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Beschreibung

In totalitären Systemen ist der politische Witz ein besonderes Ventil für die Frustrationen des Alltags. So blieb auch in der DDR kein Bereich des öffentlichen Lebens von dieser Form der Kritik verschont. Jeder neue Parteitag, die Versorgungsmängel, die Beziehungen zu anderen Staaten, der elitäre Lebensstil vieler Funktionäre – alles provozierte zu neuen Witzen. In der vorliegenden Zusammenstellung sind die Witze chronologisch geordnet, so daß der Leser konkrete gesellschaftliche Situationen bestimmten Witzen zuordnen kann. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Wir dekorieren!

40 Jahre politischer Witz in der DDR

Herausgegeben von Fritz Damm

FISCHER E-Books

Inhalt

Zeichnung: Louis Rauwolf, 1984 [...]VorwortI Die SchöpfungsgeschichteII Die Ulbricht-ÄraIII Die Honecker-Ära

Zeichnung: Louis Rauwolf, 1984

Vorwort

In der gesellschaftlichen Entwicklung der DDR hatte die politische Satire – besonders in der Form des Witzes – immer ihren festen Platz. Kein Bereich des öffentlichen Lebens blieb von dieser entlarvenden Kritik verschont. Ein neuer Parteitag, ständige Versorgungsmängel, die Beziehungen zu anderen Staaten, der elitäre Lebensstil vieler Staats- und Parteifunktionäre – jedes Ereignis provozierte zu neuen Witzen als Stellungnahme und Wertung aktueller Vorgänge. Das komprimierte Erfassen gesellschaftlicher Entwicklungen in politisch glasklaren Analysen mit der Form von Witzen hat die verkrampfte Agitation der herrschenden kommunistischen Partei oft ad absurdum geführt. Für die Menschen in der DDR war der politische Witz eine Möglichkeit der Meinungsäußerung in einem Staat, in dem Gesellschaftskritik durch die Medien nicht oder nur in Ansätzen stattfand. Sie war aber auch Teil der immer unterschwelligen Hoffnung auf die Überwindung des diktatorischen Regimes. Der politische Witz hatte in seiner Verbreitung tatsächlich »Massencharakter«, ganz im Gegensatz zu anderen Äußerungen politischer Satire, zum Beispiel im zeitgenössischen Kabarett. Auch diese Form der aktuellen Wertung politischer Ereignisse und Entwicklungen gab es in der DDR, wenn ihr auch nur eine von der herrschenden SED tolerierte und – nicht zu vergessen – kontrollierte Ventilwirkung möglich war. Erinnert sei nur an die berühmten Kabaretts in Berlin, Leipzig und Dresden. Doch erreichten diese Gruppen nur einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung.

Man sollte auch nicht vergessen, daß die Verbreitung politischer Witze nicht ganz ungefährlich war. In Zeiten brisanter politischer Spannungen – Juni 1953, Ungarnaufstand 1956, Mauerbau in Berlin 1961, Prager Frühling 1968, Aktionen der Solidarność in Polen 1980/81 usw. – reagierte die Staatsmacht besonders allergisch auf jede Kritik. Der Erzähler politischer Witze mußte aufpassen, wer ihm zuhörte, denn sonst geriet er schnell in die Mühle der Justiz, die ihn zur Verantwortung zog – wegen »Staatsverleumdung«, »Verächtlichmachung der Arbeit staatlicher Organe«, »Staatsfeindlicher Hetze« usw.

Je freier eine Gesellschaft ist, desto seltener ist auch der politische Witz. Die revolutionären Veränderungen in der DDR seit dem Herbst des Jahres 1989 haben den Weg zur Demokratie markiert. Für die hier dargestellte Form der politischen Satire wird dies einen deutlichen Einschnitt bewirken.

Fritz Damm

I Die Schöpfungsgeschichte

»Scher dich weg, Bengel! Machst uns den Traktor noch kaputt, ehe die Kommission hier war!«

Zeichnung: Heinz Behling, 1950

 

 

 

Als der große Natschalnik[1] Iwan Gottowitsch unseren Planeten, die Welt, erschaffen hat, nahm er ein Stückchen Erde, gute Erde, beste Erde, Kuban-Erde. Dann hat er gesagt: »Es werde Licht!« Und so entstand unser erstes Kraftwerk in Dnjepropetrowsk.

Dann hat er den Genossen Adam Adamowitsch modelliert, das war ein kleinbürgerlicher Individualist. Danach hat der große Natschalnik aus einer Rippe von Adam Adamowitsch die Genossin Eva Evanowa gemacht, und so entstand die erste Gemeinschaft. Sie haben in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Typ III gelebt.

Der große Natschalnik Iwan Gottowitsch ist gekommen und hat ihnen ein Statut gegeben und hat gesagt: »Ihr dürft die Früchte von Pflaume, Erle, Birne und Pappel essen, aber die Früchte vom Apfelbaum dürft ihr nicht essen, die sind Kollektiveigentum!«

Da ist eine Schlange gekommen, eine böse, listige, kapitalistische, imperialistische Schlange und hat mit der ›Stimme vom Rias‹[2] gesagt: »Adam Adamotisch, du mußt die Früchte vom Apfelbaum essen, sie sind Kollektiveigentum und gehören auch dir!«

Nun, weil Adam Adamowitsch den Marxismus-Leninismus nicht studiert hat, nahm er einen Apfel und aß ihn gemeinsam mit Eva Evanowa.

Sofort ist der große Natschalnik Iwan Gottowitsch gekommen und hat sie bestraft. Er hat ihre Dokumente[3] weggenommen, und sie mußten zwei Stunden Kritik und Selbstkritik üben.

Dann hat er ihnen Kapitalismus, Revisionismus, Maisanbau, Rinderoffenställe, Wartburg und Trabant ohne Ersatzteile gegeben, und sie waren gestraft für ihr ganzes Leben.

 

Ein Mann hat einen Papagei, dem er eine alte Unsitte nicht abgewöhnen kann, er begrüßt die Besucher immer noch mit »Heil Hitler«. Plötzlich ist der Ortsparteisekretär im Anmarsch. Was nun? Schnell – Kühlschrank auf – Papagei rein – Kühlschrank zu. Der Besuch geht gut über die Runden.

Einen Tag später. Mensch – der Papagei – schnell! Kühlschrank auf. Drinnen sitzt zitternd und zähneklappernd der Papagei und sagt: »Es lebe der Sozialismus. Es lebe der Sozialismus …«

»Was ist mit dir los?« fragt der Mann, »gestern noch ›Heil Hitler‹ und heute ›Es lebe der Sozialismus‹ – wieso?«

Papagei: »Ein Tag Sibirien reicht mir!«

 

 

 

Während der vierziger und fünfziger Jahre sollte den Menschen in der DDR der hohe Entwicklungsstand sowjetischer Wissenschaft und Technik nahegebracht werden. Plötzlich stimmte ihr Schulwissen nicht mehr. Ganz anderen Menschen wurden bekannte große Erfindungen zugeschrieben.

Dazu zwei Beispiele:

 

Geschichtsunterricht in einer DDR-Schule.

Lehrer: »Wer hat die Dampfmaschine erfunden?«

Schüler: »Das war James Watt!«

Lehrer: »Richtig, aber wer hat die Lokomotive erfunden?«

Schüler: »Das war George Stephenson!«

Lehrer: »Falsch. Diese Erfindung machte der große russische Techniker Iwan Iwanowitsch Lokomotovski!«

 

»Schon gehört? Mitschurin[4] ist tödlich verunglückt.«

»Wie konnte das passieren?«

»Er ist beim Erdbeerpflücken von der Leiter gestürzt!«

 

 

 

Frage: »Kann man den Mittelpunkt eines Kreises berechnen?«

Antwort: »Nein, kann man nicht, denn der Mittelpunkt eines Kreises ist die Kreisleitung[5] und die ist unberechenbar!«

 

Einen ziemlich aussichtslosen ideologischen Kampf führte die Partei, um den Menschen eine positive Haltung zum sozialistischen Volkseigentum zu vermitteln.

 

Pförtnerei eines VEB[6].

Aus dem Betrieb kommt ein Arbeiter mit einem Handwagen voll Holz.

Pförtner: »Halt, Kollege, was ist mit deiner Fuhre?«

Arbeiter: »Hier, der Holzschein – Brennholz – alles ordnungsgemäß bezahlt.«

So geht das vierzehn Tage lang.

Pförtner: »Kollege, irgend etwas klaust du hier, und ich komme nicht dahinter was. Bitte, sag’s mir, ich verpfeife dich auch nicht, aber ich kann deswegen schon nicht mehr schlafen!«

Arbeiter: »Na, Handwagen!«

 

Frage: »Was ist das Grundprinzip des Kapitalismus?«

Antwort: »Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen!«

Frage: »Und wie ist das im Sozialismus?«

Antwort: »Umgekehrt!«

 

Frage: »Was sagt die Sonne, wenn sie am Abend untergeht?«

Antwort: »Gott sei Dank, daß ich wieder im Westen bin!«

 

Zwei Bauern pflügen ihre nebeneinanderliegenden Felder. Der eine Bauer pflügt mit Pferden, der andere mit Ochsen. Sie treffen sich am Feierabend.

Franz: »Mensch, Josef, ich verstehe das nicht. Ich habe mich mit meinen Pferden wirklich angestrengt, und trotzdem hast du viel mehr geschafft als ich. Das kapiere ich nicht!«

Josef: »Na ja, Franz. Es ist ein kleiner Trick dabei. Morgens, ehe es aufs Feld geht, bin ich bei den Ochsen im Stall und flüstere ihnen ins Ohr ›Subbotnik[7] – Subbotnik‹. Und wie sie dann laufen, das hast du ja gesehen!«

Franz: »Das mache ich morgen auch!«

Am Abend des nächsten Tages. Franz hat mit seinen Pferden wieder wesentlich weniger geschafft.

Franz: »Also, Josef, ich habe die Sache mit ›Subbotnik‹ so gemacht, wie du gesagt hast, und trotzdem …«

Josef: »Ja, so was kannst du eben nur mit Ochsen machen!«

 

Zwei Grenzer begegnen sich an der innerdeutschen Grenze.

Westgrenzer: »Na, habt ihr denn bei euch schon Frühkartoffeln?«

Ostgrenzer: »Ach, Mensch, wir haben noch nicht mal mittags welche!«

 

Frage: »Was passiert, wenn in der Wüste der Sozialismus eingeführt wird?«

Antwort: »Da passiert fünf Jahre gar nichts, dann passiert weitere fünf Jahre nichts, aber dann wird der Sand knapp!«

Zeichnung: Harri Parschau, 1952

»… die beiden Bauleiter können sich nicht einigen, ob das Haus wieder abgerissen wird oder die Straße verlegt werden muß …«

 

 

 

DDR-Volkszählung.

Erste Frage: »Beabsichtigen Sie im Jahre 1952 noch in der DDR zu leben, wenn ja – wovon?«

 

Was macht ein DDR-Bürger, wenn er in der Wüste eine Schlange sieht? – Er stellt sich an!

 

Was ist der Unterschied zwischen einer LPG[8] und einem Lodenmantel? Es gibt keinen. Beide haben kein Futter!

 

Betriebsbesichtigung durch hohe Staatsfunktionäre.

Frage: »Wie sieht es mit der Planerfüllung aus?«

Antwort: »Einhundert Prozent!«

Frage: »Und die Ausschußquote?«

Antwort: »Etwa fünf Prozent.«

Frage: »Reicht das für die DDR?«

 

Die nächste Anekdote ist kein Witz, sondern Anfang der fünfziger Jahre tatsächlich passiert.

 

Eine Reisegruppe im Harz (DDR-Seite), nahe der Grenze.

Reiseleiter: »Verehrte Gäste. Von dem Berg, auf dem wir uns jetzt befinden, haben Sie einen herrlichen Blick über weite Teile des Oberharzes. Dort unten, an dem kleinen Flüßchen verläuft die Grenze zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland. Jenseits der Grenze sehen Sie das wunderschöne Harzstädtchen Braunlage, diesseits der Grenze Sorge und Elend[9]!«

 

»Kennst du schon die neue Margarinesorte in der DDR? – BBB: Backen – Braten – Bohnern!«

 

An der Grenze DDR–BRD treffen sich zwei Löwen. Es entwickelt sich folgendes Gespräch:

Westlöwe: »Na, wie geht es dir denn so im Osten?«

Ostlöwe: »Ach, ganz gut. Sie lassen mich weitgehend in Ruhe, und außerdem bekomme ich jeden Tag meine acht bis zehn Kilo Apfelsinen und Bananen.

Und wie geht’s dir im Westen?«