Wir können Zukunft - Vera Schneevoigt - E-Book

Wir können Zukunft E-Book

Vera Schneevoigt

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Beschreibung

Vera Schneevoigt ist überzeugt, dass wir eine gute Zukunft haben, wenn jede und jeder mit anpackt. Machen statt Meckern, Lernen statt Lamentieren, Offenheit statt Opposition lautet das Credo der Technologieexpertin.  Sie absolvierte eine steile Karriere. Sie war beruflich sehr viel im Ausland unterwegs und zuletzt Chief Digital Officer bei Bosch Building Technologies und gehörte damit zur raren Spezies der Frauen, die es in Technologiekonzernen an die Spitze geschafft haben. 2022 gab Vera Schneevoigt ihrem Leben eine radikale Wende. Die Top-Managerin kündigte ihren Job und zog zurück in die Eifel, um sich gemeinsam mit ihrem Mann um ihre Eltern und Schwiegereltern zu kümmern. In ihrem Buch berichtet sie unterhaltsam und profund über ihre Erfahrungen im Berufs- und Privatleben. Sie zeigt, wie man mit Neugier, Mut und klarer Haltung die richtigen Entscheidungen treffen und zu ihnen stehen kann. Und bietet so wertvolle Impulse für die Zukunft unserer Gesellschaft. - Warum wir für eine gute Zukunft gemeinschaftliches Engagement brauchen - Warum Menschen, die keine Menschen mögen, auf keinen Fall Führungskräfte werden sollten - Warum wir neu denken, dabei Risiken eingehen und Fehler machen dürfen - und immer einen Schritt weiter kommen - Warum Führen manchmal einsam macht und wie eine gute Vorbereitung hilft, mit den Regeln der Management-Welt klarzukommen - Warum Bildung der Schlüssel zu nahezu allem ist - Warum es sich lohnt, Vielfalt auszuhalten, zu fördern und nutzbar zu machen - Warum wir Offenheit für Transformation, Konstanz in der Werteorientierung und eine gute Portion Optimismus brauchen - Warum das Leben nach der Karriere noch lange nicht zuende ist und wie sich mit dem Altern umgehen lässtEine Frau mit Haltung Vera Schneevoigt erlebte als Top-Managerin die Transformation in der Tech-Branche. Als Technologie-Expertin begleitet sie Innovationen rund um IT & KI. Als Pflegemutter von zwei geflüchteten syrischen Jugendlichen, Gründerin von #FlutMut und Tochter von hilfsbedürftigen Eltern weiß sie, was Menschen wirklich bewegt. Ihre Erfahrungen machen sie zu einer Frau, die viel zu sagen hat – und der man gerne zuhört.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 206

Veröffentlichungsjahr: 2024

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[6]Inhalt

Hinweis zum UrheberrechtDedicationVorwortEin paar Worte vorab … oder: warum es dieses Buch gibtVielfalt ist klügerGemeinsam sind wir besserWandel gestalten statt erleidenLasst uns lernenMehr Innovation bitte!Das bisschen Krise haut uns nicht umWer führt, muss Menschen mögenAltern ist biologischNachtragAnhangVera SchneevoigtVera HermesQuellenImpressum
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Alle Inhalte dieses eBooks sind urheberrechtlich geschützt.

Bitte respektieren Sie die Rechte der Autorinnen und Autoren, indem sie keine ungenehmigten Kopien in Umlauf bringen.

Dafür vielen Dank!

[5]Für meine Mutter Else Fuchs, meine Schwiegermutter Gerlinde Schneevoigt sowie meine Großmutter Klara Fuchs – Frauen und Mütter aus Generationen, die ein sehr bewegtes und schwieriges Leben haben und hatten und doch immer zuversichtlich in die Zukunft blickten.

[8]VORWORT

von Dana Aleff

[9]Die folgenden Zeilen kommen aus tiefem Herzen für eine Frau, die ich als Person und auch für ihr Werk unfassbar schätze. Hunderte Gedanken sind in meinen Kopf, wenn ich über Vera nachdenke, die ich in diesem Vorwort nur als Kurzfassung teilen kann. Den umfassenden Blick auf Vera finden Sie ja Gott sei Dank im Buch, das vor Ihnen liegt.

Vera ist eine der authentischsten Persönlichkeiten, die ich kenne, jemand, der sich niemals auch nur eine Sekunde hat verbiegen lassen. Und ihre Geschichten? Die sind spannender als die meisten Krimis, am besten von ihr selbst erzählt in ihrer eigenen Art, schöner und lustiger als ein Abend mit einer gelungenen Komödie.

Das erste Mal trafen Vera und ich uns in Frankfurt und spätestens bei unserem ersten Telefonat spürten wir, dass es eine magische Verbindung zwischen uns gibt. Es gibt diesen siebten Sinn zwischen Menschen, der in der Arbeitswelt leider lange völlig ignoriert wurde. Meine Schwester hatte mir vor Ewigkeiten ermahnend geraten, ich solle immer auf meinen Bauch hören. Der Bauch sei das zweite Gehirn, dies solle ich niemals unterschätzen. Genau diese Funktion des Bauchs als zweites Gehirn hat dazu geführt, dass es »Klick« gemacht hat, als ich Vera traf.

Ich kann nicht richtig in Worte fassen, was es bei Vera ist, was ihre Führung und ihre Art und Weise, Menschen zu helfen, so besonders macht. Wahrscheinlich genau die ausgefallene Kombination von einem Handeln aus tiefem Herzen zusammen mit dem, was ich als »kleine Mrs. Marple« beschreiben würde: pfiffig, bestimmt und echt.

[10]Manch einer aus Veras Umfeld mag lachen, wenn ich von ihr als »geerdet« spreche, weil »geerdet« im Sinne von tiefenentspannt und Vera doch manchmal zwei unterschiedliche Dinge sind ... Eine gesunde Ungeduld, etwas Gutes zu bewegen, bringt es vielleicht besser auf den Punkt. Auch wenn ich viele ihrer Geschichten von damals nur aus Erzählungen kenne, weiß ich mit Sicherheit, dass sie immer ihrem inneren Kompass treu geblieben ist. In der Welt, die ist, wie sie ist, ist doch eine der wundervollsten Eigenschaften des Menschen das Authentische, oder?

Ich selbst bin keine Feministin und doch wünsche ich mir so sehr, dass mehr und mehr Frauen von Vera erfahren und dieses Buch lesen. Insbesondere, weil sie so vielen von uns das wunderbarste Vorbild sein kann. Eine Frau, die alle Widerstände in den von Männern dominierten Führungsetagen gelassen hinnahm und, ohne sich beirren zu lassen, bei sich blieb. Sie hat die Männer nie nachmachen wollen, nie versucht, so wie sie zu sein, sondern einfach – ohne langes, nicht zielführendes Beschweren – einen Schritt nach dem anderen nach vorne gesetzt. Und erfreulicherweise realisierte sie recht früh, dass Ruhigsein und mittelmäßiges Schweigen zu überhaupt nichts führt. Und dass es völlig in Ordnung ist, wenn man nicht jeder Person gefällt.

Aus Veras Selbstverständnis und Bescheidenheit heraus wäre dieses Buch nie entstanden und so bin ich froh, dass man sie davon überzeugen konnte, sodass die Welt von ihr und ihrem Weg erfahren kann. Ich bin dankbar für die wundervolle Vera Hermes, mit der zusammen sie es geschrieben hat, und die so wertvoll für Vera und das Buch war und ist.

Ich weiß, Vera hätte ihre Mitarbeit an dem Buch jederzeit beendet, wenn man ihre Aussagen verbogen hätte. Nun aber lesen Sie ein Buch, das wundervoll und lehrreich zugleich ist: über eine besondere Persönlichkeit und ihre Erlebnisse. Ich bin froh, dass beides endlich in Textform festgehalten wurde.

[11]Wissen Sie, es gibt so viel Unschönes auf dieser Welt, so viele Konflikte, dabei fehlt es oft nur an Achtsamkeit und Mut und an dem Prinzip, erst zu geben und dann zu nehmen, mit Mitgefühl und purer guter Intention – ganz wie bei Vera. Wie wär’s?

Liebe Vera, es ist mir eine Ehre, für dich diese Zeilen hier niederschreiben zu dürfen, und auch wenn Worte manche Magie niemals beschreiben können, so hoffe ich doch, dass viele weitere Menschen daran teilhaben können.

In tiefer Verbundenheit

Deine Dana.

Dana Aleff ist Maschinenbauingenieurin und hat mehrere Jahre in der Forschung gearbeitet. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin der Circonomit GmbH, einem Unternehmen, das die Verbindungen zwischen ökologischen und ökonomischen Zielen mittels einer Softwareanwendung greifbar macht. Mit Vera Schneevoigt verbindet Dana Aleff seit einigen Jahren eine sehr herzliche Freundschaft.

[12]EIN PAAR WORTE VORAB

… ODER: WARUM ES DIESES BUCH GIBT

[13]Um es Ihnen gleich zu sagen: Das hier war in meinem Leben nicht vorgesehen. Wer braucht schließlich noch ein Buch? Wie diese Meetings, die nie zu enden scheinen, bis nicht jede und jeder seinen Senf dazugegeben hat, gibt es heute eine schier unübersehbare Vielzahl von Büchern darüber, wie sich Menschen am besten führen lassen, wie wir gut durch diese turbulenten Zeiten kommen oder wie mit dem Wandel in der Arbeitswelt umzugehen ist. Und jetzt komme ich und lege auf diesen hohen Bücherstapel noch ein weiteres drauf. Es ist mir schon oft passiert, dass ich Sachen mache, die ich eigentlich nie tun wollte und an denen ich dann eine große Freude entwickele.

[15]Warum nun also dieses Buch? Wegen des Titels! Das Thema »Wir können Zukunft« hat mich gereizt. Ich möchte von dem, was ich erlebt habe, das an Sie weitergeben, von dem ich hoffe, dass es Sie interessiert. Dieses Buch soll aber keine Autobiografie sein. Stattdessen möchte ich Ihnen gerne Impulse geben. Nicht, dass ich alles besser weiß – aber ich kann davon berichten, was in meiner Karriere als Managerin gut und was weniger gut funktioniert hat. Ich würde Sie sehr gerne auf andere Ideen bringen und Diskussionen anstoßen. Außerdem wollte ich mich nach meinem Abschied aus der Führungsposition nicht darüber grämen, dass ich langsam, aber sicher alt werde, sondern habe mich gefragt, was ich mit all meinen gesammelten Erfahrungen denn noch so machen kann. Also zum Beispiel: dieses Buch.

Ich glaube fest daran, dass wir eine gute Zukunft vor uns haben, wenn wir sie in die Hand nehmen. Sie fliegt uns nicht zu, der Weg zu ihr wird vermutlich ziemlich anstrengend, und bloß mit Beobachten, Nörgeln und Fürchten ist sie nicht zu bekommen, unsere gute Zukunft. Aber sie ist möglich. Mein erster Chef neigte dazu, bestimmte Sätze immer und immer zu wiederholen. Als ich ihn irgendwann etwas genervt darauf hinwies, meinte er: »Redundanz schafft Sicherheit.« Der Mann hat Recht und deshalb werden Sie es in diesem Buch auch wieder und wieder lesen: Wir können Zukunft.

Zugegeben: Es ist gerade nicht so einfach, optimistisch zu sein. Angesichts von Krisen, Kriegen, Klimawandel und zudem auch noch politischen Kräften, die versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten, ist es völlig normal, dass wir im Moment ein bisschen [16]straucheln. Es herrscht viel Veränderung von außen, auf die wir keinen oder kaum Einfluss haben. All das will ich gar nicht schönreden. Im Rückblick allerdings haben die Generationen vor uns deutlich härtere Zeiten erlebt – manche, wie mein im Jahr 1900 geborener Großvater, mussten zwei Weltkriege mitmachen. Und irgendwie ist das Leben auch für sie weitergegangen. Außerdem ist es ja nicht so, dass die heute bereits älteren Menschen nicht schon mit vielen Veränderungen klargekommen wären – von der Digitalisierung über die Wiedervereinigung bis hin zu einer globalisierten Wirtschaft.

Ich bin überzeugt, dass unsere Zukunft mit gebündelten Kräften und einer großen Portion Gemeinsinn gut werden kann. Wir sind mehr gut ausgebildete Menschen auf diesem Planeten als je zuvor. Wenn sich viele verschiedene Menschen mit einem gemeinsamen Ziel zusammentun, lassen sich Projekte ins Positive drehen, auf die vorher niemand mehr gewettet hätte – das habe ich im Laufe meines Berufslebens und auch im Ehrenamt oft erlebt.

Meine tiefste Überzeugung ist: Wir müssen neugierig, offen und lernwillig sein, wenn wir eine gute Zukunft haben wollen. Der Schlüssel dafür, dass es vielen Menschen gut oder besser als früher geht, liegt in der Bildung. Dazuzulernen ist keine Frage des Alters und auch keine Frage der Position in einem Unternehmen oder in der Gesellschaft. Es gibt immer Möglichkeiten, teilzuhaben. Der Zugang zu Wissen war noch nie so einfach wie heute.

Das Wichtigste ist: Wir sollten nicht gegeneinander denken und arbeiten, sondern miteinander. Das gilt auch mit Blick auf den Erhalt unserer Demokratie, in der es darauf ankommt, dass sich alle engagieren. Dieses Buch ist mein Appell an Sie, sich für unser Gemeinwohl einzusetzen. Und zwar nicht nur, weil das anderen hilft, sondern auch, weil es glücklich macht.

Ich jedenfalls habe durch ein Ehrenamt eine Wahlfamilie gewonnen: Mein Mann Thomas und ich haben uns 2015 mit vielen anderen Menschen dafür eingesetzt, Flüchtlingen ihr Ankom[17]men und die Integration zu erleichtern. Im Zuge dessen lernten wir die beiden damals noch minderjährigen Brüder Ahmad und Mohamad aus Syrien kennen. Wir hatten regelmäßig Kontakt und beschlossen im Februar 2016 gemeinsam, eine Pflegefamilie zu gründen. Das war für alle Beteiligten zwar nicht immer einfach, aber ein großer Gewinn für unser Leben. Ahmad beendet gerade erfolgreich seine Ausbildung, sein Bruder Mohamad ist Anfang 2024 nach Dubai ausgewandert, wo er ein eigenes Unternehmen gegründet hat, das sich mit Renovierungen beschäftigen wird. Beide haben mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft. Diese Pflegeelternschaft war, glaube ich, das Lohnenswerteste, was Thomas und ich jemals gemacht haben. Geflüchteten Menschen einen guten Weg zu zeigen, wie sie sich in unsere Gesellschaft einbringen können, halte ich für zukunftsentscheidend. Sie müssen dabei nicht ihre Identität aufgeben, wohl aber die neuralgischen Punkte unseres Zusammenlebens kennen und akzeptieren. Menschen während der Integration zu begleiten und ihnen eine gute Bildung zukommen zu lassen, ist eine drängende gesellschaftliche Herausforderung. Ohne die Unterstützung im Ehrenamt wird die Integration nicht funktionieren. Wenn jede und jeder nur einen Menschen an die Hand nähme, würden viele Probleme gar nicht erst entstehen.

Was wir mit Gemeinsinn erreichen können, ist ein wichtiges Thema in diesem Buch. Das mit Abstand krasseste Erlebnis meines Lebens war die Flutkatastrophe an der Ahr, die in Minutenschnelle Leben entweder komplett vernichtet oder stark beeinträchtigt hat. Diese Naturkatastrophe führte zugleich zu einer beeindruckenden Solidarität, die weit über die Region hinaus sichtbar wurde. Sie hat gezeigt, was geht, wenn viele helfen.

Darüber hinaus möchte ich mit diesem Buch gerne ein paar Vorurteile widerlegen. Zum Beispiel, dass die junge Generation nicht mehr nach Führungspositionen strebt, dass Frauen sich mit Führen schwertun oder dass generell dem Führen von Menschen [18]etwas Negatives anhaftet. Ich kann aus eigenem Erleben das Gegenteil berichten. Führung bringt Macht mit sich und eine große Verantwortung. Sie setzt voraus, dass man Menschen mag, sie in den Mittelpunkt des eigenen Handelns stellt und sich selbst nicht zu wichtig nimmt.

Führungspositionen sind im Leben eine temporäre Angelegenheit – wer führt, sollte also gut darauf aufpassen, sich nicht selbst zu überschätzen und zu überfordern. Ich kann nicht verstehen, warum in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung oft so ein verzerrtes und überwiegend negatives Bild von Managerinnen und Managern gezeichnet wird, ohne dass zugleich die positiven Beispiele gezeigt werden. Es fehlt ein differenziertes Bild und die Wertschätzung dafür, dass die Mehrheit der Managerinnen und Manager Verantwortung übernimmt und ihre Expertise einsetzt, um Unternehmen erfolgreich zu führen.

Was die junge Generation betrifft: Diese bringt ein anderes Verständnis von Arbeit mit, und das ist gut so. Wie viel jede und jeder arbeiten sollte, ist ein interessantes und gutes Thema zum Streiten. Es polarisiert. Als ich anfing, waren noch 40 Arbeitsstunden vertraglich vereinbart, bis die IG Metall die 35-Stunden-Woche durchgesetzt hat. Auf den Managementebenen wurde sowieso viel mehr gearbeitet, das gehörte in meiner Altersklasse quasi zum guten Ton. Heute wird die 4-Tage-Woche diskutiert. Ich finde diese Debatte legitim. Dieses Beharren, dass faul ist, wer nicht sehr viele Stunden arbeiten will, ist eine Selbstgefälligkeit meiner Generation, die mir ziemlich auf die Nerven geht. Schließlich sagt eine hohe Zahl an Arbeitsstunden nichts über die Qualität des Ergebnisses aus. Ich habe selbst sehr viel und intensiv in verschiedenen Zeitzonen an verschiedensten Projekten gearbeitet. Mir hat das Spaß gemacht. Ich kann jedoch verstehen, dass die Generation, die uns dabei beobachtet hat – also in der Regel unsere Kinder oder junge Leute, die mit meiner Generation zusammenarbeiten – das nicht möchte, weil sie andere Prioritäten setzt.

[19]Wir müssen diskutieren, was wir unter Arbeit verstehen. Das ist ein perfektes Thema für einen generationenübergreifenden Dialog, und auch für einen gemeinsamen Blick auf Technologien und Innovationen. Schon angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land ist klar, dass wir Arbeit und auch Arbeitszeit neu betrachten müssen. Als 1965 Geborene gehöre ich zu diesen geburtenstarken Jahrgängen, die sofort nach der Schule mit irgendeiner Berufstätigkeit loslegen mussten. Angesichts der starken Konkurrenz kam gar nichts anderes infrage. Ich neige überhaupt nicht dazu, im Rückblick etwas zu bedauern, aber doch, in diesem Fall muss ich sagen: Es wäre schön gewesen, wenn ich damals mehr Zeit gehabt hätte, mich in der Welt umzusehen. Ich ermutige daher alle jungen Leute, nach ihrer Schulzeit unbedingt so viel zu reisen, so viele unterschiedliche Menschen kennenzulernen und so viel auszuprobieren, wie es ihnen möglich ist. Arbeiten werden sie in ihrem Leben noch genug.

Mein Start ins Leben war den damaligen Zeiten entsprechend grundsolide: Schule, Abitur, Ausbildung zur Industriekauffrau bei einer Siemens-Tochter. Damit hatte ich ein Fundament, von dem aus ich alles bewerkstelligen konnte. Mir war wichtig, mein eigenes Geld zu verdienen und mir damit die Freiheit zu verschaffen, mein Leben so zu gestalten, wie ich das will. Ich bin zwar mit einer kaufmännischen Ausbildung gestartet, habe dann aber schnell gemerkt, dass mich Technologie und Logistik viel mehr interessieren. Damals ist mir dann auch aufgefallen, wie wenig Berührung wir während der Schulzeit in unserer Mädchenklasse mit technischen oder wissenschaftlichen Berufen hatten. Ich wusste nicht einmal, dass es ein Studium wie Wirtschaftsingenieurwesen gibt. Dass ich nicht studiert habe, ist mir übrigens sehr oft in meiner Karriere aufs Butterbrot geschmiert worden. Geschadet hat mir die fehlende akademische Bildung trotzdem nicht, ich habe eine sogenannte Kaminkarriere hingelegt, in der es von Stufe zu Stufe aufwärts ging. Meine Wissenslücken in technischen oder logistischen Prozessen [20]habe ich durch Nachfragen und selbstständiges Lernen geschlossen. Wenn ich merke, dass mich ein Thema interessiert, ich aber Wissensdefizite habe, dann organisiere ich mir eine Schulung oder setze mich hin, suche mir Informationen und lerne.

Ich bin ein Beispiel dafür, dass es für eine Karriere nicht entscheidend ist, welche formalen Abschlüsse man vorzuweisen hat, sondern dass man auch intrinsisch motiviert und sehr lust- und interessengesteuert seinen Weg machen kann.

Mein Glück war, dass mich viele Menschen in meinem Berufsleben gefördert haben und ich in einem so großen Konzern wie Siemens viele Möglichkeiten hatte, mich weiterzuentwickeln. Meine Karriere zeigt, wie wichtig und sinnvoll Weiterbildungen, Coachings und Mentorenprogramme sind. Darum finden Sie in diesem Buch auch immer wieder den Appell, sich Unterstützung zu holen, wo immer nötig und möglich.

Generell gilt: Wer Menschen führt, muss ein Verständnis davon haben, was diese Menschen tun. Ohne Fachexpertise funktioniert generalistische Führung nicht. Es geht dabei gar nicht um tiefes Detailwissen. Führungskräfte sollten sich aber zumindest so weit mit der Materie auskennen, dass sie deren Beitrag für den Wertschöpfungsprozess richtig einordnen können. Als Managerin muss ich wissen, am welchen Stellen Geld verdient wird und wo Geld verloren geht, damit ich Risiken besser bewerten und klügere unternehmerische Entscheidungen treffen kann. Meine Karriere war diesbezüglich wie ein Puzzle: Erst kam die Fachexpertise, dann die Managementexpertise und schließlich kamen die Restrukturierungsprojekte, in denen der menschliche Faktor immens wichtig war, weil sie häufig sehr viele Mitarbeitende betrafen.

Es ist einfach, externe Beraterinnen und Berater zu holen, um sie die unangenehmen Dinge erledigen zu lassen, also Menschen zu entlassen und ganze Werke abzuwickeln. Ich halte es für feige, solche Aufgaben zu delegieren. Wer selbst viel in der Produktion unterwegs ist und weiß, wie viele Menschen dort arbeiten und was [21]sie tun, der entscheidet mit einem anderen Bewusstsein hinsichtlich der Konsequenzen. Die Menschen sind dann keine Zahl oder eine anonyme Masse, sondern eben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Gesichtern und Geschichten. Wer Führungskraft sein will, darf sich bei unangenehmen Dingen nicht wegducken, darf nicht empfindlich, sondern muss sichtbar sein und auch streitbar. Auch darum soll es in diesem Buch gehen.

Wie erwähnt habe ich immer gerne gearbeitet. Mich haben knifflige Sachen gereizt. Die Arbeit war für mich ein großer Teil meines Lebens und immer eher Vergnügen als Strapaze. Die Work-Life-Balance-Frage hat sich mir deshalb nie gestellt, weil »work« kein Problem war. Und trotzdem habe ich sehr bewusst damit Schluss gemacht.

Ich habe meine offizielle Karriere an den Nagel gehängt, um vor allem mehr Zeit für mein privates Umfeld – meine Eltern und meine Schwiegermutter, unseren Freundeskreis und meinen Mann Thomas – und auch für mich selbst zu haben. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich älter werde und mir Arbeit nicht mehr so wichtig ist wie früher. Es ist jetzt nicht mal zwei Jahre her, seit ich bei Bosch aufgehört habe, und es hat sich schon gezeigt, dass es sich lohnt, weniger zu arbeiten und die Zeit für andere Dinge einzusetzen.

Die große öffentliche Resonanz auf die Entscheidung, meine Karriere gegen das Privatleben und die Betreuung der Eltern einzutauschen, kam für mich überraschend. Es gibt sogar eine Dokumentation des WDR darüber und bis heute bekomme ich regelmäßig Anfragen von Journalistinnen und Journalisten. Wahrscheinlich weil gerade Führungskräfte nicht öffentlich darüber sprechen, dass sie Zeit brauchen, um ihre Eltern zu betreuen. Während die Betreuung von Kindern in unserer Gesellschaft – zu Recht – ein großes Thema ist und es mittlerweile entsprechende Arbeitszeitkonzepte gibt, ist das Thema Elternpflege irgendwie schambehaftet und Privatsache. Die alten Eltern verschwinden [22]sang- und klanglos. Das muss sich ändern. Zumal es sehr viele Menschen, meist Frauen, in Deutschland gibt, die sich um pflegebedürftige Eltern kümmern – das Thema ist ja nicht neu. Ich hätte wahrscheinlich nie so viel mediale Aufmerksamkeit für dieses Thema bekommen, wenn ich nicht vorher erfolgreiche Managerin gewesen wäre. Das ist nicht besonders fair all den anderen gegenüber. Aber es bietet mir immerhin die Chance, die Betreuung älterer Menschen als Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.

Übrigens: Viele Medien schreiben, ich hätte gekündigt, um meine Eltern zu pflegen. Das stimmt so nicht. Ich verbringe viel Zeit mit ihnen und mit meiner Schwiegermutter, ich kümmere mich darum, dass es ihnen gut geht, und ich organisiere vieles in ihrem Alltag – aber ich pflege sie nicht. Dennoch ist es eine sehr spezielle Erfahrung, sich nach 40 Jahren wieder den eigenen Eltern anzunähern und zugleich mit dem eigenen Älterwerden konfrontiert zu sein. Viele Menschen rutschen im Alter in einen Modus, in dem sie vieles bedauern, betrauern und beklagen. Das halte ich für grundfalsch. Nach dem Berufsausstieg beginnt ein neuer Lebensabschnitt, der gut und gerne noch 25 Jahre dauern kann. Warum sollte diese Zeit nicht gut werden? Was können wir Älteren tun, um unsere Fähigkeiten für das Gemeinwohl einzubringen? Wie lässt sich dieser Lebensabschnitt sinnvoll gestalten? Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten für Menschen jeden Alters, ihr Leben zu gestalten und zu einer guten Zukunft beizutragen.

Ich würde mich freuen, wenn wir darüber ins Gespräch kommen.

[24]VIELFALT IST KLÜGER

[25]Eine gute Zukunft ist Teamwork. Wir müssen sie gemeinsam anpacken. Je mehr Perspektiven und Fähigkeiten wir einbringen, umso erfolgreicher werden wir sein. Vielfalt ist zwar anstrengend, aber es lohnt sich, sie auszuhalten, zu fördern und nutzbar zu machen. Wir brauchen unterschiedliche Sichten auf die Welt und ihre Herausforderungen. Unsere globalisierte Wirtschaftswelt kann gar nicht anders sein als vielfältig.

[27]Meine erste bewusste Begegnung mit Diversität fand im Jahr 1980 statt. Um ehrlich zu sein: Ich dachte damals, mich trifft der Schlag, und ich war sehr wütend auf meinen Vater. Er war nach Neustadt an der Weinstraße versetzt worden, die ganze Familie war umgezogen und mein Vater meldete mich in unserer neuen Heimat für die neunte Klasse am Gymnasium an. Wahrscheinlich war ihm vorher nicht aufgefallen, was mir beim Blick ins Klassenzimmer sofort ins Auge sprang: Da waren nur Mädchen.

Tatsächlich war mein Jahrgang am Käthe-Kollwitz-Gymnasium der letzte reine Mädchen-Jahrgang. Nach uns gab es nur noch gemischte Klassen. Auf dem Schulhof waren deshalb Jungen wie Mädchen unterwegs, mein Vater hatte also gar nicht mit Absicht gehandelt. Er war vermutlich nicht mal ansatzweise auf die Idee gekommen, dass es im Jahr 1980 noch irgendwo eine Geschlechtertrennung in Schulen geben könnte. Nun war also ich, die im Westerwald immer mit den Jungs Völkerball, Fußball und Skat gespielt und mich mit ihnen im Judo gemessen hatte, unter lauter Mädchen. Da ist mir zum ersten Mal aufgefallen, was das Gegenteil von Vielfalt ist. Ich war geschockt.

Aber, was soll ich sagen? Es war toll! Das Zusammengehörigkeitsgefühl in unserer Mädchengruppe war großartig. Wir verbrachten vom 14. Lebensjahr bis zum Abitur prägende Jahre miteinander und bildeten eine absolut eingeschworene Gemeinschaft. Uns konnte keiner was. Zugleich hatten wir Lehrer und auch feministisch geprägte Lehrerinnen, die uns sehr ermutigt haben. Sie vermittelten uns, dass wir grundsätzlich alles erreichen [28]können, dass wir uns immer eine eigene Meinung bilden und unbedingt zusehen sollen, dass wir eine gute Ausbildung absolvieren.

Unsere »Einfalt« war für uns kein Nachteil. Eine homogene Gruppe ist stark. Das bekamen insbesondere die armen Lehrkräfte zu spüren, die uns in der Oberstufe unterrichteten. Darunter waren sehr viele junge Lehrer, überwiegend Männer. Die tun mir heute noch leid, weil sie mit uns selbstbewussten 16-, 17-, 18-jährigen Frauen völlig überfordert waren. Das haben wir natürlich gnadenlos ausgenutzt. Wir hatten eine gewisse Macht, weil wir eine starke Einheit waren und deshalb dominant auftreten konnten. Bei Schülerinnen mag das noch harmlos sein, generell ist solch eine Konzentration definitiv keine gute Sache.

Kurz darauf begann mir zu dämmern, welchen Unterschied die Vielfalt macht. Während meiner Ausbildung zur Industriekauffrau waren wir für die damalige Zeit relativ viele Mädchen, in der Berufsschule dann aber von vielleicht 25 Schülern nur sechs oder sieben Frauen. Das fand ich schon irgendwie blöd. Was mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war: Dieses Ungleichgewicht sollte sich wie ein roter Faden durch mein Berufsleben ziehen. Im Laufe meiner weiteren Karriere hatte ich immer mehr mit Männern als mit Frauen zu tun. Kein Wunder, denn Frauen in Führungspositionen waren damals stark unterrepräsentiert – und sie sind es bis heute: Laut einer Schufa-Analyse1 beschäftigten zu Beginn des Jahres 2024 nur 27 Prozent der Unternehmen mindestens eine Frau im obersten Management. Im Jahr 2023 war nicht einmal jedes fünfte Aufsichtsratsmitglied eine Frau. Insbesondere in MINT- und Tech-Berufen sind Frauen immer noch stark unterrepräsentiert. »Der Mangel an Geschlechterdiversität in Europas Technologielandschaft führt zu erheblichen Nachteilen für Beschäftigte, Innovation und die gesamte europäische Gesellschaft«, sagt Sven Blumberg von McKinsey & Company2. Blumberg ist Mitautor einer Studie, gemäß der sich Europas Wirtschaftsleistung [29](BIP) um bis zu 600 Milliarden Euro erhöhen könnte, wenn es bis zum Jahr 2027 gelänge, den Frauenanteil in Tech-Jobs auf 45 Prozent zu erhöhen. Dieselbe Studie stellt fest, dass der Frauenanteil in Bereichen mit hohem Bedarf an Technologietalenten bei gerade mal acht Prozent liegt. Fehlende Geschlechtervielfalt ist also schon allein wirtschaftlich betrachtet dumm.

Zugegeben: Für mich war die Geschlechterverteilung jahrzehntelang kein Thema. Es gab keine Sensibilität dafür und in meinem Umfeld auch kein berufliches Netzwerk, das sich mit solchen Themen beschäftigt hätte. Natürlich wandten sich Frauen, wenn sie ein Problem hatten, tendenziell eher an eine Frau. Aber Anfang der 90er Jahre war das nichts, worüber man groß geredet hätte. Vielleicht auch, weil anderes wichtiger erschien: Es war die Zeit der Wiedervereinigung.

Das Gefühl, irgendwie ein Alien zu sein, stellte sich bei mir erst später ein. Es ging mit den Managementjobs los. Da habe ich gemerkt, dass ich in einem Führungskreis als Frau meist allein bin, dass die Fluktuation auf den weiblich besetzten Managementposten viel höher ist und dass ich nicht wirklich dazugehöre. Fachlich gesehen natürlich schon, ich konnte mich immer gut mit Männern auf Augenhöhe auseinandersetzen. Aber ich war nicht Teil ihrer Machtzirkel. Diese Gruppen blieben für mich geschlossen.