Wie werde ich ein guter Diktator? - Mikal Hem - E-Book

Wie werde ich ein guter Diktator? E-Book

Mikal Hem

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Diktator werden leicht gemacht

Macht ist etwas Wunderbares. Wer an der Macht ist, hat Einfluss, viele Bewunderer und ist in den meisten Fällen stinkreich. Leider jedoch sind der politischen Macht des Individuums in westlichen Demokratien Grenzen gesetzt.
Als Diktator dagegen ist Ihr Spielraum ungleich größer. Ohne lästige Oppositionspolitiker oder vorwitzige Medien steht Ihren politischen und privaten Zielen weitaus weniger im Weg. Sie können ein enormes Vermögen anhäufen, lustige Gesetze erlassen, an die Sie sich selbst nicht halten müssen, Gott sein, Sportwettkämpfe gewinnen sowie Monumente, Paläste und Städte zu Ehren Ihrer selbst errichten. Sie haben unbegrenzten Zugang zu attraktiven Sexpartnern und wälzen sich im Luxus.
Dieses Buch zeigt, wie man Diktator wird und bleibt und wie man sich am besten als solcher aufführt. Dazu bietet es viele praktische Beispiele. Die besten Despoten ihres Fachs sind vertreten. Folgen Sie den Ratschlägen dieses Buches, und Sie haben gute Chancen, ein ausgezeichneter Autokrat zu werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 212

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

Mikal Hem

Wie werde ich ein guter Diktator?

Schnell aufsteigen – lange bleiben – viel Geld machen

Aus dem Norwegischen von Frank Zuber

 

 

 

 

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Die norwegische Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel »Kanskje jeg kan bli diktator. En håndbok« bei Pax Forlag A.S., Oslo.

Die Übersetzung dieses Werks aus dem Norwegischen wurde von NORLA (Förderorganisation für Norwegische Literatur im Ausland) finanziell unterstützt. Der Verlag bedankt sich hierfür.

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe

© 2014 Riemann Verlag, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Lektorat: Ralf Lay, Mönchengladbach

Bildredaktion: Dietlinde Orendi

Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

ISBN 978-3-641-12417-5V002

www.riemann-verlag.de

 

Inhalt

Die Vorzüge der Diktatur

1.Wie man Diktator wird

2.Wie man sich an der Macht hält

3.Wie man einen Personenkult aufbaut

4.Wie man reich wird

5.Wie man Reichtum ausgibt

6.Wie man seinen Samen verteilt

7.Wie man als Diktator schreibt

8.Wie man Stil beweist

9.Wie man mit seinen Allernächsten teilt

10.Wie man sich rechtzeitig aus dem Staub macht

Literatur

 

 

Die Vorzüge der Diktatur

Es gibt gute Gründe, nach Macht zu streben. Wer an der Macht ist, hat Einfluss oder sogar volle Kontrolle, er hat viele Bewunderer und ist in den meisten Fällen stinkreich. Leider jedoch sind der politischen Macht des Individuums in westlichen Demokratien Grenzen gesetzt. Als demokratisch gewählter Regierungschef müssen Sie Rücksicht auf die Opposition und den Wankelmut der Wähler nehmen. Sie laufen permanent Gefahr, von Ihrem Volk abgewählt zu werden.

Als Diktator dagegen ist Ihr Spielraum ungleich größer. Ohne lästige Oppositionspolitiker oder vorwitzige Medien steht Ihren politischen und privaten Zielen weitaus weniger im Weg. Zum Beispiel können Sie ein enormes Vermögen anhäufen, ohne dass die Allgemeinheit, die Presse oder gar Behörden davon Wind bekommen. Und sollte jemand die Frechheit besitzen, Ihre privaten Geschäfte offenzulegen, können Sie rasch die Gesetze ändern und derlei subversives Benehmen für strafbar erklären. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev. Er und seine Familie kontrollieren den Großteil der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes: Öl, Telekommunikationsgesellschaften und Tiefbau. Nachdem dies an die Öffentlichkeit gelangt war, erließ das aserbaidschanische Parlament im Juni 2012 eine Reihe von Gesetzen, die dem Präsidenten und seiner Frau Immunität gegen jedwede Strafverfolgung garantieren. Ein weiteres Gesetz verbot den Medien, die geschäftlichen Aktivitäten einer Person ohne deren Zustimmung publik zu machen.

Die Mehrheit der Menschen, die behaupten, Gott zu sein, landen in der Psychiatrie. Unter Diktatoren hingegen ist es völlig normal, sich auf eine Stufe mit Gott zu stellen. Rafael Trujillo, Alleinherrscher der Dominikanischen Republik von 1930 bis 1961, ließ in der Hauptstadt (die damals übrigens »Ciudad Trujillo« hieß) einen riesigen Neon-Schriftzug errichten: »Dios y Trujillo«– »Gott und Trujillo«. Die Kirchen des Landes mussten den Slogan »Dios en cielo, Trujillo en tierra« aufhängen (»Gott im Himmel, Trujillo auf Erden«). Im Nachbarland Haiti ging François »Papa Doc« Duvalier noch einen Schritt weiter und rief sich zum obersten Heiligen der einheimischen Voodoo-Religion aus. Ali Soilih, der in den Siebzigerjahren über den Inselstaat der Komoren in der Straße von Mosambik herrschte, sagte: »Ich bin euer Gott und Lehrer, ich bin der göttliche Weg, ich bin die Fackel, die im Dunkeln leuchtet. Es gibt keinen anderen Gott als Ali Soilih.«

Während andere Staatschefs die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigen müssen, wenn sie Bauwerke und eine Infrastruktur errichten, lassen sich Diktatoren von solch kleinlichen Belangen nicht einschränken. Sie können himmelhohe Türme, prunkvolle Paläste, riesige Monumente und andere Prestigebauten ohne das Urteil der Wähler und ohne vorherige Ausschreibung hochziehen lassen. Die größte Kirche der Welt steht nicht in Rom, sondern in Yamoussoukro im Staat Elfenbeinküste. Erbauen ließ sie Félix HouphouëtBoigny, der dort 33 Jahre lang Präsident war. Die Kirche hat 11 000 Steh- und 7000 Sitzplätze mit eingebauten Lüftungskanälen, um die Gläubigen zu klimatisieren, dennoch steht sie größtenteils leer. In Turkmenistan gab Saparmyrat Nyýazow (genannt »Turkmenbaschi«, der »Vater aller Turkmenen«) Milliarden von Petrodollars aus, um die Hauptstadt in eine weiß glänzende Marmormetropole zu verwandeln. Andere Diktatoren gehen noch weiter. Than Shwe in Burma und Nursultan Nasarbajew in Kasachstan stampften völlig neue Hauptstädte aus dem Boden.

Diktatoren bleiben in der Regel länger an der Macht als ihre demokratischen Kollegen. Die Liste der am längsten amtierenden Staatschefs wird von Despoten angeführt. Demokraten indessen sitzen zu Beginn ihrer Regierungsperiode fester im Sattel. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in den ersten sechs Monaten nach Amtsantritt wieder abgesetzt werden, liegt bei knapp 30 Prozent, bei autoritären Staatsoberhäuptern dagegen beträgt sie fast 50 Prozent. Danach übernehmen die Diktatoren die Führung in der Statistik. Ein demokratisch gewählter Regierungschef, der das erste halbe Jahr im Amt überstanden hat, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 43 Prozent innerhalb der nächsten zwei Jahre seinen Job verlieren, bei autoritären Herrschern beträgt dieser Prozentsatz nur 29. Lediglich 4 Prozent der Demokraten bleiben zehn Jahre oder länger an der Macht, unter Diktatoren ist diese Wahrscheinlichkeit mehr als doppelt so hoch: 11 Prozent schaffen zehn Jahre oder mehr.

Zu den lustigen Seiten des Diktatorenalltags zählt die Einführung absonderlicher Gesetze. Der rumänische Staatspräsident Nicolae Ceaus¸escu verbot die Benutzung von Schreibmaschinen ohne offizielle Erlaubnis. Eines seiner bizarrsten Gesetze erließ er, um die Geburtenrate in die Höhe zu treiben: Verhütungsmittel waren verboten, und kinderlose Frauen mussten eine Sondersteuer bezahlen, egal aus welchen Gründen sie keine Kinder hatten. Aufklärungsbücher und Sexualitätsratgeber wurden als Staatsgeheimnis betrachtet und waren nur als medizinische Lehrbücher zugelassen. »Der Fötus ist sozialisiertes Eigentum der ganzen Gesellschaft. Jeder, der keine Kinder bekommt, ist ein Deserteur«, hieß es von staatlicher Seite.

Ceaus¸escu verbot allen Nachrichtensprecherinnen, Schmuck zu tragen, was sich der selige Turkmenbaschi Nyýazow vielleicht zum Vorbild nahm, als er ein Schminkverbot für dieselbe Branche erließ. Des Weiteren untersagte Nyýazow Playback bei öffentlichen Konzerten.

Ajatollah Ruhollah Khomeini ging noch einen Schritt weiter. Nach der iranischen Revolution, die ihn 1979 an die Macht brachte, war eine Zeit lang jede Musik verboten. »Musik verdummt die Hörer und macht ihr Gehirn passiv und frivol. […] Wenn ihr wollt, dass euer Land unabhängig bleibt, müsst ihr die Musik unterdrücken, ohne Furcht, deswegen altmodisch genannt zu werden«, predigte Khomeini. Seine Revolutionsgarden durchsuchten Wohnungen und beschlagnahmten Instrumente, Schallplatten und Videos.

Für Sie als Diktator gelten solche Restriktionen natürlich nicht. Während die Garden Straßensperren errichteten und Autoradios mit Kassettenrekordern aus den Fahrzeugen rissen, genossen die Enkel des Ajatollahs Klavierunterricht bei einem renommierten Musiker.

Ein weiterer Vorteil des Daseins als Despot sind die Superlative und unschlagbaren Eigenschaften, die Ihnen anhaften. Diktatoren sind akademische Genies, meisterhafte Autoren und unübertroffene Geschäftsleute. Besonders tüchtig sind sie als Sportler. 1994 meldeten die nordkoreanischen Medien, ihr geliebter Führer Kim Jong-il habe bei einer Runde Golf fünf Hole-in-one geschlagen, und das beim ersten Spiel seines Lebens. Der Herrscher endete mit 38 unter Par auf 18 Löchern.

Kim Jong-il war das große Vorbild aller nordkoreanischen Sportler. Als die Marathonläuferin Jong Song-ok bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1999 in Sevilla Gold gewann, sagte sie: »Ich hatte das Bild unseres Führers vor Augen, es hat mich inspiriert.«

Ugandas Diktator Idi Amin bestand darauf, die afrikanische Meisterschaft im Amateurboxen durch einen Kampf zwischen ihm und Peter Seruwagi, dem Trainer des ugandischen Teams, selbst zu eröffnen. Amin gewann natürlich haushoch. Unter der bescheidenen Überschrift »Boxer of the year« konnten seine Landsleute am nächsten Tag in der Zeitung lesen: »Der Ringrichter musste den Kampf in der zweiten Runde abbrechen, um Seruwagi mehr Prügel zu ersparen.«

Auch Gurbanguly Berdimuhamedow, genannt »Der Beschützer« und seit 2006 Staats- und Regierungschef in Turkmenistan, ist ein sportlicher Diktator. Unter anderem besitzt er den schwarzen Gürtel in Taekwondo und Karate. Als das Land im Jahr 2012 sein erstes Autorennen arrangierte, befand der Präsident einen Überraschungsbesuch für angebracht. Stilvoll fuhr er in einem Bugatti Veyron vor – einem der schnellsten und teuersten Autos der Welt und Traum eines jeden Diktators – und bat um Starterlaubnis. Zufällig hatten die Veranstalter Rennkleidung in der Größe des Präsidenten bereit, und er stieg in einen türkischen Volkicar um. Berdimuhamedow gab Gas und setzte eine Richtzeit, die keiner der Rennfahrer zu übertreffen wagte. Der Volkicar wurde sofort ins Nationale Sportmuseum gestellt.

Aber eine Diktatur bedeutet nicht nur Spiel und Spaß für den Diktator selbst. Nein, er muss auch dafür sorgen, dass seine Untertanen ausreichend mit Spielen versorgt sind. Im Haiti der Sechzigerjahre wurde eigens das »Haitische Roulette« erfunden. »Papa Docs« Präsidentenpalast in Port-au-Prince war von schießwütigen Wachen umsäumt, die erst ballerten und dann fragten. Beim »Haitischen Roulette« zog man alte Reifen aufs Auto und raste mit voller Geschwindigkeit am Palast vorbei. Wer einen Platten bekam, hatte verloren.

Kurz: Im Vergleich zu Ihren demokratischen Gegenspielern haben Sie als Diktator unendlich größere Freiheit, zu tun, was Sie wollen. Nur die eigene Erfindungsgabe setzt Ihnen Grenzen. Sie können zum Beispiel Ihre persönlichen Feiertage einführen. Saddam Hussein war nicht der einzige Diktator, der seinen Geburtstag zum nationalen Feiertag erklärte. Saparmyrat Nyýazow hingegen zeigte sich als guter Sohn und zog zu diesem Zweck den Geburtstag seiner Mutter vor. Mehr Fantasie bewies Valentine Strasser, der von 1992 bis 1996 Sierra Leone regierte. Er erklärte den Valentinstag und Bob Marleys Geburtstag zu Nationalfeiertagen. Der langjährige Präsident Togos, Gnassingbé Eyadéma, überlebte am 24. Januar 1974 auf wundersame Weise einen Flugzeugabsturz. Alle anderen Passagiere kamen ums Leben. Eyadéma behauptete, es hätte sich um ein Attentat von französischer Seite gehandelt, weil er kurz vor dem Unglück mit einer französischen Firma um die Schürfrechte einer Phosphatgrube gestritten hatte. Er selbst hätte nur aufgrund seiner magischen Fähigkeiten überlebt, weshalb er den 24. Januar zum »Feiertag des Sieges über die bösen Mächte« erklärte. Das Wunder ließ er in einem Comic verewigen, der ihn als Superhelden darstellt.

Eyadéma zeigte ein weiteres Attribut moderner Diktatoren, nämlich den Drang, sich jederzeit mit Frauen zu umgeben. (Alle Diktatoren der neueren Zeit sind Männer.) Er hatte stets ein Gefolge aus tausend Frauen, die zu seinen Ehren tanzten und sangen. Muammar al-Gaddafi hatte eine Leibgarde, die nur aus Frauen bestand. Auch Thomas Sankara, der 1987 ermordete Präsident von Burkina Faso, stellte ein Korps aus Sicherheitsbeamtinnen in seine Dienste. Er rüstete die Soldatinnen mit Motorrädern aus, weil er selbst ein passionierter Biker war.

Ein findiger Diktator verleiht sich selbst einen wohlklingenden Titel. Kosten Sie Idi Amins volle Anrede auf der Zunge: »Seine Exzellenz, Präsident auf Lebenszeit, Feldmarschall Al Hadji Doktor Idi Amin Dada, VC, DSO, MC, Herr aller Kreaturen der Erde und aller Fische der Meere und Bezwinger des Britischen Empires in Afrika im Allgemeinen und Ugandas im Speziellen« (die Abkürzungen stehen für die Orden »Victoria Cross«, »Distinguished Service Order« und »Military Cross«). Nebenbei ernannte Amin sich zum König von Schottland, aus purer Solidarität mit den früheren schottischen Freiheitskämpfern. Nicolae Ceaus¸escu betitelte sich »Das karpatische Genie«, Gaddafis offizielle Anrede lautete »Anführer der großen Revolution des 1. September in der sozialistischen libysch-arabischen Volksrepublik«, aber er gab sich auch mit »Bruder Revolutionsführer« zufrieden.

Wir fassen zusammen: Als Diktator können Sie länger herrschen, enorme Reichtümer anhäufen, Gott sein, lustige Gesetze erlassen, an die Sie sich selbst nicht halten müssen, Bestseller schreiben, Sportwettkämpfe gewinnen sowie Monumente, Paläste und Städte zu Ehren Ihrer selbst errichten. Sie haben unbegrenzten Zugang zu attraktiven Sexpartnern und wälzen sich im Luxus.

Aber wie können Sie diese Möglichkeiten voll und ganz ausschöpfen? Die folgenden Kapitel sind ein Handbuch darüber, wie man Diktator wird und bleibt und wie man sich am besten als solcher aufführt. Sie beruhen auf praktischen Exempeln von Experten der Materie. Die brillantesten Protagonisten ihres Genres sind vertreten. Folgen Sie den Ratschlägen dieses Buches, und Sie haben die besten Chancen, ein Autokrat par excellence zu werden!

 

1. Wie man Diktator wird

In der Nacht zum 12. April 1980 lag William Richard Tolbert jr. in seinem Bett in Liberias Hauptstadt Monrovia und schlief den Schlaf des Gerechten. Liberia galt als Oase der Stabilität in einem von politischen Unruhen, Bürgerkriegen und Staatsstreichen geprägten Kontinent. Seit 1971 war Tolbert dort Präsident, und sein Vorgänger William Tubman hatte das westafrikanische Land 27 Jahre lang regiert. Tolbert ahnte nicht, dass seine Präsidentschaft ein jähes Ende nehmen würde.

Liberia hatte eine lange Tradition als Einparteienstaat. Ab 1820 wurden dort freigelassene Sklaven aus den USA angesiedelt, und 1847 erklärten die afroamerikanischen Einwanderer das Land für unabhängig. Seitdem regierte dort eine Elite aus Nachkommen ehemaliger Sklaven, die ihrerseits die Urbevölkerung unterdrückte. Somit ist Liberia neben Äthiopien der einzige afrikanische Staat, der nie unter europäischer Kolonialherrschaft stand.

An jenem Aprilmorgen in aller Frühe stürmte Sergeant Samuel Kanyon Doe mit einer Handvoll Offizieren und Soldaten – alle Angehörige eines einheimischen Volksstammes – den Präsidentenpalast und tötete 27 Menschen. Augenzeugen behaupten, Doe habe Tolbert bei lebendigem Leib die Eingeweide herausgeschnitten. Die Leiche des Expräsidenten wurde in ein Massengrab geworfen. Am 22. April wurden dreizehn Minister aus Tolberts Kabinett nach kurzen Prozessen öffentlich hingerichtet. Zahlreiche Anhänger des alten Regimes wurden verhaftet.

Does Militärputsch löste eine Serie von Ereignissen aus, die Liberia für ein Vierteljahrhundert ins Chaos stürzen sollten. Die Folgen waren zwei langwierige Bürgerkriege und eine bunt gemischte Reihe mehr oder weniger zurechnungsfähiger Staatschefs.

Es liegt auf der Hand: Um Diktator zu werden, müssen Sie zunächst in einem geeigneten Land die Macht ergreifen. Das ist leichter gesagt als getan. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl Länder auf der Erde, aber sehr viele Menschen, die nach Macht und politischem Einfluss streben. Betrachtet man jedoch, wie die Macht im Lauf der Geschichte ihre Besitzer gewechselt hat, so scheint der Weg nach oben mitunter verblüffend einfach. Ein aufstrebender Diktator hat genug Möglichkeiten. Manche erhalten Unterstützung aus dem Ausland. Andere werden demokratisch gewählt. Manche kommen durch Zufall an die Macht, entweder weil sie die richtigen Eltern haben oder weil sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Andere sind nichts als Spielfiguren, ohne es zu wissen.

Für die meisten jedoch bedeutet es harte Arbeit und genaue Planung, die Kontrolle über ein Land an sich zu reißen. Die Methode der Machtergreifung muss dem jeweiligen Staat und der jeweiligen politischen Lage angepasst werden. Wenn ein Diktator in Ihnen schlummert, sollten Sie sich genau überlegen, wie Sie Ihren Traum verwirklichen können. Die Geschichte ist voller missglückter Versuche, und ein gescheiterter Versuch könnte leicht Ihr letzter sein. Erfreulicherweise haben andere Diktatoren eine Reihe Methoden für Sie getestet, und die bewährtesten sollen hier zur Sprache kommen.

Haben Sie sich einmal für den Beruf des Diktators entschieden, bleibt immer noch die Frage, wo sie ihn ausüben können. Am natürlichsten wäre vielleicht Ihr Heimatland, aber dort sind die Voraussetzungen nicht automatisch die besten. Vielleicht ist die Demokratie in Ihrer Heimat tief verwurzelt, was Ihr Vorhaben erheblich erschwert. Besser geeignet sind Staaten mit autoritären Regime. In den meisten Fällen übernimmt ein Diktator die Macht von einem Kollegen. Despot folgt auf Despot. Diese Regel ist jedoch keineswegs unumstößlich. In Lateinamerika gibt es Länder, die bis vor Kurzem noch Diktaturen waren und heute etablierte Demokratien sind, zum Beispiel Chile und Argentinien. Auch in Westeuropa ist es noch nicht lange her, dass Spanien und Portugal von Diktatoren beherrscht wurden, und seit dem Fall der kommunistischen Regime in Osteuropa ist noch weniger Zeit vergangen.

Umgekehrt währt auch die Demokratie nicht ewig. Wladimir Putin hat Russland weiter von einer intakten Demokratie entfernt, als es zu Beginn seiner Amtszeit war. Obwohl er noch nicht den Titel eines Vollblutdiktators verdient, weist einiges darauf hin, dass er insgeheim nichts gegen diese Ehre hätte. In mehreren lateinamerikanischen Ländern haben demokratisch gewählte Präsidenten in den letzten Jahren ihre Machtbefugnisse erweitert und die Pressefreiheit eingeschränkt. Das macht sie noch nicht zu Diktatoren, aber es ist ein oft begangener Schritt auf dem Weg zur Alleinherrschaft. Außerdem hat der Wechsel zwischen Diktatur und Demokratie in Lateinamerika Tradition.

Selbst in Westeuropa ist die Volksherrschaft nicht für alle Ewigkeit gesichert. Die moderne repräsentative Demokratie ist eine relativ neue Erfindung, und ob sie sich auf Dauer bewähren wird, ist schwer zu sagen. Es gibt bereits Fälle, in denen das Volk durch demokratische Prozesse die Macht wieder abgibt. Im Jahr 2003 stimmte die Bevölkerung Liechtensteins mit überwältigender Mehrheit für eine neue Verfassung, die dem Fürsten das Recht gewährt, die demokratischen Instanzen zu kontrollieren oder zu übergehen. Er kann Veto gegen jedes vom Parlament vorgeschlagene Gesetz einlegen, ohne Angabe von Gründen Minister feuern und den gesamten Landtag auflösen. Eigentlich wird Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko als der »letzte Diktator Europas« bezeichnet, aber was die konstitutionellen Befugnisse eines Staatsoberhauptes angeht, ist seine Durchlaucht Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein nicht weit davon entfernt, die Anzahl der Diktaturen in Europa zu verdoppeln.

Verzweifeln Sie also nicht, Ihr Traumberuf hat weiterhin Chancen. Im Folgenden lernen Sie die Methoden der Machtergreifung, die den größten Erfolg versprechen.

Der Staatsstreich

Samuel Does Machtübernahme in Liberia im Jahr 1980 war ein klassischer Coup d’État, zu Deutsch »Staatsstreich«, auch »Putsch« genannt. Ein Putsch ist die rasche Übernahme der Macht, oft durch eine kleine Gruppe von Personen, die bereits vorher den inneren Kreisen der Macht angehörten. Die meisten Putschisten sind Militärs.

Der politische Handstreich ist die häufigste Art der Machtergreifung in der neueren Zeit. Den Lateinamerikanern ist er im letzten Jahrhundert zur lieben Gewohnheit geworden. Paraguay zum Beispiel hat in den letzten hundert Jahren 45 Putsche oder Putschversuche erduldet – stabile Verhältnisse im Vergleich zum Nachbarland Bolivien, wo seit der Erlangung der Unabhängigkeit im Jahr 1825 rund 200-mal geputscht wurde. Bolivien erreicht somit einen Durchschnitt von mehr als einem Staatsstreich pro Jahr.

In den letzten fünfzig Jahren hat Afrika kräftig aufgeholt. Zwischen 1952 und 2000 wurden in 33 afrikanischen Ländern 85 Staatsstreiche durchgeführt, davon 42 in Westafrika, wo auch Liberia liegt.

Trotz seiner großen Beliebtheit ist der Staatsstreich nicht für alle Länder geeignet. Dem Militärhistoriker Edward Luttwak gemäß müssen folgende drei Faktoren gegeben sein, um einen erfolgreichen Putsch zu gewährleisten:

1.Wirtschaftliche Unterentwicklung: Arme Länder sind wesentlich putschfreundlicher als reiche. Armut ist oft mit allgemeinem Desinteresse an Politik verbunden. Ein Großteil der Bevölkerung lebt auf dem Land, hat wenig oder keine Ausbildung, die Analphabetenrate ist hoch. Die Macht liegt in den Händen einer kleinen, gebildeten und wohlhabenden Elite. In einem Land, in dem die Macht nur innerhalb der Elite wechselt, ist ein Coup dem Durchschnittsbauern oder Industriearbeiter in der Regel egal. Wer unter dem alten Regime keinen Einfluss auf die Politik hatte, hat wenig Grund, sich einem neuen Regime zu widersetzen. Je mehr Menschen oder Institutionen in einem Staat die politische Verantwortung teilen, desto schwieriger gestaltet sich ein Putsch, denn diese Menschen haben etwas zu verteidigen.

2.Politische Unabhängigkeit: Das Land, das Sie beherrschen möchten, sollte politisch unabhängig sein. Man kann die Macht nicht übernehmen, wenn sie an einem anderen Ort liegt. Beim ungarischen Volksaufstand im Jahr 1956 erlangten die Demonstranten Kontrolle über alle nationalen Institutionen. Armee, Polizei und Rundfunk waren auf ihrer Seite. Leider lag die Macht de facto nicht in der Hand der Ungarn, sondern 1600 Kilometer entfernt in Moskau. Ungarn war besetzt und umzingelt von sowjetischen Truppen, über die die neue Regierung keine Befehlsgewalt hatte. Ein erfolgreicher Aufstand hätte in Moskau stattfinden müssen.

3.Eindeutige Machtverhältnisse: Wenn Sie eine direkte Machtübernahme anstreben (was in der Natur eines Putsches liegt), muss die Macht im Land Ihrer Wahl so gebündelt sein, dass sie sich zentral ausüben und kontrollieren lässt. Ist die Macht auf zu viele Institutionen oder gar unabhängige regionale Behörden verteilt, lässt sich ein Staatsstreich kaum durchführen. In der früheren Geschichte der USA, als die Bundesstaaten sehr viel Autonomie genossen, hätte ein Putsch in Washington, D. C., wenig Aussicht auf Erfolg gehabt. Auch in der Demokratischen Republik Kongo ist die Zentralmacht so schwach, dass Ihnen ein Coup in der Hauptstadt Kinshasa nicht unbedingt die Macht über alle Landesteile verschafft. In Somalia gibt es überhaupt keine real existierende zentrale Macht und somit keine Regierung, die Sie durch einen Staatsstreich übernehmen könnten.

Der perfekte Kandidat ist also ein armes Land, in dem die Macht in Händen einer überschaubaren Elite liegt, die nicht zu sehr vom Ausland beeinflusst ist. Wenn Sie ein ideales Land gefunden haben, wird es Zeit für die genauere Planung der Machtergreifung. Finden Sie heraus, auf wen Sie sich im Ernstfall verlassen können und wen Sie in Ihre Pläne einweihen dürfen. Welche Mitglieder des existenten Machtapparates würden Sie unterstützen, und welche würden dem alten Staatschef treu bleiben? Entscheiden Sie vorher, wie Sie mit Widerstand umgehen und wie Sie dem Volk die Neuigkeit vermitteln. Und seien Sie auf die Reaktionen anderer Länder gefasst.

Das Militär muss unbedingt auf Ihrer Seite stehen. Dies ist die wichtigste Regel. Wer sich dessen nicht sicher ist, sollte besser keinen Sta5streich anzetteln.

Unterstützung aus dem Ausland

Früher brauchten Sie nur zu behaupten, Sie wollten den Kommunismus in einem Land bekämpfen, und schon bekamen Sie Hilfe aus den USA. Umgekehrt konnten Sie sich auf die Unterstützung der Sowjetunion verlassen, wenn Sie den Kampf gegen den Kapitalismus auf Ihre Fahnen geschrieben hatten. Als Patrice Lumumba, der erste frei gewählte Ministerpräsident im gerade unabhängig gewordenen Kongo, freundschaftliche Beziehungen zu den Russen knüpfte, machten sich die Amerikaner Sorgen. Der damalige CIA-Stationschef im Kongo, Larry Devlin, hat selbst beschrieben, wie die CIA versuchte, Lumumba durch vergiftete Zahnpasta zu beseitigen, um ihren Wunschkandidaten Mobutu Sese Seko an seiner Stelle einzusetzen. Zum Glück der Amerikaner kamen ihnen belgische Agenten und kongolesische Aufrührer zuvor. Am 17. Januar 1961 ermordeten diese Lumumba und verscharrten ihn in einem anonymen Grab. Die sogenannten »Kongo-Wirren« brachten Mobutu an die Macht, zunächst als obersten Militär und von 1965 bis 1997 als Alleinherrscher mit Unterstützung des Westens.

Heute dagegen müssen Sie sich bessere Geschichten ausdenken. Es ist nicht mehr so leicht wie zu Zeiten des Kalten Krieges, internationalen Beistand für einen Staatsstreich zu bekommen. Wenn Sie zum Beispiel amerikanische Hilfe benötigen, müssen Sie nachweisen, dass das zu stürzende Regime den Terrorismus unterstützt. Aber machen Sie sich keine Sorgen, denn wenn Ihnen keine fremde Macht hilft, haben Sie immer noch die Möglichkeit, Leihsoldaten anzuheuern.

Einer der aktivsten Söldnerführer nach dem Zweiten Weltkrieg war der Franzose Bob Denard. Im Lauf seiner Karriere kämpfte er unter anderem im Kongo, Jemen und Iran sowie in Angola und Nigeria, gern im Namen Frankreichs. Sein liebstes Einsatzgebiet war jedoch der Inselstaat der Komoren vor der Ostküste Afrikas, wo er an vier Staatsstreichen beteiligt war. Die Komoren sind ein äußerst putschfreundliches Land. Seitdem sie unabhängig sind, hat es dort über 20 Putsche oder Putschversuche gegeben.

Kurz nach der Unabhängigkeitserklärung von 1975 setzte Denard mit einem kleinen Söldnerheer Präsident Ahmed Abdallah ab und an dessen Stelle Frankreichs Favorit Ali Soilih ein. 1978 kam Denard zurück, diesmal mit Unterstützung aus Rhodesien und Südafrika, denen es nicht gefiel, dass Soilih sich politisch nach links bewegte. Mit 43 Soldaten entmachtete er den Präsidenten und verhalf Abdallah erneut zu Amt und Würden. Kurze Zeit später wurde Soilih ermordet, wahrscheinlich von Abdallahs Leuten.

Denard ließ sich auf den Komoren nieder und benutzte das Land als Basis für militärische Operationen auf dem afrikanischen Festland. Zehn Jahre lang war er Chef der Leibgarde des Präsidenten, beherrschte die einheimische Wirtschaft und de facto auch den Inselstaat. Aber 1989 hatten sowohl Frankreich als auch Südafrika das Interesse an dem Söldnerregime verloren. Abdallah wurde ermordet, und Denard, der wahrscheinlich an dem Mord beteiligt war, musste das Land verlassen.

Im Jahr 1995 kam er wieder. Am 27. September landete er mit 30 Mann in Zodiac-Schlauchbooten und setzte Präsident Mohamed Djohar ab. Diesmal jedoch hatte das frühere Mutterland genug. Am 3. Oktober erreichten französische Truppen die Komoren, verhafteten Denard und brachten ihn nach Frankreich. Wegen »Beteiligung an der Planung krimineller Aktivitäten« wurde er zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, musste die Haft aber bis zu seinem Tod im Jahr 2007 nicht antreten.

Patriotisch, demokratisch und heterophil

Nachdem Sie die Unterstützung des Militärs und vielleicht auch anderer Länder gesichert haben, müssen Sie die zentralen Machtfaktoren identifizieren. Wo liegt die reelle Macht? Wen müssen Sie verhaften lassen? Welche Abteilungen der Polizei und der Sicherheitskräfte müssen zuerst neutralisiert werden? Es ist wichtig, so rasch wie möglich die Kontrolle zu erlangen. Dafür sollten Sie möglichst wenige Personen in Ihre Pläne einweihen. Geheimhaltung ist alles. Wenn die Nachrichtendienste Ihres Ziels Wind von der Sache bekommen, kann Ihr Coup ein jähes Ende finden.

Besondere Aufmerksamkeit sollten Sie den Medien widmen. Nehmen Sie als Erstes Radio- und Fernsehstationen ein. Für einen angehenden Diktator gehört es zum guten Ton, gleich nach der Machtergreifung eine Radio- und Fernsehansprache zu halten. Die Begriffe »Staatsstreich«, »Putsch« oder »Coup« sind dabei tabu. Sprechen Sie stattdessen von einer »Revolution«, einem »Kampf für die Menschenrechte« oder der »Bewältigung einer konstitutionellen Krise«. Auch sollten Sie mindestens einen – besser mehrere – der folgenden Gründe für die Machtübernahme nennen:

Wir mussten es tun, um

1. Korruption und Nepotismus zu besiegen,

2. die Verfassung zu beschützen,

3. einen Tyrannen zu beseitigen oder

4. Demokratie einzuführen.

Am Morgen des 22. April 1990 bekamen die Hörer der Federal Radio Corporation of Nigeria folgenden Bescheid:

Liebe nigerianische Mitbürger,

im Namen der patriotischen und wohlgesinnten Menschen der mittleren und südlichen Landesteile habe ich, Major Gideon Orkar, die Ehre und Freude, euch über die erfolgreiche Absetzung der diktatorischen, korrupten, drogenbaronischen, bösen, betrügerischen, homophilen und unpatriotischen Regierung von General Ibrahim Badamasi Babangida zu informieren. Letzterer wurde sogleich der stetigen Korruption, des Missmanagements der nationalen Wirtschaft, der Morde an Dele Giwa, Generalmajor Mamman Vasta und anderen Offizieren […] sowie weiteren Menschenrechtsverletzungen angeklagt.