Willkür, die - Winnie Radke - E-Book

Willkür, die E-Book

Winnie Radke

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Beschreibung

Willkür, die Protagonisten-Figur und allwissende Instanz in der übergeordneten Welt des Willkür-Universums erzählt hier verschiedene Storys. Ihr Auftrag ist es, die Geschichten von Menschen, Tieren und Dingen am Leben zu halten. Dazu geht sie ihrer Arbeit nach – der willkürlichen Erstellung der Geschichten aus zwei oder mehreren, unterschiedlichen Perspektiven. Von Klischees, Rauchern über Lebensmittelrettung, Zukunftsfreitagen bis hin zu Verwandtschaft, Erinnerungen, Religion und Liebe – die Arbeitspakete für die Geschichten der Willkür haben keinen roten Faden. Die Kollegen der Willkür, Zeit, Karma und Chaos helfen Willkür bei der Geschichtserstellung. Sie haben aber auch ihren eigenen Willen, was den Geschichten einen besonderen Anstrich verleiht.

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Seitenzahl: 220

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Winnie Radke

Willkür, die

Winnie Radke

Willkür, die

Gesellschaftsroman/Fantasy

Impressum

Texte: © 2024 Copyright by Winnie Radke

Grafiken:© 2024 Copyright by Winnie Radke

Umschlag:© 2024 Copyright by Winnie Radke

Verantwortlich

für den Inhalt: Winnie Radke

Am Wiesengrunde 15

99089 Erfurt

[email protected]

Druck:epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Die Willkür

Ein Mensch, im Jahre 2017

Willkommen im Bürokomplex!

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 1

Arbeitspaket 1: Klischee

Arbeitspaket 2: Raucher

Arbeitspaket 3: Remote

Arbeitspaket 4: Sachen

Sonderurlaub

Arbeitspaket 2021: Impfungen

Arbeitspaket 6: Firma

Arbeitspaket 7: Alter

Arbeitspaket 8: Einsamkeit

Ein ganz normaler Arbeitstag

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 2

Arbeitspaket 9: Networking und Notworking

Arbeitspaket 11: Bezugspersonen

Arbeitspaket 12: Bakterien

Arbeitspaket 15: Arbeitsplatz

Außendienst

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 3

Arbeitspaket 17: Netzwerke

Arbeitspaket 19: Auspowern

Arbeitspaket 20: Verwandtschaft

Arbeitspaket 21: Krankmeldung

Spiegelbildvertreter

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 4

Arbeitspaket 24: Lebensmittelrettung

Arbeitspaket 25: Extraversion

Arbeitspaket 26: Beginner

Abteilungswechsel

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 5

Arbeitspaket 28: Hamster

Arbeitspaket 29: Stall

Weiterbildung – Religion als Fremdsprache

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 6.1

Arbeitspaket 31: Religion

Planetenraum

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 6.2

32 Festlichkeiten

Arbeitspaket 33: Datenerfasser

Frühschicht

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 7

34 Diversität vs. Heternormativität

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 8

Arbeitspaket 36: Die Liebe

Frei

Willkür sagt:

„Ähnlichkeiten mit Tieren, Menschen oder Dingen außerhalb des hier gezeigten Universums sind willkürlich. Bei zufälligen Angleichungen befragen Sie bitte meinen Kollegen Zufall.“

Die Willkür

Willkür steht heute mal früh auf, manchmal ist das auch nicht so. Sie reckt und streckt sich. Ein neuer Morgen hat begonnen. Ein neuer Arbeitstag. Schicksal ruft sie sofort nach dem ersten Strecken an.

Was ist denn nun schon wieder los?

Karma hat sich krank gemeldet?

Na toll.

Und weil Instant Cheffe und wie sie alle heißen sowieso im Dauerstress sind, darf ich jetzt wieder ran?

Pah, 36 Aufgaben für eine einzige Willkürlichkeit, das ist schon heftig genug. Worum geht es denn?

Ein Notfall auch noch.

Wer? Hm.

Völlig willkürliche Angelegenheit...und was soll ich da jetzt machen? Ach so, deswegen ich, klar.

Jaja, ich denke mir was aus, muss nur noch frühstücken.

Willkür stellt sich vor den Spiegel. Heute ist sie ein österreichischer Rockstar mit hessischen Wurzeln. Ei Leiwand. Dann zum Frühstück. Brezeln.

Mittags wird Schicksal mit nem Wiener Schnitzel vorbeikommen, so voraussehbar.

Und zum Schreibtisch. 36 noch leere Pakete liegen bereit – wie jede Woche.

Wenn Willkür mal nicht aufsteht, werden es nicht mehr, auch nicht weniger. Die 36 Perspektiven laufen einfach auf Automatik weiter, aber das würde nach spätestens zwei Wochen auffallen. Dann würden die Menschen anfangen in ihrem System ohne die Willkür leben zu müssen. Sie würden wirklich aus sachlichen Gründen Entscheidungen treffen, nicht weil sie zum Beispiel gerade Hunger haben. Dann würde Chaos einspringen und auf der Erde wüten. Deswegen darf Willkür nicht länger als zwei Wochen am Stück die Arbeit liegen lassen. Arbeitet sie jedoch zu viel, werden manchmal Leute auf sie aufmerksam, so wie bei dem heutigen Notfall.

Noch ein Anruf von Schicksal. Es wird jetzt dringend. Was? Er will über mich schreiben? Eine Geschichte? Das ist doch Unsinn, ich bin doch immer anders. Ich will das er, sie oder dey - is ja auch egal jetzt - über meine stressige Arbeit schreibt – und zwar 36 mal!

Die Gedanken des Menschen werden auf Papier gebracht. Wie kann der sich bitte einbilden, er könne sich in die Gedanken von jemand anderem, der er gar nicht ist, einfühlen? Das kann nur die Willkür höchstpersönlich.

Ein Mensch, im Jahre 2017

Der Mensch, ein Sprachwissenschaftler, setzt sich hin. Er muss das Folgende jetzt aufschreiben, sonst würde er es einfach vergessen, weil es nur ganz zufällig in seinem Kopf gelandet ist. Der Titel seines Textes lautet:

„36 Perspektiven“

Darunter folgt ein Fachtext:

Es gibt in der deutschen Sprache 8 verschiedene Pronomen, deren Gebrauch jedes Kind in der Grundschule erlernt.

Ich – wenn man ausdrücken möchte, was man selbst sagt, denkt, tut, empfindet, usw.

Du – wenn ein Gegenüber angesprochen werden soll, das einem Ich oder mehreren gegenüber steht.

Er – wenn mit einem Du oder mehreren über einen Jungen oder einen Mann gesprochen wird, auch bei männlichen Tieren verwendet.

Sie – wenn mit einem Du oder mehreren über ein Mädchen oder eine Frau gesprochen wird, auch bei weiblichen Tieren verwendet.

Es – wenn über ein Tier oder ein Ding gesprochen wird.

Wir - wenn mehrere Personen zusammenfassend sagen wollen, was sie als mehrere Ichs gemeinsam sagen, denken, tun, empfinden, usw.

Ihr – wenn mehrere Dus zusammenfassend angesprochen werden sollen, was sie sagen, denken, tun, empfinden usw.

Sie – wenn über mehrere Er’s und/oder Sie’s zusammenfassend gesprochen werden soll.

Kombiniert man jedes mit jedem und mit sich selbst so ergeben sich folgende 36 Möglichkeiten von Personalpronomina. Hier zeichnet der Mensch jetzt eine Tabelle mit fünf Spalten und acht Zeilen. Die einzelnen Zellen sind durchnummeriert von eins bis 36. In jeder Zelle stehen die jeweiligen Kombinationen. In dem Platz für die letzten vier Zellen der Tabelle stehen zwei Fußnoten.

1.Ich + Ich 9. Du + Du17. Er + Sie 125. Sie1+Ihr33. Wir + Sie2

2. Ich + Du10. Du + Er18. Er + Es26. Sie1+Sie234. Ihr + Ihr

3. Ich + Er11. Du + Sie1 19. Er + Wir27. Es + Es35.Ihr + Sie2

4. Ich + Sie112. Du + Es20. Er + Ihr28. Es + Wir36.Sie2+Sie2

5. Ich + Es13. Du + Wir 21. Er + Sie229. Es + Ihr

6-Ich + Wir14. Du + Ihr22. Sie1 + Sie1 30. Es + Sie2

7-Ich + Ihr15. Du + Sie2 23. Sie1 + Es31. Wir + Wir

8-Ich + Sie216. Er + Er24. Sie1 + Wir32. Wir + Ihr

1 Sie als Einzahl

2 Sie als Mehrzahl

Willkür verdreht beim Anblick der Tabelle die Augen.

Der Fachtext geht noch weiter:

Wir lernen mit diesen Möglichkeiten zu kommunizieren und nehmen sie als Teil unserer Identifikation wahr. Aber ist das wirklich so für alle Menschen? Es kommt alltäglich vor, dass die meisten Menschen immer nur eine Perspektive wahrnehmen können oder wollen, wenn es um ihre eigenen Rechte geht – das Ich oder das Wir. Geht es um Pflichten, so sind viele dazu geneigt, die anderen Pronomen auf einmal wahrzunehmen und zu verwenden. Er, sie1, es und sie2 sollen das und das machen. Das Du und das Ihr wird bei direkter Konfrontation eingeschaltet. Aber wenn uns so viele Kombinationsmöglichkeiten von Personalpronomen in der Sprache vorgegeben werden, die gleichrangig nebeneinander stehen, wieso fällt es uns so schwer die jeweiligen Perspektiven, die dahinter stehen auch genauso gleichbedeutend zu durchdenken? 36 Beispiele, die ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie so noch nicht durchdacht haben, sollen hier vorstellt werden.

Die Finger des Menschen schweben über der Tastatur und verweilen für einen Moment. Ein Gedanke an die Geschichten, die bereits geschrieben wurden, hält den Menschen kurz auf: warum sollten die Perspektiven nach der 36 Geschichte einfach aufhören, nur weil die Pronomentabelle endet?

Das scheint so…willkürlich.

Willkommen im Bürokomplex!

Team für Angelegenheiten des Unbemerkbaren – Verwaltung der Menschengattung

Willkür hat sich an ihren Schreibtisch gesetzt. In den Spiegel hat sie noch nicht gesehen. Die kleine Überraschung für später hebt sie sich gerne bis zum Mittag auf. Aber sie hat eine Vermutung. Bei ihrer heutigen Erscheinung könnte es sich um einen italienischen Barista handeln, der früher Veterinärmedizin studiert hat. Sie knackst mit ihren Fingern und nimmt sich unwillkürlich einen Stift. Klischees, Raucher, Remote PCs, Sachen, Unternehmen, Ältere, Einsamkeit.

Völlig willkürlich schreibt Willkür ein paar Worte auf ihren Notizblock. Kann sie daraus heute etwas zaubern? Im Prinzip ist es ja egal, was sie schreibt, solange es bloß keinen roten Faden enthält, undurchschaubare Geschichten sind und niemand auch nur ahnen kann, wie es gleich weiter geht. Außerdem will sie sich ja selbst nicht den Spaß an der Arbeit verderben, durch zu viel Vorarbeit oder Recherche zu irgendwelchen Themen.

In ihrer Schreibwerkstatt soll alles schön ungeordnet bleiben. Ich, ich, ich – ruft sie auf einmal. Jeder ist sich selbst ja nur der Nächste, huahaha. Und durch dieses kleine Wörtchen wird dieses Lebensgefühl so schön ausgedrückt. Im Polnischen heißt dieses Wort übrigens „ihr“, drückt also quasi das Gegenteil von dem aus, was es im Deutschen sagt.

Was so ein Ich alles kann und macht und denkt, das will Willkür jetzt ergründen. Allerdings muss es schon ein Kontrastprogramm dazu geben. Die anderen Personalpronomen stehen ja als Gegensatz auf der nächsten Seite der Geschichte. Manchmal schließt sich aber auch eine völlig andere Perspektive an, man kann das vorher ja nie wissen. Sie ist nur eine Schreibtischtäterin, nur eine kleine Instanz in der Verwaltung der Menschengattung, die in der Hierarchie unter und über sich viele andere Instanzen hat. Also, los geht’s. Erstmal will sie acht Pakete für das Ich zusammen setzen, danach gibt’s ne Pause. Und bestimmt gibt’s zum Mittag Pasta, serviert von einem Hund, der einen Servierwagen vor sich her schiebt. Das hat sie doch schon mal so ähnlich gehabt, als sie ein italienischer Mafiaboss war. Was hat sie also jetzt schon angefangen?

Ach ja, Klischees – die gibt es über soo vieles. Das Klassische ist aber immer noch am besten, Mau und Frann. So wie sie von den Alteingesessenen hier immer noch gerne genannt werden. Die Story war echt spitze, als durch einen Druckfehler in den Arbeitsunterlagen für die Menschengattung, die Buchstaben verwechselt wurden und die beiden Worte für immer ihre Gültigkeit bekommen hatten.

Dann die Raucher. Die sind schon so lange Thema, darüber schreibt die Willkür heute nicht so gerne. Immerhin wäre es schon sehr praktisch, wenn sie als Küchenchef mal eben raus und um die Ecke könnte, um eine zu ziehen.

So eine Mitarbeitergeschichte mit überwachten Remote-Zugängen, die bringt die Arbeit wieder in den Schwung. Da kann sie mal so richtig aus dem Nähkästchen plaudern.

Bei weggeworfenen Sachen sieht ihre Laune wieder mies aus. Eine Firmengeschichte ist dann der passende Ausgleich.

Alter und gleich im Anschluss die Einsamkeit. Meine Güte, das zieht einen richtig runter. Vielleicht braucht sie doch mehr Zeit als gedacht. Also mal wieder Überstunden. Na toll. Wer hat sich die blöde Acht-Tage Woche in dem Bürokomplex ausgedacht? Das war jedenfalls niemand vom Team für Angelegenheiten des Unbemerkbaren. Sie weiß noch, wie sich ihr Kollege Chaos beschwert hat über die Regelung, aber der Vorgesetzte Ordnung hat sich sowas von aufgespielt, dass es gar kein Zurück mehr gab in der Wochentag-Vergabe-Abstimmung.

Arbeitsunterlagen Team für AdUnb, 1

Co-Worker: Willkür, Master of Imperceptibility

Aktuelle Universumsdaten: 20ter Tag des 1.Monats im 2016ten Jahr, der 1 Tag der Woche zur 10ten Stunde und 15 Minute Zeit

Tagespensums- Tabelle mit Angabe der Arbeitspaketnamen:

ArbeitspaketArbeitspaketnameBemerkung

1. Ich + IchKlischee-

2. Ich + DuRaucher-

3. Ich + ErRemote-

4. Ich + Sie 1Sachen-

5. Ich + EsVögel 1Tinti zur Kontrolle geben

6. Ich + WirFirma-

7. Ich + IhrAlter-

8. Ich + Sie2EinsamkeitTest missglückt lieber Wir

1 Radke, Winnie: Tiere, Menschen und Dinge, 1st edition, story.one publishing 2023

Arbeitspaket 1: Klischee

Perspektive 1: Mau`s

Ich bin ein Mau. Ich kann super Autofahren, natürlich besser als Frann´s. Im Auto und auch sonst brauche ich nur meinen Geldbeutel, den ich immer in der hinteren Hosentasche mit dabei habe. Ich bestaune gerne Autos. Shopping mag ich gar nicht. Mein Körper ist so durchtrainiert, daran schaut alles gut aus. Deshalb esse ich ja auch so viel Fleisch und die eine Zigarette pro Tag kann mir echt nicht schaden.

Mit meinen Freunden kann ich stundenlang Fernsehen gucken, ohne zu reden. Bei einem Bier kann man da bestens quatschen. Zu meinen anderen Hobbys zählen Fussball, Sport und Games.

Am liebsten würde ich den ganzen Tag in meinem Zimmer zocken und Fernsehen. Meine Lieblingssendungen sind Actionfilme, wozu ich mit meinen Kumpels gerne abends einen DVD Abend veranstalte, wenn ich nicht gerade etwas zusammenbaue. An so einem Abend essen wir Chips und raufen ein bisschen im Garten, um unsere Kräfte zu messen. Zum Pinkeln reicht mir der nächstgelegene Baum. Wenn wir sowieso draußen grillen, würde es ja viel zu lange dauern ins Haus zu gehen.

In naturwissenschaftlichen Fächern bin ich super und mit Technik kenne ich mich sehr gut aus. Kunst und Literatur sind nicht so mein Ding. Zuhause schmeißt meine Frann den Haushalt, ich bin da zu faul dazu und sie liebt das ja so.

Ich repariere dafür Dinge und kümmere mich um das Auto. Morgens brauche ich nur 10 Minuten im Bad, während meine Frann nicht unter einer Stunde wieder dort rauskommt.

Ich denke, ich verdiene nicht genug Geld und möchte mein Gehalt mal wieder neu verhandeln. In der Firma traut man mir einfach zu wenig zu. Ich brauche Geld, weil meine Frann sich Unterwäsche, Schokolade, Parfümflakons oder Diamantschmuck von mir wünscht. Ich hätte ja lieber einen neuen Flachbildfernseher.

Oh seht mal dort der neue Audi! Doppelt soviel PS wie der alte. Bestimmt fährt man damit viel besser, aber meine Freunde meinen er hat nur ein Drittel so viel PS und es gibt Mängel. Da ich immer Recht habe, interessiert mich ihre Meinung gar nicht. Aber ich zeige sowieso nicht so gerne Emotionen. Ist nicht mein Ding über Gefühle zu sprechen. Mehr Sex zu haben ist viel wichtiger.

Perspektive 2: Frann´s

Ich bin eine Frann. Ich kann nicht so gut einparken wie Mau´s. Im Auto und auch sonst habe ich immer eine Handtasche dabei und kaufe gerne Schuhe. Mein Schuhregal ist mein liebstes Möbelstück. Ich liiiiiebe Shopping und mache gerade eine Diät, damit ich in die nächstkleinere Kleidergröße reinpasse. Deshalb bin ich auch Vegetarierin und ich hasse Rauchen.

Mit meinen Freundinnen kann ich stundenlang reden, am Telefon oder beim Cocktail. Bier zu trinken finde ich ja schrecklich.

Zu meinen Hobbys zählen auch Basteln, Backen und Stricken. Ich nutze diese Aktivitäten, um alles und jeden ständig dekorieren zu können. Außerdem treffe ich mich gerne mit Freunden für Kochabende. Wir schauen dann manchmal zusammen fern. Meine Lieblingssendungen sind „Germanys Next Top Model“ und Liebesfilme, wozu ich meine Freundinnen gerne zu mir einlade, wenn ich nicht gerade Kopfschmerzen habe. An so einem Abend machen wir uns gegenseitig gerne neue Frisuren aus unseren langen Haaren.

In naturwissenschaftlichen Fächern bin ich nicht so gut und mit Technik kenne ich mich nicht aus, mit Games wie Pokémon oder anderen kann ich nichts anfangen. Dafür lerne ich umso besser Sprachen und kann sehr gut zeichnen. Während meiner Reisen interessiere ich mich sehr für die Kunst und die Literatur des Landes. Der einzige Horror sind die öffentlichen Toiletten während der Fahrt. Sonst gehe ich ja mindestens mit einer Freundin zusammen, aber während einer langen Fahrt geht das nicht.

Zuhause schmeiße ich den Haushalt. Mein Mau kümmert sich ja darum, Dinge zu reparieren und das Auto instand zu halten. Er braucht nur 10 Minuten im Bad, während ich nicht unter einer Stunde wieder dort rauskomme. Ich denke, er verdient mehr Geld, weil ich so schlecht über Gehalt verhandeln kann und mir auch nicht so viel zutraue. Dann kann er mir wenigstens teure Unterwäsche, Schokolade, Parfümflakons oder Diamantschmuck schenken.

Oh seht mal dort, ein kleiner Hund. Und ein kleines Kätzchen läuft ihm hinterher, wie süß. Ach, der Bello bewacht das Baby im Kinderwagen, wie niedlich das Kleine schaut. Ups, jetzt ist das kleine Kätzchen gestolpert als ich es auf den Arm nehmen wollte. Ich gebe nicht zu, dass es meine Schuld war. Das verbietet mir meine schüchterne zurückhaltende Art. Wenn ich mich in einen Mau verliebe, bin ich auch irgendwie schüchtern. Ich versuche zu flirten. Der emotionale Anteil der ganzen Sache nimmt mich mit.

Perspektive 3: m Schrägstrich f Schrägstrich d

Wir sind Fr...wir sind Ma...was sind wir? Was wir in Eurer Welt sind, dieser Frage stellen wir uns seit unserer Geburt. Während ihr euch einfach frannliche und mauliche Leitfiguren sucht, versucht nach ihnen zu leben und erst dann kämpfen müsst, wenn Ihr euch im Karriereleben gegenüber steht, kämpfen wir schon ganz am Anfang. Wir beginnen unseren Kampf meist schon mit dem ersten Atemzug außerhalb des Mutterleibs.

Einige von uns werden bestaunt und untersucht. Früher wurden sogar Operationen ohne Nutzen für unsere Gesundheit vorgenommen, um uns untenrum und an der Brust nur ja so aussehen zu lassen, wie ihr euch selber kennt. Andere von uns empfinden ihr Geschlechtsteil später als falsch, weil sie sich an eine Eurer Gruppen anpassen wollen oder weil ihr inneres Menschsein, ihre Seele oder einfach ihr Charakter nach außen das Gegenteil schreit. Sie wünschen sich eine Operation, um ihr Geschlecht zu wechseln. Dafür gehen sie durch mehrere Instanzen wie Mediziner, Psychiater, Krankenkassen etc.

Und das alles, weil Ihr sagt und es so beschreibt, als seien wir in eurer Welt das „Andere“, das „Diverse“, das „Besondere“. Vielleicht lag aber die Besonderheit vor Jahrhunderten von Jahren nur darin, die Dinge, die man mit den Augen sieht in eine Ordnung bringen zu wollen.

Vielleicht habt ihr euch dabei aber ver-ordnet. Und weil ihr so erzogen wurdet und im Erwachsenenleben nicht den Mut habt, diese Ver-Ordnung aufzubrechen, leiden wir weiter unter Eurem Ordnungswahn, wenn Ihr uns keine Anerkennung unserer Personen spüren lasst, wenn ihr Toilettenzeichen baut, die Frann mit Kleid und Mau mit Hose darstellen. Wir möchten einfach das sein, was wir uns selbst wünschen und nicht wie Ihr uns haben wollt, weil sich eure Welt auf Schwarz-Weißen Schachbrettern abspielt. In wen wir uns verlieben, bleibt unsere Sache, es hat am Ende wenig mit unserer körperlichen Beschaffenheit zu tun.

Wir sind offenere Charaktere als Ihr, weil „Geschlecht“ für uns ein völlig anderer Begriff ist als für Euch. Ihr habt euch in eurem Jahrhunderte andauernden Kampf gegeneinander darauf konzentrier, eine bessere Stellung für euer jeweils eigenes Geschlecht zu erarbeiten. Eine Gleichstellung ist immer noch nicht getan, Ihr Franns kämpft dafür immer noch.

Hättet ihr uns gefragt oder wenigstens beachtet, ihr hättet gleicht erkannt, dass Unterscheidungen aus biologischen Gründen am wenigsten sinnvoll sind. Aber welche Rolle haben wir in eurem Kampf bisher gespielt? Keine. Bei Gehältern, bei Anreden, in Formularen, in der Gesellschaft wurden wir einfach weggeschwiegen. Wir werden als Kinder gehänselt und müssen uns nach außen hin verstecken und haben Angst vor allen Menschen. Was würde passieren, wenn wir die Mehrheit wären und einfach Operationen anordnen würden, die alle Menschen gleich macht. Wenn es nur eine Anrede gäbe oder kein Feld für das Geschlecht mit dem ihr geboren wurdet?

Arbeitspaket 2: Raucher

Perspektive 1: Du im Jetzt

Du ziehst jetzt genüsslich an einer Zigarette. Du weißt es ist schädlich und du sagst du könntest jederzeit aufhören, aber du willst nicht. Du wirst jetzt entspannter, du baust Stress ab. Du vergiftest dich langsam, Tag für Tag, mit Tabak und tausenden Rußpartikeln, die du zusammen mit der ganzen Entspannung einatmest.

Würdest du in jeder Sekunde Schmerzen erleiden, während du an einer Zigarette ziehst, hättest du schon längst aufgehört, aber deine Lunge kann nicht schreien, sie brennt nur ab und zu ein wenig, das geht schnell vorbei. Du hast viele Freunde, die zusammen mit dir rauchen und ihr habt dann so ein Gemeinschaftsgefühl, weil ihr das alle zusammen macht, eine Gruppenentspannung quasi. Manchmal sind Nichtraucher dabei, sie wollen dich immer nur bequatschen, aufzuhören, was dich ziemlich nervt, denn du brauchst es halt. Sie atmen ebenfalls in jeder Sekunde, die sie bei dir sind und Zeit mit dir verbringen, Tabak und Rußpartikel ein, allerdings nicht aktiv, so wie du, sondern passiv, was noch viel schlimmer ist.

Mit dir kann man immer viele Witze machen, sagen sie, auch über ernste Sachen reden, wenn du draußen stehst und ganz entspannt eine Zigarette in der Hand hälst. Oder ist es in Wirklichkeit das Passivrauchen, dass sie anzieht? Werden sie selbst unbewusst süchtig nach dem Qualm, den du ihnen kostenlos übrig lässt? Jetzt wirst du sagen, aha, also tue ich ja sogar etwas Gutes für andere Menschen! Ach ja? Manche von ihnen kriegen Lungenembolien oder wenigstens eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung.

Von den Dampfbädern und dem Duschen nach einem Aufenthalt in deiner Wohnung, erzählen sie dir nichts, denn sie mögen dich trotzdem. Sie mögen deinen Charakter und sie wollen eigentlich dein Bestes, wenn sie dir immer wieder sagen, dass Rauchen schlecht für dich sei, aber du wirst nicht auf sie hören, auch nicht auf die Bilder, die überall auf den Zigarettenschachteln aufgedruckt sind. Und du wirst auch nicht bei der kostenlosen Hotline der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung anrufen, um dich am Telefon darüber beraten zu lassen, wie du auf dem besten Weg aufhören kannst. Du wirst auch keine Bonuspunkte deiner Krankenkasse sammeln, um an einem Raucherentwöhnungskurs teilzunehmen.

Und Sparen willst du auch anders. Lieber arbeitest du so viel, dass du dir deine tägliche Vergiftungsdosis leisten kannst, als das ganze Geld in gesunde Ernährung oder gar Sportkurse zu investieren. Du steckst mitten in deiner Lebensgeschichte, ein chronischer Raucherhusten ist noch nicht zur Regelmäßigkeit geworden, COPT, eine chronische Lungenerkrankung, ist noch nicht zum Ausbruch gekommen und über Krebs kann ich noch nichts weiter sagen, als dass er vielleicht seine ersten mikroskopisch kleinen Streuungen in deiner Lunge oder an anderen Stellen deines Körpers legt.

Wieso solltest du also aufhören? Du rauchst jetzt schon seit du ca. 12 Jahre alt warst und bis jetzt geht es dir doch immer noch gut. Du kennst keine andere Lebensweise als mit Zigarette in der Hand, was solltest du mit dem Geld und der Zeit auch anfangen, die dann übrigbleiben würden? Nein, lieber willst du keinen Lebenswandel riskieren. Ich bin dabei noch nicht da, ich werde aber bald da sein.

Perpektive 2: Ich im Gestern

Als ich noch klein bin, werde ich mich daran gewöhnen, wie du mehrmals pro Woche inhalierst, wie du hustest und Schleim ausspucken musst. Ich mache mir keine Gedanken darüber, warum das so ist. Du rauchst zwar nicht, aber du bist trotzdem ein bisschen krank.

Wenn ich als Kind mit weißen Stöcken so tue, als würde ich eine Zigarette rauchen, schimpfst du mit mir und fragst, ob ich das wirklich lustig finde. Ich werde in der Schule viele Male darüber aufgeklärt werden, dass Rauchen wegen des Nikotins sehr schlimm ist und werde es beherzigen. Viele meiner Klassenkameraden nicht, sie glauben, es sei cool und komischerweise scheinen die ganzen Aufklärungsversuche bei ihnen nicht zu wirken.

Bei mir schon, ich mag keinen Rauch, er stinkt und ich meide Raucher, bis ich Anfang 20 bin und dann erst feststelle, dass es viele davon gibt, die trotzdem sehr nett sind. Sie wollen nichts Böses mit ihrem Gequalme und ich atme ab und zu mal Rauch ein, um soziale Kontakte zu knüpfen. Ich werde keinen Zug einer Zigarette machen, bevor ich Mitte 20 bin und dann nur, um zu probieren, was so viele daran zu schätzen wissen.

Ich kann es überhaupt nicht nachvollziehen, vielleicht bin ich schon zu alt dafür, um daran Gefallen zu finden. Du wirst inzwischen Atemnot bekommen, wenn du Treppen hinaufsteigen musst und du bekommst nicht mehr richtig Luft, weil deine Lungen dir langsam sagen, dass sie dir die Zigaretten von damals nicht verziehen haben. Der Rauch hat sich in die hintersten Ecken deiner Zellen verzogen, um jetzt langsam zuzuschlagen, aber es wird noch ein paar Jahre dauern, bis er sich zu erkennen gibt.

Bis dahin kämpfst du weiter mit deinem Husten, deiner Atemnot. Ich glaube, es ist nur dein Alter, das du einfach ganz natürliche körperliche Beschwerden hast, die mit den Jahren halt so gekommen sind. Ich kann keine Verbindung ziehen zwischen diesen alten Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen du immer eine Zigarette in der Hand hast und deinen Beschwerden, die sich jetzt verstärken.

Auch du weißt nichts davon und wirst auch nie davon erfahren, dass du durch Werbung von früher manipuliert wurdest und deine Gesundheit freiwillig riskiert hast.

Perspektive 1: Du im Morgen

Du hast deine letzte Zigarette vor ungefähr 30 Jahren geraucht. Es war die Zeit dafür, denn die Wissenschaft klärte die Gesellschaft darüber auf, dass Rauchen Krebs verursacht und du hast eingesehen, dass es besser wäre aufzuhören, um Kinder nicht mit dieser Sucht aufwachsen zu lassen.

Du hast jetzt trotzdem alles an der Lunge, was man haben kann – eine chronische Bronchitis, COPT, Lungenkrebs. Du musst zu Ärzten rennen, die mehrere Fälle dieser Art tagtäglich sehen, die Überstunden machen und zur Entspannung selbst eine rauchen gehen. Sie diagnostizieren dir durch deine Symptome und durch ein Abbild deiner Lunge, was da in deinem Körper passiert ist, in all den Jahren.

Auch 30 Jahre weitere Jahre konnten die anderen 30 davor nicht mehr ausgleichen. Eine Ursache ist nicht mehr nachzuvollziehen, sodass das Standard-programm in solchen Fällen abgearbeitet wird, also bekommst du Chemotherapie. Du wirst dich die zwei letzten Jahre deines Lebens durch Behandlungen schleppen und nebenbei trotzdem versuchen, ein normales Leben zu führen.

Du wirst dir nichts anmerken lassen, während du dieser „Arbeit“ nachgehst. Deine Mitmenschen machen sich große Hoffnungen von der Bestrahlung und glauben an eine Besserung, gar an eine Heilung, eine Krankheit ist es ja nur, die irgendwann vorübergeht.

Ich will ihnen gerne glauben, obwohl ich tief in meinem Unterbewusstsein Zweifel habe, die ich lieber nicht ausspreche. Irgendwann sitze ich in deinem Krankenhauszimmer und du sagst mir, dass wir eine schöne Zeit zusammen hatten. Ich nehme nur unterbewusst wahr, was du mir gerade sagen willst. Ein Mundschutz, der meinen Atem abhalten soll, weil dieser vielleicht Bakterien enthält, fängt meine Tränen auf. Ich will es nicht glauben, ich will den Gedanken nicht in mein Bewusstsein lassen, auch weil alle sagen, es könne sich jetzt noch Monate lang hinziehen.

Wegen der Ansteckungsgefahr verabschieden wir uns nur mit einem Winken und sagen hinter unserem Mundschutz „Tschüss, bis nächstes Jahr.“ Ich höre dich ein paar Tage später ein letztes Mal am Telefon, ich kann hören, wie schlecht es dir geht, aber mein Bewusstsein ist zu geschockt, um irgendwie realisieren, was mit dir passiert. Mein Unterbewusstsein hält mich nachts mit irren Träumen wach. Du isst inzwischen nicht mehr viel, weil du keinen Appetit mehr hast und nur noch trinken kannst. Eine Lungenentzündung wird dein Leben schließlich noch in diesem Jahr beenden.

Perspektive 2: Ich im Jetzt

Wenn ich jemanden auf der Straße rauchen sehe, stelle ich mir immer vor, der Person die Kippe mit einer Pistole aus der Hand zu schießen. Kinder fragen mich, ob ich ihnen bitte mit meinem Ausweis eine Schachtel aus dem nächsten Zigarettenautomaten ziehen könnte. Ich rufe, nein, spinnt ihr? Den nächsten Zigarettenautomaten gebe ich im Vorbeigehen einen Tritt und stoße mir dabei den Fuß an.