Wie mir mein Hund den Sternenhimmel schenkte - Christina Burger - E-Book

Wie mir mein Hund den Sternenhimmel schenkte E-Book

Christina Burger

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Beschreibung

Eigentlich wollte ich nie nach Santiago pilgern. Das erschien mir nur als Modetrend und für Trends habe ich mich nie wirklich interessiert. Doch plötzlich fand ich mich mit einer Jakobsmuschel an meinem Rucksack auf dem Camino wieder. Vor zwei Jahren in der Schweiz und in Frankreich und nun auch in Spanien auf dem Camino del norte. Dieses Mal waren wir zu dritt: mein bester Freund (mit dem ich zufällig auch verheiratet bin), ich und unser Hund. Letzterem verdanke ich einige kuriose Erlebnisse und auch einen Blick zu den Sternen.

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Kapitel und ihre Geschichten:

01

Die Pilgerseele

02

Pilgersegen

03

San Sebastián

04

Der taube Frosch

05

Das Leben geht immer vorwärts

06

Es ist nur dein Denken

07

Die fromme Katze

08

Gastfreundschaft in Guernica

09

Eine Haarnadel als Rettung

10

Wie immer auf Herbergssuche

11

Nur ein weisser Fleck

12

Verhängnisvolles Knirschen

13

Caballeros in Castro Urdiales

14

Mittagsrast mit Sündenerlass

15

Der verpasste Kaffee

16

Sternenhimmel

17

Buen Camino

18

You are loved

19

Nicht beherrschen wollen

20

Analoger Sonnenaufgang

21

Loblied auf den Wanderstock

22

Durch den Widerstand hindurch

23

Ningún problema - (K)ein Problem

24

Einfach nur mühsam

25

Die Freiheit, neu zu entscheiden

26

Nicht mein Zirkus

27

Sicherheitskontrolle

28

Das Tor in der Landschaft

29

Unerwünschte Zuhörer

30

Zu Gast bei Jesús

31

Be comfortable

32

Blinde Passagiere

33

Ein Strom aus Pilgern

34

Hundemüde

35

Are you ready to finish?

36

Geniesse!

37

Auf der Zielgeraden

38

Freundliche Gesichter

39

Vom Ende der Welt nach Hause

40

Das Gute direkt vor der Nase

01 Die Pilgerseele

Wenn dein Boot,

seit langem im Hafen vor Anker,

dir den Anschein einer Behausung erweckt,

wenn dein Boot

Wurzeln zu schlagen beginnt

in der Unbeweglichkeit des Kais:

Such das Weite.

Um jeden Preis müssen

die reiselustige Seele deines Bootes

und deine Pilgerseele

bewahrt bleiben.1

Das Gedicht war mir förmlich entgegengesprungen. Es kam wie ein Apell und traf mich ins Herz. Seit längerem hatte ich es mir gemütlich eingerichtet. Ich liebte meine Arbeit und es wäre ein leichtes gewesen, die wenigen Jahre bis zur Pensionierung im gewohnten Hafen zu verbringen. Aber es gab eben auch einen reiselustigen Teil in mir, der noch etwas erleben wollte und zum Aufbruch rief. Zuerst leise und dann immer lauter bis ich es nicht mehr überhören konnte.

Gegen jede äussere Vernunft kündigte ich meine Stelle. Im Nachhinein klingt es einfach und ich erhalte Briefe, in denen mir andere zu meinem Mut gratulieren. Aber es war ein langer Prozess und es benötigte mehrere Anläufe, bis ich wirklich die Kündigung aussprechen konnte. Es war sinnlos, im Vorfeld nach einem Job zu suchen. Natürlich hatte ich trotzdem Ausschau gehalten. Aber ich war noch nicht frei und fand darum nichts, was mich wirklich ansprach.

In eine volle Tasse kann man keinen neuen Tee eingiessen, heisst es im Zen. Um wirklich neu zu beginnen, müssen wir erst unsere Tasse leeren. Und die Leere auch wirklich zulassen, so wie ein Acker, der nach reicher Fruchtfolge eine Zeit lang brach liegen muss, bevor Neues darauf gedeiht.

«Schön, dass du dir das leisten kannst», hat eine Freundin meinen Entschluss kommentiert und ich spürte, dass es eine Seite in ihr gibt, die das auch gerne machen würde.

Ich weiss um das Geschenk meines Mannes, der seine Arbeit aufstocken kann, damit wir finanziell über die Runden kommen. Dennoch werden wir nun den Gürtel etwas enger schnallen müssen. Alles hat seinen Preis. Umsonst ist kein Übergang zu haben. Aber fürs Weitermachen im Gewohnten zahlen wir auch. Die schwierigsten Hürden liegen oft nicht in den äusseren Umständen. Meist ist der Spielraum grösser als wir denken. Die schwierigsten Hürden sind im eigenen Inneren. Beispielsweise die Kritikerin in mir, die lautstark verkündet, dass ich mich gefälligst zusammenreissen soll. Dass man eine gute Stelle nicht einfach wegwirft für irgendwelche Freiheitsgespinste. Ob ich dabei mal ans Alter gedacht habe? Wenn ich jetzt nichts für meine Altersvorsorge tue, werde ich es finanziell schwer haben. Einfach nichts tun geht doch nicht.

Es hat mich viel gekostet, diese Stimmen in mir zu besänftigen und jener Gehör zu schenken, die ganz leise immer wieder gerufen hat: es wird mir zu viel. Ich brauche Luft. Und ich sehne mich nach Lebendigkeit.

Wohin mich diese Sehnsucht führt, vermag ich nicht zu sagen. Noch nicht. Aber ich mache mein Boot mal seetüchtig, es hat lange im Hafen gelegen.

«Man muss nur den nächsten Schritt tun. Mehr als den nächsten Schritt kann man überhaupt nicht tun», schreibt der Schriftsteller Martin Walser und mahnt, dass es auch gefährlich ist, im Leben zu wenig riskieren zu wollen. Das tröstet mich, auch wenn die Knie dabei zittern. Für Walser ist Mut aber etwas, das erst entsteht, wenn wir einmal losgegangen sind, also wenn der erste Schritt gemacht ist, der fällig war. Danach gewinnt das Ganze an Fahrt oder wie Walser es ausdrückt: «Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füsse.»2

So packe ich den Rucksack und ziehe meine Wanderschuhe an. Ich hoffe, dass sich im Gehen des Jakobsweges mir auch ein Stück meines neuen Lebensweges zeigt.

1 Helder, Camara: Mach aus mir einen Regenbogen, Zürich 1981

2 Walser, Martin: Lektüre zwischen den Jahren. Frankfurt 1992.

02 Pilgersegen

Am 27. Juli 2024 steige ich zusammen mit Daniel und der vierjährigen Hündin Neva in den Zug nach Hendaye, an die französisch-spanische Grenze. Auf dem Camino del Norte möchten wir gehen, dem spanischen Küstenweg von Irun bis Santiago de Compostela. Daniel hat acht Wochen Zeit. Und ich bin jetzt frei und kann laufen so lange ich will. Loslaufen ohne Zeitdruck. «Ich muss auch gar nicht in Santiago ankommen», erzählte ich im Vorfeld. Und das stimmt. Denn es ist nicht das Ziel, das mich reizt, sondern das Laufen. Im Gehen will ich Altes loslassen, damit sich etwas Neues unter meine Füsse schieben kann.

Genau einen Tag nach der Eröffnung der olympischen Sommerspiele in Paris kommen wir in der französischen Hauptstadt an. Obwohl wir in Paris nur umsteigen möchten, werden wir von den Freiwilligen der olympischen Spiele herzlich begrüsst und willkommen geheissen. Wir geniessen es, machen uns aber gleich zu Fuss auf den Weg zum Gare Montparnasse. Wir befürchten, dass die ein oder andere Strasse im Olympiahype noch gesperrt sein könnte. Doch es ist erstaunlich ruhig. Die Strassen sind fast leer, der Verkehr wurde umgeleitet.

Aus der Ferne sehe ich den Eiffelturm, der gestern Abend am Fernseher zuhause noch in allen Farben geleuchtet hat. Und nun sind wir hier. Der Rucksack auf dem Rücken fühlt sich noch ungewohnt und schwer an. Schon bereue ich, dass ich so viel mitgenommen habe.

Zuhause beim Packen war immer die Angst, dass dieses oder jenes uns vielleicht fehlen würde. Ich kenne das schon und ahne, dass es auch in diesem Jahr irgendwann eine Rücksendung nach Hause geben wird mit all den Dingen, die mir so unentbehrlich erschienen. Im Grunde kommt man mit ganz Wenigem aus. Doch das muss ich jedes Mal erst wieder aufs Neue lernen.

Es regnet und ich will so schnell wie möglich zum nächsten Bahnhof. Bloss den Zug nicht verpassen. Für ein Gespräch verspüre ich gerade wenig Muse. Doch der alte Herr mit seinem abgetragenen Trenchcoat und dem albernen Sonnenhut lässt nicht locker. Er sieht den Hund und spricht uns an.

«Caniche?», fragt er. Pudel? «Nein, ein Barbet,» antworte ich und bin erstaunt, dass er nickt und die Rasse kennt. «Chienne? Femelle?»- «Ja, eine Hündin», sage ich kurz angebunden und will weiter. Aber er lässt nicht locker. Er deutet auf die Muschel an meinem Rucksack und sieht, dass wir Pilger sind. Vehement nimmt er mich am Arm und deutet nach rechts. Wir seien falsch, der französiche Jakobsweg verlaufe weiter hinten an der Kathedrale Notre Dame. Aber da wollen wir ja gar nicht hin. «Wir möchten zum Bahnhof,» sage ich in schlechtem Französisch. «Wir fahren nach Spanien». Doch der gute Mann lässt nicht locker und fragt nach, woher wir kommen. Als er erfährt, dass wir Schweizer sind, strahlt er über das ganze Gesicht.

«Ich komme auch aus der Schweiz», gibt er nun auf Deutsch zur Antwort. «Meine Vorfahren stammen aus dem Aargau». Bald stellt sich heraus, dass er nur wenige Kilometer von unserem Wohnort aufgewachsen ist. Jetzt bin ich doch ein wenig baff. Mitten an einer Strassenkreuzung in Paris treffen wir auf einen Mann, der einmal im Nachbarort gewohnt hat. Stolz erzählt er, dass seine deutschen Vorfahren im 16. Jahrhundert in die Schweiz ausgewandert seien. «Nette Begegnung», denke ich, «aber jetzt müssen wir weiter.» Ich nicke ihm zu und gehe mit Neva schnell über die Kreuzung, wo die Fussgängerampel endlich auf grün steht. Der alte Mann ruft mir etwas hinterher, aber ich verstehe ihn nicht mehr. Daniel bleibt einen Moment länger stehen und kommt dann nach. «Was wollte er noch?», frage ich, als er mich wieder einholt.

«Que Dieu vous bénisse! Er hat uns gesegnet.»

Jetzt bin ich beschämt. Insgeheim hatte ich mir vor der Reise einen Segen gewünscht, was sich aber nicht einfach ergeben hatte. Und nun bekomme ich ihn mitten auf der Strasse von einem älteren Herrn mit abgetragenem Mantel und hätte ihn beinahe verpasst. Das erinnert an eine alte Geschichte, die man sich im Judentum und auch im Christentum erzählt. Sie handelt von einem Propheten, der nach einer langen Wanderschaft am Berg Horeb in einer dunklen Höhle Schutz sucht. Gerade hat er eine gewaltige Sinnkrise durchlebt. Jetzt hofft er, dass Gott sich ihm zeigen würde. Und tatsächlich geschieht es. Allerdings ganz anders, als der übereifrige Prophet es sich vorgestellt hatte. Gott kommt, aber nicht in machtvollen Demonstrationen, sondern auf eine ganz leise und feine Art. Weder im Sturm, noch im gewaltigen Erdbeben noch in der Feuersbrunst. All das zieht zwar an der Höhle des Propheten vorbei, doch Gott – so erzählt die Geschichte- kommt unerwartet anders: in einem sanften Säuseln.3

So ähnlich war es jetzt auch. Unerwartet inmitten einer Grossstadt haben wir von einem Unbekannten im Vorübergehen unseren Pilgersegen empfangen. Und vor lauter Geschäftigkeit hätte ich es fast verpasst. Wie gut, dass Daniel stehen geblieben war.

Den Zug erreichen wir locker. Tatsächlich mussten wir wegen einer Gleissperrung noch über eine Stunde lang am Bahnhof warten. Erst nach Mitternacht kommen wir im französischen Hendaye an und überqueren zu Fuss die Grenze nach Irun/ Spanien. Dort hat Daniel eine Wohnung gebucht, in der die Verwalterin seit 22.00 Uhr auf uns gewartet hat. Mittlerweile war es 1 Uhr am Morgen, dennoch liess die Frau sich ihre Mühe nicht anmerken. Freundlich und zuvorkommend empfängt sie uns, froh dass sie endlich nach Hause gehen kann.

Ich bin ihr sehr dankbar und falle erschöpft ins Bett. Ein langer Reisetag liegt hinter uns. Plötzlich schrecke ich hoch und alles vibriert. Es dauert einen Moment, bis ich verstehe, dass die Wohnung direkt an einem Güterbahnhof liegt und die Züge auch nachts rangieren.

Am Morgen bin ich unausgeschlafen, müde und antriebslos und froh, dass wir heute noch nicht lospilgern. Die letzten Wochen zuhause waren sehr anstrengend gewesen. Meine Vorfreude aufs Pilgern ist auf einmal wie weggeblasen. Stattdessen nisten sich Bedenken und Zweifel in mir ein. Schaff ich das überhaupt? Bin ich fit genug? Nicht einmal das Meer reizt mich heute. Ich habe überhaupt keine Lust fünf Kilometer zu laufen, um den Strand zu sehen. Obwohl es laut ist, möchte ich am liebsten nur in der Wohnung rumhängen. Blödes Pilgern! Der Rucksack ist viel zu schwer. Das Wetter viel zu warm. Und ich viel zu unbeweglich. Was will ich hier überhaupt?

Wehmut überkommt mich. Ich trauere meiner Arbeit nach, vor allem den Menschen, mit denen ich zu tun hatte. Dann hänge ich am Handy rum. Das fängt ja gut an. Weil der Hund raus muss, verlasse ich dann doch die Wohnung. Gar nicht so einfach, in einer Stadt ein grünes Plätzchen zu finden, wo ein Hund vom Land sich versäubern kann. Wir finden einen Park, in dem Hunde erlaubt sind. Dort setze ich mich mit Daniel auf die Bank und wir reden über die bevorstehende Route. Die erste Etappe gibt zu denken, denn der Weg führt über den Bergzug des Jaizkibel mit einer Höhendifferenz von 770 Metern. Der Reiseführer verspricht eine mühsame, felsige Strecke jedoch mit spektakulärer Aussicht auf das Meer. 16 Kilometer sind zu bewältigen bis zur ersten Übernachtungsmöglichkeit. Abkürzen geht nicht, weil es zwischendrin kein Wasser gibt. Man muss die Etappe so durchziehen und das am ersten Tag. Schon sind die Zweifel wieder da: das schaffe ich nicht! Selbst Daniel hat Bedenken, zumal es laut Wetterbericht in den nächsten beiden Tagen sehr heiss werden wird. «Mein Gott», denke ich «wieso in aller Welt wollte ich ausgerechnet pilgern? Genauso gut hätten wir einfach ein Ferienhäuschen mieten und die Zeit mit ein paar schönen Büchern verbringen können. Der Pilgerblues erwischt mich eiskalt. Daniel spürt es und schlägt vor, den berüchtigten Jaizkibel auszulassen, mit dem Regionalzug nach Pasaia zu fahren und einfach dort zu beginnen. Das kratzt an meinem Ehrgeiz. Es kommt mir etwas quer, schon am ersten Tag den Weg abkürzen zu wollen. Aber ich muss zugeben, dass mich eine solche Strecke am ersten Tag überfordern würde. «Du musst dir doch nichts beweisen. Du bist einfach nur hier, um abzuschalten und loszulassen», sagt eine freundliche innere Stimme und ich willige ein. So beginnt unser Pilgern mit dem Eingeständnis von Grenzen und der Demut, die Dinge einfach so zu nehmen, wie sie sind.

3 Bibel, 1 Könige 19, 4-16.

03 San Sebastián

Wir fahren also mit dem Zug nach Pasaia. Wenn auch zwei Stunden später als wir vorgehabt hatten. Denn Daniel vergass den Wanderstock in der Wohnung und wir merken es erst als die Türe schon zu ist. Der Schlüssel liegt drin auf dem Tisch. Der Besitzer wohnt ausserhalb und darum dauert es eine Weile bis er uns mit seinem Schlüssel die Türe aufmachen kann und der Stock wieder in unserem Besitz ist. Wir sind früh aufgestanden, um nicht schon am ersten Tag in der Mittagshitze laufen zu müssen. Doch diesen Vorsprung haben wir nun verpasst. Als wir in Pasaia sind, ist es bereits ziemlich warm. Der Weg vom Bahnhof durch die Stadt zieht sich. Endlich liegt das Meer vor uns. Aber nun führt der Weg gefühlte 1000 Treppenstufen nach oben. Mit seinem Wanderkarren kann Daniel hier nicht fahren. Er muss den Rucksack auf den Rücken nehmen. Trotzdem ist er schneller. Ich trotte mit grossem Abstand hinterher. Der Schweiss läuft. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Die Kleider kleben am Körper. Meine Pilgerfreude liegt am Boden.

Und überall wimmelt es von Touristen, Joggern und Mountainbikern. Sie überholen mich mit einer Leichtigkeit, als ob sie mir sagen möchten, dass ich halt im Vorfeld hätte trainieren sollen. Ich schieb die Krise und beschliesse, am nächst möglichen Bahnhof den Zug zu nehmen und wieder heimzufahren. Im Nachhinein fühlt sich die Pilgerei immer so toll an. Wenn man erzählen kann, wie man all das überwunden hat. Aber zu Beginn ist es alles andere als romantisch. Ab nach Hause! So klingt es in mir, während ich mich mit der rechten Hand auf den wiedergewonnenen Pilgerstock stütze, mit der linken den Schweiss aus dem Gesicht wische und mit den Füssen mich Stufe für Stufe hochziehe. Doch dann kommt die bittere Erkenntnis, dass ich gar nicht so einfach umkehren kann. Denn wir haben unser Haus für sieben Wochen vermietet, weil wir jemanden brauchten, der sich um den Garten und die Hühner kümmert. Tatsächlich haben wir jemanden gefunden, dem wir unser Zuhause gerne anvertrauten. Ein echter Glücksfall, der aber das Heimfahren schwer macht. Ich kann nicht so einfach mit einem «Ich-bin-wieder-da»-Ruf jetzt schon zuhause aufkreuzen.

«Weitermachen», befiehlt die innere Stimme. «Hier kannst du jetzt eh nicht stehen bleiben.»

Irgendwann sind die Stufen zu Ende. Ich knalle den Rucksack auf den Boden und bleibe erst einmal liegen. Daniel reicht mir seine Wasserflasche und nach einer Pause laufen wir weiter, der Küste entlang nach Donostia /San Sebastián.

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt, sagt ein Sprichwort. Doch die ersten Schritte sind immer die schwierigsten. Dort lagern die Hindernisse, die Zweifel und die Widerstände und es kostet enorme Anstrengung, sie zu überwinden.

Zu den bereits erfahrenen Widerständen gesellen sich einige Kilometer weiter in San Sebastián noch weitere. Sie zeigen sich beispielsweise in Form eines schlecht gelaunten Busfahrers, der mich anschreit, weil ich hinten eingestiegen bin, während Daniel vorne die Fahrkarten für uns alle löste. Anscheinend darf man in Spanien den Bus nur vorne betreten. Obwohl Daniel für mich bereits bezahlt hat, besteht der Mann darauf, dass ich mit samt Rucksack und Hund auf dem Arm wieder aussteige, um anschliessend wieder vorne einzusteigen. Ich mache es, denn so gibt er Ruhe und alles hat seine Ordnung. Wir wollen zum Campingplatz, der ausserhalb der Stadt liegt. Zu laufen wäre zu weit. Immerhin ist San Sebastián die drittgrösste Stadt des Baskenlandes. Aber von den Fahrgästen kann uns niemand richtig Auskunft geben, wo genau wir aussteigen müssen. Nach dem Vorfall beim Einsteigen möchten wir den Busfahrer nicht weiter belästigen und folgen der Vermutung einer älteren Dame, die sich dann aber als falsch erweist.

Wir sind zu früh ausgestiegen und weil auch hier niemand so richtig weiss, wo der Campingplatz ist, nehmen wir ein Taxi. Eine gute Entscheidung, denn der Weg wäre noch sehr weit gewesen. Erstmals in diesem Jahr packen wir das Zelt aus. Es dauert einen Moment bis die Handgriffe wieder sitzen und alles an seinem Platz ist. In ein paar Tagen – das wissen wir es aus Erfahrung – ist uns das wieder so vertraut, dass wir es selbst im Dunkeln auf- und abbauen können.

04 Der taube Frosch