Wiley-Schnellkurs Öffentliches Recht - Wilfried Berg - E-Book

Wiley-Schnellkurs Öffentliches Recht E-Book

Wilfried Berg

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Beschreibung

Bundestag, Bundesrat, Bundeskanzler: Die Begriffe sind bekannt, aber wer darf und macht was in der Bundesrepublik? Was versteht man unter Gemeinwohl, Gewaltenteilung oder Grundrechte? Für Ihre nächste Prüfung müssen Sie wissen, wie die Rechtsordnung unseres Staates, das Öffentliche Recht, aufgebaut ist. Dann ist dieses Buch eine Hilfe für Sie. Wilfried Berg erklärt Ihnen, was Sie über Verfassung und Verwaltungsrecht wissen sollten. Das geht von den Funktionen der Staatsorgane, über die Grundrechte bis zum Verwaltungsverfahren. Kapitel zum Verwaltungsprozessrecht, wie auch zur Europäischen Union runden das Buch ab. So erhalten Sie einen Überblick über unser Staatswesen.

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Einstiegstest

Zum Einstieg können Sie mit diesen Aufgaben testen, wo Sie im Öffentlichen Recht noch Lücken haben, die Sie schließen sollten. Dabei steht jede Aufgabe für ein Kapitel im Buch. Sollten Sie feststellen, dass Sie eine Aufgabe nicht lösen können, ist es vielleicht schlau, zuerst dieses Kapitel durchzuarbeiten, wenn Sie nur noch wenig Zeit haben.

Sie sind Eigentümer eines Grundstücks, das der Staat für die Erweiterung einer Autobahn haben möchte. Sie möchten Ihr Grundstück aber nicht verkaufen. Kann der Staat Ihnen Ihr Grundstück ohne weiteres wegnehmen, obwohl das Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 S. 1 bestimmt, „das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet“?

Nennen Sie zwei Verfassungen für Deutschland

vor

dem Grundgesetz.

In welchen Jahren und nach welchen Ereignissen sind sie entstanden?

Welche Staatsformen wurden durch diese Verfassungen jeweils geschaffen?

Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Einheitsstaat sondern ein Bundesstaat.

Wie ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse zwischen Bund und Ländern grundsätzlich verteilt? Aus welcher Bestimmung des Grundgesetzes läßt sich das herleiten?

Liegen die tatsächlichen Schwerpunkte der Gesetzgebung bei den Ländern oder beim Bund? Verwenden Sie für Ihre Argumentation eine Bestimmung des Grundgesetzes.

Wie wirkt sich das Bundesstaatsprinzip auf das Verfahren für Bundesgesetze aus? Belegen Sie Ihre Antwort mit drei Bestimmungen des Grundgesetzes.

Kann jedes der fünf obersten Bundesorgane von sich aus ohne Antrag von außen Verfahren z. B. in den Bereichen Gesetzgebung oder Verwaltung oder Rechtsprechung in Gang bringen?Versuchen Sie, Ihre Antworten mit Hinweisen auf Bestimmungen des Grundgesetzes zu belegen.

Hat das deutsche Volk oder wer sonst das Recht, Gesetze beim Bundestag einzubringen?

Wer beschließt Bundesgesetze?

Im Regelfall mit welcher Mehrheit?

Unter welchen Voraussetzungen kommt eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung in den Bundestag? Erläutern Sie den Zweck dieses Verfahrens.

Nennen Sie zu allen Antworten die einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes.

Wer beschließt das Haushaltsgesetz?

Muß der Bundesrat dem Haushaltsgesetz zustimmen?

Kann der Bundesrat gegen das beschlossene Haushaltsgesetz Einspruch einlegen?

Unter welchen Voraussetzungen kann die Bundesregierung überplanmäßige oder außerplanmäßige Ausgaben tätigen?

Wer ist grundsätzlich an die Grundrechte gebunden: Der Staat oder die Bürger?Begründen Sie Ihre Ansicht und nennen Sie dazu eine Bestimmung des Grundgesetzes.

Nach welchen Regeln stellt die Verwaltung Mitarbeiter in öffentliche‐rechtlicher Form ein?

Kann die Verwaltung auch Mitarbeiter nach Regeln des Privatrechts einstellen?

Welche Rechtswege sind für Streitigkeiten aus den jeweiligen Beschäftigungsverhältnissen eröffnet?

Wie unterscheiden sich „Verwaltungsakte“, „Rechtsverordnungen“ und „Verwaltungsvorschriften“ im Hinblick auf ihren Adressatenkreis?Nennen Sie zu jeder der drei Handlungsformen jeweils eine Vorschrift, z. B. aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz und/oder aus dem Grundgesetz.

Angenommen, ein Gebäudeeigentümer weigert sich, eine Abrissverfügung der Bauaufsichtsbehörde für seinen „Schwarzbau“ zu befolgen:

Unter welchen Voraussetzungen kann die Abrissverfügung vollstreckt werden?

Muß der Eigentümer etwas unternehmen, um die Vollstreckung abzuwehren oder kann er abwarten, bis die Verwaltung ihn verklagt?

Begründen Sie Ihre Antworten unter Hinweis auf Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung.

Bis zum Jahr 2002 gab es drei Europäische Gemeinschaften. Welche waren das?

Welche war die erste Europäische Gemeinschaft?

Vor welchem historischen und politischen Hintergrund, mit welchem Ziel und mit welcher Wirkung ist diese Gemeinschaft geschaffen worden?

Wie viele und welche Staaten waren Mitglieder dieser ersten Europäischen Gemeinschaft?

Hauptziel der Schaffung der Europäischen Union ist die Herstellung eines Binnenmarktes.

Erläutern Sie den Begriff des Binnenmarktes unter Heranziehung des Textes des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

Die Ausübung welcher Freiheiten muß möglich sein, damit der Binnenmarkt verwirklicht werden kann? Nennen Sie dazu eine Bestimmung des AEUV.

Müssen die Mitgliedstaaten oder müssen private Unternehmen und Arbeitgeber die Verwirklichung des Binnenmarktes sicherstellen? Belegen Sie Ihre Antwort mit einer Bestimmung des EUV.

Lösungen des Einstiegstests

„Ohne weiteres“ kann der Staat Ihnen das Grundstück nicht wegnehmen. Er muss zuerst versuchen, sich mit Ihnen auf einen zivilrechtlichen Kaufvertrag zu einigen. Scheitert der Versuch, dann kann der Staat Sie „enteignen“. Aber nur dann, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt und wenn in diesem Gesetz die Art und das Ausmaß der Entschädigung geregelt ist, vgl. Art. 14 Abs. 3 GG.

„Verfassung des Deutschen Reichs“ (Bismarck‐Verfassung); „Weimarer Reichsverfassung“.

1871 nach dem deutsch‐französischen Krieg; 1919 nach dem ersten Weltkrieg.

Monarchie – zweites Kaiserreich; erste Republik.

Grundsätzlich ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben Sache der Länder. Der Bund hat nur dann das Recht zur Gesetzgebung, zur Ausführung von Gesetzen und zur Einrichtung von Gerichten, wenn das Grundgesetz dies vorschreibt oder zuläßt, vgl. Art. 30 GG.

Entgegen diesem Grundsatz werden die meisten Lebensbereiche durch Bundesgesetze und nicht durch Gesetze der Länder geregelt. Dies ergibt sich schon aus einem Blick in den Katalog des Art. 74 GG, der dem Bund die “konkurrierende Gesetzgebung“ für mehr als dreißig Materien zuweist, etwa für das gesamte bürgerliche Recht und das Strafrecht in Abs. 1 Nr. 1 oder für das „Recht der Wirtschaft“ in Abs. 1 Nr. 11.

Am Gesetzgebungsverfahren für Bundesgesetze sind die Länder durch den Bundesrat beteiligt, vgl. Art. 50 GG. Der Bundesrat hat ein Initiativrecht, vgl. Art. 76 Abs. 1 GG. Er hat das Recht, zu Vorlagen der Bundesregierung Stellung zu nehmen, vgl. Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG. Der Bundesrat kann ferner den Vermittlungsausschuß anrufen und gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz Einspruch einlegen, vgl. Art. 77 Abs. 2 und 3 GG. In vielen Fällen hängt das Zustandekommen eines Bundesgesetzes schließlich von der Zustimmung des Bundesrates ab, vgl. Art. 77 Abs. 2 a und 78 GG. Eine Verfassungsänderung bedarf sogar der Zustimmung von zwei Dritteln seiner Stimmen, vgl. Art. 79 Abs. 2 GG.

Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung haben ein Initiativrecht für Bundegesetze. Dabei genügt es für eine Gesetzesvorlage des Bundestages, daß sie „aus der Mitte des Bundestages“ eingebracht wird. Dafür reichen Unterschriften von 5 % der Abgeordneten.Der Bundespräsident hat das alleinige Vorschlagsrecht im ersten Wahlgang einer Bundeskanzlerwahl, vgl. Art. 63 Abs. 1 GG. Im Fall der Wahl eines Minderheitenkanzlers kann der Bundespräsident den Bundestag von sich aus auflösen, vgl. Art. 63 Abs. 4 S. 3 GG. Der Bundespräsident kann auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeiführen, wenn ihm Rechte von anderen Bundesorganen bestritten werden, vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG.Das Bundesverfassungsgericht ist das einzige oberste Bundesorgan, das von sich aus keine Verfahren in Gang setzen kann. Wie jedes andere Gericht kann es nur auf Antrag von außen tätig werden: „Wo kein Kläger da kein Richter“.

Nach Art. 76 Abs. 1 GG können Gesetzesvorlagen nur durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht werden. Volksbegehren und Volksentscheide über Gesetzesvorhaben kennt das Grundgesetz nicht.

Der Bundestag beschließt Bundesgesetze, vgl. Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG

Zu einem Beschlusse des Bundestages ist im Regelfall die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, vgl. Art. 42 Abs. 2 GG. Verfassungsändernde Gesetze bedürfen allerdings der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages, und zwar seiner „gesetzlichen Mitgliederzahl, vgl. Art. 79 Abs. 2 i.V.m. Art. 121 GG.

Gemäß Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG sind Vorlagen der Bunderegierung zunächst dem Bundesrat zuzuleiten, bevor sie der Bundestag erhält. Der Bundesrat kann hierzu Stellung nehmen. Diese Stellungnahme muß ebenfalls beim Bundestag eingereicht werden. Mit diesem umständlich erscheinenden Verfahren verfolgt das Grundgesetz einen doppelten Zweck: Der Bundesrat soll möglichst frühzeitig von Gesetzesvorhaben der Bundesregierung Kenntnis erhalten, damit die Länder z. B. prüfen können, welchen Verwaltungsaufwand sie später bei der Ausführung dieses Gesetzes haben werden. Für den Bundestag als „Laienparlament“ liegt der Vorteil darin, daß er nicht von den Fachleuten aus den Ministerien der Bundesregierung „überfahren“ wird, sondern eine andere Sicht auf das Gesetzesvorhaben durch Fachleute aus den Ministerien der Länder erhält. Für den Bundestag werden die Gesetzesberatungen dadurch erleuichtert.

Der Bundestag beschließt das Haushaltsgesetz wie jedes andere Bundesgesetz gemäß Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG. In Art. 110 GG ist insoweit nichts anderes geregelt.

Zustimmen müßte der Bundesrat nur dann, wenn dies vom Grundgesetz vorgeschrieben wäre. Da Art. 110 GG auch insoweit keine Regelung trifft, ist das Haushaltsgesetz nicht zustimmungspflichtig.

Art. 77 Abs. 3 S. 1 GG gibt dem Bundesrat bei allen nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen das Recht, nach Beendigung des Vermittlungsverfahrens gegen ein Gesetz Einspruch einzulegen. Also hat er dieses Recht auch beim Haushaltsgesetz.

Das Budgetrecht des Bundestages bedeutet, daß die Bundesregierung eigentlich nur die Ausgaben nach dem Haushaltsplan tätigen darf, die durch das Haushaltsgesetz festgestellt worden sind. „Im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses“ darf die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesfinanzministers aber mehr Geld ausgeben, etwa für Katastrophenhilfen. Falls noch Zeit für einen Nachtragshaushalt wäre, läge kein unabweisbares Bedürfnis vor.

Der Staat ist mit seinen drei Gewalten an die Grundrechte gebunden, also als Gesetzgeber, als vollziehende Gewalt und als rechtsprechende Gewalt, vgl. Art. 1 Abs. 3 GG. Die Bürger werden durch die Grundrechte nicht verpflichtet, sondern berechtigt. Die Grundrechte dienen als Abwehrrechte vor allem dazu, die Rechtssphären der Menschen vor der staatlichen Gewalt zu schützen. Mit der Übertragung des „Gewaltmonopols“ auf den Staat haben die Bürger auf eigenen Gewalteinsatz und auf Selbstjustiz verzichtet. Seine Grundrechtsbindung ist der Preis, den der Staat für das Gewaltmonopol zahlen muß.

Nach den Regeln des Beamtenrechts. Die Ernennung eines Beamten ist ein Verwaltungsakt.

Die Verwaltung kann auch Einstellungsverträge, z. B. Dienstverträge gemäß §§ 611 ff. BGB abschließen.

Für Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, vgl. § 40 VwGO. – Streitet sich ein Angestellter im öffentlichen Dienst mit seinem Dienstherrn über sein Arbeitsverhältnis oder über die Zulässigkeit einer Kündigung muß er vor dem Arbeitsgericht klagen.

Ein Verwaltungsakt regelt einen Einzelfall und richtet sich dabei an eine bestimmte Person, vgl. § 35 VwVfG. – Eine Rechtsverordnung ist eine untergesetzliche, generell‐abstrakte Norm, die sich an eine unbestimmte Vielzahl von Personen richtet, wie beispielsweise die Straßenverkehrsordnung. Rechtsverordnungen werden von der Verwaltung erlassen und bedürfen stets einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, vgl. Art. 80 GG. – Verwaltungsvorschriften sind ebenfalls generell‐abstrakte Normen. Sie richten sich aber nicht an die Bürger, sondern nur an die Verwaltungsbehörden selbst. Sie dienen als interne Gebrauchsanleitungen für eine möglichst einheitliche Gesetzesanwendung. Sie werden oft als Durchführungsvorschriften, Richtlinien, Dienstanweisungen, Vollzugsbestimmungen oder Erlasse bezeichnet. Das Grundgesetz ermächtigt z. B. die Bundesregierung in Art. 84 Abs. 2 oder 85 Abs. 2 zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates.

Nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) gibt es die Möglichkeiten der Vollstreckung wegen Geldforderungen (§§ 1 bis 5) und der „Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen“, §§ 6 bis 18. Da hier von dem Eigentümer eine Baubeseitigung, also eine Handlung, gefordert wird, richtet sich die Zulässigkeit des Verwaltungszwanges nach § 6 Abs. 1 VwVG. Der Verwaltungsakt „Abrißverfügung“ kann danach mit den Zwangsmitteln nach § 9 (Ersatzvornahme, Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang) durchgesetzt werden, wenn er „unanfechtbar ist oder wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist“.

Der Eigentümer kann also nicht warten, bis er von der Behörde verklagt wird. Denn die Behörde kann – anders als ein Privater – ihre eigenen Entscheidungen ohne Hilfe eines Gerichts selbst vollstrecken. Der Eigentümer muß also Widerspruch einlegen oder Anfechtungsklage erheben, um eine „aufschiebende Wirkung“ zu erreichen, vgl. § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO. Versäumt er die Widerspruchs‐ bzw. die Klagefrist von einem Monat (vgl. §§ 70 bzw. 74 VwGO), wird der Verwaltungsakt – die Abrißverfügung – unanfechtbar und kann vollstreckt werden.

Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), auch „Montanunion“ genannt; ferner die Europäische Gemeinschaft (EG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom).

Die erste Europäische Gemeinschaft ist die EGKS. Sie wurde 1951 gegründet und endete im Jahre 2002, fünfzig Jahre nach ihrem Inkrafttreten.

Die EGKS wurde nach Ende des zweiten Weltkriegs geschaffen. Ihr Zweck war, jeden Krieg in Europa unmöglich zu machen und dauerhaften Frieden, insbesondere zwischen den bisherigen „Erbfeinden“ Deutschland und Frankreich zu schaffen. Dieser Zweck sollte durch die Gründung einer übernationalen Hohen Behörde erreicht werden. Diese Behörde erhielt die Verfügungsmacht über die kriegswichtigen Ressourcen Kohle und Stahl anstelle der einzelnen Nationalstaaten.

Sechs Staaten, nämlich Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Deutschland, Frankreich und Italien.

Gemäß Art. 3 Abs. 2, 3 EUV bietet die EU „ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen…“ und errichtet einen Binnenmarkt. In Art. 26 Abs. 2 AEUV wird dieser Binnenmarkt dann näher beschrieben als ein „Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital … gewährleistet ist“.

Die vier in Art. 26 Abs. 2 AEUV genannten Grundfreiheiten werden in den Art. 28 ff., 45 ff., 56 ff. und 63 ff. näher geregelt.

Nach Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV ergreifen die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Union ergeben. Private Unternehmer oder Arbeitgeber werden aus den Verträgen nicht unmittelbar zur Verwirklichung des Binnenmarktes verpflichtet. Sie müssen also nicht von sich aus Waren aus anderen Mitgliedstaaten importieren oder Unionsbürger aus andern Staaten beschäftigen.

Wilfried Berg

Wiley Schnellkurs Öffentliches Recht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d‐nb.de abrufbar.

1. Auflage 2015

© 2015 WILEY‐VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This book published by arrangement with John Wiley and Sons, Inc.

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Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.

Korrektur: Karin Becker

Umschlaggestaltung: Torge Stoffers Graphik‐Design, Leipzig

Satz: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza

Print ISBN: 978‐3‐527‐53014‐4

ePub ISBN: 978‐3‐527‐69636‐9

mobi ISBN: 978‐3‐527‐69635‐2

Einführung

Was Sie schon immer über Öffentliches Recht wissen wollten

Zuschauer in einer Fußballarena sind wichtig. Aber allein unter sich werden sie es wohl nicht lange aushalten. Auf dem Platz muss gespielt werden. Das geht nicht ohne Mannschaften; es geht aber auch nicht ohne Spielregeln und ohne Schiedsrichter. Und nur wenn alle die Regeln kennen und sich daran halten – Schiedsrichter, Mannschaften und Zuschauer – kann das Spiel gelingen, macht auch noch Spaß und alle kommen auf ihre Kosten.

In diesem Buch geht es nun nicht um die Veranstaltung von Fußballspielen, sondern um die Veranstaltung „Staat“. Und da es sich um einen demokratischen Staat handelt, sind wir daran alle beteiligt, aktiv und passiv – als Wähler, Parteimitglieder und Politiker, als Zeitungsleser, Leserbriefschreiber und Demonstranten, aber auch als Steuerzahler, Verkehrsteilnehmer, Internetnutzer, Verbraucher, Gewerbetreibende etc. und immer auch als „Zuschauer“, nämlich als – kritische oder unkritische – Öffentlichkeit.

In diesem Buch möchte ich die „Spielregeln“ vermitteln, nach denen die Veranstaltung unseres Staates funktioniert. Dabei geht es um Öffentliches Recht. Was ist das? Zivilrecht kennt jeder, auch wenn sich mit Sicherheit nicht jeder bewusst ist, tagtäglich Dutzende von Rechtsgeschäften – vor allem Verträge – abzuschließen: Im Supermarkt, beim Tanken, bei der Bank. Strafrecht kennt auch jeder – zumindest aus dem Fernsehen – und – Gott sei Dank – nicht aus eigener Erfahrung. Das Öffentliche Recht dagegen ist für die meisten ein unbekanntes Wesen. Dabei nehmen Nachrichten aus diesem Bereich in der Tagesschau, auf den ersten Seiten der Zeitungen unter „Politik“, in Magazinen, Talkshows und in Kabarettsendungen den allergrößten Raum ein. Sollte man nicht wissen, was eine Bundesregierung ist, was sie tut und was sie tun kann? Und wenn wir uns wieder über die „weltfremden Eurokraten in Brüssel“ aufregen – müssten wir uns nicht fragen, welchen Einfluss wir als Bürger auf die EU haben, was sie uns kostet und was sie uns bringt?

Anders als beim Zivilrecht geht es im Öffentlichen Recht nicht um den Ausgleich persönlicher und wirtschaftlicher Interessen zwischen zwei Vertragspartnern. Hier geht es vielmehr um das öffentliche Interesse, um das Gemeinwohl. Und dabei kommen Träger öffentlicher Gewalt ins Spiel: Organe des Bundes, wie Bundestag oder Bundesregierung, der Länder, der Städte und Gemeinden, aber auch der Industrie‐ und Handelskammern und der gesetzlichen Krankenkassen. Darüber hinaus bestimmt die Europäische Union mit Hilfe des Öffentlichen Rechts darüber, wie sie auf unser tägliches Leben einwirken kann. Und das Öffentliche Recht legt fest, ob und wann die Polizei uns anhalten oder gar festnehmen darf und wann wir einen Bußgeldbescheid bekommen.

Am nächsten kommt uns das Öffentliche Recht im Arbeitsleben. Wir können uns zwar noch ziemlich frei über Einzelheiten eines Arbeitsvertrags einigen. Aber Regeln über Altersgrenzen, Kündigungsschutz, Mutterschutz, Arbeitszeiten und Arbeitsschutz sind weitgehend durch staatliche Gesetze vorgegeben – einseitig hoheitlich – und nicht verhandelbar.

Nun ist der Staat, dessen „öffentliche Gewalt“ uns als Gesetzgeber, Verwaltungsbehörde oder Gericht solche Vorgaben macht, keine Naturkatastrophe, die wir wie ein Erdbeben oder einen Tsunami als Schicksal hinnehmen müssten. Wir können uns im Einzelfall wehren, indem wir Rechtsschutz bei unabhängigen Gerichten suchen, also den Rechtsweg einschlagen, vgl. Art. 19 Abs. 4 GG. Aber der Staat ist auch insgesamt veränderbar und durch uns, seine Einwohner und Bürger, gestaltbar. Denn: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Wenn wir uns nicht als seine Opfer und Objekte sehen wollen, müssen wir die Spielregeln kennen, die die Rechtsordnung aufstellt, damit wir Einfluss nehmen können.

Meine Leser

Dieses Buch ist für alle diejenigen geschrieben, die wissen müssen oder/und wissen wollen, wie unser Staat verfasst ist, wie die Staatsgewalt zustande kommt, in welchem Verhältnis sie zu den Staatsbürgern und den Einwohnern steht und wie Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung funktionieren. Kenntnisse des Staatsrechts und des Öffentlichen Rechts insgesamt sind deshalb nicht mehr allein Bestandteil des Hauptfachs Jura. In immer mehr Studienordnungen für Wirtschaftswissenschaftler, Verwaltungsfachwirte, Gesundheitsmanager, Wirtschaftsgeographen, Sportökonomen und auch für Ingenieure erscheinen die Grundlagen des Öffentlichen Rechts als Wahl‐ oder Wahlpflichtfach. Möglichst viele Führungskräfte in Wirtschaft und Gesellschaft, in Unternehmen und Verbänden müssen erkennen können, wie weit die eigene Handlungsfreiheit reicht und wo die Grenzen liegen, die niemand ungestraft überschreiten darf. Die Vermittlung dieses Grundwissens wird auch deshalb immer wichtiger, weil im Rahmen der Freizügigkeit im europäischen Binnenmarkt immer mehr Unionsbürgerinnen und Unionsbürger als Arbeitnehmer, Dienstleister oder Unternehmer nach Deutschland kommen werden. Um ihre durch die Europäischen Verträge garantierten Rechte ausüben zu können (s. zum Beispiel Art. 20 ff. AEUV über die Unionsbürgerschaft und Art. 26 ff. AEUV über die Grundfreiheiten im Binnenmarkt), müssen sie diese Rechte kennen und zugleich wissen, wie die nationale Rechtsordnung beschaffen ist, in der sie – auf Zeit oder auf Dauer – leben wollen.

Nötiges Vorwissen und Material

Was brauchen Sie, um mit diesem Buch das Öffentliche Recht kennen und verstehen zu lernen? Unter allen Umständen ein Gesetz! Ich habe bewusst schon an einigen Stellen Artikel aus dem „GG“ und aus dem „AEUV“ eingestreut. „GG“ ist die Abkürzung für das „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ vom 23. Mai 1949. Für die ersten sechs Kapitel genügt ein Text des GG, der allerdings nicht älter als aus dem Jahre 2009 sein sollte. Aktuelle GG‐Texte erhalten Sie kostenlos zum Beispiel bei Landeszentralen für politische Bildungsarbeit. Aber es reicht nicht, das GG unterm Arm zu tragen. Wenn Sie von diesem Buch profitieren wollen, müssen Sie jedes im Text gebrachte Zitat – zum Beispiel Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG über die Meinungsfreiheit oder Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG über das Wahlrecht – lesen und den gelesenen Text unterstreichen oder anders markieren. Nur so erinnern Sie sich an Gelesenes und Gelerntes und werden sich wenn es darauf ankommt – zum Beispiel in Klausuren oder mündlichen Prüfungen – im Text zurechtfinden.

Tipp

Von Hand kommentieren sollten Sie Ihren GG‐Lese‐ und Lerntext nur dann, wenn Sie für Prüfungen noch einen unkommentierten Text zur Verfügung haben. Von vielen Prüfern werden Gesetzestexte mit handschriftlichen Ergänzungen beanstandet. Gehen Sie hier kein Risiko ein.

Erst für die Kapitel acht bis zwölf (Verwaltungsrecht, Verwaltungsprozessrecht und Grundzüge des Europarechts) benötigen Sie weitere Gesetzestexte. Hier empfehle ich die nwb‐Textausgabe „Wichtige Gesetze für Wirtschaftsverwaltung und die Öffentliche Wirtschaft“ www.nwb.de. Diese Sammlung enthält auf mehr als 1.400 Seiten auch den EUV (Vertrag über die Europäische Union) und den AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), also die sogenannten Verträge von Lissabon, die am 1.12.2009 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind. Im Übrigen enthält diese Textsammlung zwar sehr viel mehr Gesetze, als Sie zur Arbeit mit diesem Buch brauchen, aber die Sammlung kostet nur etwas über 10 Euro. Selbstverständlich kommt es nicht auf einen bestimmten Verlag oder eine bestimmte Textsammlung an, sondern nur darauf, dass Sie während der Lektüre unbedingt die aktuellen Vorschriften der zitierten Gesetze zur Hand haben und markieren können.

Ziel des Buches

Alle Studien‐ und Prüfungsordnungen schreiben vor, dass Scheine oder Credits zu erwerben sind. Das gilt auch für diejenigen Studiengänge, in denen Kenntnisse im Öffentlichen Recht gefordert werden. Ziel des Buches ist es, Ihnen diesen – zwar nur äußerlichen aber doch wichtigen – Studienerfolg zu sichern. Gleichzeitig kann Ihnen das hiermit erworbene Grundwissen auch dabei helfen, sich in vertiefende Fachliteratur einzuarbeiten, wie zum Beispiel Berg, Staatsrecht – Grundriss des Staatsorganisationsrechts und der Grundrechte, 6. Auflage, 2011.

Noch wichtiger aber scheint mir, dass Sie zusätzlich zu dem völlig legitimen und wichtigen Ziel, Wissen zu sammeln und Prüfungen zu bestehen, ein Gespür für die Werte unserer Rechtsordnung entwickeln. Wenn Sie Lust darauf haben zu erfahren, was Grundrechte bedeuten und warum sie sich allein in einer Demokratie entfalten können, dann werden Sie Freude an der Arbeit mit diesem Buch haben und wirklich davon profitieren. Und profitieren wird davon auch unsere Demokratie. Denn eine Demokratie lebt von Demokraten. Wenn es in Art. 20 Abs. 1 GG heißt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“, dann ist das keine Seins‐ oder Zustandsbeschreibung, sondern eine dauernde Aufgabe in einem ewigen Prozess. Unsere „freiheitliche demokratische Grundordnung“, die das Grundgesetz mehrfach hervorhebt (vgl. zum Beispiel Art. 10 Abs. 2 S. 2, Art. 11 Abs. 2, Art. 18 S. 1, Art. 21 Abs. 2 S. 1) ist keine vorgegebene Selbstverständlichkeit. Man kann „mehr Demokratie wagen“ (Willy Brandt); man kann Demokratie aber auch einschränken, gefährden und zerstören, und zwar von unten – durch revolutionäre Volksbewegungen, aber auch durch Desinteresse – ebenso wie von oben durch reaktionären Machtmissbrauch der Staatsgewalt. Beispiele finden sich nicht nur in der Geschichte. Die Ersetzung des demokratischen Rechtsstaats der Weimarer Republik von 1919 durch das totalitäre Regime des Nationalsozialismus hat Deutschland und die Welt von 1933 bis 1945 in die größte Katastrophe der Geschichte geführt. Aber auch in der Gegenwart geraten selbst „gefestigte“ Demokratien immer wieder in Gefahr. Oft werden die Grundrechte der Presse‐ und der Meinungsfreiheit, das Versammlungsrecht, das Post‐ und Fernmeldegeheimnis, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, aber auch immer noch die Religionsfreiheit eingeschränkt. Wenn irgendwo auf der Welt Festplatten in Redaktionscomputern zerstört, Journalisten an ihrer Arbeit gehindert, friedliche Versammlungen aufgelöst und Demonstranten festgenommen und eingesperrt werden, dann ist auch bei uns höchste Wachsamkeit geboten. Denn es geht immer um Menschen – wie wir – in unserer einen Welt.

Mein wichtigstes Anliegen ist es zu vermitteln, dass der Staat um des Menschen willen, nicht der Mensch um des Staates willen, da ist.

Wie dieses Buch geschrieben ist

Ich habe versucht in diesem Buch auf Fachbegriffe zu verzichten wo es geht, aber im Öffentlichen Recht gibt es nunmal Fachbegriffe und die werden auch entsprechend angeführt. Wichtige Begriffe in einem Abschnitt sind fett markiert. Zitate und fest stehende Begriffe sind durch Anführungszeichen markiert.

Ich habe versucht dieses Buch so zu schreiben, dass jedes Kapitel aus sich selbst heraus verständlich ist. Deshalb werden einige Inhalte in anderen Kapiteln wiederholt, wenn sie dort wieder wichtig für das Verständnis des Textes sind. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie schon vorher etwas gelesen haben. Sie können diese Stellen dann ja überblättern.

Elemente in diesem Buch

Wie in jedem Wiley‐Schnellkurs gibt es auch in diesem Buch ein paar Elemente, die Ihnen das Lernen vereinfachen sollen.

Tipp

Diese Kästen sollen Ihnen einen abstrakten Sachverhalt leichter verständlich machen. Sei es mit einem anderen Betrachtungswinkel, einer Anwendungsmöglichkeit eines Gesetzes, Hintergrundinformationen usw. Wenn Sie den abstrakten Sachverhalt schon vorher verstanden haben, können Sie den Kasten getrost überlesen.

Beispiel

In diesen grau umrahmten Feldern finden Sie Bespiele. Sie können Ihnen hier und da vielleicht beim Verständnis helfen, oder sie helfen Ihnen sich das Gelesene zu merken. Manchmal ist das im Konkreten leichter als im Abstrakten. Die Beispiele können aber auch eine angenehme Ruhepause sein, wenn Sie sich nicht so intensiv konzentrieren müssen, wie beim Rest der Lektüre.

Einstiegstest und Übungsfragen

Am Anfang des Buches findet sich ein Einstiegstest mit Lösungen. Es handelt sich dabei um Fragen und Antworten zu jedem der zwölf Kapitel. Sie können Ihnen eine erste Orientierung geben, was Sie bei der Lektüre erwartet. Im laufenden Text helfen Ihnen dann detailliertere Übungsfragen dabei zu überprüfen, was Sie gelernt haben. Die Antworten stehen am Ende des Buches.

1Das Öffentliche Recht in der Rechtsordnung

In diesem Kapitel

Nutzen und Kosten einer Rechtsordnung für jede menschliche Gemeinschaft

Unterscheidung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht

Unterscheidung zwischen Öffentlichem Recht und Zivilrecht

Systematik des Grundgesetzes

Normenhierarchie

Robinson brauchte auf der einsamen Insel keine Rechtsordnung. Sobald wir aber in einer menschlichen Gemeinschaft leben, kommen wir ohne verbindliche Regeln nicht mehr aus. Das gilt schon für die Familie, für den Fußballclub, für die Schule und für die Gemeinde. Und in besonderem, immer stärker formalisiertem Maße für das Zusammenleben in einem Staat. Dabei ist eine stabile, allgemeinverbindliche und unparteiische Rechtsordnung ein ganz wesentlicher Faktor für politische, wirtschaftliche aber auch für private Entscheidungen. Warnungen des Auswärtigen Amtes vor Reisen in Länder ohne funktionierende Rechtsordnung sollten von Touristen beachtet werden; Reiseveranstalter und Versicherungen richten sich danach. Unternehmen, die investieren wollen oder eine Ansiedlung planen, prüfen genau, was sie vom jeweiligen Steuer‐, Gesellschafts‐ oder Arbeitsrecht zu erwarten haben, wie es mit Korruption, Kriminalität und Rechtsschutz steht, ob und wie man Grundeigentum erwerben kann und wie es um den Schutz von Grundrechten wie Informations‐ und Meinungsfreiheit, Freizügigkeit und Religionsfreiheit steht.

Gebiete des Rechts

In Deutschland wird die geltende Rechtsordnung traditionell in drei Gebiete eingeteilt:

Zivilrecht,

Öffentliches Recht,

Strafrecht.

In jedem dieser Gebiete unterscheiden wir zwischen materiellem Recht und Prozessrecht.

Beim materiellen Recht geht es um Ansprüche oder Verpflichtungen im Hinblick auf Rechtsgüter. Bezogen auf die Beteiligten – zum Beispiel im Zivilrecht – wird danach gefragt, wie man Gläubiger oder Schuldner wird.

Beispiel

A verkauft an B seinen alten Golf für 1.000 Euro. Dann hat A gegen B einen Anspruch auf das Geld und ist insoweit Gläubiger, schuldet aber zugleich B die Lieferung des Autos.

Materiellrechtliche Ansprüche gibt es selbstverständlich ebenso im Öffentlichen Recht und im Strafrecht: Ein Grundstückseigentümer kann gegenüber der Baubehörde einen Anspruch auf Baugenehmigung haben. Oder der Staat hat gegenüber einem Dieb einen „Strafanspruch“.

Aber: „Recht haben“ – also einen rechtlich begründeten Anspruch auf Zahlung oder Lieferung – und „Recht bekommen“ – nämlich diesen Anspruch durchsetzen und Geld oder Auto wortwörtlich in den Händen zu haben – ist nicht dasselbe! Dazu brauchen wir das Prozessrecht zur Durchsetzung und notfalls zur Vollstreckung unserer (materiellen) Ansprüche.

Die Vorstellung, dass man sich das Geld, auf das man einen Rechtsanspruch hat, beim Schuldner einfach holen kann – notfalls mit Gewalt – ist seit mehr als 500 Jahren in Deutschland überholt. Auf dem Reichstag zu Worms wurde im Jahre 1495 der „Ewige Landfrieden“ beschlossen. Seitdem ist „Selbstjustiz“ verboten: Der Staat hat das Gewaltmonopol; ein „Faustrecht“ der Bürger gibt es nicht mehr. Wenn ein Schuldner den vereinbarten Kaufpreis nicht zahlt, muss der Gläubiger versuchen, durch Klage vor den (ordentlichen) Gerichten ein Urteil und damit einen Vollstreckungstitel zu erreichen, den nicht er selbst, sondern ein Gerichtsvollzieher vollstreckt. Die Durchsetzung allen materiellen Rechts auf allen Rechtsgebieten ist dem Staat vorbehalten.

Mit diesem in allen Prozessgesetzen zum Ausdruck kommenden Gewaltmonopol hat der Staat die Handlungsfreiheit seiner Bürger massiv eingeschränkt. Wie wir schon gesehen haben, muss sich der Staat für diesen Freiheitseingriff rechtfertigen. Die ursprünglichste und nach wie vor wichtigste Gemeinwohlverpflichtung des Staates ist die Friedenssicherung für seine Bürger nach innen und außen und damit vor allem die Abwehr von Gefahren. Eine Gesellschaft, in der das Recht des Stärkeren gilt und in der Schlägertrupps und Privatarmeen die Schwachen und Friedlichen erpressen und ausrauben, wäre nicht in der Lage, Würde, Freiheit und Gleichheit aller zu sichern. So ist es zu rechtfertigen, dass allein der Staat Gewalt zur Durchsetzung von Recht einsetzen darf. Und diese Beschränkung der Handlungsfreiheit seiner Bürger ist auch verhältnismäßig. Denn der Staat ist bei Ausübung seines Gewaltmonopols in allen seinen Funktionen – als Gesetzgeber, bei der Ausführung der Gesetze und bei der Rechtsprechung – an die Grundrechte gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG). Zudem gewährt das Grundgesetz jedem Einwohner, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, das Recht, den Staat vor unabhängigen Gerichten zu verklagen (Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 97 GG). Staatliche Gewalt ist also rechtlich gebundene und kontrollierte Gewalt. Die „Friedenspflicht“ der Bürger und ihr „Zwangsverzicht“ auf Faustrecht und auf Selbstjustiz werden also durch solcherart verfassungsrechtlich umhegte staatliche Friedenssicherung angemessen ausgeglichen.

Gerichte: Hier wird Recht gesprochen

Zuständig für die Verfahren zur Durchsetzung des materiellen Rechts in allen Rechtsgebieten sind die Gerichte, und zwar in erster Linie die Gerichte der einzelnen Bundesländer. Bundesgerichte kommen – auf die Masse aller Prozesse gerechnet – nur sehr selten zum Zuge und in der Regel nur als letzte Instanz. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern grundsätzlich so geregelt, dass der Bund nur dann Kompetenzen hat, wenn sie ihm durch das Grundgesetz ausdrücklich verliehen werden, vgl. Art. 30 GG. Das gilt für die Gesetzgebung (s. Art. 70 GG) ebenso wie für die ausführende Gewalt (s. Art. 83 GG) und für die Rechtsprechung (s. Art. 92 GG). Bundesgerichte darf es also nur dann geben, wenn das Grundgesetz sie ausdrücklich zulässt. Das ist durch Art. 95 GG geschehen. Danach darf der Bund „oberste Gerichtshöfe“ errichten, und zwar für:

die ordentliche Gerichtsbarkeit den Bundesgerichtshof,

die Verwaltungsgerichtsbarkeit das Bundesverwaltungsgericht,

die Finanzgerichtsbarkeit den Bundesfinanzhof,

die Arbeitsgerichtsbarkeit das Bundesarbeitsgericht,

die Sozialgerichtsbarkeit das Bundessozialgericht.

Das Bundesverfassungsgericht ist keines dieser „obersten Gerichtshöfe“ des Bundes, sondern ein eigenständiges oberstes Bundesorgan (dazu 4. Kapitel unter V).

Die fünf genannten obersten Gerichtshöfe des Bundes stehen gleichzeitig für fünf verschiedene Rechtswege, auf denen wir Rechtsschutz suchen können. Dabei bedeutet Rechtsschutz nach dem oben Gesagten nicht nur, dass wir den Staat verklagen können, wenn uns die öffentliche Gewalt in einem unserer Rechte verletzt – diese Garantie erhalten wir durch Art. 19 Abs. 4 GG. Unsere materiellen Rechte können auch durch private Instanzen, durch „Mitbürger“ verletzt werden: Durch Schuldner, die nicht zahlen wollen, durch Vermieter, die uns zu Unrecht kündigen, durch Arbeitgeber, die uns den Urlaub verweigern und vieles mehr. Geht es dabei um „normales“ Zivilrecht oder um Handelsrecht – Materien, die überwiegend im BGB oder zum Beispiel im HGB geregelt sind –, dann müssen wir uns an die „ordentlichen“ Gerichte wenden: An Amts‐ oder Landgerichte, das Oberlandesgericht und schließlich den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Die Amts‐ und Landgerichte können – je nach Streitwert oder Rechtsgebiet – Tatsachengerichte erster Instanz sein. Ein Tatsachengericht hat zuerst einmal die Aufgabe, den Sachverhalt zu klären und danach erst Recht zu sprechen. Das Oberlandesgericht ist in der Regel Tatsachengericht zweiter Instanz (Berufungsinstanz). Hier wird noch einmal geprüft, welcher Sachverhalt wirklich vorgelegen hat. Der Bundesgerichtshof ist hingegen grundsätzlich nur „Revisionsinstanz“. Er erhebt dann keine Beweise, klärt den Sachverhalt also nicht noch einmal auf, sondern entscheidet allein über Rechtsfragen. Ähnlich ist die Zuständigkeitsverteilung in Arbeitsprozessen zwischen den Arbeitsgerichten, den Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt.

Alle anderen Gerichtsbarkeiten – also die Verwaltungs‐, Finanz‐ und Sozialgerichte, aber auch die Strafgerichte (im organisatorischen Verbund der „ordentlichen Gerichtsbarkeit“) – beschäftigen sich mit Öffentlichem Recht.

Das Öffentliche Recht im Verhältnis zu Zivil‐ und Strafrecht

Was ist nun der Unterschied zwischen den beiden Rechtsgebieten Zivilrecht und Öffentlichem Recht?

Für das Zivilrecht ist der Grundsatz der Privatautonomie kennzeichnend. Autonomie heißt „Selbstgesetzgebung“. Privatautonomie bedeutet also, dass wir, die „Privaten“, die Bürger, ohne Einwirkung des Staates unser Recht selbst machen können: Wir können über unsere Güter frei verfügen. Über eigene Güter kann jeder mit jedem im Prinzip alles regeln. Rechtsansprüche entstehen im Zivilrecht in der großen Masse der alltäglichen Rechtsgeschäfte nicht aus Gesetzen, sondern aus Verträgen. Privatautonomie ist Ausdruck unserer – dem Staat vorgegebenen – Freiheit. Diese Freiheit gibt uns allerdings nicht die Befugnis, in Rechte anderer einzugreifen, etwa durch Erpressung, Betrug oder Ausbeutung. Grenzen unserer Privatautonomie formuliert der staatliche Gesetzgeber unter anderem im BGB. So sind Verträge und andere Rechtsgeschäfte nichtig, wenn sie gegen die „guten Sitten“ (§ 138 BGB) oder gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) verstoßen. Ansonsten kann jeder freiwillig über seine Güter und Rechte verfügen und im Vertrag mit einem anderen einen individuellen Interessenausgleich finden. Die Vertragspartner sind rechtlich gleich geordnet. Rein rechtlich gesehen ist stets ein Rollentausch möglich. Wer ein neues Auto möchte, kann Käufer werden; will er sein altes Auto loswerden, kann er sich als Verkäufer versuchen.

Das gehört zum Öffentlichen Recht

Im Öffentlichen Recht ist das anders. Öffentliches Recht ist „Sonderrecht für Hoheitsträger“. Hier gilt das Prinzip der Über‐ und Unterordnung. Die Rollen sind nicht austauschbar, sondern gesetzlich festgelegt. Nicht jeder kann Fahrerlaubnisse oder Baugenehmigungen erteilen, vollstreckbare Urteile fällen oder für alle verbindliche Gesetze beschließen. Wer solche Hoheitsrechte ausüben will, braucht ein Amt, er braucht Kompetenzen, die ihm aufgrund gesetzlicher Regeln verliehen sein müssen. Allein der Bundespräsident kann im Einzelfall für den Bund das Begnadigungsrecht ausüben (vgl. Art. 60 Abs. 2 GG), und nur er kann den Bundestag auflösen (vgl. Art. 63 Abs. 4 S. 3 GG und Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG). Allein der Bundestag kann Bundesgesetze beschließen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG). Nur ein Richter kann einen Haftbefehl erlassen oder die Freilassung eines von der Polizei Festgenommenen anordnen (Art. 104 Abs. 3 S. 2 GG). Und im Straßenverkehr müssen wir vor der roten Ampel stehen bleiben; die Polizei darf sich darüber hinwegsetzen – aber nur in rechtlich definierten Einsatzfällen und mit Blaulicht. Dieses Blaulicht steht exemplarisch für die Anwendung von Öffentlichem Recht als Sonderrecht allein für diejenigen, die bestimmte gesetzliche Kompetenzen haben und diese zum Wohl der Allgemeinheit ausüben – und nicht etwa zum Brötchen holen.

Prozessrecht als Öffentliches Recht

Zum Öffentlichen Recht gehören deshalb nicht nur die Gebiete des materiellen Staats‐, Verwaltungs‐, Steuer‐, Sozial‐ und Strafrechts, sondern auch das gesamte Prozessrecht und natürlich auch die Organisation sämtlicher staatlicher Gerichte. Wer mit seinem Nachbarn Streit wegen eines Kaufvertrages bekommt, weil der Nachbar den vereinbarten Kaufpreis nicht zahlen will, der muss versuchen, seine Ansprüche vor den ordentlichen Gerichten auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen. Das Verfahren wird durch die Zivilprozessordnung – ein Bundesgesetz – geregelt. Das zuständige Amtsgericht ist von seinem Bundesland eingerichtet und der Richter vom dortigen Justizminister ernannt worden. Nur das materielle Zivilrecht liegt in der Verfügungsmacht der privaten Vertragspartner. Frei sind die Vertragspartner auch noch in der Entscheidung, ob sie materielle Rechtsansprüche auf Zahlung oder Lieferung einklagen wollen oder ob sie einfach verzichten möchten. Der staatliche Richter drängt sich nicht auf. „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Wer aber klagt (oder verklagt wird) muss sich den Regeln der vom Staat geschaffenen Prozessgesetze und dem hoheitlichen Richterspruch unterwerfen.

Ein Sonderrecht für Hoheitsträger?

Die Charakterisierung des Öffentlichen Rechts als „Sonderrecht für Hoheitsträger“ und als Recht der „Überordnung“ klingt ebenso martialisch und nach überholtem Obrigkeitsstaat vorrepublikanischer und vordemokratischer Zeiten wie das Gewaltmonopol des Staates, auf dem die eben genannten Gerichtsbarkeiten und Prozessordnungen beruhen. Aber diese Bezeichnungen sind plastisch und treffend und mahnen gleichzeitig zur Wachsamkeit. So „sanft“ unser fürsorgender und sozialer „Vater Staat“ uns heute als „Serviceleister“ begegnet, so selten Uniformen und Talare inzwischen auch geworden sind, am Ende kann immer die Staatsgewalt mit ihren Zwangsmitteln – wie Zwangsgeld, unmittelbarem Zwang und Strafsanktionen – zum Vorschein kommen. Was immer der Staat tut, bedarf der Rechtfertigung gegenüber dem Prinzip der Freiheit. Andernfalls missbraucht der Staat die ihm von uns verliehene Gewalt. Es ist an uns, solche Gefahren frühzeitig zu erkennen, sie öffentlich zu machen und Übergriffe zu verhüten. Dazu müssen wir die Erscheinungsformen des Öffentlichen Rechts und unsere Handlungsmöglichkeiten kennenlernen.

Jedes Ding hat mindestens zwei Seiten …

Im täglichen Leben können wir überall Verbindungen und Unterschiede zwischen Zivilrecht und Öffentlichem Recht entdecken. Praktisch jeder Gegenstand hat zivilrechtliche und zugleich öffentlich‐rechtliche Aspekte.

Ein Auto ist natürlich Objekt von Verträgen zwischen Privatrechtssubjekten. Zugleich steht es aber auch stets im Fokus staatlicher Behörden. Und letztere Aspekte beeinflussen den Umgang mit unserem Auto viel stärker als das Zivilrecht mit Kauf‐, Miet‐ oder Werkverträgen. Bei jeder Fahrt und selbst beim Abstellen eines Fahrzeugs müssen wir die Straßenverkehrsordnung und die Straßenverkehrszulassungsordnung beachten, ebenso wie die Versicherungs‐ und Steuerpflichten; hier wären wir wieder im Öffentlichen Recht.

Wir können Verträge über Käufe, Verkäufe, Aufbewahrung, Reinigung oder Reparaturen von Waffen schließen, müssen dabei aber stets – ebenso wie beim Schießen – das Waffenrecht beachten, das zum Öffentlichen Recht gehört.

Der Besitz von Grundstücken

Das Eigentum an einem Auto oder an einer Waffe kann ebenso in unserer Verfügungsmacht stehen wie das Eigentum an einem Grundstück. Spätestens dann, wenn es um die Nutzungen geht, kommen öffentliche Interessen – das Gemeinwohl – ins Spiel. Und dann ist der Staat beteiligt, weil er die Aufgabe hat, seine Einwohner und die Umwelt vor Gefahren und vor Schäden zu schützen.

Das Grundgesetz garantiert in Art. 14 Abs. 1 zwar Eigentum und Erbrecht; zugleich ermächtigt diese Bestimmung aber den Staat, Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze zu bestimmen. Besonders reichhaltig sind die gesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf das Eigentum von Grund und Boden. Bloßes Eigentum an einer Wiese sagt nichts darüber aus, ob und wie man diese Wiese nutzen kann. Wie tief reicht das Eigentum in die Erde, wie hoch in den Luftraum? Dürfen wir die Wiese düngen, dürfen wir das Grundwasser unter der Wiese nutzen oder gar verkaufen? Dürfen wir die Wiese bebauen? Dürfen wir einen Hubschrauberlandeplatz anlegen? Antworten gibt uns nicht das Zivilrecht, sondern – von einigen nachbarrechtlichen Aspekten abgesehen – allein das Öffentliche Recht wie zum Beispiel das Baurecht (einschließlich gemeindlicher Bebauungspläne), das Wasserrecht, das Luftrecht und vieles mehr. Diese Vorgaben des Öffentlichen Rechts, die Inhalts‐ und Schrankenbestimmungen i. S. des Art. 14 GG, bestimmen auch den Umfang unserer zivilrechtlichen Verfügungsmöglichkeiten. Alles, was das Öffentliche Recht verbietet, kann nicht wirksam vertraglich unter Privatleuten vereinbart werden; denn Rechtsgeschäfte, die gegen gesetzliche Verbote verstoßen sind nichtig (vgl. § 134 BGB).

Hier steht das Öffentliche Recht in der Rechtsordnung

In der folgenden Übersicht über die Rechtsordnung werden anhand der Kategorien Materielles Recht (Grundlagen für Ansprüche und Verpflichtungen im Hinblick auf Rechtsgüter), Prozessrecht (Verfahren zur Durchsetzung des materiellen Rechts) und Gerichte (Zuständigkeiten nach Rechtsgebieten) den drei Rechtsgebieten Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht exemplarisch einige Gesetze zugeordnet.

Abbildung 1.1: Die Stellung des Öffentlichen Rechts in der Rechtsordnung

Arbeitsrecht

Zivilrechtliche Ansprüche können aus dem BGB und dem Arbeitsrecht oder – für Kaufleute – aus dem HGB begründet werden. Das Arbeitsrecht muss hier deshalb stehen, weil es keine Kodifikation des Arbeitsrechts, also kein „Arbeitsgesetzbuch“ gibt. Für die Rechtsstellung der unselbständigen Arbeitnehmer muss auf viele unterschiedliche Rechtsquellen zurückgegriffen werden:

Grundlage sind dabei immer noch die Regeln des BGB über den Dienstvertrag.

Durchgesetzt werden sie nach den zugehörigen Prozessordnungen, der Zivilprozessordnung (ZPO) bzw. dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG).

Staatsrecht

Das Staatsrecht ist neben den Gebieten des Verwaltungs‐, des Steuer‐ und des Sozialrechts wesentlicher Teil des Öffentlichen Rechts. Zum Staatsrecht gehören die Grundrechte – geregelt insbesondere im 1. Abschnitt des GG (Art. 1–19) und das „Staatsorganisationsrecht“.

Für die Durchsetzung der materiellen Ansprüche aus den Grundrechten – zum Beispiel des Rechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), des Rechts auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) oder des Rechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) – gibt es kein eigenes Prozessrecht. Die Grundrechte sind vielmehr „überlagerndes“ Verfassungsrecht: Sie müssen vom Staat überall, wo die Staatsgewalt tätig wird, angewandt und durchgesetzt werden. Das ergibt sich aus Art. 1 Abs. 3 GG: „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“. Der Gesetzgeber muss also bei jedem neuen Gesetz und bei jeder Gesetzesänderung die Grundrechte verwirklichen. Das gilt nicht nur für die Rechtsgebiete des Öffentlichen Rechts – zum Beispiel des Gewerberechts – sondern auch dann, wenn etwa das BGB geändert wird.

Beispiel

Vorschriften im Familienrecht dürfen nicht gegen Art. 3 oder 6 GG verstoßen und im Erbrecht müssen etwa die Bestimmungen der Art. 6 Abs. 5 (Gleichbehandlung unehelicher Kinder) oder 14 GG (Gewährleistung des Erbrechts) beachtet werden. Die Polizei als Teil der vollziehenden Gewalt darf Wohnungen nicht eigenmächtig durchsuchen (Art. 13 Abs. 2 GG), und die Gerichte dürfen die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) nicht verletzen.

Verstößt einer der Träger öffentlicher Gewalt gegen ein Grundrecht, kann sich der Einzelne gegen diese Rechtsverletzung dank der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) vor jedem zuständigen Gericht wehren – ein eigenes „Durchsetzungsrecht für Grundrechte“ braucht es dafür nicht. Falls sich die Staatsgewalt aber trotzdem nicht an die Grundrechte hält und falls auch die Gerichte nicht helfen können, bleibt für „jedermann“ der Weg zum Bundesverfassungsgericht, nämlich über den außerordentlichen Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG).

Das Staatsorganisationsrecht

Anders als die Durchsetzung der Grundrechte läuft die Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Staatsorganisationsrecht. Das Grundgesetz gewährt den obersten Bundesorganen –Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht – konkrete Rechte. So darf nur der Bundestag Gesetze beschließen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG). Der Bundesrat kann gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz Einspruch einlegen (Art. 77 Abs. 3 GG). Allein der Bundespräsident kann den Bundestag auflösen (Art. 63 Abs. 4 S. 3 oder Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG). Mitglieder der Bundesregierung haben zu allen Sitzungen des Bundestages Zutritt und müssen jederzeit gehört werden (Art. 43 Abs. 2 GG). Kommt es über die Auslegung solcher Rechte zwischen einzelnen obersten Bundesorganen zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht