Wie das Leben so spielt - Raymonde Graber - E-Book

Wie das Leben so spielt E-Book

Raymonde Graber

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Beschreibung

Eine Einladung von Fred, der Ausflug an Muttertag, gruseliger Nebel oder auch die Schuhe vom Nikolaus bergen Überraschungen, die dem Alltag entstammen und doch so ganz ungewöhnlich sein können. Geschichten zum Schmunzeln und Nachdenken, zum Abschalten oder einfach zum Zeitvertreib – die Schweizer Autorin Raymonde Graber weiß halt, wie das Leben so spielt …

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Edition Paashaas Verlag

Edition Paashaas Verlag

Autorin: Raymonde Graber-SchiltzOriginalausgabe Februar 2020 Covermotiv: Pixabay.com Cover designed by Michael Frädrich © Copyright Edition Paashaas Verlag www.verlag-epv.de ISBN: 978-3-96174-055-0

Die Handlung der Geschichten ist frei erfunden.

Sollte ein Ereignis oder ein Name im Buch erscheinen, welches bzw. welcher auf jemanden zutrifft, ist das ungewollter Zufall. Die Haftung jeglicher Art wird abgelehnt.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Wie das Leben so spielt

Geschichten zum

Schmunzeln und Nachdenken

Inhaltsübersicht

Einladung von Fred

6

Frühstück bei Steffi

11

Emil & Rin

21

Papier statt Plastik

25

Fühl dich wohl

29

Der Brief

43

Ups

48

Der coole Claudio

50

Ausflug an Muttertag

53

Der Blogger

57

Im Tannenwald

62

Mimi und der Krimi

66

Mars besucht Erde

70

Die Dose

94

Nebel

97

Der grüne Apfel

100

Reise an den Titisee

105

Der Spiegel

111

Das Kind

113

Wie das Leben so spielt

116

Lucky

122

Der Fischer

129

Das verschwundene Kleid

134

Der Gartenzwerg

139

Das Eichhörnchen

142

Erster Schnee

145

Die Schuhe vom Nikolaus

148

Lotta und die Liebe

151

Nick und der Rabe

165

Danksagung

169

Über die Autorin

170

Einladung von Fred

Eines Tages flatterte ein Brief ins Haus von meinem früheren Freund Fred. Das konnte ich am Absender erkennen. So eine Überraschung, ich hatte schon einige Jahre nichts mehr von ihm gehört. Ich riss den Brief mit zitternden Fingern auf und staunte.

Eine Einladung zu seinem Geburtstag kam zum Vorschein. Er wurde vierzig Jahre alt, wer hätte das gedacht. Ein Foto in schwarzweiß war aufgedruckt, er als Schuljunge und daneben ein Bild wie er jetzt aussah. Ich betrachtete lange sein markantes Gesicht, das ich anders in Erinnerung hatte. Kann ein Mensch sich so verändern? Bestimmt lag es an der modernen Frisur.

Die Feier würde bei ihm zu Hause stattfinden. Wahrscheinlich macht er ein Barbecue, sinnierte ich, denn es stand sonst nichts auf der Einladung. Ich notierte das Datum in meinem Handy und war sehr gespannt, wen er noch eingeladen hatte. Freunde und vor allem viele Freundinnen hatte Sonnyboy Fred immer gehabt.

Ich überlegte, ob ich meinen Freund mitnehmen sollte. Am Abend fragte ich ihn, aber er musste ausgerechnet an dem Tag arbeiten.

„Geh du doch hin“, sagte er fröhlich, „sonst wird es dir noch langweilig, so allein zu Hause.“

Ich küsste ihn zärtlich. Naja, langweilig wird mir nie, ich habe immer zu tun, dachte ich lächelnd.

Am letzten Tag im August war der Tag gekommen. Ich zog zu den Jeans meine weiße Bluse an. Ein Blick in den Spiegel – ich befand mich für gut. Zur Feier des Tages legte ich Schmuck an, den mein Freund mir mal geschenkt hatte. Er würde sagen: „Schatz, du siehst blendend aus mit deinen blonden Haaren.“ Hach, ich liebe seine Komplimente, nur schade, dass er jetzt nicht da war.

Mit dem Bus fuhr ich nun zu Fred, in freudiger Erwartung der Dinge ... Ich hoffte, das Haus rasch zu finden, denn die Sonne brannte ganz schön vom Himmel herunter. Mir war extrem heiß.

An der Haltestelle, die mein Handy mir vorgab, stieg ich aus. Das Navi zeigte noch fünfzig Meter an. Kein Problem, dachte ich.

Ich hatte mir ein modernes Haus mit Garten und Wiese vorgestellt, sah aber nirgends ein solches Haus in der Straße, das in Frage kam. Die Hausnummer passte auch nicht, denn die genannte Nummer 11 war ein Pflegeheim. Ich spazierte eine Weile hin und her. Dabei sah ich Menschen auf der Terrasse unter den riesigen Sonnen-schirmen sitzen. Ich bekam Durst und ging zu der Cafeteria vom Heim hinüber und holte mir ein kühles Wasser. Die Menschen begrüßten mich freundlich.

„Ist hier noch frei?“, fragte ich etwas unsicher.

„Klar ist hier frei“, antwortete jemand.

Endlich konnte ich meinen Beinen etwas Ruhe gönnen. Ich sah auf die Uhr, bald war es Mittag. Ich hörte Stimmen um die Ecke. Wahrscheinlich bekommen die Heimbewohner ihr Mittagessen, dachte ich. Ein köstlicher Essensgeruch lag in der Luft. Ich stand auf und ging mal nachsehen.

In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so gestaunt, da saßen Leute im Rollstuhl fröhlich zusammen. Frauen und Männer. Einige standen um einen großen Holzgrill herum, um Steaks und Würste auf der heißen Glut hin und her zu wenden.

Jemand rief meinen Namen: „Rosa wo bleibst du denn? Ich habe dich schon vermisst.“

Ich sah umher, um herauszufinden, wo die Stimme herkam. Dann bemerkte ich Fred ...

Er saß in einem Rollstuhl, lachte und sah mich an.

Mein Gott, der Frauenheld Fred im Rollstuhl. Ich atmete tief ein. Dann ging ich zu ihm.

„Ich freue mich, dich zu sehen, Rosa. Du bist schön und chic wie immer. Wie machst du das bloß?“

Ich schüttelte ihm die Hand, es hatte mir die Sprache verschlagen. Wer rechnet schon mit solch einem Empfang?

„Komm, setz dich, was willst du trinken? Wir haben auch verschiedene Salate zur Auswahl und wie du siehst, gibt es Gebratenes in allen Variationen. Magst du immer noch Poulet-Schenkel so gern?“

„Ja, Fred, ich esse eigentlich alles, außer Würmern und so.“

Fred lachte schallend. „Komm, setz dich zu mir, ich glaube, wir haben uns viel zu erzählen. Aber erst musst du essen, du hast sicher Hunger und Durst.“ Fred fing an, mir seine Gäste vorzustellen. Diese kamen aus allen Gegenden. Ich schüttelte unzählige Hände.

„Weißt du, Rosa, ich habe alle Bekannten zu meinem Geburtstag eingeladen, damit die Leute endlich wissen, wo ich jetzt wohne. Nach meinem Motorradunfall war ich sehr lange im Krankenhaus. Als die mich dort nicht mehr wollten, siedelte ich hierhin um. Ich werde nie mehr laufen können, aber ich habe die Depression überwunden, die mich fast in den Wahnsinn getrieben hätte. Ich bewege mich nun auf vier Rädern, das ist doch besser als gar nichts.“ Fred lächelte fast schelmisch. „Sorry, nun habe ich dich doch vom Essen ferngehalten. Komm, wir holen uns einige Köstlichkeiten, falls die Meute noch etwas übriggelassen hat.“

Das Essen war der Hammer, genau richtig bei dem schönen Wetter.

„Sag mal, was hättest du gemacht, wenn es geregnet hätte?“

„Ach, dann wären bestimmt nicht alle gekommen, und drinnen sitzt man auch schön gemütlich.“

„Das glaube ich dir gern“, lächelte ich. „Da ich nun weiß, wo du zu finden bist, kann ich dich öfters besuchen.“

„Das würde mich sehr freuen …“ Er sah mich etwas wehmütig an. Dann strahlten seine Augen wieder. „Habe ich dir das schon erzählt? Ich habe eine Single aufgenommen – ja, ich singe jetzt. Es kommt oft ein Chor ins Heim, um die Bewohner aufzuheitern. Naja, ich habe dann mal mitgesungen und wurde sozusagen von der Chorleiterin entdeckt.“

„Das freut mich für dich, du bist bestimmt sehr stolz, wo kann ich mir denn so eine CD kaufen?“

„Die gibt es auch drinnen am Tresen. Ich hoffe sehr, viele zu verkaufen, denn das Heim ist nicht billig. Auch wenn die Krankenkasse einen Teil übernimmt, reicht das Geld nicht.“

„Ich kann ja auf Facebook für dich werben.“

Fred lachte und zeigte wieder sein wunderschönes Zahnpasta-Lächeln. „Gute Idee, ich danke dir, Rosa. Nun muss ich mich aber noch ein wenig um die anderen Gäste kümmern. Bis nachher, du bleibst doch hoffentlich, es wird noch ein Eisbecher serviert. Den magst du doch?“ Und schon rollte er grinsend davon.

Ich ging in die Cafeteria und fragte nach der CD von Fred. Die Betreuerin war sehr freundlich. „Wollen Sie mal reinhören? Ich habe sie auf meinem Handy gespeichert.“

Das wollte ich gern. Eine leise Melodie ertönte. Dann sang Fred. Ich musste mich hinsetzen, so ergriffen war ich von dem Lied. Einfach sensationell.

Natürlich kaufte ich nicht nur eine einzige CD. Ich wollte eine mega Werbung starten. Auch erfuhr ich, dass die Chorleiterin und Fred ineinander verliebt waren. Ich gönnte ihm diese Liebe von Herzen.

Ob das Leben von Fred so verlaufen wäre, wenn er keinen Unfall gehabt hätte? Das steht in den Sternen.

Frühstück bei Steffi

Fünf Uhr früh. Ein Hahn krähte so laut er nur konnte.

Mary zog die Decke über den Kopf und grummelte etwas im Halbschlaf. Kaum war sie wieder eingenickt, riss sie ein lautes Brummen aus ihren Träumen.

„Natürlich, der Nachbar mit dem Rasenmäher! Wer sonst arbeitet so früh an einem Samstag, ich wollte ja unbedingt aufs Land umziehen“, murrte Mary. „Aber jetzt brauche ich zuerst einen Kaffee.“

Sie schwang ihre langen Beine aus dem Bett und trippelte barfuß zur Küche. Das Telefon schrillte in diesem Moment.

„Hey, Mary, hast du ausgeschlafen?“ Eine Antwort wartete der Anrufer erst gar nicht ab, sondern redete munter weiter. „Wie wäre es mit Frühstück bei Steffi? Ich hole dich ab.“

Es klang ja fast wie ein Befehl.

Mary räusperte sich: „Guten Morgen, Reto, okay, gib mir eine halbe Stunde.“

„Wer um Himmels Willen ist Steffi? Die kenne ich gar nicht“, flüsterte sie etwas verwundert.

Pünktlich fuhr Reto mit seinem Geländewagen vor. Er stieg aus und begrüsste seine Freundin fröhlich mit einem zärtlichen Kuss auf die Stirn. Mary lächelte, sie war gespannt, wohin Reto sie entführen wollte.

„Ach, ist das schön, Sonne, Ferien und mein Schatz dabei, du siehst übrigens bezaubernd aus“, rief er begeistert, während er den Motor wieder startete.

Marys Gesichtszüge entspannten sich etwas. Sie war erst vor einigen Wochen in das schmucke Dorf gezogen, ihre Stadtwohnung hatte ihr einfach nicht mehr gefallen, es gab zu viel negative Erinnerungen ... Nach einer komplizierten Liebesbeziehung hatte sie fast einen Nervenzusammenbruch erlitten.

Vom Dorf aus konnte sie bequem per Bus ihre Arbeitsstelle erreichen.

Den sympathischen Reto kannte sie noch nicht lange, erst seit dem Frühlingsfest, als er sie zum Tanzen aufgefordert hatte. Er tanzte wundervoll. Irgendwie auch deswegen hatte sie sich sofort verknallt.

Sein markantes Gesicht, die blauen Augen, seine Fröhlichkeit – es gefiel ihr einfach alles an diesem Mann. So hatte sie sich ihren Lebenspartner eigentlich immer vorgestellt.

Es muss Schicksal gewesen sein, ihm zu begegnen.

Marys Exfreund hatte sie nach Strich und Faden betrogen. Darum wollte sie es langsam angehen mit der neuen Freundschaft, nicht gleich alles überstürzen. Ihr Bauchgefühl riet ihr aber, Reto nie mehr gehen zu lassen.

Sie wünschte sich Kinder und ein gemütliches Zuhause, was sie selber nie hatte. Denn sie war in einem Heim groß geworden.

Mary hatte noch gar keine Ahnung, was und wo Reto arbeitete, auch wusste sie nicht, wo er wohnte. Sie kannte nur seine Handynummer, die hatte er ihr freudig beim Tanzfest auf ihren Arm geschrieben. Die verschnörkelten Ziffern glichen einem lustigen Tattoo.

Während der Fahrt redeten sie nicht viel, denn Reto musste sich auf die enge Straße konzentrieren, die steil bergauf führte.

Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Rastplatz auf. Reto bog von der Straße ab und parkte den Wagen unter einem Kastanienbaum, der etwas Schatten spendete.

„Du hast doch bestimmt Durst?“, meinte er und sah ihr tief in die Augen.

„Ja, du hast recht, ich habe in der Eile nicht mal Kaffee getrunken. Ohne den Koffeinkick gehe ich sonst nie aus dem Haus.“

Er nahm lachend ihre Hand und schlenderte mit ihr zum Eingang von Steffis Imbiss.

„Komm, mein Schatz, nimm Platz, was soll ich dir holen? Hunger hast du doch bestimmt auch.“

„Klar, ich habe Hunger wie ein Bär.“

Reto lächelte amüsiert. „Dann setz dich hin und warte bitte hier.“

Er ging zum Tresen, umarmte eine bestaussehende Frau sehr herzlich und flüsterte ihr etwas zu. Diese nickte und verschwand sofort in der Küche. Sie kehrte bald darauf wieder zurück und reichte Reto ein großes Tablett, beladen mit frischen Brötchen, Butter, Käse, Eiern und einer Schale mit verschiedenen leckeren Früchten garniert. Dieses Frühstück war die exklusive Luxusvariante des Hauses.

Mary staunte nicht schlecht, als ihr Freund das Tablett gekonnt mit einer Hand zu ihrem Tisch balancierte und es mit Schwung hinstellte, ohne dass der Kaffee überschwappte.

„Guten Appetit, meine liebe Mary, greif zu“, sagte er mit gedämpfter Stimme und setzte sich gut gelaunt zu ihr.

„Hm, das sieht ja fantastisch aus.“ Mary schnitt ein Vollkornbrötchen auf, bestrich es mit Butter und legte eine Käsescheibe dazwischen.

„Nun musst du mir von dir erzählen, ich kenne dich ja noch gar nicht so richtig“, sagte sie kleinlaut.

Hungrig biss sie in das Brötchen.

Reto lachte wieder und griff in seine Hosentasche. „Hier ist mein Ausweis, du darfst gern ein Foto machen davon, ... noch Fragen?“

„Ja, warum schaut diese Steffi denn andauernd zu uns rüber, ist sie eine Freundin von dir?“

Nun lachte Reto. „Wie kommst du denn darauf? Sie bewundert ganz bestimmt nur dich, denn du siehst einfach fabelhaft aus.“

„Danke, du Schmeichler, das Frühstück schmeckt mir übrigens ausgezeichnet. Es ist wirklich sehr gemütlich hier.“

Eine weiße Vase, gefüllt mit wunderschönen Rosen, stand auf dem Tresen. Menschen, die Blumen mögen, sind gute Menschen, dachte Mary verträumt.

Der Tresen glich einem riesigen Halbmond, um den die Gäste saßen und sich bedienen ließen. Es wurde viel geredet und gelacht, natürlich auch gegessen und getrunken.

Da Mary einen Einkaufsbummel mit ihrer Freundin geplant hatte, brachte Reto sie einige Stunden später in die Stadt.

„Soll ich euch begleiten?“, fragte er grinsend.

„Nein, nein, das schaffen wir schon. Du sagtest doch, dass du noch einiges an Büroarbeiten zu erledigen hast.“

„Ja, stimmt, aber wir könnten uns am Abend wieder treffen, damit wir uns noch besser kennenlernen. Was meinst du dazu? Ich koche uns was Feines, du weißt ja nun, wo ich wohne. Soll ich dich abholen?“

„Ich komme gern und nein danke, ich fahre mit dem Bus zurück. Die paar Schritte bis zu deiner Wohnung, werden mir guttun.“

„0kay, das freut mich. Ich verschwinde dann. Komm, lass dich umarmen.“

Sie wehrte sich nicht dagegen, seine Berührung tat gut. Sie spürte wie eine feine Röte ihr Gesicht bedeckte, darum drehte sie sich schnell um, winkte fröhlich und ging los.

Mary traf ihre Freundin wie verabredet im Kaufhaus.

„Hey, ich habe gehört, du warst bei Steffi, wie gefällt es dir dort?“

„Das Essen war sehr gut“, gab Mary zur Antwort.

Sie überlegte angestrengt: Woher weiß die das denn schon? Anscheinend ist diese Steffi sehr bekannt in der Gegend. Oder wollte ihre Freundin auf Reto anspielen? Sie sah im Geiste vor sich, wie Reto mit Steffi flüsterte, als er die Bestellung fürs Frühstück aufgegeben hatte und ganz plötzlich stieg Eifersucht bei ihr hoch. Na bravo, nun bin ich auch noch eifersüchtig auf diese Steffi und einen Mann, den ich kaum kenne. Irgendwie war ihre gute Laune verflogen.

„Mir geht es plötzlich nicht so gut,“ entschuldigte sie sich bei ihrer Freundin. „Verschieben wir doch unsere Shoppingtour.“

„Oh, das tut mir leid, dann treffen wir uns lieber nächste Woche wieder, so macht es keinen Spaß. Ich wünsche dir gute Besserung, meine Liebe.“

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, bis bald.“

Mary ging noch ein paar Lebensmittel einkaufen und erstand eine Flasche Rotwein. Den Wein wollte sie am Abend zu ihrer Verabredung mit Reto mitnehmen.

Der Kassierer sagte lächelnd: „Ich habe sie zufällig heute Morgen gesehen, das Frühstück ist einmalig bei Steffi, nicht wahr?“

„Sehr fein, ja“, hauchte Mary erstaunt.

Ich höre immer nur den Namen Steffi, dachte sie, das muss ja ein Wunderweib sein.

Zu Hause bekam sie ein Anfall von Putzwut – wie immer, wenn sie sich über etwas aufregte.

Am Abend war sie ruhiger geworden. Sie zog sich um und machte sich auf den Weg. Sie war inzwischen sehr gespannt auf ihr Date.

Der junge Mann empfing sie fröhlich, küsste sie freundschaftlich und bedankte sich herzlich für den Wein, sagte aber schnell: „Verzeih bitte, ich muss in die Küche nach dem Rechten sehen, geh doch einfach geradeaus ins Wohnzimmer und mach es dir bequem, ich bringe dir gleich einen kühlen Aperitif.“

Mary staunte nicht schlecht.

Den Tisch hatte Reto ganz exquisit gedeckt, wie in einem Sterne-Restaurant. Drei silberne Platzteller und zu einem Fächer gefaltete Servietten lagen bereit. Drei Gedecke, dachte Mary erstaunt. Er glaubte doch sicher nicht, dass ich meine Freundin mitbringen wollte.

Ein Kerzenständer aus glitzerndem Kristall stand auf dem runden Tisch, die hellblauen Kerzen spendeten sanftes Licht. Ein Gesteck mit farbigen Rosen schmückte das weiße Tischtuch, ihr feiner Duft vermischte sich mit dem appetitanregenden Geruch, der aus der Küche kam.

Mary nahm auf dem Sofa Platz und bewunderte die geschmackvolle Einrichtung.

Der Gastgeber rief: „Ich bin gleich bei dir, nur noch zwei Minuten.“

Die Türglocke erklang in dem Moment.

Gedämpfte Stimmen ertönten vom Flur her.

Plötzlich stand Steffi vor ihr, die Steffi aus Steffis Imbiss.

Sie trug ein enges feuerrotes Kleid mit tiefem Ausschnitt. Die Frau streckte ihr zur Begrüßung die Hand entgegen.

Mary erstarrte förmlich, sie vergaß ihre guten Manieren, der Schock war einfach zu groß, sie schnappte ihre Handtasche und rannte einfach an Steffi vorbei, hinaus an die frische Luft. Eine maßlose Traurigkeit durchströmte sie.

Steffi ist die Freundin von Reto, ... etwas anderes konnte sie nicht denken.

Sie lief nach Hause und warf sich weinend aufs Bett. Ein Dinner zu dritt, was hatte der Mensch sich nur dabei gedacht?

Im Traum sah sie Reto und sich, Hand in Hand am Strand sitzend und verträumt den schäumenden Wellen zuschauen, in dem Rauschen ertönte immer wieder ein Name: „Steffi, Steffi, Steffi“ ... Mary wälzte sich hin und her, bis sie schweißgebadet aufwachte.

Am Sonntagmorgen stand Reto mit einem riesigen Blumenstrauß vor ihrer Tür. „Wie geht es dir? Du siehst etwas blass aus.“

Mary war froh, dass er nicht gleich fragte, warum sie einfach so davon gestürmt war. Sie bat ihn in die Wohnung, dann sah sie ihn traurig an: „Ich wusste nicht, dass Steffi deine Freundin ist“, stotterte sie, „du bist so nett zu mir gewesen, aber als sie bei dir auftauchte, merkte ich, dass ich mir falsche Hoffnungen gemacht hatte. Ich weiß selber nicht was mit mir geschah.“

Reto musste sich setzen.

„Bitte stell die Blumen ins Wasser, sonst lassen sie den Kopf auch noch hängen. Und nun komm zu mir, ich merke, ich bin schuld an deinem Kummer.“

Zögernd nahm Mary Platz und sah Reto beschämt an. „Ich habe den Verdacht, dass du etwas nicht gewusst hast“, begann er. „Also, ich bin kein Casanova und jeder Mensch weiß, dass ich meine Mutter mit ihrem Vornamen anrede. Ich dachte, wir hätten darüber gesprochen, bitte verzeih mir.“

„Deine Mutter ... Steffi ist deine Mama? Aber sie sieht doch so jung aus, das kann doch gar nicht sein.“

„Doch, sie war noch sehr jung als ich geboren wurde. Mein Vater war damals Student, er wollte nicht heiraten und ist einfach abgehauen. Verstehst du nun? Ich hasse meinen Vater nicht, ich will ihn aber auch gar nicht kennenlernen. Meine Mutter liebe ich sehr, sie hat ihr Leben lang geschuftet, um mir mein Studium zu ermöglichen.“

Mary holte tief Luft. „Wie dumm von mir. Wie konnte ich mich nur so abscheulich benehmen? Ich war so enttäuscht, ich traue mich fast nicht, es zu sagen ... Ich war eifersüchtig.“

Reto kam näher und umarmte sie schweigend.

„Ich hoffe, deine Mutter kann mir verzeihen …“

„Das tut sie bestimmt, sie hat eine gute Menschenkenntnis und sie mag dich.“

„Bist du sicher?“, wagte Mary zu fragen.

„Ja, das bin ich. Sie ist so stolz auf ihr neues Lokal, das sie zusammen mit einem Koch führt. Die Leute kommen von weit und breit den Berg hinauf zum Essen. Es gibt nämlich auch Wanderwege bis zum Imbiss, so ist die Bude immer voll. Die beiden haben eine richtige Goldgrube.“

„Das kann ich mir vorstellen, es ist herrlich dort oben.“

Das Gesicht von Mary heiterte sich zusehends auf.

„Ich habe eine Idee“, sagte sie plötzlich strahlend, „bitte frag mal bei deiner Steffi nach, denn ich möchte sie gern an einem Abend einladen, falls sie Zeit hat zu kommen. Ich muss mich einfach in aller Form bei ihr entschuldigen, auch bei dir, mein Freund.“

„Warum aufschieben?“, lachte Reto, fahren wir doch heute Abend wieder auf den Berg und vergiss die Blumen nicht, am besten bunte Rosen, die mag meine Mutter besonders gern. Außerdem, du wirst es kaum glauben, sie hat heute Geburtstag.“

Mary konnte nicht anders, sie umarmte Reto und küsste ihn innig.

Eng umschlungen standen die beiden eine Weile still, nur ihre Herzen schlugen etwas schneller als sonst.

„Ich liebe dich“, flüsterte Reto. Sanft streichelte er über ihre langen blonden Haare.

---ENDE DER LESEPROBE---