Wie du lernst, ein Team zu leiten - Julie Zhuo - E-Book

Wie du lernst, ein Team zu leiten E-Book

Julie Zhuo

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Beschreibung

Herzlichen Glückwunsch, Sie sind eine Führungskraft! Nachdem die Sektkorken geknallt haben, Sie den glänzenden neuen Titel angenommen haben und in dieses aufregende neue Kapitel Ihrer Karriere eingetreten sind, dämmert es Ihnen womöglich: Sie haben keine Ahnung, was Sie jetzt tun sollen. Genau so fühlte sich Julie Zhuo, als sie im Alter von 25 Jahren zur Abteilungsleiterin befördert wurde. Sie starrte auf eine lange Liste von Aufgaben – von der Einstellung bis zur Entlassung, von der Besprechung bis zur Berichterstattung, von der Planung bis zum Pitching – und sah sich Tausend Fragen und Unsicherheiten gegenüber. Wie konnte sie die Arbeit ihres Teams gewinnbringend für das Unternehmen einsetzen? Wie ließen sich die Karrieren ihrer Mitarbeiter optimal befördern? Was war das Geheimnis, um in neuen und unerwarteten Situationen souverän zu führen? Inzwischen hat sie Teams mit Hunderten von Mitarbeitern geleitet und kennt die wichtigste Lektion von allen: Gute Führungskräfte werden gemacht, nicht geboren. Wenn Sie dieses Buch lesen, sind Sie bereits auf dem besten Weg. Wie du lernst, ein Team zu leiten ist ein moderner Ratgeber für all jene, die in ihrem Job Personalverantwortung tragen. Es ist vollgepackt mit praktischen Beispielen und umwälzenden Erkenntnissen, darunter: -Worin sich eine gute von einer durchschnittlichen Führungskraft unterscheidet -Wann Sie bei Personalentscheidungen auf Ihren Bauch hören sollten -Wie Sie wechselseitiges Vertrauen zu Ihren Mitarbeitenden aufbauen -Was zu tun ist, wenn Sie keinen Rat mehr wissen Ganz gleich, ob Sie zum ersten Mal Personalverantwortung übernehmen, schon Leitungserfahrung mitbringen oder eine Beförderung anstreben, dies ist das perfekte Handbuch, um die Art von Führungskraft zu werden, die Sie früher gerne gehabt hätten.

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Lobende Stimmen zu Wie du lernst, ein Team zu leiten: Der Crashkurs für neue Führungskräfte

»Wenn Sie das erste Mal Personalverantwortung übernehmen, haben Sie gewöhnlich zwei Probleme: Erstens wollen Sie auf keinen Fall zu den miserablen Vorgesetzten gehören, unter denen Sie selbst gelitten haben. Und zweitens wissen Sie nicht genau, wie Sie das vermeiden können. Dieses Buch ist die Antwort. Der clevere, pragmatische Ratgeber hilft Ihnen, Mission, Menschen und Methoden unter einen Hut zu bringen und von Anfang an Führungsqualität zu zeigen.«

Michael Bungay Stanier, Autor von The Coaching Habit

»Ich wünschte, ich hätte dieses Buch gelesen, bevor ich bei Instagram erstmals ein Team leitete. Julie Zhuo lässt keinen Aspekt aus, der für frischgebackene Führungskräfte interessant ist – von der ersten Begegnung mit ihrem Team bis zum gemeinsamen Erfolg.«

Mike Krieger, Mitgründer von Instagram

»Julie Zhuo musste schnell in ihre Rolle als Chefin hineinwachsen, da ihr im dynamischen Umfeld eines erfolgreichen Silicon-Valley-Start-ups laufend mehr Verantwortung übertragen wurde. In Wie du lernst, ein Team zu leiten verrät sie, was sie gelernt hat – oft auf die harte Tour. Sie kombiniert messerscharfe Analysen zur Funktion von Organisationen mit lebensnahen, nachvollziehbaren Beispielen dafür, wenn Theorie auf Praxis trifft, und mit Geschichten über Erfolg und Misserfolg.«

Gretchen Rubin, Autorin von Das Happiness-Projekt

»In einem Start-up haben es Nachwuchsführungskräfte meist schwer. Julie Zhuo gibt allen, die erstmals Personalverantwortung übernehmen sollen, die Werkzeuge an die Hand, die ihren Teams und ihren Unternehmen zum Erfolg verhelfen.«

Sam Altman, Präsident von YCombinator und CEO von OpenAI

»Julie Zhuos neues Buch schafft willkommene Abhilfe für die oft anachronistischen Lehren Peter Druckers, die heute noch durch Organisationen spuken. Ihre praktischen Tipps lassen nichts aus, von Coaching, Mentalität und Meetings über Beziehungen und Vorträge bis hin zur Persönlichkeitsentwicklung. Ob Neuling oder Veteran: Zhuos Buch hilft jeder Führungskraft, die gern die neuen Unternehmensspielregeln in einem Zeitalter verstehen möchte, in dem die Technologie zwar grenzenlose Kommunikation ermöglicht, es jedoch besonders erschwert, sich bei Teammitgliedern Gehör zu verschaffen.«

John Maeda, globaler Leiter Computational Design + Inclusion bei Automattic Inc.

»Julie Zhuo hat sich bei Facebook hochgearbeitet – von der Praktikantin bis zur Position des Vice President of Product Design, und zwar mit Intelligenz, Humor, Selbstbewusstsein und unablässigem Engagement, um ihre Teams und sich selbst zu optimieren. Wie du lernst, ein Team zu leiten verrät, wie sie das gemacht hat – und ob erfahrener Manager oder blutiger Anfänger, Sie wären verrückt, es nicht zu lesen.«

Jake Knapp, Autor von Sprint

»Wie du lernst, ein Team zu leiten ist ein hervorragender, leicht zugänglicher und umfassender Ratgeber für alle Aufsteiger in Funktionen mit Personalverantwortung. Wir würden ihn unserem Führungsnachwuchs bei Slack empfehlen und könnten uns gut vorstellen, dass er neue Standards setzt.«

Stewart Butterfield, CEO und Mitgründer von Slack

»Ich habe so oft erlebt, wie Nachwuchsführungskräfte in rasch wachsenden Unternehmen mit ihren neuen Aufgaben alleingelassen wurden. In Zukunft drücke ich ihnen dieses Buch in die Hand. Die praktischen Tipps sind für jeden Neuling ausgesprochen aufschlussreich – und für uns alte Hasen übrigens ebenso.«

Ev Williams, CEO von Medium und Mitgründer von Twitter

»Als Unternehmerin und CEO lese ich alle Wirtschaftsbücher. Dieses werde ich jedoch immer wieder zurate ziehen, wenn ich Unterstützung brauche, um mein Team voranzubringen. Es ist ein Manifest für Personalverantwortliche – ob im Start-up, im globalen Megakonzern oder in jeder Zwischenform.«

Brit Morin, Gründerin und CEO von Brit + Co.

»Sie sind neu in Ihrer Führungsrolle? Und Sie haben Lampenfieber? Keine Angst, Julie Zhuo steht Ihnen zur Seite. Sie übernahm eine Führungsfunktion in einem der größten Start-ups unserer Generation, als sie eigentlich noch nicht bereit dafür war, wuchs aber in ihren Job hinein. Und jetzt verrät sie Ihnen, wie das auch Ihnen gelingen kann. Durch die Konzentration auf drei wichtige Führungsthemen – Mission, Menschen und Methoden – setzt sie die richtigen Schwerpunkte für größtmöglichen Erfolg und Erfüllung. Dieses Buch bringt Sie dauerhaft auf Kurs.«

Daniel H. Pink, Autor von When und Drive

»Alle Fachbücher, die ich als Beraterin und später als CEO gelesen habe, hatten Männer geschrieben. Als geniale Hackerin, Amerikanerin der ersten Generation und junge Mutter eröffnet Julie Zhuo ganz neue Blickwinkel auf Führungsaufgaben. Dieses Buch bringt alles mit, was das Silicon Valley an Julie Zhuo zu schätzen weiß: Bescheidenheit, Inspiration und Scharfsinn.«

Leila Janah, CEO und Gründerin von Samasource und LXMI und Autorin von Give Work

»Julie Zhuo liest sich, als würde Ihnen eine gute Freundin bei einer Tasse Kaffee kluge Ratschläge geben – ihr Stil bricht mit dem Fachjargon und bringt auf den Punkt, wie Sie Ihr Team selbstbewusst leiten und zu Höchstleistungen anspornen können.«

Nir Eyal, Autor von Hooked

»Julie Zhuo gelingt es perfekt, die Rolle einer Führungskraft aufs Wesentliche herunterzubrechen. Fesselnd schildert sie all die peinlichen, komischen und qualvollen Momente ihrer ersten Führungserfahrungen und nimmt Sie mit auf eine faszinierende Reise. In klaren Worten beschreibt sie, wie Sie Wirkung erzielen und das Beste aus Ihrem Team herausholen können. Wenn Sie erstmals Personalverantwortung übernehmen, erfahren Sie, wie Sie sofort richtig einsteigen. Als erfahrene Teamleitung können Sie Ihre Leistungen verbessern!«

Logan Green, CEO und Mitgründer von Lyft

Julie Zhuo

Wie du lernst, ein Team zu leiten

Der Crashkurs für neue Führungskräfte

Aus dem Englischen von Petra Pyka

Originalausgabe

1. Auflage 2023

© 2023 by Yes Publishing – Pascale Breitenstein & Oliver Kuhn GbR

Türkenstraße 89, 80799 München

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2019 bei Portfolio, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC, unter dem Titel The Making of a Manager. What to Do When Everyone Looks to You. © 2019 by Julie Zhuo. All rights reserved.

Illustrationen: Pablo Stanley

Übersetzung: Petra Pyka

Redaktion: Rainer Weber

Umschlaggestaltung: Ivan Kurylenko (hortasar covers)

nach der Vorlage von Kimberly Glyder

Layout: Sabrina Bowers

Satz: Carsten Klein, Torgau

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-96905-225-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96905-226-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96905-227-3

Für Mike, mit dem ich dieses herrliche Leben wuppe

Inhalt

Einleitung Führungsqualität ist nicht angeboren

Erstes Kapitel Was ist Personalführung?

Zweites Kapitel Ihre Bewährungsfrist

Drittes Kapitel Wie man ein kleines Team leitet

Viertes Kapitel Die Kunst des Feedbacks

Fünftes Kapitel Selbstmanagement

Sechstes Kapitel Das perfekte Meeting

Siebtes Kapitel Wie man die richtigen Leute einstellt

Achtes Kapitel Wie man Arbeit erledigt

Neuntes Kapitel Wie Sie ein wachsendes Team leiten

Zehntes Kapitel Pflegen Sie die Kultur

Epilog 1 Prozent der Strecke ist geschafft

Dank

Anmerkungen

Einleitung Führungsqualität ist nicht angeboren

MYTHOS ...

… UND WIRKLICHKEIT

Ich kann mich noch sehr gut an das Gespräch erinnern, mit dem mich meine Chefin zur Vorgesetzten machte.

Für mich kam das so unerwartet, als wäre ich bei meiner täglichen Joggingrunde über einen Piratenschatz gestolpert. Oh, dachte ich, wie aufregend ist das denn!

Wir saßen in einem für zehn Personen ausgelegten Besprechungszimmer, jeder an einem Ende des Tisches. »Unser Team wächst«, meinte meine Chefin. »Wir müssen eine neue Leitungsfunktion besetzen, und Sie kommen doch mit allen gut aus. Was halten Sie davon?«

Ich war 25 und arbeitete bei einem Start-up. Alles, was ich über Führungspositionen wusste, ließ sich in zwei Worten zusammenfassen: Meetings und BEFÖRDERUNG. Und das war doch wohl eine Beförderung, oder? Jeder weiß doch: So ein Gespräch, das ist wie bei Harry Potter, wenn an einem düsteren, stürmischen Abend Hagrid an die Tür klopft – der erste Schritt in eine spannende, sinnerfüllte Zukunft. So eine Einladung konnte ich unmöglich ausschlagen.

Also sagte ich zu.

Erst später, als ich das Zimmer bereits verlassen hatte, kam bei mir an, was meine Chefin gesagt hatte. Ich käme mit allen gut aus. Aber es gehörte doch sicherlich mehr dazu, ein Team zu leiten. Nur was? Ich sollte es herausfinden.

Ich erinnere mich auch noch an mein erstes Zusammentreffen mit einem mir neuerdings direkt unterstellten Kollegen.

Ich kam fünf Minuten zu spät angehetzt und ärgerte mich über meine Unpünktlichkeit. Das fängt ja gut an, dachte ich.

Durch die Glastür sah ich ihn im Besprechungsraum sitzen – demselben, in dem ich kurz zuvor mit meiner Chefin gesprochen hatte. Seine Augen klebten am Handy. Am Vortag waren wir noch beide Produktdesigner für Softwareentwicklung im selben Team gewesen (wir nennen uns eigentlich nur »Designer«), hatten in unseren benachbarten Bürozellen gesessen und an unseren Projekten gearbeitet und uns dabei in rascher Folge die Feedback-Bälle zu unseren Entwicklungen zugeworfen. Nun war ich plötzlich seine Vorgesetzte.

Ich bin nicht nervös, redete ich mir ein. Wir werden uns sicher gut unterhalten. Worüber, wusste ich nicht genau. Ich wollte nur, dass sich dieses Gespräch normal anfühlte, so wie gestern oder vorgestern. Vielleicht würde er nicht gerade begeistert davon sein, dass ich jetzt seine Chefin war, aber zumindest sollte er kein Problem damit haben.

Ich bin nicht nervös.

Ich betrat den Raum. Er löste den Blick von seinem Handy. Den Ausdruck, den sein Gesicht annahm, werde ich nie vergessen. Er schaute so genervt drein wie ein Teenager, der dazu verdonnert wird, zur Pokémon-Geburtstagsparty seines 10-jährigen Cousins zu gehen.

»Hi«, sagte ich in möglichst neutralem Tonfall. »Also, äh, woran arbeitest du gerade?«

Der Widerwillen richtete sich in seiner Miene ein wie ein Bär zum Winterschlaf. Ich spürte die Schweißperlen auf meinem Gesicht. Das Blut hämmerte mir in den Ohren.

Als Designerin war ich nicht besser als er – und ich war weder intelligenter, noch hatte ich mehr Erfahrung. Sein Gesichtsausdruck raubte mir jede Illusion: Natürlich hatte er »ein Problem« damit, dass ich plötzlich seine Chefin war. Du hast ja keine Ahnung stand ihm so deutlich ins Gesicht geschrieben wie mit schwarzem Edding.

Und in diesem Moment fand ich: Er hatte vollkommen recht.

Dass ich es einmal zur Leiterin des Entwicklungsteams bei Facebook bringen würde, war in jeder Hinsicht äußerst unwahrscheinlich. Aufgewachsen in den engen Gassen Schanghais, hatte ich später in den stickigen Vororten Houstons gelebt – als Immigrantin, die weder Star Wars kannte noch Michael Jackson oder E.T. Als Heranwachsende hatte ich vom Silicon Valley gehört, den Begriff aber ganz wörtlich genommen. Ich stellte mir ordentlich zwischen zwei Bergketten aufgereihte Fabriken vor, in denen Siliziumchips produziert wurden – wie Schokoriegel. Und hätten Sie mich damals gefragt, was ein Designer macht, hätte ich gesagt: »Schöne Kleider entwerfen.«

Zwei Dinge wusste ich aber schon beizeiten – nämlich, dass ich gern zeichnete und baute. Es gibt ein Foto von mir, das mich mit acht Jahren am Weihnachtstag zeigt. Ich strahle darauf übers ganze Gesicht und halte das Geschenk hoch, das ich mir das ganze Jahr über so sehnlichst gewünscht hatte: ein neues Piraten-Lego-Set mitsamt einem Affen und einem Hai!

In der Mittelstufe tauschten meine beste Freundin Marie und ich zwischen den Unterrichtsstunden Hefte mit aufwendigen Zeichnungen aus. Auf der Highschool entdeckten wir die Magie von HTML. Damit konnten wir unser Hobby – Zeichnen und Bauen – zum perfekten Zeitvertreib kombinieren: Wir erstellten Websites, auf denen wir unsere Zeichnungen präsentierten. Meine Vorstellung von perfekten Schulferien war, wie besessen die neuesten Online-Tutorials über Photoshop zu verschlingen (»Wie man naturgetreue Hauttöne hinbekommt«) oder meine Website umzugestalten, um mit einem neuen JavaScript-Trick anzugeben (wie Links, die aufleuchteten, wenn der Mauszeiger drüberglitt).

Als ich nach Stanford kam, wusste ich, dass ich Informatik studieren wollte. Also belegte ich Kurse über Algorithmen und Datenbanken, um mich auf einen Job bei einem etablierten, glanzvollen Unternehmen wie Microsoft oder einem schrillen, aufstrebenden Start-up wie Google zu bewerben, wo viele frühere Kommilitoninnen und Kommilitonen gelandet waren. Doch in meinem zweiten Studienjahr wurde ganz Stanford von einem neuen Hype erfasst. »Stellt euch bloß mal vor«, hallte es aufgeregt durch Korridore und Mensa. »Eine Website, auf der man sich Fotos von dem coolen Typen aus der organischen Chemie ansehen oder mehr über die Lieblingsbands aller Leute aus dem Studentenwohnheim erfährt – oder kryptische Nachrichten auf den ›Wänden‹ von Freunden hinterlassen kann!«

Ich war angefixt. Facebook war anders als alles, was ich bisher ausprobiert hatte. Es fühlte sich lebendig an, wie eine dynamische Version unseres Studentenlebens, das sich in der Onlinewelt fortsetzte und ganz neue Möglichkeiten eröffnete, uns untereinander kennenzulernen.

Ich hatte gehört, dass Facebook von ein paar Studienabbrechern aus Harvard gegründet worden war, wusste aber nur wenig über Start-ups, bis ich in meinem letzten Studienjahr einen Kurs über Unternehmertum im Silicon Valley belegte. Da begriff ich: Das war das Land der hungrigen, verrückten Träumer, die mit ein bisschen Schützenhilfe von der guten Risikokapital-Fee Gelegenheit bekamen, ihre Version von der Zukunft aufzubauen. Es war das Land der Innovationen, geboren aus einer Mischung aus Gehirnschmalz, unerschütterlicher Entschlossenheit, dem richtigen Zeitpunkt und jeder Menge Klebeband.

Wenn ich mich in meinem Leben je in so einem Start-up ausprobieren wollte, warum nicht jetzt, solange ich noch jung war und nichts zu verlieren hatte? Und warum nicht mit einem Produkt, das ich jeden Tag nutzte und das mir viel bedeutete? Mein guter Freund Wayne Chang hatte sechs Monate zuvor bei Facebook angefangen und sprach von nichts anderem mehr. »Probier’s doch mal«, drängte er mich. »Mach wenigstens ein Praktikum, damit du einen Eindruck von dem Unternehmen bekommst.«

Ich hörte auf ihn und bewarb mich. Bald darauf fand ich mich an meinem ersten Tag als Facebooks erste technische Praktikantin in der mit Graffiti überzogenen Eingangshalle wieder. Damals hätte das ganze Unternehmen noch locker in einem Hinterhof Platz gehabt. News Feed war noch nicht einmal ein Konzept, und außer den jungen Leuten an den Highschools und Unis kannte den Dienst kein Mensch. In der Welt der sozialen Netzwerke gingen wir im großen Schatten von MySpace mit seinen 150 Millionen Nutzern unter.

Doch so klein wir waren, so groß waren unsere Träume. Wir programmierten bis spät in die Nacht, während Daft Punk aus den Lautsprechern dröhnte. Eines Tages, sagten wir uns vor, werden wir größer sein als MySpace – und dann, mit einem verlegenen Lachen, weil es sich so weltfremd anhörte –, irgendwann vernetzen wir die ganze Welt.

Nach zwei Monaten Praktikum beschloss ich, zu bleiben. Und weil ich mich aus der Zeit, als ich so viel gezeichnet hatte, mit Photoshop auskannte, schlug meine Freundin Ruchi Sanghvi vor, ich solle mich zu den Designern setzen und mitbestimmen, was auf den Bildschirm kam. Wie jetzt? Websites gestalten ist ein Beruf?, dachte ich. Na dann – ich bin dabei!

Weil wir ein so junges Unternehmen waren, dachte sich niemand etwas dabei, wenn ich mit eigenen Vorschlägen für neue Funktionen ankam. Damals war jeder für alles zuständig. Stellte sich ein Problem, lösten wir es, ob wir uns dabei mit Code oder Pixeln oder wieder mit Code befassen mussten. So übernahm ich eher zufällig als strategisch geplant eine neue Funktion als Designerin.

Drei Jahre später veränderte sich meine Rolle nach dem schicksalhaften Gespräch mit meiner Chefin erneut. Unser Designteam hatte sich beinahe verdoppelt, seit ich angefangen hatte. Nach meinen ersten Jahren in einem rasant wachsenden Start-up hatte ich gedacht, ich wäre an Veränderungen gewöhnt. Mit Neuerungen klarzukommen und die Dinge zu nehmen, wie sie kamen, war mir nicht fremd.

Was mir die neue Rolle als Vorgesetzte abverlangen würde, darauf war ich dennoch absolut nicht vorbereitet. Zunächst einmal leitete ich ein Team von Produktdesignern – ein Fachgebiet, von dem ich gar nicht wusste, dass es existierte, bevor ich in das Unternehmen eingetreten war. Zum anderen fühlten sich die mit der Personalverantwortung und der Teambildung verbundenen Aufgaben so ganz anders an als die Entwicklung von Benutzeroberflächen oder das Programmieren. In den ersten Monaten und Jahren kam mir das alles sehr neu und beängstigend vor.

Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal ein Vorstellungsgespräch führte, weil in meinem Team eine Stelle zu besetzen war. Obwohl ich doch klar die Oberhand hatte – ich war es, die die Fragen stellte, ich entschied am Ende darüber, ob jemand eingestellt wurde oder nicht –, zitterten mir die ganzen 45 Minuten lang die Hände. Was, wenn die Bewerberin meine Fragen doof fand? Was, wenn sie mich in meiner Rolle so wenig ernst nehmen konnte wie ich mich selbst? Was, wenn es mir nicht gelungen war, unser Team richtig in Szene zu setzen?

Ich erinnere mich auch noch daran, wie ich zum ersten Mal eine schlechte Nachricht überbringen musste. Wir starteten ein aufregendes neues Projekt, über dessen Möglichkeiten wir alle begeistert diskutiert hatten. Zwei Leute aus meinem Team hatten mir bereits Interesse an der Projektleitung signalisiert. Nun musste ich einem von beiden absagen. Ich übte zu Hause vor dem Badezimmerspiegel, was ich sagen würde, und malte mir die schrecklichsten Szenarien aus. Was, wenn ich die falsche Entscheidung traf? Zerstörte ich damit einen Traum? Würde der Betreffende mir frustriert die Kündigung auf den Tisch knallen?

Ich weiß auch noch, wie ich das erste Mal vor größerem Publikum sprechen musste. Auf der F8-Konferenz von Facebook sollte ich in einem Meer von weichen Polstern und Neonlicht die Arbeit der Designer präsentieren. Eine öffentliche Veranstaltung dieser Größenordnung hatten wir noch nie durchgeführt. Das war eine ganz große Sache. In den Wochen vor dem Ereignis ging ich meine Präsentation immer wieder bis ins letzte Detail durch. Ich wünschte mir so sehr, dass alles gut ablaufen würde, doch der Gedanke, vor so vielen Menschen zu sprechen, machte mir schreckliche Angst. Ich hatte meinen Vortrag zwar im wohlwollenden Kollegenkreis geübt, war aber trotzdem ein nervliches Wrack.

Nach meiner Erinnerung waren die drei Gefühle, die mich durch das Kabbelwasser meiner neuen Rolle begleiteten, in erster Linie Angst, Zweifel und die Frage: Spinne ich, weil ich fühle, was ich fühle? Um mich herum schien niemand solche Probleme zu haben. Bei den anderen sah alles so einfach aus.

Ich habe nie geglaubt, dass es einfach ist, Personalverantwortung zu tragen – bis heute nicht.

Inzwischen, fast zehn Jahre nachdem ich diesen Weg eingeschlagen habe, ist mein Team gleich um mehrere Größenordnungen gewachsen. Wir gestalten, was über zwei Milliarden Menschen erleben, wenn sie auf das blaue f-Symbol auf ihrem Handy tippen. Wir überlegen uns ganz genau, wie Menschen ihre Gedanken mitteilen, Kontakt zu Freunden halten, über Chats und Gefällt-mir-Kommentare interagieren und Gruppen bilden. Machen wir unseren Job richtig, dann fühlen sich Menschen auf der ganzen Welt – von Belgien bis Kenia, von Indien bis Argentinien – einander ein bisschen näher.

Im Grunde geht es bei gutem Produktdesign darum, die Menschen und ihre Bedürfnisse zu verstehen, um ihnen die optimalen Tools zur Verfügung zu stellen. Ich bin aus denselben Gründen gern Designerin, aus denen ich gern Führungsverantwortung trage: Für mich ist das die durch und durch menschliche Aufgabe, andere weiterzubringen.

Dabei bin ich keinesfalls Spezialistin für Führungsqualitäten. Ich habe mir diese mehr oder minder in der Praxis angeeignet und trotz bester Absichten unzählige Fehler gemacht. Aber so ist das im Leben: Man probiert etwas aus und stellt fest, was funktioniert und was nicht. Daraus lernt man für die Zukunft. Und wird besser. Bis alles wieder von vorne losgeht.

Ich hatte dabei auch viel Unterstützung in Form verschiedener hervorragender Weiterbildungsmaßnahmen für Führungskräfte (mein Favorit war ein Kurs über schwierige Gespräche), durch Artikel und Bücher, die ich immer wieder konsultiere (wie High Output Management und Wie man Freunde gewinnt), und vor allem durch meine Kolleginnen und Kollegen. Sie haben mich großzügig an ihren eigenen Erkenntnissen teilhaben lassen und mich dazu inspiriert, ständig an mir zu arbeiten. Ich hatte das Glück, mit Mark Zuckerberg, Sheryl Sandberg und vielen anderen früheren und aktuellen Mistreitern zusammenzuarbeiten, von denen ich viel lernen konnte.

Eine weitere Taktik im Rahmen meiner persönlichen Weiterentwicklung verfolge ich seit rund vier Jahren. Damals beschloss ich, einen Blog zu schreiben. Ich dachte, ich könnte den Wust an Gedanken, die in meinem Kopf Pingpong spielten, leichter ordnen, wenn ich mich einmal die Woche hinsetze und sortiere.

Ich nannte meinen Blog Das Jahr im Wunderland, denn wie für Alice galt auch für mich: »... jedenfalls weiß ich, wer ich war, als ich heute Morgen aufstand. Ich glaube aber, seitdem bin ich mehrere Male umgewandelt worden.«1 Ich stellte mir vor, wie ich irgendwann in ferner Zukunft auf meine Posts zurückschauen und mich an meinen Werdegang erinnern würde. Das waren die Dinge, die mir Probleme bereiteten. Und so habe ich dazugelernt.

Andere begannen, sich für meine Artikel zu interessieren, und leiteten sie an Freunde und Kollegen weiter. Plötzlich wurde ich auf Veranstaltungen und Konferenzen von Wildfremden angesprochen, die mit mir über Themen sprechen wollten, über die ich geschrieben hatte. Sie erklärten mir, wie ihnen die Analysen meiner Kämpfe weiterhalfen. Darunter waren viele Nachwuchsführungskräfte. Manche hatten auch schon mehr Erfahrung, aber mit ganz ähnlichen Herausforderungen bei Wachstum und Skalierung zu kämpfen. Andere trugen vorerst noch keine Personalverantwortung, liebäugelten aber damit.

»Sie sollten ein Buch schreiben«, hörte ich von manchen. Ich lachte nur. Das konnte nicht ihr Ernst sein! Ich hatte doch selbst noch so viel zu lernen. Irgendwann vielleicht, gegen Ende meiner Karriere, wenn ich das wahre Geheimnis echter Führungsqualität ergründet hatte, könnte ich mich in einen gemütlichen Sessel ans flackernde Kaminfeuer setzen und die Weisheiten niederschreiben, die ich bis dahin zusammengetragen hatte.

Das sagte ich auch einem Freund, doch der verdrehte nur die Augen. »Schon klar – aber wenn du erst mal so weit bist, wirst du dich nicht mehr daran erinnern, wie das am Anfang war, als sich alles noch neu und schwierig und verrückt anfühlte. Davon wirst du dann viel zu weit weg sein.« Das war nicht von der Hand zu weisen. Da draußen gibt es viele Managementbücher von namhaften CEOs und Führungsexperten. Für Führungskräfte, die gern effektiver werden möchten, indem sie sich über die neuesten Ergebnisse aus der Organisationsforschung oder die aktuellen betriebswirtschaftlichen Trends informieren, gibt es zahllose Ressourcen.

Dabei sind die meisten Führungskräfte gar keine CEOs oder andere Topmanager. Die allermeisten leiten kleinere Teams – manchmal nicht einmal direkt. Auf den Seiten von Forbes oder Fortune sucht man sie in aller Regel vergeblich. Trotzdem tragen sie Personalverantwortung und haben eine gemeinsame Aufgabe: Sie wollen einer Gruppe von Menschen dabei helfen, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Das können Lehrkräfte oder Schulleiter sein, Mannschaftskapitäne oder Trainer, Verwaltungskräfte oder Planer.

Als mir das im Kopf herumging, dachte ich: Vielleicht sollte ich dieses Buch doch schreiben, weil es für eine bestimmte Gruppe von Menschen gerade jetzt größere Relevanz hat. Nämlich für Nachwuchsführungskräfte, die ins kalte Wasser gestoßen wurden, für überforderte Teamleiter, die sich fragen, wie sie den ihnen unterstellten Mitarbeitern am besten unter die Arme greifen können, für Führungskräfte, deren Teams rasch wachsen, oder für Menschen, die Interesse an einem solchen Posten haben. Dazu gehörte auch ich vor Kurzem noch.

Ein Team zu leiten, ist keine einfache Sache, denn am Ende geht es dabei um Menschen, und wir alle sind nun einmal facettenreiche, komplexe Wesen. Ebenso wenig, wie es den einen richtigen Weg gibt, ein Mensch zu sein, gibt es den einen richtigen Weg, eine Gruppe von Menschen zu leiten.

Doch es ist die Zusammenarbeit in Teams, die die Welt voranbringt. So können wir weit größere, ehrgeizigere Ziele erreichen als jeder für sich. So werden Schlachten gewonnen, so wird Innovation vorangetrieben, so gelangen Organisationen zum Erfolg. So entstehen herausragende Leistungen.

Und ich bin felsenfest davon überzeugt: Gute Chefinnen und Chefs werden nicht geboren, sondern dazu gemacht. Dabei kommt es gar nicht darauf an, wer Sie sind. Wenn Sie sich die Mühe machen, dieses Buch zu lesen, dann liegt Ihnen auch daran, ein guter Vorgesetzter oder eine gute Vorgesetzte zu sein.

Liebe Leserinnern und Leser, ich hoffe, Sie finden in diesem Buch nützliche Tipps für Ihren beruflichen Alltag. Vor allem aber soll es Ihnen helfen zu begreifen, worum es bei der Personalführung eigentlich geht – denn nur dann können Sie sie auch zielführend umsetzen. Warum gibt es überhaupt Vorgesetzte? Warum sollten Sie das persönliche Gespräch mit den Ihnen unterstellten Kolleginnen und Kollegen suchen? Warum lieber Bewerberin A als Bewerber B einstellen? Warum machen so viele Vorgesetzte dieselben Fehler?

Manche der Geschichten und Sichtweisen, die ich hier schildere, sind typisch für das Umfeld, in dem ich arbeite – also ein Tech-Start-up, das zum Fortune-500-Unternehmen avancierte. Vielleicht müssen Sie ja nur alle heilige Zeiten jemanden Neues einstellen. Vielleicht nehmen Meetings in Ihrem Arbeitsalltag nicht so viel Raum ein. Doch in vielerlei Hinsicht gleicht sich das Tagesgeschäft einer Führungskraft überall: Feedback erteilen, für eine gesunde Unternehmenskultur sorgen, für die Zukunft planen.

Abschließend hoffe ich, dass dieses Buch für Sie zu einem Nachschlagewerk wird, das Sie in jeder beliebigen Reihenfolge lesen können, in dem Sie immer wieder zurückblättern und das Sie jederzeit noch einmal lesen können, wenn Sie bestimmte Aspekte Ihrer Funktion in einem neuen Licht betrachten.

Ich bin zwar Produktdesignerin, doch darum geht es in diesem Buch nicht. Sie werden darin keine tiefgreifenden Ausführungen darüber finden, was gutes Design ausmacht oder was ich von sozialen Medien halte. Ich will Ihnen auch nicht die Geschichte von Facebook erzählen.

In diesem Buch geht es darum, wie jemand ohne förmliche Ausbildung gelernt hat, als Führungskraft seinen Mann beziehungsweise ihre Frau zu stehen. Es ist das Buch, von dem ich mir wünschte, ich hätte es in meinen ersten Jahren gehabt, als mich so viele Ängste, Zweifel und die Befürchtung plagten, ich könnte durchdrehen.

Dieses Buch soll Ihnen sagen, dass Ihre Ängste und Zweifel völlig normal sind – und dass Sie, so wie ich, Ihren Weg finden werden.

Bereit? Dann los.

Erstes Kapitel Was ist Personalführung?

SO NICHT …

... SONDERN LIEBER SO

Im Mai 2006, als ich zu arbeiten anfing, war mir nicht klar, was ich alles nicht wusste.

Da Facebook damals ein soziales Netzwerk für Studenten und Studentinnen war, hielt ich mich einerseits – zumindest in mancher Hinsicht – für die ideale Bewerberin. Ich meine, wer kannte die Facebook-Klientel besser als eine frischgebackene Uniabsolventin wie ich? Ich wollte der Welt unbedingt meinen Stempel aufdrücken, und nichts konnte mich bremsen. Ich war weder durch institutionalisierte Dogmen vorbelastet noch durch tragische Fehlschläge. Ich hatte vier Jahre lang für Prüfungen gebüffelt, zahllose Arbeiten geschrieben und immer wieder die Nächte durchprogrammiert. Es machte mir daher nichts aus, hart zu arbeiten.

Andererseits hatte ich natürlich ein paar große Defizite – das größte davon war, dass ich so wenig Erfahrung vorweisen konnte. Wie in den meisten Start-ups ging es auch in unserem Team vor allem darum, die Dinge zu erledigen. Die Organisationshierarchie spielte keine Rolle. Eine offizielle Vorgesetzte hatte ich erst, als ich schon ein Jahr dabei war. Diese Funktion übernahm damals Rebekah, eine der dienstälteren Designerinnen aus unserem Team. Bis dahin hatten wir in einem lockeren Kollektiv zusammengearbeitet, in dem jeder aushalf, wo er gerade gebraucht wurde. Zwei Jahre später war ich plötzlich Chefin.

Ich hatte viel zu lernen. Doch wenn ich zurückdenke, wundere ich mich am meisten darüber, wie wenig Ahnung ich davon hatte, worum es beim Chefsein eigentlich ging.

Wir alle kennen gute und schlechte Chefinnen und Chefs, von James Bonds »M« bis zu Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte, von Katharine Graham von der Post bis zu Miranda Priestly aus Der Teufel trägt Prada. Vorgesetzte sind schließlich keine seltene, exotische Spezies. Die meisten Menschen haben welche. Ich weiß noch, wie meine Eltern – die im IT-Sektor beziehungsweise an der Börse arbeiteten – beim Abendessen erzählten, was ihre Vorgesetzten tagsüber gesagt oder getan hatten. Und ich hatte selbst Vorgesetzte gehabt, an denen ich mich orientieren konnte, als ich während meiner Schul- und Studienzeit nebenher jobbte.

Hätten Sie mich aber gefragt, was meiner Ansicht nach die Aufgabe von Vorgesetzten ist, bevor ich selbst zu diesem Kreis gehörte, hätte ich Folgendes geantwortet:

Die Aufgabe von Vorgesetzten besteht dariN:

sich mit ihren Teammitgliedern zusammenzusetzen, um diesen zu helfen, ihre Probleme zu lösen,

Rückmeldung dazu zu geben, was gut läuft und was nicht,

sich ein Bild davon zu machen, wer befördert und wer entlassen werden sollte.

Spulen wir drei Jahre vor. Nachdem ich diese Aufgabe jetzt schon eine ganze Weile wahrnehme, weiß ich etwas mehr darüber. Meine Antwort würde ich daher folgendermaßen abändern.

Die Aufgabe von Vorgesetzten besteht dariN:

ein Team aufzubauen, das gut zusammenarbeitet,

die Teammitglieder dabei zu unterstützen, ihre Karriereziele zu erreichen,

Prozesse zu entwickeln, um Aufgaben reibungslos und effizient zu erledigen.

Wie Sie sehen, haben sich meine Antworten von grundlegenden alltäglichen Dingen (Gespräche zu führen und Feedback zu erteilen) hin zu längerfristigen Zielen entwickelt (Teambildung und Karriereentwicklung). Meine Antworten hören sich heute schon intelligenter und erwachsener an. Tschakka!

Obwohl … so ganz stimmig sind sie immer noch nicht. Vielleicht denken Sie jetzt: Was hat sie denn? Die Antworten sind doch plausibel! Schließlich tun gute Vorgesetzte auf jeden Fall alles, was auf diesen beiden Listen steht.

Schon richtig – bloß, diese Antworten sind immer noch ein Sammelsurium verschiedener Tätigkeiten. Wenn ich Sie fragen würde: »Was ist die Aufgabe eines Fußballers?«, würden Sie dann sagen, am Training teilzunehmen, seinen Mannschaftskollegen den Ball zuzuspielen und zu versuchen, Tore zu schießen?

Natürlich nicht. Sie würden das nennen, worauf es in erster Linie ankommt. Sie würden sagen: »Ein Fußballspieler muss Spiele gewinnen.«

Und ein Vorgesetzter? Wer das nicht beantworten kann, der kann eigentlich auch nicht wissen, wie man eine gute Führungskraft wird.

Darum geht es in diesem ersten Kapitel.

Die Aufgabe eines Vorgesetzten in wenigen Worten

Stellen Sie sich vor, Sie wollen einen Limonadenstand eröffnen, weil Sie gern Limonade trinken und das für eine gute Geschäftsidee halten.

Am Anfang erscheint Ihnen recht klar, was Sie tun müssen. Sie gehen in den Laden und kaufen sich einen Sack Zitronen. Diese pressen Sie aus, geben ordentlich Zucker dazu und füllen das Ganze mit Wasser auf. Sie beschaffen sich einen Klapptisch und einen Liegestuhl, einen Krug, einen Kühler und ein paar Becher. Mit Kreide schreiben Sie in Schönschrift auf eine Tafel, was Sie Leckeres im Angebot haben (und zu welch günstigem Preis!) und dann suchen Sie sich eine Kreuzung mit viel Laufpublikum, wo Sie Ihren Stand aufbauen und sich freundlich bei den Passanten erkundigen, ob Sie etwas trinken möchten.

Solange Sie allein sind, ist das ganz einfach. Sie pressen die Zitronen eigenhändig aus, laufen vom Laden in die Küche und zu Ihrem Stand und schleppen den Krug und den Kühler mit. Ist die Kreideschrift auf der Tafel schlampig, sind Sie dafür verantwortlich. Ist Ihre Limonade zu süß oder zu sauer, geht das ebenfalls auf Ihre Kappe. Erledigt wird nur, worum Sie sich persönlich kümmern.

Glückes Geschick: Beyoncé bringt ein Album namens Lemonade auf den Markt, und schon reißen sich alle um Limonade! Für jeden, der Ihnen einen Becher abkauft, stehen schon zehn andere an Ihrem Stand Schlange und wollen das erfrischende nostalgische Getränk genießen. Sie kommen gar nicht mehr hinterher. Also beschließen Sie, Ihre Nachbarn, Henry und Eliza, um Hilfe zu bitten. Sie zahlen Ihnen einen ordentlichen Lohn, und als Gegenleistung arbeiten die beiden für Sie.

Gratuliere! Sie sind jetzt Führungskraft!

»Was denn sonst«, werden Sie jetzt sagen. »Ich habe die beiden angestellt und bezahle sie. Ich bin der CEO, der Chef, der Boss. Natürlich bin ich Führungskraft.«

In Wirklichkeit wären Sie aber auch eine Führungskraft, wenn Sie Ihre Nachbarn nicht beschäftigen oder bezahlen würden. Mit dem Beschäftigungsstatus hat das nämlich gar nichts zu tun, sondern einzig und allein mit dem Umstand, dass Sie nicht länger versuchen, alles selbst zu erledigen.

Mit drei Paar Händen und Füßen können Sie Ihre Limonade sehr viel schneller produzieren und verkaufen. Einer kann die Herstellung übernehmen, der andere das Geld kassieren. Sie können Schichten einführen und den Stand länger öffnen. Vielleicht haben Sie sogar genug Zeit, um sich nach billigeren Einkaufsmöglichkeiten für Ihre Zutaten umzusehen.

Gleichzeitig geben Sie aber Kontrolle aus der Hand. Künftig werden Sie nicht mehr jede Entscheidung selbst treffen. Wenn etwas schiefgeht, liegt das nicht unbedingt daran, was Sie tun oder lassen. Vergisst Eliza, Zucker zuzugeben, werden viele Kunden sauer. Verschreckt Henry Menschen mit seinem finsteren Blick, wird Ihr Stand nicht mehr so stark frequentiert.

Ihnen ist es das wert. Warum? Weil Sie noch genau dasselbe Ziel verfolgen wie ganz am Anfang: Sie mögen Limonade und halten einen Limonadenstand für eine tolle Geschäftsidee. Sie möchten, dass mehr Menschen Ihre Begeisterung für Ihr Lieblingsgetränk teilen, und mit Eliza und Henry rechnen Sie sich bessere Erfolgschancen aus.

Das ist die Krux eines Führungspostens: nämlich die Überzeugung, dass Sie im Team mehr erreichen können als allein, beziehungsweise die Erkenntnis, dass Sie nicht alles selbst erledigen müssen, nicht überall die Beste sein müssen, ja noch nicht einmal unbedingt wissen müssen, wie alles geht.

Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, eine Gruppe von Menschen, die zusammenarbeiten, zu besseren Ergebnissen anzuspornen.

Aus dieser einfachen Erklärung ergibt sich alles andere.

Was unterscheidet eine gute von einer durchschnittlichen Führungskraft?

Früher dachte ich, die Qualität von Vorgesetzten zu beurteilen gleiche der Entscheidung, ob Fünfzehnjährige geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu führen. Dazu müsste man eine Reihe von Prüfungen durchführen und nach jeder erfolgreichen Demonstration erforderlicher Fähigkeiten ein Häkchen setzen. Wie angesehen ist die Chefin bei anderen? Kann sie schwierige strategische Probleme lösen? Überzeugen ihre Präsentationen? Erledigt sie 20 wichtige Aufgaben am Tag? Beantwortet sie E-Mails, während sie am Kaffeeautomaten Schlange steht? Kann sie heikle Situationen entschärfen? Ist sie abschlusssicher? Und so weiter und so fort.

Das sind sicherlich alles positive Eigenschaften bei einer Führungskraft. Viele davon werden wir an anderer Stelle noch eingehender besprechen, doch der Lackmustest für echte Führungsqualität ist viel einfacher.

Wenn es wie oben dargelegt die Aufgabe einer Führungskraft ist, dass Menschen, die zusammenarbeiten, bessere Ergebnisse erzielen, dann wird das Team einer herausragenden Führungskraft beständig herausragende Ergebnisse liefern.

Soll das Ergebnis ein florierender Limonadenstand sein, wird das Team einer herausragenden Führungskraft mehr Gewinn erwirtschaften als das Team einer mittelmäßigen. Taugt die Führungskraft nichts, macht der Stand Verlust.

Will man erreichen, dass Kindern Wissen vermittelt wird, wird das Team einer großartigen Führungskraft die Schülerinnen und Schüler besser für ihre Zukunft rüsten als das Team einer durchschnittlichen. Unter schlechter Leitung wird es ihrem Team nicht gelingen, den Kindern die nötigen Grundlagen und Kenntnisse für ihre Zukunft zu vermitteln.

Peilen Sie dagegen im Ergebnis ein tolles Design an, dann wird das Team einer exzellenten Führungskraft zuverlässig Konzepte mit Wow-Effekt liefern. Das Team einer mittelmäßigen Führungskraft wird Leistungen bringen, die zwar brauchbar sind, aber niemanden vom Hocker reißen. Das Team einer schlechten Führungskraft wird immer wieder Vorschläge machen, bei denen Sie sich denken: Das müssten wir eigentlich besser können.

Andy Grove, Gründer und CEO von Intel und eine der Managementlegenden seiner Zeit, schrieb über Bewertungen, dass man »die Leistung der Arbeitseinheit« berücksichtigen sollte, »nicht nur die damit verbundene Aktivität. Natürlich beurteilt man einen Vertriebsmitarbeiter nach den Aufträgen, die er einholt (Leistung), und nicht nach den Anrufen, die er tätigt (Aktivität).«2

Sie mögen die intelligenteste, beliebteste und fleißigste Führungskraft der Welt sein – wenn Ihr Team nachweislich über längere Zeit immer wieder mittelmäßige Ergebnisse abliefert, dann können Sie leider objektiv nicht als herausragende Führungskraft gelten.

Abgesehen davon ist das zu einem beliebigen Zeitpunkt unter Umständen schwer zu beurteilen. So kann einer hervorragenden Führungskraft die Leitung eines neuen Teams übertragen werden, und weil sie Zeit braucht, das Team auf Vordermann zu bringen, hinken die Ergebnisse womöglich eine Zeit lang hinter den Erwartungen her. Eine schlechte Führungskraft könnte dagegen durchaus über mehrere Quartale hervorragende Ergebnisse liefern, weil sie ein fähiges Team übernommen oder so viel Termindruck gemacht hat, dass ihre Leute Überstunden schieben.

Mit der Zeit offenbart sich die Wahrheit immer. Die besten Leute sind selten bereit, jahrelang unter einer Chefin zu arbeiten, die sie schlecht behandelt – oder unter einem Vorgesetzten, den sie nicht respektieren. Fähige Führungskräfte sind allerdings so gut wie immer in der Lage, Teams, die zuvor schlechte Leistungen brachten, herumzureißen, wenn sie die nötigen Veränderungen vornehmen dürfen.

Seit sechs Jahren berichte ich nun – anders als zuvor – an Facebooks Chief Product Officer Chris Cox. In einem unserer ersten Gespräche, an das ich mich erinnere, fragte ich ihn, woran er die Leistung einer Führungskraft festmache. Lächelnd meinte er: »Ich habe da ein ganz einfaches System.« Zur Hälfte berücksichtigte er dabei die Ergebnisse meines Teams – erreichten wir das Ziel, wertvolle, benutzerfreundliche und handwerklich einwandfreie Designarbeit zu leisten? Die anderen 50 Prozent machten die Stärke und Zufriedenheit meines Teams aus – verstand ich es, die richtigen Leute einzustellen und aufzubauen? War die Stimmung in meinem Team positiv? Arbeiteten alle gut zusammen?

Beim ersten Kriterium geht es um die aktuellen Ergebnisse, die unser Team liefert. Das zweite Kriterium berücksichtigt, ob wir gut aufgestellt sind, um künftig Herausragendes zu leisten.

Ich habe dieses System für die Beurteilung der Führungskräfte in meinem Team übernommen. Im Beruf Herausragendes zu leisten bedeutet, langfristig zu denken und sich einen hervorragenden Ruf aufzubauen. Wie hoch es auch hergeht und wie viel Sie täglich um die Ohren haben, Sie dürfen darüber nie vergessen, was Ihre eigentliche Aufgabe ist: Ihrem Team zu helfen, hervorragende Ergebnisse zu erzielen.

Die drei Dinge, an die Führungskräfte den ganzen Tag denken

Wie kann ein Vorgesetzter einer Gruppe helfen, herausragende Ergebnisse zu erzielen?

Zunächst sind mir dazu gleich die täglichen Aufgaben in den Sinn gekommen: das nächste Meeting vorbereiten, ein Hindernis für die Erstellung eines Berichts beseitigen, den Ausführungsplan für den nächsten Monat erstellen.

J. Richard Hackman, der führende Forscher zum Thema, arbeitete 40 Jahre an der Antwort auf die eingangs gestellte Frage. Er untersuchte, wie Fachkräfte in Krankenhäusern, in Sinfonieorchestern und in den Cockpits von Verkehrsflugzeugen zusammenarbeiten. Eine seiner Schlussfolgerungen lautet, dass es schwieriger ist, als es aussieht, ein Team so zu führen, dass es gut funktioniert. »Forschungsergebnisse belegen immer wieder, dass Teams trotz all ihrer zusätzlichen Ressourcen unter ihren Möglichkeiten bleiben«, so Hackman. »Der Grund dafür sind Probleme mit der Koordination und der Motivation, die in aller Regel den Nutzen aus der Zusammenarbeit schmälern.«3

Hackmans Analysen ergeben fünf Voraussetzungen, die die Erfolgsaussichten eines Teams erhöhen: Es muss sich dabei um ein echtes Team (mit klar definierten Grenzen und stabilen Mitgliedern) handeln, das überzeugend geführt wird, konstruktiv aufgebaut ist, von der Organisation unterstützt und fachkundig angeleitet wird.4

Das entspricht auch meinen Beobachtungen. Ich glaube mittlerweile, dass sich die vielen Aufgaben, mit denen der Tag einer Führungskraft angefüllt ist, sauber in drei Kategorien einteilen lassen: Purpose, People und Process – Mission, Menschen und Methoden.

Die Mission, der Zweck Ihrer Bemühungen, ist das Ergebnis, das Ihr Team erreichen möchte und das man auch als das Warum bezeichnen könnte. Warum stehen Sie morgens auf und entscheiden sich, genau das zu tun, statt der Tausend anderen Dinge, die Sie stattdessen tun könnten? Warum widmen Sie Ihre Zeit und Kraft gerade diesem Ziel mit dieser bestimmten Gruppe? Inwiefern würde es die Welt verändern, wenn Ihr Team irrsinnig erfolgreich wäre? Jede und jeder im Team sollte ähnliche Vorstellungen davon haben, warum es auf die jeweilige Arbeit ankommt. Fehlt diese Mission oder ist sie nicht eindeutig, kann es zu Konflikten oder unterschiedlichen Erwartungen kommen.

Nehmen wir an, Ihre Vision ist ein Limonadenstand an jeder Straßenecke – erst in Ihrer Heimatstadt, dann im ganzen Land. Ihr Mitarbeiter Henry geht aber davon aus, dass Ihr Stand ein beliebter Treffpunkt für die Nachbarschaft sein soll. Er trifft Entscheidungen, die Sie für unwichtig oder ineffektiv halten. Er schafft Gartenstühle an und versucht, zur Limonade noch Pizza zu servieren. Um solche »Ausrichtungsfehler« zu vermeiden, müssen Sie dafür sorgen, dass Henry und die übrigen Mitglieder Ihres Teams dieselben Anliegen verfolgen wie Sie.

Allerdings können Sie nicht einfach einfordern, dass alle an Ihre Vision glauben. Hält Henry nichts von Ihrem großartigen Plan, an jeder Ecke einen Limonadenstand zu eröffnen, ist er nicht motiviert, Sie dabei zu unterstützen. Vielleicht engagiert er sich ja lieber für ein Projekt, das ihn mehr anspricht, wie die Billard-Pizzeria eine Straße weiter.

Ihre erste große Aufgabe als Führungskraft ist es, dafür zu sorgen, dass Ihr Team klare Vorstellungen vom Erfolg hat und sich dafür einsetzt. Wenn Sie alle dazu bringen wollen, die Mission Ihres Teams zu begreifen und daran zu glauben – ob es sich dabei um etwas so Konkretes handelt wie »jedem Kunden, der anruft, zu vermitteln, dass er gut betreut wird« oder etwas so Vages wie »die Welt näher zusammenzubringen« –, dann müssen Sie diese selbst verinnerlicht haben und überzeugt davon sein, und das bei jeder Gelegenheit demonstrieren: mit E-Mails zur Zielsetzung und Einzelgesprächen bis hin zur Veranstaltung großer Versammlungen.

Die nächste Kategorie, mit der sich Führungskräfte befassen, sind Menschen, auch ausgedrückt durch die Frage: Wer? Sind die Mitglieder Ihres Teams für den Erfolg gerüstet? Verfügen sie über die richtigen Kompetenzen? Sind sie motiviert, Herausragendes zu leisten?

Wenn Sie nicht die richtigen Leute für die Aufgabe haben oder ihnen nicht das richtige Umfeld bieten können, um ihr Potenzial zu entfalten, dann haben Sie ein Problem. Nehmen wir an, Eliza misst nicht die richtigen Mengen an Zitronensaft, Zucker und Wasser für Ihr Geheimrezept ab oder Henry bemüht sich nicht darum, die Kunden freundlich zu begrüßen, oder Ihnen mangelt es an Organisationstalent. Das alles steht dem Erfolg Ihres Limonadenstand entgegen. Wer Menschen richtig führen will, muss vertrauensvolle Beziehungen zu ihnen entwickeln, ihre Stärken und Schwächen kennen (und seine eigenen ebenfalls), jedem die richtigen Aufgaben zuweisen (und bei Bedarf Leute einstellen oder entlassen) und jeden Einzelnen zu Bestleistungen antreiben.

Die letzte Kategorie sind die Methoden, womit im Wesentlichen Arbeitsprozesse gemeint sind. Darunter ist zu verstehen, wie Ihr Team zusammenarbeitet. Selbst für das fähigste Team mit genauesten Vorstellungen vom Endziel kann die einfachste Aufgabe ungeheuer schwierig werden, wenn nicht klar ist, wie die einzelnen Mitglieder zusammenarbeiten sollen oder worin die Werte des Teams bestehen. Wer sollte was erledigen und bis wann? Nach welchen Prinzipien sind Entscheidungen zu treffen?

Wenn es beispielsweise Henrys Aufgabe ist, die Zutaten für die Limonade abzuholen, und Eliza ist dafür zuständig, die Limonade zuzubereiten, woher weiß Henry dann, wann er wieder in den Laden fahren soll? Und wie kommt Eliza an die Zutaten. Was sollen sie tun, wenn an einem besonders heißen Tag die Zitronen ausgehen? Gibt es dafür keine verlässlichen Vorgaben, werden Henry und Eliza unnötig Zeit für die Koordinierung von Abläufen und für die Behebung der unvermeidlichen Fehler aufwenden, die gemacht werden.

Viele reagieren allergisch auf Begriffe wie Methode, Arbeitsprozess und dergleichen. Ich hatte dabei immer das Bild von einem wandernden Gletscher vor Augen. Ich sah mich durch kniehohe Papierstapel waten, den Kalender voller stressiger Termine. In einer Welt ohne solche Prozesse, stellte ich mir vor, hätte ich die Freiheit, alles Nötige zu tun, um Dinge schnell zu erledigen – unbürokratisch, barrierefrei und ohne viel Aufwand.

Ein bisschen stimmt das auch. Wir haben ja bereits festgestellt: Arbeitet man allein, trifft man alle Entscheidungen selbst, nur eingeschränkt dadurch, wie schnell man denken und handeln kann.

Im Team lassen sich anstehende Arbeiten aber nicht koordinieren, ohne dafür eine gewisse Zeit aufzuwenden. Und je größer das Team, desto mehr Zeit ist erforderlich. Wir mögen noch so talentiert sein, Gedankenlesen gehört nicht zu den menschlichen Kernkompetenzen. Daher müssen wir in unserem Team gemeinsame Werte festlegen, an denen wir uns bei Entscheidungen und Problemen orientieren können. Wichtige methodische Abläufe, die Führungskräfte beherrschen müssen, sind unter anderem, wie man effektiv Meetings leitet, sich davor schützt, dieselben Fehler wieder zu begehen, in die Zukunft plant und für eine gesunde Unternehmenskultur sorgt.

Mission, Menschen, Methoden: warum, wer und wie. Eine herausragende Führungskraft fragt sich ständig, wie sie diese Hebel stellen kann, um das Ergebnis ihres Teams zu verbessern. Mit zunehmender Größe des Teams kommt es immer weniger darauf an, wie gut die Vorgesetzte die Arbeit selbst erledigen kann. Vielmehr geht es darum, welchen Multiplikatoreffekt sie auf ihr Team hat. Wie das in der Praxis funktioniert?

Angenommen, ich allein kann 20 Becher Limonade in der Stunde verkaufen.

Nehmen wir weiter an, Henry und Eliza können jeweils 15 Becher Limonade pro Stunde verkaufen.

Und gehen wir jetzt davon aus, wir alle arbeiten je vier Stunden täglich. Weil ich von uns allen am meisten Limonade verkaufe, liegt der Gedanke nahe, es wäre am effektivsten, mich ausschließlich am Stand einzusetzen. Dann würde ich pro Tag 80 Becher Limonade verkaufen und Henry und Eliza jeweils 60 Becher. Damit würde ich 40 Prozent zum Gesamtumsatz beitragen.

Könnte ich meine Zeit auch besser verwenden? Nehmen wir an, ich verbringe sie damit, Henry und Eliza zu zeigen, wie sie mehr Limonade verkaufen können. (Erzählt Limonadenwitze![1] Portioniert die Zutaten auf Vorrat! Schenkt immer gleich mehrere Becher ein!) Brauche ich für diese Schulungen 30 Stunden, entspräche das 600 Bechern Limonade, die ich in derselben Zeit hätte verkaufen können – ein schmerzhafter Verzicht.