Wie werde ich ein guter Lehrer? - Markus Daumüller - E-Book

Wie werde ich ein guter Lehrer? E-Book

Daumüller Markus

0,0

Beschreibung

Wie werde ich ein guter Lehrer? Eine Antwort auf diese Frage ist immer eine Anmaßung, eine Provokation. Deswegen versteht sich der Text als ein philosophischer Versuch über den guten Lehrer, der über Bildung nachdenkt und nicht dabei endet, wie er jemandem etwas beibringen kann.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 78

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1.

Der gute Lehrer im Lernprozess

1.1 Er begreift Fachdidaktik als Instrument zur Entwicklung der Persönlichkeit

1.2 Er verwandelt seinen Unterricht in einen Logos, einen gemeinsamen Denkraum

1.3 Er versteht: Wissen wird im Unterricht generiert, nicht vermittelt

1.4 Er weiß um die Originalität aller Denkprodukte

2.

Der gute Lehrer als Person

2.1 Er ist ein authentischer Mensch und verstellt sich nicht als Lehrer

2.2 Er ist ein Meister der Interaktion und neugierig auf andere; er nimmt sie ernst

2.3 Er fragt immer weiter und gibt sich mit einfachen Antworten nicht zufrieden

2.4 Er kann mit Rollen jonglieren

2.5 Er ist ein Philosoph des Lernens

3.

Der gute Lehrer als Figur im Schulsystem

3.1 Ein guter Lehrer setzt auf Menschlichkeit statt auf Regeln

3.2 Ein guter Lehrer plant Prozesse statt „Einheiten“

3.3 Ein guter Lehrer panscht seinen „Stoff“

3.4 Der gute Lehrer bringt seine Schüler an Grenzsituationen

4.

Der gute Lehrer als „Pädagoge“

4.1 Ein guter Lehrer arbeitet mit den Produktionen der Schüler fachlich weiter

4.2 Ein guter Lehrer fühlt sich wohl bei seinen Schülern; er lebt mit ihnen eine intellektuelle Intimität und liebt dabei ihre Stärken und Schwächen

4.3 Ein guter Lehrer ist ein Freund der Kinder und braucht keine Hierarchien

5.

Der gute Lehrer als Fach-Lehrer

5.1 Ein guter Lehrer liebt sein Fach essentiell

5.2 Ein guter Lehrer kann die Fachdidaktik ignorieren

5.3 Der gute Lehrer versteht unter Fachlichkeit den wissenschaftlichen Duktus des Fachs

6.

Der gute Lehrer als Kommunikator

6.1 Klassen-Management

6.2 Eltern-Management

6.3 Kollegen-Management

6.4 Selbst-Management

7.

Der alte akademische Lehrer als Vorbild des guten Lehrers

7.1 Der gute Lehrer ist unverwechselbar

7.2 Ein guter Lehrer inszeniert Lernen als Studium

7.3 Ein guter Lehrer hat Makro- und Mikrostrukturen im Blick

7.4 Jeder kann ein guter Lehrer sein

8.

Nachwort: Bildung - Eine Verschmelzungsmetapher

Vorwort

Dieses Buch habe ich im Krankenhaus geschrieben, unter Schmerzen, die keiner haben möchte, nach einem Schlaganfall, nach einem Autounfall, mitten in einer Depression. Es ist eine Hommage an einen unmöglichen Beruf, unter dem viele stöhnen. Ihnen sei gesagt: Ändern Sie Ihre Haltung. Den Lehrer-Beruf ausüben zu dürfen ist keine Last. Sondern eine Ehre. Viele Lehrer sagen, sie seien Lehrer geworden, weil sie Kindern mögen. So naiv kann doch keiner sein, zu glauben, dass das ausreicht, um diesen Job jahraus jahrein gut zu machen und gut durchzuhalten. Es braucht eine gewisse Haltung, eine Freude am Reflektieren im Unterricht. Ich weiß nicht im Moment, ob ich das mit meinen Schmerzen jemals wieder werde aufbringen können. Es ist aber der Beruf, den ich liebe. Dieses Buch ist eine Anmaßung. Denn natürlich kann keiner Normative dafür aufstellen, wie ein guter Lehrer aufzutreten und zu arbeiten hat. Aber eben weil das in der heutigen Wissenschaftslandschaft unmöglich ist, versteht sich dieses Buch als ein Versuch den guten Lehrer zu denken. Es ist ein Versuch, nicht mehr. Wer ein anderes Bild zeichnen möchte, möge ein eigenes Buch schreiben.

1. Der gute Lehrer im Lernprozess

Ein guter Lehrer will nicht Wissen vermitteln, sondern über die Auseinandersetzung mit einem fachlichen Problem die Persönlichkeit seiner Schüler bilden. Er entwickelt eine Leidenschaft für das Lernen seiner Schüler, und das bedeutet: Für ihre Entwicklung als Menschen beim gemeinsamen Reflektieren über lebensrelevante Fragen aus Anlass eines fachlichen Problems. Als guter Lehrer ist er ein Sokrates seiner Schüler: Er vermittelt nicht objektivierbares Wissen, sondern er sucht mit seinen Schülern zusammen nach der Wahrheit hinter einer existenziellen Fragestellung, zum Beispiel, welche Funktion und Bedeutung das Wesen des Menschen in einem totalitären System haben kann, oder danach, was einen Täter eigentlich ausmacht, oder die Frage danach, was unter einer Revolution verstanden werden kann. Begrifflichkeiten sind für ihn in geisteswissenschaftlichen Fächern keine Objekt-, also Beschreibungsbegriffe, sondern Reflexionsbegriffe. Ihm ist bewusst, dass er die inhaltliche Füllung der Begriffe – das gemeinsame Streiten über ihre Bedeutung - zu einem Teil des Unterrichtsprozesses machen muss, um die Problemhaftigkeit eines Themas herauszuschälen und diesen Vorgang als Lernerfahrung für seine Schüler zu ermöglichen. Das Diskutieren über Begriffsbedeutungen ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Bildungserfahrung für Schüler; ein guter Lehrer darf es keineswegs als Zeitverschwendung abtun; er sollte Freude am gemeinsamen Denken mit seinen Schülern empfinden.

1.1 Er versteht Fachdidaktik als Instrument zur Entwicklung der Persönlichkeit

Die Fachdidaktik denkt ja in ihren Konzepten bekanntlich von der fachlichen Arbeitsweise der Disziplin her und möchte diese Erkenntnisprozesse auf Schülerniveau reproduzieren. Um ein guter Lehrer zu werden, sollte hingegen nicht das Problem im Vordergrund stehen, wie man Fachwissen besser vermitteln kann oder die Schüler es sich gut „aneignen“, und auch nicht, wie fachliches Arbeiten auf der Schülerebene funktionieren könnte, sodass man von Kompetenz sprechen darf. Sein Thema sollte sein, was in einem Schüler passiert, wenn dieser sich mit einer komplexen, existenziell bedeutsamen Fragestellung auseinandersetzt, zum Beispiel der Frage, was einen Menschen kennzeichnet, damit man von einem „Täter“ sprechen kann: Ist es die Tatkategorie des Rechts, sind es Absichten oder Charaktereigenschaften, ist es die Funktion in einem System, das mit der Tat korrespondiert oder sind es Gedankengebäude und Theorien, denen diese Person gefolgt ist? Oder die Metakognition: Von welcher zeitlichen, fachlichen, politischen Perspektive aus ist es gerechtfertigt, Kategorien für eine solche Einordnung zu erstellen? Machen wir uns dieses Problem an dem Judenrat Murmelstein klar: er kollaborierte mit den Nazis bei der Vergrößerung des Ghettos Theresienstadt. Aber sein Ziel war, die Deportationen zu verzögern und so Menschenleben zu retten: Ist er ein Verräter oder ein Menschenretter? Was zählt mehr: Seine Funktion im menschenverachtenden System oder seine Absicht, die dem entgegensteht?

1.2 Er verwandelt seinen Unterricht in einen Logos, einen gemeinsamen Denkraum

Der authentische „gute“ Lehrer begegnet seinen Schülern in diesem gemeinsamen Reflektieren von Denkmodellen oder – perspektiven nicht mehr als Lehrer, der in einer Rolle „belehrt“ und dazu Rituale braucht, die diese Rolle zementieren und rechtfertigen oder darauf achtet, dass neben der Aneignung (sic!) scheinbar objektivierbaren Wissens auch noch alle Regeln beim schulischen Wissenstransfer eingehalten werden. Der gute Lehrer begreift Unterricht gar nicht als einen Ort des Wissenstransfers, sondern als Denkraum, in dem sich alle beim gemeinsamen Nachdenken über existenzielle Fragen als Menschen verändern und entwickeln. Der Lehrer ist also auch ein Lernender; er sucht mit seinen Schülern nach einer wahren Erkenntnis. Dadurch wird er Erster unter Gleichen. Er hat begriffen, dass die Didaktik seines Fachs nicht dazu da ist, das Wissen besser in die Köpfe der Lernenden zu bringen, sondern, um die Persönlichkeit der Lernenden während des Umgangs mit fachlichen Problemstellungen zu entwickeln. Man könnte dieses Verständnis von Unterricht als einer Suchbewegung nach dem „wahren“ Wissen (gedacht vom Lernenden aus) auch „Forschendes Lernen“ nennen, aber das wäre missverständlich, denn es geht ja nicht in erster Linie um fachliche Forschung. Vielmehr steht die Reifung der Persönlichkeit durch das fachliche Arbeiten und Denken im Vordergrund. Davor haben die Fachdidaktiken Angst, weil sie die Bildungswissenschaften als einen Kraken empfinden, der in alles hineingreift und sich einmischt. Dabei sind es doch nur verschiedene Geschichten vom Lernen, die hier erzählt und die als Denkmodell auch diskutiert und verhandelt werden könnten, in einem umfassenden Logos. Oftmals ist es nämlich notwendig, für einen konstruktiven Umgang mit den Denkprodukten der Schüler, alles fachdidaktische Wissen und Können vollständig auszublenden, um den Logos, den gemeinsamen Denkraum, aufrechtzuerhalten und sich nicht als „Wissender“ oder als Puppenspieler zu inszenieren. Der gute Lehrer hat aber dennoch ein immenses Repertoire an fachlichem und fachdidaktischem Theorie-, Handlungs- und Praxiswissen. Er sollte den erkenntnisorientierten Einsatz z.B. von Problem- oder Produktorientierung in allen Facetten des fachlichen Lernens, in denen sich die Denkstruktur seines Fachs manifestiert, beherrschen oder mit ihnen umgehen können, aber nicht als Lehrbuchwissen, sondern in immer neuer Struktur und dem Denkprozess dienender Anwendung: In situativer Originalität. Der Unterricht ist dann kein methodenstrukturierter seelenloser Hampelmannkurs, in dem die Schüler sich wie Marionetten führen lassen, sondern hier geht es um die Verschmelzung der Schülererfahrungen mit dem Logos, dem Denkraum, in dem man sich gemeinsam bewegt und in dem die Person Begegnungen erlebt, die sie an Grenzerfahrungen bringt: nämlich die eigene Weltsicht zu hinterfragen und neue Werte für sein Leben, sein Handeln, aus dem Diskurs heraus zu generieren.

In einem Logos befruchten sich alle Mitdenker gemeinsam: Der Bauherr („Spieler“), der Bauleiter („Planer“) und der Maurer („Soldat“) haben jeweils eine andere Perspektive und geben dem Diskurs je eigene Impulse.

1.3 Er versteht: Wissen wird im Unterricht generiert, nicht vermittelt

Wissen wird im Unterricht folglich generiert, nicht vermittelt. Es ist das Ergebnis einer Sinnproduktion im Unterricht, es wird nicht als fertiges Produkt einer objektivierbaren Wissenschaft präsentiert, sondern im Diskurs über die Bedeutung dieses Wissens hergestellt. Diesen Diskurs kann der Lehrer moderieren, aber er ist ergebnisoffen, denn ein Verstehen, wie Wilhelm Dilthey es einst beschrieb, kann nur dann eintreten, wenn das Lernsubjekt zu einem Teil des Lernobjekts oder selbst Referenzobjekt des Lernens wird. Der Lehrer lässt die Schüler zum Beispiel Theorien entwickeln zu komplexen Sachverhalten, z.B.,