Wie man eine Wahl gewinnt - Lorenz Brockmann - E-Book

Wie man eine Wahl gewinnt E-Book

Lorenz Brockmann

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wer eine Wahl gewinnen will, braucht eine durchdachte Strategie, eine klare und kluge Kampagne und ein starkes Team. Wahlkampf heißt Ausnahmezustand. Insbesondere in den Wochen vor der Wahl sind die strategischen, medialen und kommunikativen Anforderungen an Kandidaten enorm hoch. Wer hier mit einer strategischen Ausrichtung, mit klaren Strukturen im Team, und mit einer ansprechenden Kampagne in den Wahlkampf zieht, hat den entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Dieses Buch richtet sich direkt an Wahlkämpfer und Kandidaten und bietet mit den fünf Säulen einer Wahlkampfstrategie einen umfassenden und praxisnahen Leitfaden zur Strategieentwicklung. Neben zahlreichen Tipps zur Wahlkampf- führung enthält dieses Buch auch mehrere WORKSHOPS zur gezielten Arbeit an der eigenen Wahlkampfstrategie.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 227

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lorenz Brockmann

Wie man eine Wahl gewinnt.

Leitfaden für einen erfolgreichen Wahlkampf

Originalausgabe

Hardcoverausgabe: ISBN 978-3-938453-47-6

eISBN 978-3-938453-48-3

Veröffentlicht im abc Buchverlag Ltd.

September 2017

abc Buchverlag Ltd., Tübingen

Alle Rechte vorbehalten

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich geregelten Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung des Verlags und der betroffenen Autoren.

Umschlaggestaltung, Satz und Layout: Viktoria Beirer | Plus X

Lektorat: Karin und Rainer Brockmann

www.abc-verlag.de

www.lorenz-brockmann.de

Unser Land brauchtexzellente Politikerinnenund Politiker in den Rathäusernund in den Parlamenten.

Für sie habe ichdieses Buch geschrieben.

Lorenz Brockmann

Inhalt

Vorwort von Prof. Dr. Dietmar Till

Grußwort von Chris Kühn

Vorwort des Autors

Einführender Teil

1. Der Kampf um Zustimmung

Warum Wahlkämpfe immer professioneller werden (müssen)

2. Exkurs: Was ist eine Strategie?

Leitfaden zur Strategieentwicklung

3. Der Weg zur erfolgreichen Wahlkampfstrategie

4. Strategiebedarf

5. Die fünf Säulen der Wahlkampfstrategie

Leitfaden zur Strategieentwicklung

Erste Säule: Strukturen

Der Kandidat und sein Team

Zweite Säule: Positionierung

Zielgruppen

Imagelinie

Angriffslinie

Dritte Säule: Themen und Inhalte

Thematisches Profil

Ziele und Kernbotschaften

Vierte Säule: Ressourcen

Energie: Ehrenamtliche Unterstützung

Geld: Finanzplanung und Fundraising

Zeit: Wahlkampf-Fahrplan

Fünfte Säule: Wahlkampagne

Erscheinungsbild und Design

Der Slogan

Plakatkampagne

Online-Medien und Social Media

Printmedien

Tür-zu-Tür-Wahlkampf

Vorbemerkung

Hinweis zur Verwendung der männlichen Form

Sprache schafft Bewusstsein. Deshalb befürworte ich, wann immer möglich, die gleichberechtigte Verwendung der männlichen und der weiblichen Schreibweise. Zugunsten einer guten Lesbarkeit und aufgrund fehlender Alternativen habe ich mich nach reiflicher Überlegung entschieden, in der Regel die männliche Form (z.B. der Kandidat oder der Wahlkampfleiter) zu wählen und wenn möglich beide Geschlechter zu nennen (z.B. Kandidatinnen und Kandidaten). Bitte fühlen Sie sich als Frau immer gleichermaßen angesprochen.

Der Autor

Lorenz Brockmann ist Politikberater, Coach und Rhetorik-Trainer. Nach dem Abitur arbeitete er mehrere Jahre in der Spitzenhotellerie und studierte anschließend Allgemeine Rhetorik und Philosophie. Noch während des Studiums leitete er seinen ersten Wahlkampf und gründete eine Kommunikationsagentur. Seit 2011 begleitet er Kandidaten, Abgeordnete und Fraktionen der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. Lorenz Brockmann ist zudem Leiter der Rhetorik-Akademie Tübingen und Hochschuldozent für strategische Kommunikation. Er ist verheiratet und lebt in Tübingen.

Vorwort von Prof. Dr. Dietmar Till

Als Barack Obama am 4. November 2008 vor einem begeisterten Publikum im Grant Park der Millionenmetropole Chicago seine vielumjubelte Siegesrede hielt, richtete er gleich zu Beginn einen persönlichen Dank an seinen Kampagnenmanager David Plouffe: Zwar habe dieser nie im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gestanden, die erfolgreichste Wahlkampagne in der Geschichte der Vereinigten Staaten habe er aber maßgeblich verantwortet. Heute sind die im Hintergrund des Politikgeschäftes agierenden professionellen Politstrategen, Wahlkampfmanager und Spin-Doctors längst zentraler Bestandteil moderner Wahlkämpfe: Sie planen, strukturieren und organisieren, sind erster Ansprechpartner für den Kandidaten und verantworten die Gesamtstrategie der Kampagne. In unseren Zeiten digitaler Echtzeitmedien ist es für Kandidatinnen und Kandidaten kaum noch möglich, die vielfältigen Herausforderungen eines Wahlkampfes selbstständig zu bewältigen, ohne an die eigenen Kapazitätsgrenzen zu stoßen. Zu zahlreich sind die Fragen, zu umfangreich das Reservoir an potenziellen Fehlgriffen.

Bereits im antiken Rom erkannte der Bruder des legendären Meisterredners Marcus Tullius Cicero, Quintus Tullius Cicero, die Notwendigkeit eines Kampagnenratgebers, als er die Kandidatur seines Bruders mithilfe der ersten Wahlkampfbroschüre der Geschichte unterstützte: ‚Wie man eine Wahl gewinnt‘ lautet der moderne Titel dieses Werkes, das bis heute nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt hat. So schreibt der langjährige Politiker darin: „Der wichtigste Teil des Wahlkampfes besteht darin, in den Menschen Hoffnung zu entzünden und ihr Wohlwollen für dich zu gewinnen.“ Quintus lässt keinen Zweifel daran, dass Opportunismus, Flexibilität und Schmeichelei für ihn zu einem erfolgreichen Wahlkampf dazugehören, eine Kampagne also auch auf moralisch zweifelhafte Aktionen setzen darf. Das würden wir heute ethisch sicher kritischer beurteilen, auch wenn diese Techniken nach wie vor zum Grundinventar der Wahlkampftechniken gehören. Die Fähigkeit des Kandidaten, den Wählerinnen und Wählern seine eigenen Visionen zu vermitteln und Hoffnungen auf eine bessere Zukunft zu entzünden, zählen zu den zentralen Elementen überzeugender Wahlkämpfe. Die Ansprache geeigneter Zielgruppen gehört für Quintus ebenso zum Arsenal schlagkräftiger Kampagnen, wie der Aufbau eines vielfältigen Unterstützerumfelds, das alle bedeutsamen Wählergruppen abdeckt.

Der Aufstieg des modernen Wahlkampfes ist mit der Etablierung demokratischer Systeme und dem Aufstieg von Massenmedien und Konsumkultur verbunden. Peter Radunski, der in den 1970er Jahren unter dem damaligen CDUGeneralsekretär Kurt Biedenkopf arbeitete und 1983 den Wahlkampf des CDU-Vorsitzenden und späteren Bundeskanzlers Helmut Kohl managte, erinnert sich in seiner Autobiografie ‚Aus der politischen Kulisse‘ (2015): „Wer Wahlkampf als politisches Geschehen betrachtet, wird die Position der Wahlkampfmanager richtig einschätzen. Sie sind es nicht, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Gute Wahlkampfführung kann Wahlen gewinnen helfen, aber nicht Wahlen gewinnen. Die Geschichte von Wahlkämpfen zeigt, dass die Wahlkampfführung besonders bei knappen Ausgängen mitentscheidend sein kann.“ Radunski nennt drei Kompetenzen, über die ein moderner Wahlkampfmanager verfügen muss: 1. unmittelbarer Zugang zum Kandidaten und zu allen wichtigen Gremien der Partei; 2. Budgethoheit; 3. Möglichkeit, den Zeitplan der einzelnen WahlkampfMaßnahmen bestimmen zu können. Er macht dabei klar, dass die Planung des Wahlkampfes und die Erarbeitung einer erfolgsversprechenden Strategie nur die eine Seite des Wahlkampfgeschäftes sind – die andere besteht im kontinuierlichen Management ständig neuer Ereignisse, welche die Planungsseite immer wieder stören und zur Revision von Taktiken nötigen: „Wahlkampfführung ist nicht nur die Umsetzung geplanter Strategien. Wahlkampf ist beides: die geplante politische Präsentation der Politiker und Themen und die nicht geplante Reaktion auf neu eintretende politische Ereignisse und Themen.“

Die Kunst der modernen Wahlkampfführung hat sich zuerst in den USA entwickelt. Man spricht bisweilen mit Blick auf die Adaptation amerikanischer Wahlkampfstrategien – vielfach kritisch – von einer „Amerikanisierung“ des Wahlkampfes. Bereits Radunski, der von Kurt Biedenkopf schon 1974 in die USA geschickt wurde, um dort die Techniken des Wahlkampfes zu studierenden, wusste, dass dies eine Entwicklung ist, welche sich zutreffender als ‚Modernisierung‘ beschreiben lässt – und damit als eine globale Entwicklung, die nicht spezifisch ‚amerikanisch‘ ist, sondern ganz zentral mit der Entwicklung der modernen Massenmedien zu tun hat. Deshalb musste, wer in den 1970ern etwas über erfolgreiche Wahlkampfführung lernen wollte, die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten studieren.

Immer wieder haben Wahlkampfmanager Bücher – autobiographische Erinnerungen – verfasst, die Einblick zu geben vermögen in die ‚Black Box‘ des Wahlkampfes, in die Entscheidungsprozesse von Wahlkämpfern und das Ringen um die optimale Kommunikation des eigenen Parteianliegens. Und mancher Wahlkampfmanager tritt später vielleicht selbst als Kandidat an, wie etwa Robert Kennedy, der den Wahlkampf für seinen Bruder John F. Kennedy führte. David Plouffe veröffentlichte nach der erfolgreichen Kandidatur Obamas 2009 das Buch ‚The Audacity to Win‘, in dem er seine persönlichen Erfahrungen des Wahlkampfes Revue passieren lässt und bedeutende Momente der Kampagne aufarbeitet. Von besonderer Bedeutung sei die Kraft zwischenmenschlicher Gespräche gewesen, die sowohl von den Medien, als auch der politischen Konkurrenz nicht hinreichend beachtet wurde. Eine Armee von Volontären und ehrenamtlichen Unterstützern hätte tagtäglich daran gearbeitet, die Message der Obama-Kampagne an Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen weiterzugeben und damit einen wichtigen Anteil am Wahlsieg des Präsidenten geleistet. Der Psychologieprofessor Drew Westen legte 2008 mit ‚The Political Brain‘ eine psychologische Darstellung menschlicher Entscheidungsprozesse vor, die Erkenntnisse moderner Gehirnforschung für politische Kommunikation fruchtbar macht. Hierbei geht er am Beispiel demokratischer Wahlkämpfe der Frage nach, warum die Partei bei diversen Abstimmungen scheiterte und in welchen Bereichen Optimierungsbedarf besteht. Auch David Axelrod, der Obama als Kommunikationsberater assistierte, schrieb in seiner 2015 erschienenen Autobiographie ‚Believer‘ eigene Gedanken zur gelungenen Politikberatung nieder. Und in Frank Stauss’ hinreißend flott geschriebener Darstellung des Wahlkampfes 2005 mit dem sachlichen Titel ‚Höllenritt‘ kann man nachlesen, wie die SPD-Wahlkämpfer es durch eine kluge Wahlkampfführung erreichten, Gerhard Schröder fast zu einer dritten Amtszeit als Bundeskanzler zu verhelfen. Strategieüberlegungen spielen dabei im modernen Wahlkampf eine zentrale Rolle. Niemand hat das wohl klarer erkannt als Alistair Campbell, der 1997 für Tony Blairs ‚New Labour‘ den Wahlkampf managte und darüber gleich eine Serie seiner Tagebücher publiziert hat. Campbell hat dafür das Akronym OST geprägt: Objective, Strategy, Tactics. Politiker brauchen in Wahlkämpfen ein Ziel, eine klare politische Agenda. Die Wahlkampfteams müssen sich eine Strategie, also einen Plan ausdenken, wie diese Ziele in einzelnen kommunikativen Maßnahmen den Wählerinnen und Wählern vermittelt werden. Wahlkampf ist zugleich Kontingenzmanagement, denn die Teams müssen unvorhergesehene Ereignisse bewältigen, und in die Strategie einpassen. Nur so entsteht bei den Wählerinnen und Wählern ein überzeugender und geschlossener Eindruck.

Autobiographien und Geschichtsbücher, die ja stets zurückblicken, bilanzieren und die historischen Ereignisse einordnen, können allerdings die Frage letztlich nicht beantworten, wie man einen erfolgreichen Wahlkampf führt. Das vorliegende Buch schickt sich an, diese Lücke zu schließen. Es enthält einen Leitfaden zur erfolgreichen Kampagnenführung, der insbesondere konkrete Handlungsempfehlungen enthält, die unmittelbar umgesetzt werden können – auf allen Ebenen der Politik, von der Bundes- über die Landes- bis hin zur Kommunalebene. Lorenz Brockmann übersetzt nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse in ein praktisches Gerüst, das leicht verständlich und direkt anwendbar ist, sondern entwickelt zugleich eine fünfteilige Struktur unter der sich die relevanten Aspekte subsumieren lassen. ‚Wie man eine Wahl gewinnt‘ vermittelt – ganz im Geiste von Ciceros Bruder – dem Betrachter die notwendigen Tools und Techniken, um eine schlagkräftige Kampagne aufzubauen, Wähler zu überzeugen und Unterstützer zu mobilisieren. Man sollte sich dabei immer vor Augen halten, dass Wahlkampf ein Kernelement der Demokratie ist, ja geradezu ihre Krönung darstellt. Peter Radunski, der vom Wahlkampf als „Beitrag zur Stärkung der Demokratie“ spricht, schreibt: „Oft werden Wahlkämpfe als Tiefpunkte der Politik verstanden, weil Täuschung, Ablenkung und Verunglimpfung dominieren. Dabei können Wahlen ein Höhepunkt demokratischer Kultur sein; Wahlkampf verstanden als die Zeit, in der sich eine Nation über ihre Ziele, Werte und Perspektiven streitet und sich in der Wahlkampfentscheidung verständigt.“ Denn: „Wahlkämpfen heißt Politik machen.“

Dietmar Till

Professor für Allgemeine Rhetorik

an der Universität Tübingen

Grußwort von Chris Kühn

„Dort, wo Menschen sich hinter einer Idee versammeln, wird eine Idee wirkungsmächtig.“

An diesen Satz von Hannah Arendt muss ich in Wahlkampfzeiten oft denken. Er versinnbildlicht die Aufgabe, der sich Kandidaten und Parteien in Wahlkämpfen gegenübersehen: Menschen für sich und die eigenen Ideen zu gewinnen. In der Praxis bedeutet das oft einen enormen Kraftakt. Wir müssen dann alle Ressourcen mobilisieren und alle verfügbaren Kräfte, persönlich wie strukturell, bündeln.

Seitdem ich 1998 den ersten Wahlkampf als ehrenamtlicher Wahlkämpfer bestritten habe, hat sich enorm viel getan. Wir stehen an einer Zeitenwende, viele Dinge verändern sich in rasender Geschwindigkeit. Die Digitalisierung setzt den Wahlkampf massiv unter Druck. Aber auch die Geschwindigkeit, in der wir Informationen aufnehmen und darauf reagieren müssen, hat sich enorm beschleunigt. Durch die Themenvielfalt sind Wahlkämpfe unruhiger geworden.

Dieser Druck lastet auch auf den Ehrenamtlichen, die am Stand auf dem Marktplatz, in ihrer Funktion als Geschäftsführer eines Kreisverbands einer Partei oder in anderen Formen den Wahlkampf hauptsächlich bestreiten. Oft können sie der Informationsflut gar nicht mehr Herr werden. Diesen Aufgaben und Herausforderungen können Ehrenamtliche meiner Meinung nach nur begegnen, wenn sie auf professionelle Strukturen zurückgreifen können. Wahlkämpfe werden heutzutage schon eineinhalb Jahre vor der Wahl geplant. Freiwillige so lange motiviert zu halten schafft man nur, wenn man ihnen Orientierung gibt. Wo man früher Plakate kleben und Infostände organisieren musste, muss man heute Tür-zu-Tür-Wahlkampf machen, twittern, Town-Halls organisieren, Aktionen planen und unzähliges mehr. Professionelle Strukturen helfen, hier nicht den Überblick zu verlieren. Sonst kann Ehrenamt nicht mehr funktionieren.

Denn Ehrenamt, und das gilt nach wie vor, heißt, dass man gut arbeiten kann, dass man Spaß daran hat und positive Erfahrungen sammelt. Ehrenamt kostet nicht nur Zeit und Nerven, es gibt auch viel zurück. Damit die Lust am Ehrenamt nicht verloren geht, brauchen Ehrenamtliche professionelle Orientierung. Professionelle Orientierung bedeutet nicht, dass man ehrenamtlich Tätige zu Profis macht. Es bedeutet viel mehr, dass man ihnen z.B. vonseiten der Landesoder Bundespartei Hilfestellungen gibt wie Schulungen, Vernetzungstreffen, Handreichungen. Wenn jeder allein und ohne Orientierung sein eigenes Süppchen kocht, findet sich am Ende niemand im Wahlkampfdschungel zurecht. Dann gehen alle gemeinsam unter.

„Politik ist Organisation“ hat Franz Müntefering gesagt. Ich glaube er hat Recht. Dieses Buch kann helfen, genau die Orientierung zu geben, die Wahlkämpfe und Wahlkämpfende heutzutage brauchen. Dann können sie sich besser auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Menschen von Ideen zu überzeugen.

Chris Kühn

Mitglied des Bundestages

Bündnis 90 / Die Grünen

Vorwort des Autors

Die meisten Politikerinnen und Politiker sind wohl ganz glücklich über die Tatsache, dass sie nur alle vier, fünf oder acht Jahre einen Wahlkampf zu bestreiten haben. Mir geht es da anders. War ich über eine längere Zeit nicht in einen Wahlkampf involviert, war ich unglücklich. Ja, Wahlkampf kann süchtig machen. Deshalb habe ich beschlossen, meine Leidenschaft für Wahlkämpfe zum Beruf zu machen. Zusammen mit meinem Team war ich seit 2011 in fast 20 Wahlkämpfe und Kampagnen eingebunden, außerdem unterstützen wir Fraktionen, Landtags- und Bundestagsabgeordnete. Schon im Studium habe ich mich wissenschaftlich mit Wahlkampfstrategien beschäftigt. Die Frage, wie man eine Wahl gewinnt, beschäftigt mich nun seit fast zehn Jahren.

Was mein Team und mich jeden Tag antreibt, ist der Wunsch, den richtigen Menschen zu helfen, damit sie die richtigen Dinge tun können. Deshalb unterstützen wir auch nicht jeden, sondern haben klare Leitlinien und eine politische Orientierung. Wir wollen mit unserer Arbeit nicht weniger als die Welt besser machen. Deshalb unterstützen wir diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten, die ihr Amt ebenfalls dazu nutzen wollen, die Welt besser, gerechter, ökologischer und friedlicher zu machen, gleich ob sie das in ihrer Kommune als Gemeinderat, als Bürger- oder Oberbürgermeister oder in der Landes- oder Bundespolitik tun wollen. Unser Land braucht exzellente Politikerinnen und Politiker in den Rathäusern und in den Parlamenten. Genau für diese Menschen ist dieses Buch geschrieben.

Wer gestalten will,braucht Macht.

Wer politisch gestalten will, braucht dazu die Macht, die ihm vom Volk verliehen wird. Die Frage, was zuerst kommt, die Henne oder das Ei, ist hier schnell beantwortet. Erst müssen Sie die Wahl gewinnen, dann können Sie gestalten. In Wahlkämpfen geht es darum, vom Volk die Macht verliehen zu bekommen, um politisch zu gestalten. Macht ist die Bedingung für gutes Gestalten, deshalb ist Macht nichts unmoralisches, sondern notwendige Bedingung. Dieses Buch ist an genau dieser machtpolitischen Seite der Politik interessiert. Das soll aber nicht missverstanden werden. Politik ohne Inhalte ist abzulehnen, genau wie der bloße Machthunger und Machterhaltungstrieb von Politikern. In meiner politischen Beratungspraxis habe ich es mit sehr engagierten Menschen zu tun. Menschen, die in jungen Jahren angefangen haben, sich für Politik zu interessieren und irgendwann beschlossen haben, selbst etwas beizutragen. Sie alle haben klare Überzeugungen, die im Laufe der Jahre gereift sind. Sie alle wollen etwas bewirken. Und allen Vorurteilen zum Trotz: Die meisten von ihnen nehmen sich selbst gar nicht so wichtig.

Um es deutlich zu sagen: Wer politisch etwas bewirken will, braucht ein aufgeklärtes und wertneutrales Verhältnis zur Macht. Macht ist kein Wert an sich. Aber sie ist auch nicht per se als unmoralisch abzulehnen. Macht ist gut, wenn man sie zum Guten einsetzt.

Kommunikationist nicht planbar.

An dieser Stelle muss ich all jene enttäuschen, die glauben, in diesem Buch ein Geheimrezept oder eine magische Formel für Wahlerfolg zu finden. Kommunikation ist nicht planbar. Entgegen dem weit verbreiteten Irrglauben, der bis heute auch in Teilen der Wissenschaft besteht, gibt es keine Knöpfe, auf die Sie drücken können, um einen anderen schlagartig zu überzeugen. Dieses Buch sagt Ihnen nicht, wie Sie Ihre Wählerinnen und Wähler besser manipulieren können. Sie werden in diesem Buch keine einzige manipulative Technik erfahren. Denn oberstes Gebot für Rhetoriker und Wahlkämpfer ist der Respekt vor der freien Entscheidung des Anderen. Letztendlich entscheiden nicht Sie, Ihre Technik oder gar dieses Buch, wer die Wahl gewinnt, sondern der Wähler und nur der Wähler.

Die fünf Säulen derWahlkampfstrategie sindeine umfassende Systematikaus der Praxis für die Praxis,die alle strategierelevantenFaktoren beinhaltet.

Kernstück dieses Buches bildet das Modell der fünf Säulen einer Wahlkampfstrategie. Dies ist eine von meinem Team und mir entwickelte und mehrfach erprobte Systematik aus der Praxis für die Praxis. Auch die Erkenntnisse der Wissenschaft sollen einbezogen werden. Dabei ist bemerkenswert, dass, obwohl die Wahl- und Wahlkampfforschung zu einem der bestbespielten Forschungsfelder der Politikwissenschaft gehört, bislang keine umfassende, praxisorientierte Systematisierung von politischem Strategiewissen stattgefunden hat.1 Dem guten wissenschaftlichen Forschungsstand steht also eine erhebliche Lücke auf Seiten der praktischen und handlungsorientierten Literatur gegenüber. Dieses Buch hat nicht den Anspruch, diese Lücke zu schließen, es soll aber einen Beitrag dazu leisten, Wahlkämpfe und ihre Dynamiken besser zu verstehen und in der Folge professionellere Wahlkämpfe zu ermöglichen.

Das Modell der fünf Säulen einer Wahlkampfstrategie ist für die praktische Anwendung in Wahlkämpfen bestimmt. Diese Systematik umfasst alle strategierelevanten Faktoren und ermöglicht so eine Strukturierung und Konzeptualisierung von Strategiearbeit. Die fünf Säulen sind im Einzelnen:

Erste Säule: Strukturen. Wie Sie Ihr Wahlkampfteam zusammenstellen und sich selbst strukturell entlasten.

Zweite Säule: Positionierung. Wie Sie als Kandidat ein klares Profil und ein positives Image bekommen.

Dritte Säule: Themen und Inhalte. Wie Sie Ihre Themen strategisch wählen und klare Botschaften formulieren.

Vierte Säule: Ressourcen. Wie Sie gut mit Ihren knappen Gütern umgehen und wie Sie Zeit, Unterstützung und Geld effizient einsetzen.

Fünfte Säule: Wahlkampagne. Wie Sie mit einer klaren und klugen Kampagne Zustimmung erzeugen.

Dieses Buch richtet sich direkt an Kandidatinnen und Kandidaten. Deshalb werde ich Sie auch direkt ansprechen und Ihnen konkrete Hinweise geben. Besonders profitieren werden Kandidaten der Kommunalpolitik, insbesondere Bürgermeisterkandidaten, die kaum externe Vorgaben bekommen und so einen großen Gestaltungsraum vorfinden. Die Erarbeitung von Strukturen und die Konzeption einer eigenen Wahlkampagne sind für sie besondere Herausforderungen.

Im Hauptteil diesesBuches arbeiten SieSchritt für Schrittan IhrerWahlkampfstrategie.

In diesem Buch finden Sie im Rahmen der fünf Säulen einen Leitfaden zur Erarbeitung einer Wahlkampfstrategie. Diesen Leitfaden können Sie in den folgenden Kapiteln Schritt für Schritt selbst durcharbeiten. Dazu finden Sie den Kapiteln jeweils angehängt einen WORKSHOP-Teil, in dem Sie anhand von Leitfragen und Hinweisen fokussiert an Ihrer Wahlkampfstrategie arbeiten können. Dabei ist es nicht wichtig, in welcher Reihenfolge Sie Ihre Strategie erarbeiten. Wenn Sie einen Engpass in Ihrem derzeit laufenden Wahlkampf haben, können Sie dieses Kapitel vorziehen. Oftmals ergeben sich aber Querverbindungen, manchmal ist die Vorarbeit aus vorangegangenen Kapiteln erforderlich. Wenn Sie für Ihren Wahlkampf noch ausreichend Zeit haben, empfehle ich Ihnen, Ihre Strategie anhand der hier vorliegenden Reihenfolge zu erarbeiten.

Der einführende Teilverschafft einen Überblicküber die theoretischenGrundlagen. Der reinpraktisch orientierteLeser kann diesen Teilüberspringen.

In vielen Fach- und Sachbüchern vermisse ich die begriffliche Klarheit und die Einbettung in Gesamtzusammenhänge. Deshalb möchte ich im einführenden Teil dieses Buches einige Vorüberlegungen anstellen und die Grundlagen für den praktischen Teil herleiten. Den fünf Säulen der Wahlkampfstrategie sind hier die Fragen vorangestellt, warum Wahlkämpfe immer professioneller werden (müssen) und was eine Strategie überhaupt ist. Dazu werden die Veränderungen und Faktoren hergeleitet, aufgrund derer sich ein Mehrbedarf an Strategie und professioneller Wahlkampfführung ergibt. Für die Frage nach dem Wesen einer Strategie machen wir einen Exkurs in die Wissenschaft. Als rein praktisch orientierter Leser können Sie zur Arbeit an Ihrer Wahlkampfstrategie direkt in den Hauptteil des Buches einsteigen und die Vorüberlegungen im einführenden Teil überspringen.

Im Hauptteil, dem Leitfaden zur Erarbeitung Ihrer Wahlkampfstrategie, erhalten Sie zunächst unter „Der Weg zur erfolgreichen Wahlkampfstrategie“ einige Hinweise zur optimalen Strategiearbeit. Zur Vorbereitung ermitteln Sie zunächst Ihren persönlichen Strategiebedarf, um zu erfahren, wie intensiv Sie an Ihrer Strategie arbeiten sollten und ob Sie sich professionell unterstützen lassen sollten. Wenn Sie nach viel Detailarbeit und vielen strategischen Überlegungen Ihre Arbeit zusammengefasst und in eine Form gebracht haben, erhalten Sie abschließend eine Checkliste mit elf Punkten, an denen Sie eine fundierte Wahlkampfstrategie erkennen.

Wahlkämpfe sind intensive, beanspruchende und spannende Zeiten. Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit Freude und Leichtigkeit Ihre Ziele verfolgen und interessante Erfahrungen sammeln können.

Lorenz Brockmann

Tübingen, im Sommer 2017

1Für die Bereiche der politischen Kommunikation, der strategischen Politikvermittlung und der politischen Strategie sei hier beispielhaft verwiesen auf die umfassenden Arbeiten von Ulrich Sarcinelli (Politische Kommunikation in Deutschland), Stefan Marx (Die Legende vom Spin-Doctor), Joachim Raschke und Ralf Tils (Politische Strategie) und die kommunikationswissenschaftlichen Ausführungen von Frank Brettschneider.

Einführender Teil

1. Der Kampf um Zustimmung

Warum Wahlkämpfe immer professioneller werden (müssen)

In einer Demokratie geht alle Macht vom Volke aus. Das Volk bestimmt in freien Wahlen, wer die Geschicke der Gemeinde oder des Landes leiten soll. Wer politische Verantwortung übernehmen will, braucht also Zustimmung, die sich im Wahlergebnis widerspiegelt. Die zentrale Frage dieses Buches, nämlich wie man eine Wahl gewinnt, ist damit bereits beantwortet. Wer eine Wahl gewinnen will, braucht Zustimmung. Zustimmung für seine Sache, für seine Themen, für sich selbst.

Wahlkampf ist derKampf um Zustimmung.Damit sind WahlkämpfekommunikativeÜberzeugungsprozesse.

Wer Zustimmung erreichen will, muss Überzeugungsarbeit leisten. Denn Zustimmung ist aktiv. Wer seine Stimme abgeben möchte, muss gezielt ins Wahllokal gehen, um das Kreuz zu machen. Akzeptanz reicht deshalb nicht aus. Diese kann sich auch in stillschweigendem Zuhausebleiben ausdrücken. Bei der Stimmabgabe handelt es sich aus rhetorischer Sicht um die kommunikative Rückmeldung des Volkes auf einen über Monate hinweg vollzogenen Kommunikations- und Überzeugungsprozess, der von Kandidaten und Parteien ausgeht. Dieser kommunikative Prozess der Zustimmungserzeugung ist hochkomplex und muss gemanagt werden.

Es ist demokratischund im Sinne desGrundgesetzes, dassParteien Einflussauf die Meinung desVolkes nehmen.

Der Kampf bzw. der Wettbewerb von Parteien ist elementarer Bestandteil unseres politischen Systems und ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Art. 20 und 21 geregelt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Damit sind die gezielte Erzeugung von Zustimmung und eine Wirkungsorientierung bei gleichzeitiger Agonalität (Wettbewerbssituation) vom Grundgesetz vorgesehen. Es ist also demokratisch und im Sinne des Grundgesetzes, dass Parteien und Kandidaten für ihre Inhalte und Ziele mit rhetorischen Mitteln und kommunikativen Techniken werben. Denn Inhalte wirken nie für sich selbst. Sie müssen stets vermittelt und zustimmungsfähig kommuniziert werden.

Parteien erhalten von unserem Grundgesetz in Art. 21 einen klaren Auftrag zur kommunikativen Einflussnahme: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. “Wahlstrategien und strategische Kommunikation sind also insofern demokratisch, da sich demokratische Politik Ziele setzt und diese zu erreichen versucht. Die Wahl der Bürger zwischen Zielen und deren Trägern ist ein klares Merkmal von Demokratie. Diese Ziele sind meist ein Verbund von Gestaltungs- und Machtzielen. Die Differenzierung in Gestaltungsund Machtziele hilft uns, Dynamiken in Wahlkämpfen besser zu verstehen. Wer gestalten will, wer politische Verantwortung übernehmen will, wer Inhalte umsetzen will, braucht dazu die Macht, die ihm vom Volk übertragen wird.

Wahlkämpfe sind großangelegte, systematischeKommunikationsprozesse.

So müssen wir Wahlkämpfe auch immer verstehen als groß angelegte, systematische Überzeugungsprozesse. Parteien versuchen daher stetig, ihre Strategiearbeit, ihr Kampagnenmanagement und ihre Wahlkampfkommunikation zu optimieren und in jeder Hinsicht weiter zu professionalisieren. Vor allem in den letzten 20 Jahren ist ein erheblich steigender Professionalisierungsgrad in deutschen Wahlkämpfen festzustellen.2 Das bezieht sich nicht nur auf die groß angelegten Kampagnen der Bundes- oder Landesparteien. Auch in Kreis- und Ortsverbänden und in Bürgermeister-Wahlkämpfen in kleineren Gemeinden ist eine zunehmende Professionalisierung zu beobachten. Das zeigt sich nicht zuletzt auch an der verstärkten Einbeziehung von Agenturen und Beratern und an der steigenden Zahl von hauptamtlichen Wahlkämpfern. Agenturen übernehmen heute mehr und mehr Aufgaben, die zuvor von Parteizentralen, Vorständen und Ehrenamtlichen übernommen wurden. Diese Aufgaben beziehen sich insbesondere auf die Strategieerarbeitung und Planung politischer Kommunikationsprozesse. Was daraus folgt, ist die Aufteilung der Tätigkeitsbereiche von politischer Kommunikation in einen professionellen, strategischen Teil und einen von Parteioder Organisationsstrukturen geprägten, ausführenden Teil.

Strategie undProfessionalisierungsind die Antwortauf die zunehmendeÜberkomplexität vonWahlkämpfen.

Wer schon einmal für einen Kandidaten oder eine Partei Wahlkampf gemacht hat oder wer schon einmal für ein Amt oder Mandat kandidiert hat, weiß: Wahlkampf ist ein hartes Geschäft. Nicht nur der zeitliche Aufwand, der in aller Regel neben dem eigentlichen Beruf zu stemmen ist, auch der Druck und die psychischen Belastungen sind groß. Kandidatinnen und Kandidaten sind in dieser Zeit der öffentlichen Berichterstattung einer Vielzahl von Meinungen und vielen gut gemeinten Ratschlägen ausgesetzt. Sie müssen permanent kontrolliert und strategisch kommunizieren, ihren Standpunkt erklären und dabei eine Vielzahl komplexer Konstellationen und Einflüsse berücksichtigen. Gleichzeitig stehen sie unter großem Handlungsdruck. Denn der Termin der Wahl steht fest und lässt sich nicht verschieben. Jeder Tag im Wahlkampf ist wertvoll und will effektiv genutzt werden. Wer eine Wahl gewinnen will, braucht mehr als eine fundierte inhaltliche Meinung oder ein Schwerpunktthema. Er braucht Durchhaltevermögen, strategisches Geschick, eine gereifte und gefestigte Persönlichkeit, die Fähigkeit, Menschen zu begeistern und zu motivieren, er braucht Führungskompetenz und vor allem die Bereitschaft, über sich hinaus zu wachsen.

Die Komplexität der Aufgaben, die hohen Anforderungen an Kandidierende und der persönliche Druck auf alle Verantwortlichen sorgen für einen stetig steigenden Bedarf an professioneller Wahlkampfführung. Alle beobachtbaren Veränderungen in modernen Wahlkämpfen führen zu noch mehr Komplexität und noch weniger Planungssicherheit. Wahlkämpfe müssen also immer professioneller werden, weil sie immer unsicherer, undurchsichtiger und komplizierter werden. Woran liegt das?

Professionalisierungist mehr als die Einbeziehungeines Strategieberaters.

Verkürzt lässt sich sagen: Je höher der Grad an strategischer Planung, desto professioneller der Wahlkampf. So gilt auch andersherum: Je höher der Bedarf an Strategie, desto höher der Bedarf an Professionalisierung. Professionalisierung ist mehr als die Einbeziehung eines Strategieberaters oder das Engagieren einer Agentur. Sie umfasst die gesamte Wahlkampfplanung und -durchführung, von der Strategieerarbeitung über das Wahlkampfmanagement bis hin zur Kommunikation in der laufenden Kampagne.

Fünf Gründe, warum Wahlkämpfe immer professioneller werden müssen

Der politische Betrieb in Deutschland unterliegt einem Wandel. Der zunehmende Bedarf an Professionalisierung lässt sich aus den folgenden fünf Veränderungstendenzen des politisch-medialen Systems heraus ableiten.

1 Zunehmende Komplexität der Wählerstruktur. Seit vielen Jahren ist eine stetig abnehmende Identifikation mit Parteien zu beobachten, ebenso die Bereitschaft zum Wechselwählen und zur Wahlabstinenz und die damit einhergehende Optionsvielfalt und Autonomie der Wähler. So müssen sich Parteien und Kandidaten ständig neu positionieren, Zielgruppen definieren, antizipieren und kalkulieren. Die daraus resultierenden Anforderungen an Politiker sind kaum noch zu leisten. Je komplexer und instabiler die Bedingungen der Politik, desto höher der Bedarf an Strategie und an Professionalisierung.

2 Überforderung in der Doppelrolle politischer Akteur und Stratege. Da Strategie ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen und damit auch Distanz zum eigenen Handeln bedarf, und da Strategie stets aus dem Tagesgeschäft herausgelöst und gleichzeitig eingebettet werden muss, sind Politiker mit der Aufgabe der Strategieentwicklung zunehmend stark gefordert. Politiker sind verantwortliche Produzenten und gleichzeitig Anwender von Strategie in einer Person. Das erschwert die Strategiebildung durch Defizite an Distanz und unvoreingenommener Nüchternheit. Als Akteur muss der Politiker führen, Richtung weisen und überzeugen im permanent laufenden Prozess. Als Stratege braucht er Distanz, Abstraktion und Antizipation. Die strukturelle Überforderung von Politikern, die sich aus sachlicher Überkomplexität, permanentem Interaktionsstress, Zeitdruck, Themenflut und Rechtfertigungsdruck gegenüber der Öffentlichkeit heraus ergibt, wird durch die zunehmende Bedeutung von Strategie und Taktik also noch verschärft. Diese Vielfachüberforderungen erhöhen den Bedarf an Strategieberatung und externer Strategieentwicklung.

3 Öffentlicher Bedeutungszuwachs von Strategie. In der medialen Bericht-erstattung werden Parteien und politische Akteure zunehmend auf deren strategische Ausrichtung hin untersucht und als strategisch handelnde Akteure dargestellt. Stets stellen Medien die Frage nach dem Zweck der betreffenden Vorgehensweise des Politikers. In der Praxis ergibt sich daraus eine wechselseitige Unterstellung strategischen Handelns. So ist es schlüssig, dass sich Politiker, wenn deren Konkurrenz mutmaßlich strategisch handelt, selbst um Strategie bemühen. Wer mit strategischem Handeln Dritter rechnet und dadurch Wettbewerbsnachteile zu befürchten hat, muss sich selbst strategisch handlungsfähig machen. Das Eingeständnis von strategischen Defiziten erzeugt einen zusätzlichen Bedarf an Professionalisierung.

4 Wandel der Medienlandschaft und Medialisierung.