Wie alles kam - Henry James - E-Book

Wie alles kam E-Book

Henry James

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Beschreibung

Nach »Benvolio« ein weiterer Henry-James-Fund

Henry James ist der Meister psychologisch-realistischen Schreibens, sein Werk ein Gaumenschmaus erlesener Erzählkunst. Unverwechselbar geschmeidig im Stil, aber mit messerscharfem Blick enthüllt er die Beweggründe menschlichen Handelns. Dieser Band präsentiert fünf Kabinettstücke aus seinem erzählerischen Werk in deutscher Erstübersetzung.

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HENRY JAMES

Wie alles kam

Erzählungen

Aus dem Englischen übersetzt

von Ingrid Rein

Nachwort von Angela Schader

MANESSE VERLAG

ZÜRICH

GEORGINAS GRÜNDE

I

SiewarfragloseinaußergewöhnlichesMädchen,undwenneramEndedasGefühlhatte,erkennesieweder,nochversteheersie,soistesnichtweiterverwunderlich,dasserdiesesGefühlamAnfangerstrechthatte.DocheinGefühlhatteeramAnfang,daseramEndenichtmehrhatte:dassnämlichihreAußergewöhnlichkeitwieeinZauberaufihnwirkte,demer–nachdemdieUmständesieersteinmalsoinnigmiteinandervertrauthattenwerdenlassen–nichtzuwiderstehenunddenerauchnichtzubannenvermochte.ErhattedasseltsameGefühl(bisweilenarteteesgeradezuinPeinausunddurchzuckteseinefreudigeStimmung,bildlichgesprochen,mitderHeftigkeitplötzlicherNervenschmerzen),eswärefürsiebeidebesser,wennsieihreVerbindungkurzerhandlöstenundeinanderniewiedersähen.SpäterbezeichneteerdiesesGefühlalsVorahnung,undererinnertesichanzwei,dreiGelegenheiten,daerimBegriffgewesenwar,GeorginagegenübereineentsprechendeBemerkungzumachen.Natürlichtaterdasnie;dafürgabeseineMengeguterGründe.Werglücklichverliebtist,zeigtwenigNeigung,sichunangenehmenAufgabenzustellen,undRaymondBenyonwarglücklichverliebt,trotzbedrohlicherVorahnungen,trotzderAußergewöhnlichkeitseinerLiebstenundtrotzdesunerträglichrüdenVerhaltensihrerEltern.Siewareinhochgewachsenes,hübschesMädchenmitschönen,kühlblickendenAugenundeinemLächelnumdenMund,dessenwunderbarerLiebreizvieleswettmachte;ihrHaarwarvoneinemkastanienbraunenFarbton,denmannichtandersalshinreißendnennenkonnte,undsieschiensichmiteinerwürdevollenAnmutdurchsLebenzubewegen,alstanzesieeinaltmodischesMenuett.Gentlemen,diebeiderMarinedienen,habenGelegenheit,vielerleiFrauenkennenzulernen;siesindinderLage,dieDamenausNewYorkmitdenenausValparaísozuvergleichenundjeneausHalifaxmitdenenvomKapderGutenHoffnung.RaymondBenyonhattedieseGelegenheitengehabt,undalsjemand,derFrauendurchauszugetanwar,hatteerseineLektiongelernt;erwussteGeorginaGressiesVorzügezuwürdigen.SiesahauswieeineHerzogin–womitichnichtsagenwill,BenyonhätteinfremdenHafenstädtenmitHerzoginnenverkehrt–,undsienahmallessoernst.Daswarsehr schmeichelhaftfürdenjungenMann,derlediglichLeutnantwar,eingeteiltzumDienstaufderMarinewerftvonBrooklyn,derkeinenPennyaufderWeltbesaßaußerseinemSold,abereinevielköpfigeSchareinfacher,seefahrender,gottesfürchtigerVerwandterinNewHampshire,augenscheinlichbeträchtlichesTalent,einenglühenden,wennauchverstecktenEhrgeizundeinenleichtenSprachfehler.Erwareinhagerer,drahtigerjungerMann;seindunklesHaarwarglattunddünn,seinetwasblassesGesichtsanftundseineZügeebenmäßig.Hinundwiederstotterteereinwenigunderrötetedabei.Ichweißnicht,wieeranBordauftrat,dochanLand,inseinerZivilkleidung,dienichtordentlicherundgeschmackvollerhätteseinkönnen,umgabihnkaumnocheinHauchvonWindundWellen.ErwirktenichtwieeinSeemann,warwederbraun-nochrotgebranntundhattenichtdentypischenGangeinesMatrosen.NierückteerseineHosezurechtundführtesich,soweitmandiesbeurteilenkonnte,inseinerbescheidenen,aufmerksamenArtauchnichtwiejemandauf,derzubefehlengewohntwar.NatürlichhatteeralsSubalternoffizierohnediesmehrzugehorchen.Ersahaus,alsgingeereinersitzendenTätigkeitnach,undinderTatgalteralsausgesprochenintellektuell.Frauengegenüber,fürderenReizeersich,wiebereitsangedeutet,empfänglichzeigte,warersanftwieeinLamm;Männerngegenüberverhieltersichandersund,wieichglaube,durchauswieeinWolf,soferndieserforderlichwar.Erbewunderteseineschöne,anmaßendeHerzensköniginüberalles(ichwerdegleicherklären,warumichsieanmaßendnenne);tatsächlichsahernichtnurschwärmerisch,sondernauchbuchstäblichzuihrauf,dennsiewareinwinziges Stückchen größer als er.

Er hatte sie im Sommer zuvor auf der Piazza1 eines Hotels in Fort Hamilton kennengelernt, wohin er von Brooklyn mit einem Offizierskollegen in einem staubigen Einspänner gefahren war, um dort einen schrecklich heißen Sonntag zu verbringen – einen Tag von der Art, wie er auf der Marinewerft unerträglich war. Die Bekanntschaft war durch seinen Besuch in der Zwölften Straße am Neujahrstag erneuert worden – eine recht lange Zeit des Wartens auf einen Vorwand, doch bewies seine Geduld, dass es sich nicht nur um einen flüchtigen Eindruck gehandelt hatte. Die Bekanntschaft reifte dank des Umstands heran, dass er seinerseits eifrig alle sich bietenden Gelegenheiten für einen Besuch nutzte, mit denen die Vorsehung ihn, wie man einräumen muss, in der Tat nicht allzu freigebig bedachte, und folglich nahm Georgina nun seine Gedanken gänzlich und seine Zeit zu einem beträchtlichen Teil in Beschlag. Er war zweifellos in sie verliebt, doch konnte er sich nicht schmeicheln, dass auch sie in ihn verliebt war, obwohl sie (und das war sonderbar) bereit schien, sich seinetwegen mit ihrer Familie zu überwerfen. Er vermochte sich nicht vorzustellen, dass sie sich wirklich etwas aus ihm machte – sie war von Natur aus für eine viel bessere Partie ausersehen –, und er pflegte zu ihr zu sagen: «Ach, du machst dir nichts – es hat keinen Sinn, darum herumzureden – du machst dir in Wirklichkeit überhaupt nichts aus mir!» Worauf sie antwortete: «In Wirklichkeit? Du nimmst es sehr genau. Mir scheint es wirklich genug, wenn ich dir gestatte, eine meiner Fingerspitzen zu berühren!» Das war eine Weise, wie ihre Überheblichkeit sich äußerte. Eine andere war schlicht die Art, wie sie ihn oder andere Leute mit ihren harten, wunderbar blauen Augen ansah, wenn sie mit ihr sprachen – sie ruhig, ja belustigt ansah, mit einem Ausdruck, als erwäge sie, aus ihrem ureigenen Blickwinkel heraus, was sie gesagt haben könnten, und dann den Kopf abwandte oder ihnen den Rücken zudrehte, während sie, ohne sie einer Antwort zu würdigen, in ein kurzes, helles, beiläufiges Lachen ausbrach. Dies scheint vielleicht meiner Bemerkung von eben zu widersprechen, sie habe den jungen Marineleutnant ernst genommen. Was ich sagen will, ist, dass sie ihn anscheinend ernster nahm als alles andere. Einmal sagte sie zu ihm: «Wenigstens bist du kein Ladenbesitzer»; mit dieser Bezeichnung belegte sie gern die meisten der jungen Männer, die damals in der besten New Yorker Gesellschaft erfolgreich waren. Selbst wenn eine junge Dame eine recht unverblümte Art hat, allem und jedem gegenüber Gleichgültigkeit zu demonstrieren, erwartet man doch, dass sie den entsprechenden Ernst erkennen lässt, wenn sie einwilligt, dich zu heiraten. Im Übrigen wird meine Geschichte vermutlich hinreichend beleuchten, dass bei Georgina Gressie durchaus eine gewisse Überheblichkeit zu beobachten war. Sie bemerkte Benyon gegenüber einmal, es gehe ihn zwar nichts an, warum sie ihn mochte, es bereite ihr aber Vergnügen und mache ihr nichts aus, ihm zu sagen, dass der große Napoleon ihrer Meinung nach, bevor er berühmt wurde, bevor er den Oberbefehl über die Italienarmee erhielt, ein wenig ausgesehen haben müsse wie er; und sie entwarf mit wenigen Worten ein Bild Bonapartes, wie sie sich ihnzu Beginn seiner Laufbahn vorstellte klein, hager, blass, arm, intellektuell und eine großartige Zukunft vor Augen. Benyon fragte sich, ob er eine großartige Zukunft vor sich habe und was in aller Welt Georgina in den kommenden Jahren von ihm erwarte. Er fühlte sich durch den Vergleich geschmeichelt, er war ehrgeizig genug, um sich davon nicht einschüchtern zu lassen, und er vermutete, dass sie eine gewisse Ähnlichkeit zwischen sich und Kaiserin Josephine sah. Sie gäbe eine sehr gute Kaiserin ab. Das stimmte; Georgina war außerordentlich souverän. Dies mag auf den ersten Blick nicht unbedingt verständlicher erscheinen lassen, warum sie ihre Gunst einem Bewerber schenkte, der, oberflächlich betrachtet, nicht sehr originell und dessen Korsika eine langweilige neuenglische Hafenstadt war; später wurde jedoch klar, dass er sein kurzes Glück es war sehr kurz dem Widerstand ihres Vaters verdankte, ihres Vaters und ihrer Mutter und sogar ihrer Onkel und Tanten. In jenen Tagen nahmen in New York die einzelnen Mitglieder einer Familie recht regen Anteil an der Frage, welche Verbindungen eingegangen wurden, und das Haus Gressie betrachtete eine Verlobung zwischen der schönsten seiner Töchter und einem jungen Mann, der keiner einträglichen Tätigkeit nachging, mit Misstrauen. Georgina behauptete, sie mischten sich in fremde Angelegenheiten ein und seien vulgär. Auf diese Weise konnte sie ohne jegliche Skrupel ihre eigenen Leute opfern; und Mr Benyons Position verbesserte sich von dem Augenblick an, da Mr Gressie der schlecht beratene Mr Gressie dem Mädchen jeglichen Umgang mit ihm untersagte. In dieser Frage war Georgina ganz souverän sie würde sich nichts vorschreiben lassen. Als dann in dem Haus in der Zwölften Straße erwogen wurde, ob man sie vielleicht besser mit einer vertrauenswürdigen Freundin nach Europa schicken sollte, mit Mrs Portico zum Beispiel, die schon lange vorhatte, eine solche Reise zu unternehmen, und sich als Gefährtin ein junges Ding wünschte, das ihr, den Stoff aus Lehrbüchern und Kompendien noch frisch im Kopf, als Wissensquelle in Fragen der Geschichte und Geographie dienen sollte als dieser Plan, Georgina für eine Weile fortzuschicken, erörtert wurde, sagte sie unverzüglich zu Raymond Benyon: «O ja, ich werde dich heiraten!» Sie sagte das so beiläufig, dass er, so sehr er sie auch begehrte, beinahe versucht war zu erwidern: «Aber, meine Liebe, hast du dir das auch wirklich überlegt?»

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