein kleines Kräuterbeet an. Nähte einfache Kleidchen für meine Mädchen aus alten Bettbezügen. Strickte mir einen dicken, schiefen, kratzigen Schal, den ich nur einmal trug. Buk mein erstes Brot, das meine Familie mit höflicher Tapferkeit verzehrte. Organisierte meine Tiefkühltruhe. Mixte mein erstes Reinigungsmittel aus Soda und Seife. Reduzierte unseren Plastikmüll. Stellte Naturkosmetik her. Ich lernte, Löcher in Hosen und Socken zu stopfen. Und mit dem Flicken der Jeanslöcher reparierte ich das löchrige alte Band der Wissenskette, das ich einst achtlos weggeworfen hatte.

Ich baute mir meine Selbstständigkeit auf, sodass ich weiterhin in freier Zeiteinteilung von zu Hause aus arbeiten und wirken konnte. Einige Wochenenden im Monat reiste ich als freie Fotografin durch die Lande. Ich begann mit dem Schreiben, unterschrieb meinen ersten Buchvertrag und hielt Vorträge. Die Erwerbsarbeit taktete ich so, dass Zeit blieb fürs Brotbacken und Gärtnern, fürs Haushalten und Putzen, für Kinder und Freunde. Mit dem „Homemaking“ verdiene ich nichts im finanziellen Sinne, aber genau diese Tätigkeiten machen mich reich. Seitdem ich diese „Granny-Skills“ in meinem Leben kultiviere, komme ich bei mir selbst und in diesem Leben an. Meine Eltern stehen im vorletzten oder letzten Lebensjahrzehnt, es naht der Verlust einer inneren und äußeren Heimat. Ich empfinde eine Dringlichkeit, mir und meinen Lieben ein warmes Zuhause zu schaffen. Denn das ist es, wonach wir uns alle sehnen: einen Ort, an den wir gehören.

Deine Seele braucht einen Ort – dein Zuhause – wo sie zur Ruhe kommen kann.

Inmitten dieser harten und unsicheren Welt brauchen wir alle einen Platz, an dem wir weich landen. Ein Zuhause, einen sicheren Hafen. Die Slow Living Bewegung der letzten Jahre beweist, dass sich Menschen in dieser überfrachteten, komplexen Welt nach einem einfacheren Lebensstil sehnen.

Und doch hat das eigene Zuhause in den letzten Jahrzehnten in mancher Hinsicht eine Abwertung erlebt. Schleichend wurde es zum Schlafplatz umfunktioniert, einem Ort, an dem man sich abends vor den Fernseher fläzte und müde eine Pizza bestellte. Dort, wo man konsumierte und optimierte. Und sich von sich selbst und seinen Mitmenschen entfremdete. Für viele bedeutete die eigene Wohnung weniger einen Schutz- und Entfaltungsraum und immer mehr Menschen lebten nebeneinanderher. Aber dort, wo ich aufwuchs, war das anders. Man kannte sich. Man wusste immer, wo man sich notfalls ein bisschen Mehl oder ein Ei holen konnte. Keiner starb allein. Keiner litt allein. Die Türen waren offen. Irgendetwas wurde immer gekocht. Oder gebacken.

Ich möchte das Leben unserer Vorfahren nicht romantisieren. Für einige moderne Neuerungen bin ich überaus dankbar und sehne mich keineswegs danach, am Waschbrett zu schwitzen. Und an manchen Abenden, nach einem zehrenden Tag, ist ein Netflix-Marathon das einzig Vernünftige. Aber eines hatte die alte Generation uns voraus: Sie waren nicht von unendlichen Auswahlmöglichkeiten und Selbstoptimierungsappellen überwältigt. Sie litten weniger an der Epidemie der Einsamkeit. Perfektionismus war ein Fremdwort, genauso wie entfesselter Konsum und Leben über die eigenen Verhältnisse. Kaum einer besaß einen Terminkalender.

In meinem eigenen Terminkalender versuche ich, Menschen zu priorisieren (funktioniert nicht immer, aber ich bemühe mich). Das letzte Wochenende zum Beispiel war rot eingekreist. Blockiert. Für einen Besuch meiner Eltern bei uns. Freitagmorgen krochen sie über die Autobahn zu uns („Stell dir vor, Kind, dein Vater ist sogar einmal 140 gefahren!“). Kaum hatte meine 85-jährige Mutter die Küche betreten, raffte sie Energie und Röcke zusammen und nahm sich zwei große Schüsseln. Sie schritt ins Freie, auf die wilde Wiese hinter unserem Garten, und begann Brombeeren, Wildpflaumen und Klaräpfel zu pflücken. Ich ging ihr nach, zeigte ihr die besten Stellen, denn als Erbgutträgerin dieser Frau suche ich selbst täglich die wilde Wiese hinter unserem Garten auf und pflücke alles, was dort an Bäumen und Sträuchern zu verfaulen droht.

Es ist die uralte Bewegung, die bereits die Jäger und Sammler kannten und die uns in Knochen und Seele sitzt. Das Bücken und Pflücken. „Ploing, ploing“ fallen die Beeren in die Schüssel. Ein paar wandern in den Mund. Das Reden und Lachen und Staunen darüber, was sich in kurzer Zeit anhäuft. Blaue Berge von Brombeeren, duftende Klaräpfel und Wildpflaumen, die ein bisschen wie gemalt aussehen. Wenn die Hände beschäftigt sind, fällt das Reden leichter. Die Brombeeren lösen Erinnerungen aus:

Mutter erzählt von der Flucht. Das ist der traumatische Dreh- und Angelpunkt ihrer Lebensgeschichte. Acht Jahre war sie damals, 1945. Als die Rote Armee Breslau einkesselte und meine Großmutter ihre drei Kinder auf einem Schlitten im tiefsten Winter aus der Stadt zog. Sie wurden bei einer Familie nahe Dresden zwangseinquartiert. Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig.

„Wir gingen Brombeeren pflücken“, erinnert sich Mutter, während sie sich nach Beeren weit oben im Strauch reckt, „so wie wir jetzt. Und als wir in unsere Unterkunft zurückkehrten, setzte meine Mutter die Brombeeren auf, um daraus Kompott zu kochen. Sie hatte keinen Zucker. Frau Geschu (die ‚Gastmutter‘) ging nach nebenan, holte einen Schöpflöffel wertvollen Zucker und schüttete ihn wortlos in den Topf. Kind, das werde ich nie vergessen.“

Als wir dann später in die Küche zurückkommen, um unsere eigenen Brombeeren zu Kompott zu kochen, kann ich beim Süßen aus dem Vollen schöpfen: raffinierter Zucker, brauner Zucker, Stevia, Ahornsirup, Agavendicksaft und Honig.

Wir brauchen nicht nur altes Wissen, sondern auch alte Geschichten. Geschichten, Granny-Pragmatismus und die Wissenskette sind Bestandteile einer Revolution, mit der wir die Krankheiten unserer Zeit mildern können, und die in den eigenen vier Wänden anfängt:

•Wo wir uns und unsere Familien nähren.

•Wo wir Gemeinschaften bilden.

•Wo wir Gastfreundschaft üben.

•Wo wir alte Fähigkeiten wiederbeleben.

•Wo wir mit dem auskommen, was wir bereits haben.

•Wo wir Zufriedenheit und Dankbarkeit üben.

•Wo wir Musik machen, Brot backen, lesen, gärtnern, teilen, bauen und Schönes schaffen.

„Homemaking”

Hausarbeit steht der tieferen Erfüllung nicht im Weg. Sondern wird zum Boden, aus der diese Erfüllung wächst.

SHANNON HAYES1

Das englische Wort „Homemaking“ klingt so viel schöner als das harte deutsche Wort Hausarbeit, nicht wahr? Im deutschen Wort schwingt sture Pflichterfüllung mit. Arbeit, die es schnell hinter sich zu bringen gilt. Als ich mit meinen zwei kleinen Mädchen daheim war, mit Wischmopp und Kochlöffel als Zepter, heftete ich mir manchmal den Titel „Homemaker“ an. Das klang flotter. Nicht so fürchterlich kontrovers und altbacken. Das Wort „Homemaking“ fügt der gestrengen deutschen Hausfrauen-Gründlichkeit eine verspielte Komponente hinzu: das bewusste Gestalten eines Ortes mit allen Sinnen. Ein Ort, der heilt: uns. Unsere Beziehungen. Unsere Beziehung zur Erde.

Homemaking ist auch Putzen und Wäschewaschen, und zugleich ist es ein ökologischer und politischer Beitrag direkt an der Basis. Eine Graswurzelbewegung. Eine aktive Gegenbewegung zur entfesselten Konsumkultur. Weil wir weniger konsumieren und mehr gestalten. Unser Zuhause ist die Basis, wo wir in direkte Aktion treten und Veränderung bewirken können. Wo wir uns der Schöpfung zuwenden, indem wir gärtnern, Vorräte anlegen, Beziehungen pflegen, Zeit und Liebe in unsere Kinder investieren, Nachbarschaftshilfe leisten, Brot backen, uns weiterbilden, aktiv Müll reduzieren, Ausgaben kontrollieren.

Gesellschaft und Politik übersehen in ihrer Suche nach Lösungen ein gigantisches Kapital, das direkt vor ihren Füßen liegt: die Leistung der Hausfrauen und -männer. Die „Homemaker“. Die Entscheidung, von zu Hause aus zu arbeiten, darf kein Luxus sein, sondern ein anerkannter Gesellschaftsbeitrag, der von der Politik finanziell honoriert werden muss.

Unsere Wirtschaft misst sich an den Gütern, die sie produziert. Aber wir spüren noch eine andere Wahrheit – eine viel wichtigere – tief in uns: dass dieser Wirtschaftsbegriff unvollständig ist, wenn er nicht auch das unsichtbare Kapital, auf dem eine gesunde Gesellschaft und eine gesunde Umwelt fußen, miteinbezieht, nämlich heile Böden, sauberes Wasser, stabile Beziehungen und Nachbarschaften, genährte Freundschaften, Zeit für Erholung und für die Familie und für lebensspendende Aktivitäten wie Gärtnern, Ehrenämter, Kochen, Kunst, Musik. Das ist wahrer Reichtum. Nicht unser Börsenportfolio. Sondern das Leben, das in unseren eigenen vier Wänden und rund um uns herum pulsiert.

Der amerikanische Autor, Aktivist und Landwirt Wendell Berry hat viel über die lokale Ökonomie geschrieben. Unter anderem dies:

„Wir brauchen eine ‚neue Ökonomie‘. Jedoch eine, die auf Genügsamkeit und Sorgfalt, Sparsamkeit und Bewahrung fußt, nicht auf Übermaß und Verschwendung. Eine verschwenderische Wirtschaft ist von Natur aus hoffnungslos brutal und Krieg wird unvermeidbar zum Nebenprodukt. Was wir brauchen, ist eine Ökonomie des Friedens.“2

In unseren Häusern, Wohnungen, Nachbarschaften können wir als Homemaker eine lebensspendende Ökonomie aufbauen. Deren Merkmale sind – anders als in der entfesselten Wirtschaft – immateriell. Wendell Berry nennt sie: kulturgeborenes Wissen, Haltung und Kenntnisse, Zusammenhalt von Familien und Gemeinschaft, Zusammenarbeit in Familien und Gemeinschaft, kulturelle und religiöse Prinzipien wie z. B. Dankbarkeit für Gaben (göttliche oder natürliche), Bescheidenheit, Treue, Nächstenliebe und Nachbarschaftlichkeit.3

Nun ist es finanziell für die wenigsten Familien und Einzelpersonen machbar, dem wirtschaftlichen Aspekt des Lebens den Rücken zuzukehren und sich als Wald-Einsiedler neu zu erfinden. Für manche könnte es vielleicht eine Möglichkeit sein, die eigenen Ausgaben so weit zu reduzieren, dass nur noch einer von zwei Partnern außer Haus arbeiten gehen muss? Dass man als Einzelperson Arbeitszeit reduzieren könnte? Vielleicht ist ein früherer Renteneintritt eine Option oder für Alleinstehende der Anschluss an eine Gemeinschaft?

Es gibt nicht den einen Lebensentwurf, gerade in unserer Postmoderne nicht. Erst recht nicht gilt es, Errungenschaften des Feminismus zugrunde zu richten. Ganz im Gegenteil muss der Weg zu einem Leben als Homemaker nie im Gegensatz zum Feminismus stehen. Die Wahl einer Frau ist die Wahl einer Frau. Ob sie sich entschließt, außer Haus arbeiten zu gehen oder in die Familienarbeit zu starten. Nur muss diese Care-Arbeit sichtbar gemacht und ordentlich entlohnt werden. Auch die Männer müssen sich stärker emanzipieren und sich an der Homemaker-Front einbringen. Ich kenne genug Männer, die liebend gerne tauschen würden, aber den Schritt nicht wagen.

Wir müssen nicht in eine Kommune aufs Land ziehen, nur noch Kleidung aus Hanf tragen, Hühner selbst schlachten. Aber viele von uns haben ein stilles Verlangen nach den alten Fähigkeiten, nach guten, bodenständigen Werten unserer Großmütter und Großväter.

Viele haben ein stilles Verlangen nach den alten Fähigkeiten.

In welcher Lebenssituation du dich heute auch befindest: Du kannst lebensspendende Ökonomie und Granny-Pragmatismus in dein Leben integrieren. Ob du nun dein erstes Brot backst. Oder eine Extra-Portion Suppe für den kranken Nachbarn mitkochst. Oder Kräuter auf der Fensterbank anbaust. Oder dein Konsumverhalten überdenkst.

Homemaker haben viele Gesichter. Manche sind den ganzen Tag zu Hause, halten das Haus in Ordnung, kümmern sich um die Kinder, kochen und backen. Andere haben eine Erwerbstätigkeit, die sie von zu Hause ausführen, und können so nebenbei Haushalt und Garten führen. Wiederum andere sind die ganze Woche außer Haus, aber widmen sich am Wochenende dem Homemaking. Und andere wollen punktuell die alte Wissenskette wiederbeleben.

Allen ist eines gemeinsam: die Sehnsucht nach einem einfacheren Leben. Einem, in dem man nicht mehr nur Konsument ist, sondern zum aktiven Gestalter wird.

Gegenkulturell leben

„Sie brauchen Ihren Küchengarten nicht mehr. Jetzt gibt es Supermärkte und dort können Sie alles kaufen, was Sie möchten. Wer will sich denn noch mit dem Gemüseanbau und langwierigem Kochen plagen? Servieren Sie Ihrer Familie Konserven- und Tiefkühlkost – das ist die Zukunft!“

Gemeinsam mit anderen Landfrauen lauschte meine Mutter diesem Vortrag einer strammen Bäuerin bei einem Landfrauentag in den 1960er-Jahren. Sie glaubte sich verhört zu haben. Hauruck-Modernisierungen steht sie grundsätzlich skeptisch gegenüber und unterzieht sie einer harten Prüfung. (Nicht, dass sie sich allem Modernen verschloss – schließlich waren wir eine der ersten Familien im Dorf mit Mikrowelle – aber was gegen ihren Pragmatismus verstieß, wurde eiskalt abgeschmettert.) Nach der Rückkehr von diesem Landfrauentag stiefelte meine Mutter erst recht trotzig in ihren Garten und säte Möhren.

Die 60er-Jahre markierten eine Bruchstelle zwischen der alten Wissenskette und der Moderne. Der Zeitpunkt, als die Gesellschaft Altes aussortierte und sich gierig auf alles Neue stürzte (Babymilchpulver! Antibakterielle Reiniger! Polyesterkleidung!). So mancher Zeitgenosse ließ sich vom Konsum blenden, gab alte Bindungen auf, zog in die moderne Urbanität und verschrieb sich dem grenzenlosen Wirtschaftswachstum. Von der Rasanz der Entwicklungen überrollt, gelang es der Menschheit nicht, Regulierungen und Werte zu formulieren, die dem Fortschritt gesunde Grenzen setzten.

Wir haben uns ein System geschaffen, in dem wir verunsichert herumirren und nach Orientierung suchen. Der entfesselte Markt, der Klimawandel, der Überkonsum sind wie ein Geist, den man aus der Flasche gelassen hat und welchen man nun nicht mehr zurückstopfen kann. Es bedarf einer gemeinsamen Weltanstrengung, das Tempo und die Zerstörung zu drosseln.

Manchmal beobachte ich die bescheidene, genügsame Lebensweise der Alten. Die in nachbarschaftlicher Gemeinschaft leben und für die Essengehen ein seltener Luxus ist. Die eine stille Zufriedenheit ausstrahlen trotz allem Unfertigen, trotz so mancher Schicksalsschläge. Denen dieser eine Tag genügt und eine gute Mahlzeit und ein Buch und eine Stunde im Garten. Die noch nie etwas von Squid Game oder TikTok gehört haben. Die dem Nachbarn einen Besuch abstatten und nachmittags ein kleines Schläfchen halten.

Und wenn ich das so sehe, denke ich bei mir, wie anders die Welt aussähe, wenn noch viel mehr Menschen genau so leben und handeln würden. In stiller Zufriedenheit. Nicht weil sie alles haben. Sondern weil sie mit den Unfertigkeiten des Lebens versöhnt sind.

Sie sind mit Fähigkeiten ausgestattet, die ihnen größere Unabhängigkeit verschaffen. Wenn etwas kaputtgeht, wissen sie, wie man es repariert. Wenn der Baum im Garten voller Äpfel hängt, können sie die Ernte verwerten. Wenn man hustet, kennen sie hilfreiche Kräuter aus der Natur und kochen daraus Tee. Aus dem, was sie bereits haben, können sie etwas Neues machen. Sie haben nicht nur sich selbst, sondern auch immer den Nachbarn mit im Blick. (Und damit meine ich nicht den misstrauischen Polizistenblick.) Sie verfügen über ein Wertesystem, das nichts so schnell erschüttern kann.

Die bequemen Verlockungen der Moderne verführten uns dazu, aus einer uralten Kreislaufwirtschaft auszubrechen und ein lineares Verbrauchssystem zu schaffen, welches Erde und Mensch binnen weniger Jahrzehnte an den Rand des Ruins getrieben hat. Wir und unsere Welt wurden mit natürlichen Begrenzungen geschaffen. Warum glaubt man also immer noch an ein grenzenloses Wachstum?

Vielleicht hatten die Alten doch recht? Wenn sie nichts wegwarfen, genügsam lebten, die Löcher in den Socken stopften und ihre drei Hühner im Hinterhof hielten. Granny-Pragmatismus ist kein neues Lifestyle-Modell, dem wir nur so lange folgen, bis es nicht mehr hip ist. Sondern eine gegenkulturelle Notwendigkeit, eine dauerhafte Bewegung in eine bessere Zukunft, die dann vielleicht nicht mehr so bequem, aber dafür befriedigend, menschen- und umweltfreundlich ist.

Was Oma und Opa dir raten würden …

IN DEINEN 20ERN:

„Es ist ok, wenn du jetzt noch nicht weißt, was du vom Leben willst. Aber versuche es herauszufinden.“

„Probiere dich aus. Aber wertschätze deine Arbeit. Egal, wie gering sie ist.“

„Baue dir einen guten Freundeskreis auf und halte dich von Menschen fern, die dir nicht guttun.“

„Der Typ ist hübsch, aber er wird dir keine Zukunft bieten können.“

„Such dir einen Partner, der deine Werte und Ziele teilt.“

„Nur Gulasch schmeckt aufgewärmt. Aber keine Beziehung.“ „Ziehe nicht zu weit weg von deiner Familie. Du wirst sie brauchen.“

„Es ist großartig, dein erstes Geld zu verdienen. Aber du wirst dich später ärgern, wenn du es für unnütze Dinge verschleudert hast.“

„Lerne, mit Geld umzugehen. Lege es klug an. Spare, wo du kannst.“

„Zieh ein Unterhemd an, wenn es kalt ist.“