Willow – Eine Außerirdische in England - Stefan Rensch - E-Book

Willow – Eine Außerirdische in England E-Book

Stefan Rensch

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Beschreibung

O mein Gott. Ich bin eine Frau.

Neues Land, neuer Körper. Komisch, die Tiere auf diesem Planeten und ihre Geschlechter. Nun also England. Was für eine Nation! Was für eine Königin! Liebe! Dies sind meine Abenteuer als Prinzessin, Hooligan, Fish & Chips-Verkäuferin, Superfeministin und Sexgöttin! Nichts für zarte Gemüter, nur für Helden und Heldinnen!

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Seitenzahl: 148

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Das Buch

Nach einem Jahr Aufenthalt in Deutschland zieht es Willow weiter nach England. Nach Brighton, um genau zu sein. Das englische Volk findet Willow noch viel merkwürdiger als das deutsche. Die Beobachtungen hält Willow wie immer in Tagebuchform fest. Willow wird übrigens einen neuen Körper haben. Willow ist diesmal eine Frau. Und Willow wird mit der Queen Tee trinken. Seien wir gespannt.

Der Autor

Stefan Rensch wurde 1978 von einem Gewitter überrascht. Seither liegen die Haare nicht mehr so schön. Donnerstags trinkt er gerne Rhabarbersaft. Aber das ist eine Lüge. Er möchte sich nur interessant machen.

STEFAN RENSCH

Eine Außerirdische in England

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Die Protagonisten dieser Geschichte sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Copyright © 2019 by Stefan Rensch

Copyright © 2019 by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Gabriele Monjau

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,unter Verwendung eines Motivs von Katja Früh

Innenbilder: Katja Früh, instagram.com/fruehkatja/

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-23078-4V001

www.heyne-encore.de

»Name?!«

»Crystal.«

»Nachname?!«

»Meth.«

»Das wird Konsequenzen haben, Crystal Meth, das wird Konsequenzen haben!«

1. Januar

O mein Gott, wie sehe ich denn aus? Das darf doch nicht wahr sein. Wieso hat man mir denn nichts gesagt? Vorher. O mein Gott. Ich bin eine Frau.

2. Januar

Mein neues Apartment stammt aus dem Katalog Schöner Wohnen. Als Beispiel für ein Misslingen auf ganzer Linie. Warum? Warum nicht mal eine Wellness-Oase inmitten eines blühenden Zypressenhains? Warum nicht mal ein Bungalow mit Infinity-Pool oder eine Gründerzeitvilla mit Parklandschaft und Pferdestallungen? Gibt es doch. Alles schon gesehen. Im Fernsehen. Aber nein. Dunkles Bad mit grün-braunen 70er-Jahre-Fliesen, einfach verglaste Fenster, durch die der Wind in höchsten Tönen die Titelmelodie von Psycho pfeift, kunstlederne Sofagarnitur, die eine Zierde für jeden Sperrmüll wäre, und zu allem Übermut der Geruch von Mottenkugeln, die mit Vanille-Duftbäumen um die Lufthoheit konkurrieren. Glücklicherweise gibt es ein roséfarbenes Kissen, dessen bestickte Botschaft mein Herz berührt: Home Sweet Home.

3. Januar

Den ganzen Tag vor dem Spiegel verbracht und meinen neuen Körper betrachtet. Ich möchte es mal so formulieren: Hm.

4. Januar

Erster Ausflug! Meine Stadt hat keinen Fluss. Meine Stadt hat ein Meer! Liebe!

5. Januar

Meine neue Muttersprache klingt schöner als die deutsche. Melodischer, weicher, wärmer, lustiger. Bin verliebt und rede den ganzen Tag so vor mich hin.

6. Januar

Zweiter Ausflug. Brighton ist ganz anders als L. A. Mehr Schönes, mehr Hässliches. Mehr Armut, mehr Reichtum. Vor einer Bank haben Obdachlose ihre Zelte aufgeschlagen, sie wohnen dort und fragen höflich nach einer kleinen Spende, um mal wieder eine Nacht in einem Bed & Breakfast verbringen zu können. Duschen. Sie wollen unbedingt mal wieder duschen. Ich gebe ihnen das Geld, das ich in meinem Portemonnaie finde. Viel ist es nicht. Dann denke ich an Robin Hood, supi Geschichte, schaue in Richtung Bank und fühle mich gangsterlich. Ziehe den viskoselastigen Schal über Mund und Nase, die pinke Sonnenbrille auf und stoppe erst im letzten Moment, da ich ja noch gar keine Pistole habe. Mist.

7. Januar

Habe heute meine erste Nachbarin kennengelernt! Sie heißt Oakes, wohnt eine Etage tiefer, ist spindeldürr und huscht mehr, als dass sie geht. Wir dürften im gleichen Alter sein, Mitte zwanzig, wir werden bestimmt beste Freundinnen!

8. Januar

Habe mir all die Schminkutensilien im Bad angesehen und stehe vor einem Rätsel. Ich habe keine Ahnung, für was ich all diese Tuben, Töpfchen und Stifte brauche. Meine ersten Versuche sehen aus wie moderne Kunst. Teuer. Sehr, sehr teuer.

9. Januar

Husten.

10. Januar

Wieder Oakes im Treppenhaus getroffen. Sie trug drei Pullover und eine Strickjacke darüber und zitterte trotzdem. Fragte, ob es ihr nicht gut gehe, sie sagte aber nichts.

11. Januar

Besuche das erste Mal den Palace Pier. Sensationelles Vergnügungsdings. Fahre Autoscooter, Achterbahn und Pferdchen-Karussell, esse Donuts, trinke Milchshakes und gewinne eine Plüschkatze und einen Schlüsselanhänger. Liebe!

12. Januar

Auffällig: In meinem Viertel, in Kemptown, sind die Menschen viel bunter, merkwürdiger, ausgefallener, lauter, diverser und interessanter als in L. A. Auch, weil es hier eine große Szene gibt, die BLGT oder LGTB oder GTLB heißt, auf jeden Fall aber supicool ist.

13. Januar

Habe den ganzen Tag meinen großen Zeh begutachtet. Finde ihn wunderschön.

14. Januar

Meine erste Busfahrt. Komischerweise drängelt sich niemand vor. Alle stehen ordentlich in einer Schlange und warten, bis sie an der Reihe sind. Wie dumm ist das denn? Fensterplatz oben, erste Reihe!

15. Januar

Hurra! Habe bei Tesco für meinen Einkauf ein »Gewinne-Dein-Glück-Los« erhalten und zu meiner großen Überraschung sehr viel Glück gewonnen, genauer gesagt, einen 20-Prozent-Gutschein beim Kauf einer 375-Gramm-Packung Choco Hoops Frühstücksflocken. Hurra!

16. Januar

Nachbarin Oakes zu einer Tasse Tee eingeladen und mehr über sie erfahren. Oakes ist arbeitslos. Sie hat es immer wieder mal versucht, sagt sie, zuletzt bei Primark, aber Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit seien Eigenschaften, die ihrem Naturell leider so gar nicht entsprechen. Die Wohnung gehört ihrem Bruder, und solange der in Saudi-Arabien Karriere macht, dürfe sie umsonst hier wohnen. Zum Glück, sagt sie, denn auf der Straße zu leben sei nicht schön. Ihre Hobbys sind Häkeln und Heroin.

17. Januar

War heute bei Tesco, um mein Glück einzulösen, die Choco Hoops Frühstücksflocken. Zu Hause musste ich leider feststellen, dass das Glück ungenießbar ist.

18. Januar

Wie merkwürdig. Obwohl meine ersten beiden Länder relativ nah beieinander liegen, sind die Unterschiede doch beträchtlich. So auch in den schlichten Schichten, wie ich bei Primark feststellen durfte, wenn Mütter mit ihren Kindern kommunizieren.

England

»Molly, will you please stop talking, you’re offending me«, singsangt die Mutter.

Deutschland

»Wenn du nicht gleich die Klappe hältst, kriechst du links und rechts eine gescheuert!«, schreit die Mutter.

19. Januar

Noch mehr Regen. Viel mehr. So viel Regen kann es eigentlich gar nicht geben. Das reicht für mindestens hundert Jahre. Oder länger.

20. Januar

Oakes und ich sind vom Blitz erschlagen. Auf der Hampton Road hat ein kulinarisches Etablissement für internationale Spezialitäten aufgemacht. Waren mir bis zu dieser denkwürdigen Begegnung maximal drei Sterne bekannt, die ein Restaurant für seine wundersamen Kreationen sein Eigen nennen darf, so muss ich mich eines Besseren belehren lassen. Dieses hier hat zehn Sterne! Und wurde nach seinem Inhaber benannt. Der Inhaber begrüßt schon auf dem Parkplatz seine Gäste als überlebensgroße, solarbetriebene Wackelfigur. Sein Name zeugt von Glamour, wenn nicht sogar von zeitloser Vergänglichkeit, es ist: Bunny Tornado. Ein Weltenbummler und Connaisseur, wie seine in Kalkstein gehauene Biografie am Eingang von ihm preisgibt. Die exotischen Speisen habe er als Food-Traveller rund um den Erdball gesammelt, und nun, da er den Heimathafen wieder angesteuert und den Anker gelegt habe, wolle er die Lieben daheim an seinen Entdeckungen teilhaben lassen, auf dass sich Horizonte weiten, Geschmacksnerven explodieren und die Welt eine bessere werde! Und so gibt es bei Bunny Tornado Döner aus der Türkei, Currywurst aus Deutschland und Pizza aus Italien. Oakes und ich bleiben eine Ewigkeit vor der Fensterscheibe stehen und starren auf die kleinen Wackel-Tornados, die zwischen den exotischen Speisen aus fernen Ländern ihre Hüften schwingen, bis Oakes schließlich sagt: »Brutalschön.«

21. Januar

Ich habe eine Königin! Sie heißt Elisabeth und ist wunderschön! Sie ist bestimmt schon tausend Jahre alt! Werde sie in naher Zukunft mal besuchen und meine Aufwartung machen.

22. Januar

Hänge mit Oakes vor dem Supermarkt ab. Da brutalschöne Ereignisse sich in Grenzen halten und auch keine fabelhaften Wesen aus mythischen Parallelwelten vorbeischauen, geben wir Dingen Namen. Den Wasserhydranten nennen wir Larry, das Stoppschild Mary-Jane und den Gullydeckel Herbert. Keine Ahnung, warum.

23. Januar

Merkwürdig. Obwohl die Engländer ja auch Menschen sind, so sind sie doch in vielen Dingen ganz anders als die deutschen Menschen. Diese höfliche Nonchalance und distanzierte Freundlichkeit sind für mich noch eine wundersame Neuerscheinung. Ich könnte durch unglückliche Umstände von einem fünf Meter hohen Dach fallen, mir noch im Flug das Gesicht an einem steinernen Vorsprung aufschlagen, durch die veränderte Flugbahn auf das eiserne Gitter mit den spitzen Streben fallen, die sich durch meinen Oberschenkel wie durch Butter bohren, wodurch ich mit dem Kopf ungeschützt auf den Asphalt aufschlage und mein Blut in alle Himmelsrichtungen spritzt, sodass ich selbst im Unklaren darüber wäre, ob ich die nächsten zwei Minuten noch überlebe, so wüsste ich doch, käme zufällig ein Einheimischer vorbeiflaniert, der Zeuge meines außerordentlichen Missgeschickes wäre, so würde er die Augenbrauen leicht anheben und fragen: »Oh, are you alright, my dear?«

24. Januar

Habe heute Mr. Elliott aus der Dritten kennengelernt. Er trug einen braunen Cordanzug, einen weinroten Pullover und eine jagdgrüne Krawatte zu einem beigefarbenen Hemd. Die wenigen grauen Haare zauselten in alle Himmelsrichtungen und zeugten in Kombination mit der dickglasigen Hornbrille von einem Intellektuellen alter Schule. Nicht recht ins Bild passten indes die orangefarbenen Schwimmflügel, die er an beiden Armen trug. Und er grüßte auch nicht zurück, er sagte nur: »Wer wirklich tapfer ist, stirbt.«

25. Januar

O Gott. Bei Bunny Tornado gibt es jetzt halbe Hähnchen! O Gott. Bin mit geschlossenen Augen an der »fernwestlichen Spezialität« vorbeigegangen, über Larry, den Wasserhydranten gefallen und habe mir spitzenmäßig das Knie aufgeschlagen. Weinen.

26. Januar

Stürze aus dem Haus, um den berühmten Sonnenuntergang mit den Vogelformationen nicht zu verpassen, renne dabei fast Mr. Elliott um, der mir unaufgeräumt mit auf den Weg gibt: »Wohin du auch gehst, bring Ferraris mit.«

27. Januar

Modisch gesehen, sind Engländerinnen weitaus mutiger. Pink, Plüsch, Tigerlook, alles dabei. Kann mich kaum sattsehen an all der Inspiration.

28. Januar

Habe die Queen gesehen! Im Fernsehen. Sie hatte ein pinkfarbenes Kostüm an. Sah galaktisch aus.

29. Januar

Fühle mich unwohl. Der Bauch zieht, und die Laune ist kaputt. Ist die Pizza Diavolo mit doppelt Käse schuld oder das Tiramisu für die ganze Familie, das, in Ermangelung einer Familie, ich ganz allein zu verspeisen genötigt wurde?

30. Januar

Die Bauchkrämpfe werden immer schlimmer. Es muss etwas Ernsthaftes sein, die Schmerzen sind kaum zu ertragen. Zur Beruhigung gehe ich in die Küche und schmiere mir ein Nutellabrot, obwohl ich gar keinen Hunger habe. Als mir das Glas aus den Händen rutscht und zu Boden fällt, sacke ich zusammen, und es regnet aus meinen Augen, und ich weiß nicht, warum. Wie kann diese Welt so ungerecht sein? Was habe ich nur getan? Ist es das, was die Menschen Schicksal nennen? Keiner hat mich lieb. Werde mit der Hoffnung schlafen gehen, dass alles wieder gut ist, wenn ich aufwache.

31. Januar

O mein Gott! Ich sterbe! Warum stirbt dieser Körper denn jetzt? Blut, überall Blut! Das Bett ist ein Massaker, und meine Lieblingspyjamahose mit den Zwergdelfinen sieht aus, als hätten japanische Fischer sie in eine Bucht getrieben und einen nach dem anderen brutalstmöglich hingerichtet. Ich schleppe mich mit letzter Kraft ins Bad und sehe, dass es keine offene Wunde ist, aus der mein Blut strömt, nein, meine Vulva stirbt! Mit letzter Kraft google ich die Symptome und traue meinen Augen nicht.

Was?

Was soll das heißen, einmal im Monat?

Was ist das nun wieder für eine kranke Erfindung? Einmal im Monat werde ich nun verbluten? Einmal im Monat wird mein Bauch zu Tode krampfen? Einmal im Monat werde ich weinen, weil ein Glas Nutella auf den Küchenboden fällt? Och nö.

1. Februar

Stranger Things. Chips. Cola. Wärmflasche.

2. Februar

Orange Is the New Black. Chips. Cola. Wärmflasche.

3. Februar

Better Call Saul. Chips. Cola. Wärmflasche.

4. Februar

Vorbei! 3000 Liter Blut verloren, fühle mich wie neugeboren!

5. Februar

Mr. Elliott trug heute wieder Schwimmflügel. Er trägt sie nur donnerstags. Donnerstags sei die Wahrscheinlichkeit für einen Tsunami am höchsten, sagt er, und dass er darauf vorbereitet sein möchte, wenn er denn nach Brighton kommt.

6. Februar

Was für eine Überraschung. Wir haben einen richtigen Schriftsteller im Haus! Jonathan, Anfang 30, dünn, Brille, schwarz gekleidet. Voll geheimnisvoll!

7. Februar

Gleichwohl Würstchen nicht zu meinen Nahrungsmitteln zählen, übt das kleine Polski Smaki eine magische Anziehungskraft auf mich aus. In meiner Hipster-Gegend wirkt das osteuropäische Delikatessenetablissement aus der Zeit gefallen. Und da die Bedienung supifreundlich ist, kaufe ich Gurken. Im Glas.

8. Februar

Meine erste längere Unterhaltung mit Mr. Elliott! Er klingelte, um Leihgeschäfte zu tätigen. Ich hörte von Milch oder Eiern, mit denen Nachbarn sich gegenseitig aushelfen, doch Mr. Elliott hatte anderes im Sinn und fragte: »Haben Sie zufällig etwas Plutonium im Haus?« Ich fühlte mich ein wenig überrumpelt, um ehrlich zu sein, mit einem solchen Anliegen hatte ich nicht gerechnet, und sagte: »Müsste ich nachschauen.« Ich ging in die Küche, suchte in den Schubladen und in den Schränken, konnte aber nichts finden, ging wieder zurück und überbrachte die schlechte Nachricht, dass es mir leidtue, aber Plutonium sei im Moment aus. Mr. Elliott sah mich lange nachdenklich an, ich meinte, Enttäuschung in seinen Augen lesen zu können, war mir aber nicht ganz sicher. Er schaute auf seine tadellosen braunen Schnürschuhe aus feinstem Rindsleder und sagte schließlich: »Denke nicht so oft an das, was dir fehlt, sondern an das, was du nicht hast.«

9. Februar

Habe meinen Nachbarn, den Herrn Schriftsteller, gegoogelt. Jonathan ist erst 34 und schon ein Star der Literaturszene, nicht so wie Nosferatu Schulz mit seinen Mittelalterromanen. O nein, Jonathan hat bis auf den Man Booker Prize fast alle wichtigen Literaturpreise in England gewonnen. Drei Romane hat er veröffentlicht, keiner unter tausend Seiten lang. Wahnsinn.

10. Februar

In der Innenstadt fiel mir heute ein etwas verlottert aussehender Mann auf. Er stand vor der Beauty, Health and Skincare-Kette Superdrug auf einer Box und sprach sehr laut: »Hört! Hört! Reiche Kinder sind nicht gut! Reiche Kinder sind nicht nett! Reiche Kinder sind nicht kreativ! Reiche Kinder spielen Tennis! Sie haben auch überhaupt keine Zeit, etwas Eigenes zu erschaffen, sie müssen später schließlich ein Imperium leiten! Irgendwas mit Brötchen oder Joghurt!«

Ich bin dann aber vor der Zugabe weitergegangen und habe mir einen Joghurt geholt. Erdbeere! Liebe!

11. Februar

Regen.

12. Februar

Schriftsteller Jonathan bei Tesco getroffen. Ich brach das Eis mit einem Hallihallo, und zu meiner großen Überraschung zeigte sich der geheimnisvolle Schriftsteller keineswegs schüchtern, es sprudelte förmlich und unförmlich aus ihm heraus. Thema: die Vorzüge von Zahnseide. Jonathans Abhandlung dauerte eine knappe halbe Stunde. Wahnsinn, was für ein umfangreiches Wissen richtige Schriftsteller haben. Werde wohl bald eine Intellektuelle sein.

13. Februar

Spiele mit dem Gedanken, mir einen Sklaven zuzulegen. Die Dokumentation auf BBC über die römische Epoche hat mir ausgesprochen gut gefallen. Hausarbeit, so habe ich mittlerweile feststellen müssen, gehört weder zu meinen Kernkompetenzen, noch empfinde ich auch nur die geringste Befriedigung bei dieser monotonen Tätigkeit. Sklaven indes scheinen geborene Haushälter zu sein, und sie müssen für ihre Tätigkeit nicht einmal bezahlt werden! Im Gegenteil, wenn sie die ihnen aufgetragene Arbeit nicht zu vollster Zufriedenheit erledigen, darf man sie sogar auspeitschen. Nicht dass ich diese brutale Zurechtweisung ernsthaft in Erwägung ziehen würde, aber: gut zu wissen. Allerdings scheint es in Brighton keinen offiziellen Sklavenmarkt zu geben. Das allwissende Google gibt sich orientierungslos, und auch Oakes fragte nur, in welchem Jahrhundert ich lebe. 21stes, sagte ich. Blöde Frage.

14. Februar

Mr. Elliott hat augenscheinlich passende Schwimmflügel für jede Garderobe. Am heutigen Tsunami-Donnerstag trägt er rosafarbene zu seinem braunen Cordanzug. Très chic!

15. Februar

Ganz, ganz feiner Nieselregen.

16. Februar

Um mich auf das englische Volk ein wenig mehr einzustimmen, habe ich die Biografie des Dandys Sebastian Horsley gelesen. Was für ein Leben! Ein gewaltiger Unterschied zu der Biografie von Peer Steinbrück. Erinnert mich an Karlas Vorliebe für die englische Exzentrik: »Es gibt nun mal einen Unterschied zwischen den Sleaford Mods und den Fantastischen Vier«, sagte sie, »das eine ist cool, das andere ist Stuttgart. Und im Herzen sind die Deutschen immer Stuttgart gewesen, sie lieben das Bodenständige, die Netten von nebenan, die auffälligen Unauffälligen.«

17. Februar

Heute YouTube leergesehen.

18. Februar

Es klingelt. Mr. Elliott steht vor der Tür. Er hält eine Kette in seiner Hand. Am anderen Ende der Kette ist ein Kampfhund mit gefährlichen roten Augen. Und auch wenn der Bullterrier mindestens Originalgröße hat, so ist er doch nicht echt, sondern aus Plastik. Mr. Elliott fragt, ob ich mit Rosalie Gassi gehen könne, er habe Rücken.

Ich schaue ihn fragend an.

Er schaut mich fragend an.

Ich schaue ihn fragend an.

Er schaut mich fragend an.

Ich möchte nicht unhöflich sein, da Unhöflichkeit in England einem Kapitalverbrechen gleicht, so man nicht betrunken ist. Da ich nicht betrunken bin, sage ich: »Gerne.«

19. Februar

O Verzweiflung. Auch in dieser schönen Stadt ist der Müßiggang wohl nur von kurzer Weil, wenn dieses merkwürdige Geld zur Neige geht. Das Schicksal aber ist ein steter Freund, der mich schnurgerade zu einem wunderschönen Aushang führt: Suchen freundliche Commis de Cuisine für Chippy Chippy Yeah!, den neuen stylischen, biologischen, super gesunden Fish-and-Chips-Flagship-Store der Extraspitzenklasse! Mit fantastischen Aufstiegsmöglichkeiten! Falls du sympathisch bist und dich bei dieser Eigenschaft angesprochen fühlst, dann melde dich bei Moira! Fühle mich supersympathisch!

20. Februar

Musste Commis de Cuisine nachschlagen, bedeutet Jungköchin. Warum nicht! Und wie wunderschön klingt bitte schön: Willow – Commis de Cuisine!

21. Februar

Schaue mit Oakes auf BBC eine fantastische Dokumentation über das Fliegenfischen an. Da die Erdnüsse sich wie warme Semmeln aufführen, gehe ich in die Küche, um für Nachschub zu sorgen. Als ich wieder zurückkehre, ist Oakes verschwunden. Und mit ihr die kleine Stereoanlage. Komischer Zufall.

22. Februar

Habe Moira angerufen. Supernett, da stimmt die Chemie und die Biologie und die Physik und Erdkunde auch. Übermorgen ist das Vorstellungsgespräch!

23. Februar