Wirksam führen - Barbara Hogan - E-Book

Wirksam führen E-Book

Barbara Hogan

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Beschreibung

Die Führungskompetenz ärztlicher Leitungskräfte hat nicht nur vor dem Hintergrund des Fachärztemangels und der schwierigen wirtschaftlichen Situation vieler Kliniken stark an Bedeutung gewonnen. Dennoch werden Ärzte während ihrer medizinischen Ausbildung und in den ersten Berufsjahren kaum auf die spätere Übernahme einer Führungsposition vorbereitet. Die Autoren beleuchten praxisnah und verständlich alle relevanten Aspekte aus dem Führungsalltag von Chef- und Oberärzten. Das Buch umfasst einen Grundlagen- und einen Praxisteil. In dieser Auflage wendet sich das Buch an ärztliche Leitungskräfte nicht nur in stationären Bereichen, sondern auch in ambulanten Strukturen. Die 2. Auflage wurde darüber hinaus um die Themen Teamarbeit und Teambildung, Gesprächsführung, Zentrale Notaufnahme sowie Medizinische Versorgungszentren erweitert.

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Die Autorin und der Autor

Dr. med. Barbara Hogan, MBA, war 25 Jahre lang Chefärztin von großen Notaufnahmen in Deutschland (Klinikum Fulda, Asklepios Klinik Hamburg-Altona, Mühlenkreiskliniken (MKK) im Kreis Minden-Lübbecke) sowie national und international anerkannte Expertin für die moderne Notfallversorgung. Sie ist Gründungspräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Notfall- und Akutmedizin (DGINA) und Past-President der European Society for Emergency Medicine (EUSEM). Seit drei Jahren ist sie Geschäftsführerin und Ärztliche Leitung vom multidisziplinären MVZ an der Elbe in Geesthacht bei Hamburg sowie Geschäftsführerin vom MVZ Kinderwunschzentrum Münster, MVZ Nieren-, Apherese- und Dialysezentrum Bad Malente und vom auxilium Hospiz in Geesthacht.

Dipl.-Päd. Werner Fleischer, mit den Schwerpunkten Erwachsenenbildung und Psychologie, ist deutschlandweit seit 2004 als selbstständiger Berater, Coach und Moderator in Kliniken und Krankenhäusern tätig und begleitet klinische Leitungskräfte bei Führungs- und Veränderungsprozessen, bei der Karriereentwicklung sowie bei Fragen des Selbstmanagements.

Barbara Hogan

Werner Fleischer

Wirksam führen

Ein Leitfaden für Chef- und Oberärzte sowie Ärztliche Leitungen in ambulanten Strukturen

2., erweiterte und aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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2., erweiterte und aktualisierte Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-039894-8

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-039895-5

epub:     ISBN 978-3-17-039896-2

Danksagung

Das Schreiben eines Buches ist immer und zu jeder Zeit eine Herausforderung. Es ist jedoch keine Einzelleistung. Um Seite für Seite unter der Überschrift des Buches mit Leben zu erfüllen, haben wir als Autorenteam – jede*r in seinem/ihrem Fachgebiet – über Jahre hinweg mit unzähligen Menschen zusammengearbeitet und erst mit ihnen den Klinikauftrag erfüllt. Darüber entstanden unsere Erfahrungen, welche Bedeutung dem Handeln von klinischen Leitungskräften zukommt.

Wir danken daher Vorständen, Geschäftsführer*innen, Chefärzt*innen, Oberärzt*innen, Assistenzärzt*innen, Pflegeleitungen, Pflegekräften und allen anderen klinischen Berufsgruppen, die im täglichen Klinik- und Patientenversorgungsalltag mit uns zusammengearbeitet haben und uns im Beratungs- und Coaching-Alltag vertrauensvoll in Zusammenhänge, Probleme und Lösungsmöglichkeiten Einblick gegeben haben. Erst durch sie konnte dieses Buch entstehen.

Wir haben die Inhalte unseres Buches um den ambulanten medizinischen Versorgungsbereich erweitert, sodass auch Ärztliche Leitungen und Geschäftsführer*innen von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), Praxen und Integrierte Notfallzentren (INZ) Führungs-Werkzeuge für diese speziellen Bereiche nutzen können.

Ganz besonderer Dank kommt Heike Bleitner für die 1. Auflage sowie Martina Conradt und Benedikt Fleischer für die 2. Auflage zu. Alle drei haben uns unermüdlich mit ihrer Text- und Sprachkompetenz begleitet. Von ihnen haben wir gelernt, schwierige Sachzusammenhänge mit einfachen Worten darzustellen und das Buchprojekt neben unserer beruflichen Tätigkeit gezielt voranzubringen.

Dank sagen wir auch unseren Ehepartner*innen, die es liebevoll und geduldig getragen haben, wenn wir uns in den Zeiten der Erstellung und Überarbeitung intensiv dem Buch gewidmet haben; sowohl im Urlaub als auch an den Wochenenden. Das hat uns Kraft gegeben, unsere Energie zu konzentrieren auf das, was wir mit diesem Buch erreichen möchten: die Entlastung aller Ärzt*innen, die sich Tag für Tag in den Kliniken auf hohem Niveau für ihre Patient*innen einsetzen.

Ganz besonderer Dank gilt auch den Chefärzt*innen und Oberärzt*innen, die das Buch in ihren Kreisen bekannt gemacht und so die 2. Auflage ermöglicht haben.

Inhalt

Danksagung

Vorwort

Einleitung

Klinikstrategie »Attraktiver Arbeitgeber«

Grundlagen

1     Mitarbeiterführung

1.1 Anforderungen an Führungskräfte

1.2 Führungsaufgaben

1.3 Im Spannungsfeld zwischen Fach- und Führungsaufgaben

1.4 Führungskompetenzen

1.5 Führungsstile

1.6 Differenzierter Führungsansatz auf Basis des Reifegradmodells

1.7 Führen über das Gespräch

1.8 Fazit

2     Rollen- und Verhaltensprofile

2.1 Begriffsklärung: Was ist eine Rolle?

2.2 Umgang mit Rollenkonflikten

2.3 Begriffsklärung: Was ist ein Verhaltensprofil?

2.4 Fazit

3     Teamarbeit und Teamentwicklung

3.1 Gruppe oder Team?

3.2 Grundbedingungen von Teams

3.3 Teamentwicklung

3.4 Teambildung

3.5 Kompetenzen der Teamleitung

3.6 Die Mischung im Team

3.7 Teamorganisation

3.8 Teamführung – die Dynamik im Team konstruktiv nutzen

3.9 Kommunikation im Team

3.10 Fazit

4     Change Management

4.1 Was löst Veränderungen aus?

4.2 Warum Veränderungen nicht initiiert werden

4.3 Warum Veränderungen scheitern

4.4 Erfolgsfaktoren des Change Managements

4.5 Fazit

5     Ziel-, Zeit- und Selbstmanagement

5.1 Zielmanagement

5.2 Zeitmanagement

5.3 Selbstmanagement

5.4 Fazit

6     Stress – jetzt erst recht handeln

6.1 Was ist Stress?

6.2 Stress in Kliniken und Krankenhäusern

6.3 Ressourcen im Umgang mit Stress

6.4 Stressbewältigung: Agieren statt reagieren

6.5 Persönliches Arbeitsverhalten

6.6 Fazit

Praxis

7     Prinzipien der Mitarbeiterführung

7.1 Führungsprinzipien

7.2 Führung und Macht

7.3 Loyalität – wer sie fordert, muss Verantwortung übernehmen

8     Mitarbeitende

8.1 Wenn aus »Ober-Fachärzt*innen« aktiv führende Oberärzt*innen werden

8.2 Planvolle Einarbeitung neuer Assistenzärzt*innen

8.3 Die Millennials – fördern statt regieren

8.4 Wer ist hier schwierig? Mitarbeitende oder Chef*innen?

8.5 Graues Haar wird zur Regel – der Umgang mit älteren Mitarbeitenden

8.6 Umgang mit suchtkranken Mitarbeitenden

8.7 Ausländische Ärzt*innen – Willkommenskultur ist gefordert

9     Gesprächsführung

9.1 Feedback – ein wirkungsvolles Führungsinstrument

9.2 Kritikgespräche erfolgreich führen

9.3 Mitarbeiterjahresgespräche – mit gezielter Jahresplanung motivierend führen

9.4 Krankenrückkehr- und Fehlzeitengespräche

9.5 Entwicklungsgespräche

9.6 Bleibegespräche

9.7 Du oder Sie? Das Dilemma mit der richtigen Anrede

9.8 Emotionen im Führungsalltag

9.9 Motivation erhalten und lenken

10   Chefärzt*in werden und sein

10.1 Die erfolgreiche Bewerbung

10.2 Chefarztwechsel – der/die Alte geht, ein*e Neue*r kommt

10.3 Chefärzt*innen und Geschäftsführung – gemeinsam dem wirtschaftlichen Druck begegnen

10.4 Neu in der Chefarztposition

10.5 Strategisches Denken und Handeln

10.6 Von dem/der Sekretär*in zur Managementassistenz – eine Entwicklungsmaßnahme, die Chefärzt*innen entlastet

11   Prozesse

11.1 OP-Organisation – Erste Hilfe für das Herzstück der Klinik

11.2 Die Intensivstation

12   Die Zentrale Notaufnahme

12.1 Strategische Überlegungen zur Zukunft der Notfallversorgung

12.2 Die interdisziplinäre Zentrale Notaufnahme der Gegenwart – Erfolgsvorrausetzungen

13   Delegation ärztlicher Leistungen – Chancen, Risiken, Voraussetzungen

13.1 Beispiele der Delegation ärztlicher Tätigkeiten im Klinikalltag

13.2 Ärzt*innen und Pflege – »Hand in Hand«

13.3 Vereinbarkeit von Familie und Beruf

13.4 Optimierung des Aufnahme- und Entlassmanagements

14   Ambulante Strukturen/Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)

14.1 Struktur des Medizinischen Versorgungszentrums

14.2 MVZ-Geschäftsführung

14.3 MVZ Ärztliche Leitung

14.4 Ärztliche Leitung in ambulanten Strukturen werden und sein …

14.5 Zusammenspiel des Führungsduos

15   Personalmanagement

15.1 Erfolgreiche Auswahl von Bewerber*innen

15.2 Mitarbeiterentwicklung – von der Entwicklungsdurchsprache zum Entwicklungsgespräch

15.3 Abmahnung und Kündigung

15.4 Verfassen von Arbeitszeugnissen

16   Patient*innen

16.1 Patientenorientierung

16.2 Schwierige Patientengespräche – eine Herausforderung im Klinikalltag

16.3 Patient*innen in der Notaufnahme

17   Außendarstellung

17.1 Zuweiserbindung – Kooperation mit niedergelassenen Ärzt*innen

17.2 Medien- und Öffentlichkeitsarbeit

Literatur

Stichwortverzeichnis

Vorwort

In den vergangenen Jahren hat die Führungskompetenz Ärztlicher Leitungskräfte stark an Bedeutung gewonnen – eine Entwicklung, die im Wesentlichen auf den folgenden Ursachen beruht:

•  Die Einführung des DRG-basierten Vergütungssystems im Jahr 2003 und die Deckelung des Budgets der Krankenhäuser haben zu grundlegenden Veränderungen im Gesundheitssystem geführt. Die wesentliche Herausforderung für die Krankenhäuser besteht darin, gute Qualität zu stabilen Kosten anzubieten.

•  Die Zentralen Notaufnahmen (ZNA) spielen in diesem Zusammenhang für die Krankenhäuser eine zunehmend wichtige Rolle, so dass die Verankerung der ZNA im Krankenhaus mit der Implementierung einer strategischen und operativen Notaufnahme-Steuerung als wichtiger Wertschöpfungsimperativ in dieser Ausgabe ergänzt wurde.

•  Dazu gehört auch die Implementierung Integrierter Notfallzentren in den Krankenhäusern, wie im GBA-Beschluss 2019 definiert. Die dadurch entstandene enge Verbindung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung hat uns dazu bewogen, auch das Thema Medizinische Versorgungszentren (MVZ) mit aufzunehmen. Medizinische Versorgungszentren dominieren zunehmend den ambulanten Bereich, entweder als fachgleiche MVZs oder als fachübergreifende MVZs.

•  Der wirtschaftliche Druck auf die Kliniken hat stark zugenommen – das spüren Ärztliche Leitungskräfte inzwischen unmittelbar. Damit verbunden sind erhöhte Anforderungen an die Qualität ihres Führungshandelns.

•  In vielen Kliniken fehlen qualifizierte Ärzt*innen. Daher nehmen die Gewinnung, Entwicklung und Bindung engagierter Mitarbeiter*innen stark an Bedeutung zu – eine Aufgabe, der sich Ärztliche Leitungskräfte zusätzlich zu ihren fordernden medizinischen Tätigkeiten stellen müssen. Dafür bedarf es umfassender Führungskompetenz.

•  In den Kliniken hat mit dem Heranwachsen einer neuen Generation von Assistent*innen und Pflegekräften ein Wertewandel stattgefunden: weg vom patriarchalischen Führungsstil autoritärer Chefärzte hin zu dialogorientiertem, kooperativem Führungshandeln eines Leitungsteams.

Doch noch immer werden Ärzt*innen während ihrer medizinischen Ausbildung und in den ersten Berufsjahren kaum auf die Übernahme von Führungsverantwortung vorbereitet – im Vordergrund steht in dieser Zeit der Ausbau des medizinischen Fachwissens. Auch die meisten Fachgesell-schaften hielten bislang nur wenige Angebote für den gezielten Ausbau der Führungskompetenz ihrer Mitglieder bereit.

Daher verwundert es nicht, dass die Motivation vieler Aspirant*innen für eine Chef- oder Oberärzt*innenposition selten darin besteht, eine echte Führungsrolle auszufüllen. Im Vordergrund steht vielmehr der Anspruch, höchste medizinische Fachkompetenz einzubringen und diese zudem an jüngere Mitarbeiter*innen weitergeben zu können.

Mit der Übernahme einer Führungsposition sehen sich viele Ärzt*innen dann allerdings mit einer ganzen Reihe von Aufgaben (z. B. Mitarbeiterführung, Zielentwicklung, Veränderungsmanagement) konfrontiert, mit denen sie in dieser Form nicht gerechnet haben und die sie allein mit ihrem exzellenten fachlichen Know-how nicht bewältigen können. Gleichzeitig müssen sie erkennen, dass Personalmangel, strikte Sparvorgaben der Krankenhausträger und die enorme medizinische Leistungsverdichtung ihre Gestaltungsfreiräume mitunter erheblich einschränken.

Letztlich repräsentieren Chef- und Oberärzt*innen ihre Klinik bzw. ihre Fachabteilung nach außen und innen. Sie müssen sich am Erfolg und Renommee ihres Verantwortungsbereiches messen lassen. Es sind also große Herausforderungen, die Chef- und Oberärzt*innen im Klinikalltag erbringen müssen. Um sie zu bewältigen, sind wirksames Führungshandeln und damit die kontinuierliche Investition in Führungszeit gefragt.

Das vorliegende Buch ist ein praxisorientierter Leitfaden, der Ärztliche Leitungskräfte konkret dabei unterstützt, im Spannungsfeld der vielfältigen Anforderungen die Hoheit des Handelns zu behalten. Die Unterteilung in einen Grundlagenteil und einen Praxisteil bietet die Möglichkeit, sich auf zwei Ebenen mit den relevanten Führungsthemen des Klinikalltags zu beschäftigen:

1.  Der Grundlagenteil liefert ausführliche Informationen zu zentralen Themen rund um das Thema Führung und nimmt dabei direkt Bezug auf die besonderen Herausforderungen des Klinik- oder MVZ-Betriebs und andere ambulante Strukturen.

2.  Der Praxisteil enthält kürzere Texte zu konkreten Führungssituationen im Klinik- und/oder ambulanten Alltag.

Je nach Fragestellung und Zeitbedarf liefert das Buch Grundlagenwissen oder schnelle Hilfestellung bei der Bearbeitung akuter Herausforderungen oder Probleme.

Da sich der Klinik-, ambulante und der MVZ-Alltag für Ärztliche Leitungskräfte hochkomplex darstellt und entsprechend differenziert bearbeitet werden muss, wird in diesem Buch der Versuch unternommen, mit einfachen, in der Praxis entwickelten Modellen und Lösungsideen eine Reduktion der Komplexität der Sachverhalte und Zusammenhänge vorzunehmen. Dabei ist es die vordringliche Absicht, regelmäßig vorkommende Herausforderungen und Probleme handhabbar und lösbar zu machen. Die enthaltenen Checklisten, Bewertungsbögen und Gesprächsleitfäden dienen diesem Ziel und sind als Orientierungshilfen gedacht.

Wohlwissend, dass kaum ein Fachbuch von vorne bis hinten gelesen wird, haben wir das Ziel, ein Praxishandbuch vorzulegen, das ähnlich wie FAQs (Frequently Asked Questions) das schnelle und gezielte Informationsbedürfnis der Leser befriedigt. Dabei versteht sich das Buch im erweiterten Sinne als eine Art Coach, der zur Entlastung, zur Problembearbeitung und zur konkreten Klinikentwicklung herangezogen wird.

Anhand der Marginalien am Rand jeder Buchseite, des umfassenden Schlagwortverzeichnisses sowie der Querverweise zu thematisch verwandten Textteilen ist eine schnelle inhaltliche Orientierung möglich.

Dieses Buch »Wirksam führen« ist Leitfaden und Nachschlagewerk zugleich – aus der Praxis für die Praxis. Das Autorenteam möchte mit diesem Buch Chef- und Oberärzt*innen ein »Heft des Handelns« an die Hand geben, mit dessen Hilfe sie das fordernde Aufgabenspektrum dauerhaft bewältigen und wirksam gestalten können.

Dr. med. Barbara Hogan, MBA

Werner Fleischer, Dipl.-Päd.

 

 

Wir bemühen uns, alle Texte nach modernen Richtlinien zu gendern. Sollte es in manchen Fällen wegen der besseren Lesbarkeit nicht möglich sein, gilt die männliche oder neutrale Form für alle Geschlechtsformen (männlich, weiblich, divers). Feststehende Begriffe wie beispielsweise »Ärztekammer«, »Mitarbeiterführung«, »Chefarztwechsel« oder »Mitarbeiterjahresgespräch« bleiben unverändert.

Einleitung

Klinikstrategie »Attraktiver Arbeitgeber«

Zukunftsfragen von Kliniken

Lange Zeit galt die Wirtschaftlichkeit als Hauptproblem vieler Klinken und Krankenhäuser in Deutschland. Inzwischen hat sich ein weiteres gewichtiges Problem hinzugesellt: Fachkräftemangel. Für viele Mediziner*innen und Pflegekräfte stellt der anstrengende Klinikalltag mit seinen immer gegenwärtigen Sparzwängen längst keine Perspektive für ein erfülltes Arbeitsleben mehr dar. Es besteht also dringender Handlungsbedarf für die meisten Kliniken. Dabei geht es in der Konsequenz um die Entwicklung einer Klinikstrategie als »Attraktiver Arbeitgeber«. Dies wird zum Knotenpunkt eines Prozesses, der alle Leitungskräfte konsequent einbindet und Antworten auf aktuell drängende Fragen findet:

•  Wie halten wir gute Mitarbeitende?

•  Wie erhalten wir deren Motivation?

•  Wie können wir die größer werdende Gruppe der über 55-jährigen Mitarbeitenden integrieren?

•  Wie entwickeln wir die Qualifikation von sogenannten »High-Potentials« und die von sogenannten »B-Playern«?

•  Wie integrieren wir Mitarbeitende mit Migrationshintergrund?

•  Wie stellen wir zu jeder Zeit den optimalen Informationsfluss über alle Ebenen und Berufsgruppen sicher?

•  Wie machen wir für unsere Mitarbeitenden Familie und Beruf vereinbar?

•  Wie machen wir unsere Klinik für Bewerber*innen attraktiv?

Gemeinsame Werte als Basis einer Klinikstrategie

Eine Klinikstrategie »Attraktiver Arbeitgeber«, mit der sich alle Leitungskräfte identifizieren können und die sie top-down über alle Hierarchien mit Leben füllen können, braucht eine solide Basis. Sie besteht aus der Orientierung an gemeinsamen Werten. Diese werden als Klinikleitsätze sowie als Führungsleitsätze gemeinsam entwickelt und formuliert bzw. gemeinsam überprüft und ggf. verändert. Sie finden ihren Ausdruck im täglichen Verhalten der Leitungskräfte.

Führungsverhalten muss Leitsätze widerspiegeln

In vielen Häusern existieren bereits Leitbilder. Jedoch sind sie häufig kaum bekannt und im Alltag nicht »in aller Munde«. Damit vorhandene Leitbilder nicht zu ungenutzten Worthülsen verkommen, müssen sie gemeinsam im Leitungsteam überprüft, aktualisiert und in Führungsleitsätze übersetzt werden. Entscheidend für die Wirksamkeit dieser Leitsätze ist, dass sie von allen Führungskräften mitgetragen, vorgelebt und kommuniziert werden. Erst wenn die in den Leitsätzen definierten Regeln und Werte in das tägliche Führungsverhalten einfließen, gewinnen sie Kontur und stiften Sinn.

Leitsätze fließen in Anforderungsprofil für neue Leitungskräfte ein

Damit sich neue Leitungskräfte von Beginn an mit den Werten der Klinik identifizieren können, wird bereits im Anforderungsprofil für Leitungspositionen darauf Bezug genommen. Neben den fachlichen Kompetenzen, die unmittelbar auf den Arbeitsplatz bezogen sind, werden im Bewerbungsverfahren auch Schlüsselqualifikationen zum Auswahlkriterium. Im Hinblick auf ein modernes Klinikleitbild könnten dies z. B. Integrationsfähigkeit, Teamkompetenz, Lernbereitschaft sowie Kommunikations- und Konfliktfähigkeit sein. An diesem Anforderungsprofil müssen sich alle Leitungskräfte messen lassen – auch die, die bereits an Bord sind.

Die tragenden Säulen der Klinikstrategie

Verantwortlich für die Umsetzung und Ausgestaltung der Klinikstrategie »Attraktiver Arbeitgeber« sind alle Leitungskräfte – Chef- ebenso wie Oberärzt*innen. Sie alle tragen mit ihrem täglichen Führungsverhalten dazu bei, dass aus einem abstrakten Konzept erfolgreiche Maßnahmen werden. Die aufeinander aufbauenden Aktionsfelder dafür sind:

Abb. 1: Klinikstrategie »Attraktiver Arbeitgeber«

1.           Ziel- und Leistungsorientierung

Ziele geben Sinn

Leitungskräfte, denen es gelingt, gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden Ziele zu setzen und in überschaubaren Schritten zu erreichen (Kap. 5), schaffen eine wichtige Grundlage für einen effizienten Arbeitsalltag. Ihre Mitarbeitenden gewinnen die Sicherheit, ihre Kreativität, Flexibilität und Initiative am Arbeitsplatz zu entfalten – eine wichtige Voraussetzung, ihnen mehr Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten zu überlassen.

Leitungskräfte, die zielgerichtet führen, orientieren sich an drei Faktoren:

•  Zielklarheit – wissen, was ich will.

•  Zieltransparenz – sagen, was ich will.

•  Zielverbindlichkeit – sicherstellen, dass die Mitarbeitenden mit dem Ziel identifiziert sind und versuchen, es im Alltag zu erreichen.

2.           Konsequentes und differenziertes Führungshandeln

Führungskreislauf leben

Führen bedeutet, Einfluss auf das Verhalten anderer Menschen zu nehmen und ihnen den Sinn ihrer Aufgabe aufzuzeigen (Kap. 8). Dabei markiert der Führungskreislauf die originären Aufgaben wirksamer Führungskräfte. Er beschreibt die Schritte, die erforderlich sind, um Mitarbeitende und Teams zu führen:

•  Ziele, Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten festlegen

•  Umsetzung der Absprachen kontrollieren

•  Probleme, die der oder die Mitarbeitende nicht alleine lösen kann, ausräumen oder diese*n dazu befähigen (Fort- und Weiterbildung)

•  Feedback geben und nehmen

Konsequentes und differenziertes Führungsverhalten beruht immer auf Gesprächen. Feedback, (Kap. 9.1) regelmäßige Jour-fixe- oder Vier-Augen-Termine mit Schlüsselpersonen sowie Leitungskonferenzen und Mitarbeiterjahresgespräche sind wichtige Instrumente.

3.           Mitarbeiterjahresgespräche

Mitarbeitergespräche top-down führen

Jährlich stattfindende Mitarbeitergespräche (Kap. 9.3) sind der Transmissionsriemen, mit dem Führungskräfte ihre Ideen und Vorstellungen vermitteln können und gleichzeitig Informationen von ihren Mitarbeitenden erhalten. Sie werden top-down (Chef-, Ober-, Assistenz*ärztinnen) geführt, geben Aufschluss über Ziele, Stärken sowie Schwächen und dokumentieren getroffene Absprachen.

4.           Mitarbeiterentwicklung

Mitarbeiterentwicklung ist Chef*innensache

Die Entwicklung aller Mitarbeitenden (Kap. 12.2) ist unverzichtbar für die Zukunftssicherung der Klinik. Das Ziel ist es, alle Mitarbeitenden so zu entwickeln, dass sie Fähigkeiten und Kompetenzen haben, mit denen sie gegenwärtige und zukünftige Aufgaben bewältigen können und darüber hinaus ihre Potenziale ausgebaut werden. Karriereplanung, Lernen am Arbeitsplatz, Aus- Fort- und Weiterbildung und Führungstraining sind dabei wichtigste Maßnahmen. Gelingt es dann noch, Leitungskräfte aus den eigenen Reihen aufzubauen, ist das die Krönung moderner Personalentwicklung.

5.           Facharztausbildung

Verbindliches Facharzt-Curriculum sichert die Weiterbildung

Damit Assistent*innen eine strukturierte Facharztausbildung erhalten, werden sie jeweils einer/einem Oberärzt*innen dauerhaft zugeordnet, der/die als disziplinarischer Vorgesetzte*r/Mentor*in während ihrer gesamten Ausbildung begleitend zur Seite steht. Ein verbindliches, auf fünf bis sechs Jahre angelegtes Facharzt-Curriculum stellt den strukturierten und zügigen Weiterbildungsverlauf sicher.

Das Leitungsteam

Oberärzt*innen übernehmen Führungsverantwortung

Maßgeblich verantwortlich für die Umsetzung der Klinikstrategie »Attraktiver Arbeitgeber« ist ein Leitungsteam, bestehend aus Chef- und Ober*ärztinnen. Damit es funktioniert, muss die Rolle des/der Oberärzt*in zu einer voll verantwortlichen Führungskraft ausgebaut werden (Kap. 10.1). Die Zeiten, in denen das Profil der Klinik im Wesentlichen von der Persönlichkeit des/der Chefärzt*in bestimmt wurde, gehören der Vergangenheit an. Inzwischen ist die Führungsspanne dieser Position so groß, dass sie auf die aktive Unterstützung ihrer Oberärzt*innen nicht länger verzichten können. Diese müssen daher in der Lage sein bzw. dazu befähigt werden, Führungsverantwortung zu übernehmen und alle oben beschriebenen Aktionsfelder mitzugestalten.

Wird die Klinikstrategie »Attraktiver Arbeitgeber« konsequent verfolgt, entwickelt sich die Klinik zu einem Arbeitsplatz, an dem Menschen

•  denen vertrauen, für die sie arbeiten,

•  stolz auf die Arbeit sind,

•  Freude an der Zusammenarbeit mit anderen haben.

•  (angelehnt an: Great Place To Work Institute Deutschland)

Das Ergebnis ist eine Klinik, die für alle Mitarbeitenden und Bewerber*innen als Arbeitgeber hoch attraktiv ist.

Grundlagen

1          Mitarbeiterführung

»Der schnellste Weg, über eine Sache klar zu werden, ist das Gespräch.«

Friedrich Dürrenmatt

Wer Leistung fordert, muss Sinn geben

Führen bedeutet, Einfluss auf das Verhalten von Menschen zu nehmen, ihnen den Sinn ihrer Aufgabe aufzuzeigen, ihnen mittels Zielen eine Richtung zu weisen und sie entsprechend ihren Voraussetzungen und Aufgaben zu entwickeln. Erfolgreichem aktiven Führungshandeln liegt eine einfache Maxime zugrunde: Wer Leistung fordert, muss Sinn geben.

Diesem Anspruch kann eine Führungskraft nur gerecht werden, wenn sie bereit ist, Verantwortung zu übernehmen – für das Erreichen der Klinikziele ebenso wie für die Mitarbeitenden. Ihr Führungshandeln erstreckt sich einerseits auf den direkten Kontakt zu den Mitgliedern ihres Teams und andererseits auf Strukturen und Prozesse (Abläufe, Gestaltung des Arbeitsplatzes etc.). Dabei ist Kommunikation das zentrale Transportmittel, mit dem Führungskräfte ihre Botschaften vermitteln – ohne regelmäßige Gespräche keine Führung, lautet die einfache Formel. Fehlende oder insuffiziente Führung führt zu Missverständnissen, Spannungen, schlechter Leistung, hohem Krankenstand und Personal-Fluktuation.

Zwar können Theorien kein fertiges Konzept für eine erfolgreiche und glaubhafte Mitarbeiterführung in Kliniken und Krankenhäusern liefern – dafür sind die beteiligten Menschen zu verschieden und die Situationen zu komplex. Aber Theorien, Modelle und Konzepte helfen, wichtige Faktoren zu beschreiben, zu erkennen und Handlungsweisen zu entwickeln. Um es angelehnt an den Soziologen Karl Popper zu sagen: »Theorie ist das Netz, das wir über die Welt werfen, um die Wirklichkeit zu erfassen.«

1.1       Anforderungen an Führungskräfte

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Anforderungen an Führungskräfte stark verändert. Die Zeiten, in denen »der« Chefarzt als Halbgott in Weiß seine Klinik nach Gutdünken führen konnte und Ober- und Assistenzärzt*innen vor (Ehr-)Furcht erstarrten, gehören inzwischen weitgehend der Vergangenheit an.

Führungskräfte im Spannungsfeld zahlreicher Anforderungen

In der Hochleistungsmedizin des 21. Jahrhunderts müssen Führungskräfte ganz anderen Anforderungen gerecht werden:

Vielfalt der Führungssituationen: Die Beförderung in eine Leitungsfunktion ist längst keine Frage des Alters und der Erfahrung mehr. Häufig führen jüngere Führungskräfte ältere Mitarbeitende oder ältere Führungskräfte jüngere Teams – wobei das Erste zunehmen wird.

Mitverantwortlich führen: Damit Mitarbeitende hinter den Klinikzielen stehen können und sich mit ihnen identifizieren, müssen sie in organisatorische Entscheidungen einbezogen werden. Partizipation spielt eine wichtige Rolle.

Komplexität und Veränderung bestimmen den Alltag: Komplexe Situationen und schnell aufeinanderfolgende Veränderungen kennzeichnen den Führungsalltag in der Klinik. Unter diesen Umständen ist es für Führungskräfte immer schwieriger, die Aufgabenbearbeitung ihrer Mitarbeitenden fachlich und zeitlich zu begleiten. Deshalb brauchen sie klar definierte Ziele und Führungskräfte überprüfbare Ergebnisse, um Leistungen einschätzen zu können.

Soziale Kompetenz: Jede einzelne und persönliche Arbeitsleistung ist in Kliniken und Krankenhäusern von großer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund wird die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse und Fähigkeiten immer wichtiger. Flexibles Führungshandeln, das den Menschen in den Mittelpunkt rückt, ist dafür unabdingbar.

Integrationskraft: Die Herausforderungen des Klinikalltags sind nur im Team zu bewältigen. Es gehört zur Aufgabe der Führungskraft, eine Teamkultur aufzubauen, die eine hohe Leistungsbereitschaft erzeugt und in der sich die Mitarbeitenden mit den Zielen der Klinik identifizieren (Kap. 3). Gleichzeitig muss das Team selbst Schutz vor Überlastung bieten und dem Überschreiten der psychischen und physischen Grenzen aller Teammitglieder und denen der Leitung vorbeugen. Mit Integrationskraft ist zudem die Fähigkeit verbunden, aus unterschiedlichen Interessen synergetisch Lösungen zu entwickeln.

1.2       Führungsaufgaben

Formal gesehen hat eine Führungskraft eine leitende Stellung in einer Klinik inne. Ihre Aufgabe ist es, mit einem Team/den Mitarbeitenden bestimmte Ziele zu erreichen und Ergebnisse zu erzielen bzw. spezifische Dienstleistungen zu erbringen.

Die konkreten Aufgaben, die sich aus dieser formalen Beschreibung ableiten lassen, stellt der Führungskreislauf (Abb. 2) dar.

Er beschreibt die Schritte, die nacheinander und kontinuierlich erforderlich sind, um alle Mitarbeitenden und Teams aktiv und wirkungsvoll zu führen:

•  Ziele, Aufgaben, Zuständigkeiten klar regeln und vereinbaren (Kap. 5)

•  die Umsetzung der vereinbarten Ziele, Aufgaben, Zuständigkeiten beobachten und kontrollieren

•  Fragen klären, Probleme lösen und gleichzeitig jede*n Einzelne*n befähigen, die vereinbarten Ziele, Aufgaben, Zuständigkeiten zu erreichen und zu bewältigen

•  Feedback (positiv und negativ) geben und nehmen

Abb. 2: Führungskreislauf

Diese Schritte des Führungskreislaufs markieren die originären Aufgaben wirksamer Führungskräfte. Ihre konsequente Durchführung ist die Basis aktiven Führungshandelns und ein unbedingtes Muss. In ihrem Zentrum stehen Kommunikation, Information und Koordination – sie sind zwingend erforderlich, um der Führungsaufgabe gerecht zu werden.

Führung heißt: Zeit für Gespräche, Information und Koordination

Aus der Bedeutung des Führungskreislaufs und der Umsetzung seiner Einzelschritte resultiert ein grundlegender Aspekt, der im hektischen Klinikalltag häufig unterschätzt wird: Führung braucht Zeit – Zeit für Gespräche, Information und Koordination (Kap. 5).

Doch Führungskraft zu sein, heißt auch, sich die eigene Führungsrolle und die mit ihr verbundene Vorbildfunktion bewusst zu machen (Kap. 2). Nur wer den eigenen Mitarbeitenden Wertschätzung, Respekt und Achtung entgegenbringt, ist glaubwürdig und damit langfristig in der Lage, auf deren Verhalten Einfluss zu nehmen.

Erfolgreiche Führung basiert auf (Kap. 7.1):

1.  Vorbildfunktion: die Führungskraft geht mit gutem Beispiel voran

2.  Fürsorgeprinzip: für das Team Verantwortung übernehmen

3.  Verteilungsgerechtigkeit: die Balance zwischen Arbeitsmenge und Qualität sowie die Präsenz der Führungskraft gegenüber den Mitarbeitenden sicherstellen

4.  Fairness: Leistung verlangen, die den Erfahrungen und Reifegraden der Mitarbeitenden entsprechen, Schutz vor Überforderungen geben, immer beide Seiten anhören

5.  Informationsverantwortung: die richtige Information in der richtigen Menge an die richtigen Mitarbeitenden zum richtigen Zeitpunkt über den passendsten Informationskanal geben

1.3       Im Spannungsfeld zwischen Fach- und Führungsaufgaben

Überdurchschnittliche Fachkompetenz ist in der Regel der Grund für den Aufstieg in eine Führungsposition. Doch um sie auszufüllen und zeitlich bewältigen zu können, ist es wichtig, sich von einigen Fachaufgaben zu lösen und stattdessen Führungsaufgaben zu übernehmen. Je weiter der Aufstieg in der Hierarchie voranschreitet, umso mehr nehmen die Führungsaufgaben zu und die Fachaufgaben haben strategischen Charakter oder konzentrieren sich auf spezielle Tätigkeiten.

Mitarbeiterführung neben Fachaufgaben Raum geben

Insbesondere für Ärzt*innen und Pflegekräfte, die zum ersten Mal Führungsverantwortung übernehmen, ist es wichtig zu reflektieren, wie sich ihre Fachaufgaben aufgrund des Wechsels in die Führungsrolle verändern. Sie unterliegen häufig dem Denkfehler, den Fachaufgaben zu große Bedeutung beizumessen, weil sie glauben, auf allen Fachgebieten kompetenter sein zu müssen als ihre Mitarbeitenden (Hofbauer, 2012). Speziell Mediziner*innen neigen dazu, sich in Fachaufgaben zu flüchten und sich somit auf das zu stützen, was sie am besten können. In der Folge bleibt zu wenig Zeit für die Führungsaufgaben.

1.4       Führungskompetenzen

Menschen und damit auch Führungskräfte sind so verschieden, wie es Individuen nur sein können. Ihr individuelles Persönlichkeitsprofil wirkt sich maßgeblich auf ihre Führungsrolle aus (Kap. 2). Ebenso einzigartig wie das Persönlichkeitsprofil einer Führungskraft ist auch das Profil ihrer Position, das von verschiedenen Faktoren geprägt und beeinflusst wird:

•  den Mitarbeitenden (ihren Persönlichkeiten, Kompetenzen, Bedürfnissen etc.)

•  der Aufgabe (neu zu entwickeln oder bereits etabliert, Klarheit der Ziele, Komplexität etc.)

•  den Rahmenbedingungen und Strukturen (Schnittstellen, Hierarchien, Sondersituationen wie Krisen oder Veränderungen, Konflikten etc.)

•  dem Umfeld (gesundheitspolitische Vorgaben, Wettbewerbssituation, Kultur der Klinik etc.)

Wirksamkeit von Führungskräften

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es die eine ideale Führungspersönlichkeit – nach der in Stellenanzeigen so häufig gesucht wird – gar nicht geben kann. So verneint auch Management-Forscher Fredmund Malik die Existenz der »idealen Führungskraft« und entwirft stattdessen das Bild von der »wirksamen Führungskraft« (Malik, 2013).

Doch um als Führungskraft »wirksam« sein zu können, sind folgende Kompetenzen erforderlich:

Tab. 1: Unternehmerkompetenz

Unternehmerkompetenz

Tab. 2: Führungskompetenz

Führungskompetenz

Tab. 3: Sozialkompetenz

Sozialkompetenz

Tab. 4: Fach- und Methodenkompetenz

Fach-/Methodenkompetenz

Selbstverständlich verfügt kaum eine Führungskraft von Anfang an über alle genannten Kompetenzen, die je nach Anforderungsprofil unterschiedlich ausgeprägt sein müssen – zumal während der medizinischen Ausbildung die Therapie und Versorgung der Patient*innen im Vordergrund steht und nicht die Vermittlung von Führungskompetenzen.

Dennoch ist es im Verlauf der Entwicklung zu einer wirksamen Führungskraft wichtig, die eigenen Kompetenzen in regelmäßigen Abständen vor dem Hintergrund dieser Matrix zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

1.5       Führungsstile

Der Begriff Führungsstil beschreibt die charakteristische Art und Weise, in der die Führungsaufgabe bewältigt wird. Er skizziert die Grundhaltung, die sich in den Verhaltensweisen der Führungskraft ausdrückt und gegenüber Mitarbeitenden/dem Team gezeigt wird. Der Führungsstil wird beeinflusst von

•  dem eigenen Charakter,

•  den Haltungen und Werten

•  und dem Menschenbild.

Je nach Situation zwischen unterschiedlichen Führungsstilen variieren

Davon ausgehend, dass das Profil der Führungsposition von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wird (Kap. 1.1), haben verschiedene Führungsstile durchaus ihre Berechtigung. Je nach Situation kann zwischen unterschiedlichen Führungsstilen variiert werden. Jedoch darf dieses an die Situation angepasste Führungshandeln keinesfalls mit Inkonsequenz verwechselt werden. Denn Inkonsequenz führt zu schlechter Stimmung und Minderleistung.

Zur Unterscheidung unterschiedlicher Führungsstile gibt es verschiedene Ansätze. Mit dem Wissen um die verschiedenen Führungsstile und deren Hauptmerkmale lassen sich

•  das eigene Führungshandeln besser reflektieren,

•  die Reaktion der Mitarbeitenden auf das eigene Führungshandeln besser einschätzen,

•  der situativ angemessene Führungsstil leichter erkennen.

Die traditionellen Führungsstile gehen auf die Analysen des Sozialforschers Kurt Lewin zurück, die er in den 1930er Jahren vornahm. Er ging den Fragen nach, was eine Führungskraft macht, wie sie handelt und in welchem Zusammenhang ihr Verhalten mit der Zufriedenheit und der Leistung der Mitarbeitenden steht (Lewin, 1939). Vor diesem Hintergrund beschrieb er den autoritären Führungsstil, den kooperativen Führungsstil und den Laissez-faire-Führungsstil.

Wirksamkeit durch passenden Führungsstil erhöhen

Weiterführende Führungsstilmodelle gehen von einem zweidimensionalen Ansatz aus und verbinden die beiden Faktoren Mitarbeiterorientierung und Ergebnisorientierung. Diese stehen zueinander in Beziehung. Je höher die Ausprägung in beiden Dimensionen ist, umso wirksamer ist eine Führungskraft (Abb. 3).

Abb. 3: Balance der Führungsstile

Wenig Führungshandeln: Der Führungsaufwand ist gering, weder die Mitarbeitenden noch das Ergebnis stehen im Fokus der Aufmerksamkeit der Führungskraft. Das Prinzip, des »es einfach laufen lassen« führt im Extremfall zu einem Führungsstil des »laissez faire«.

Rücksichtsvolle Aufmerksamkeit: Aufgrund der hohen Mitarbeitendenorientierung und der Rücksichtnahme auf deren Bedürfnisse entsteht eine angenehme Arbeitsatmosphäre, jedoch werden die Ergebnisziele vernachlässigt. Im Extrem mündet dieser Führungsstil in einer »Kaffeeklatsch- oder Schmuseatmosphäre«.

Direktives Führungsverhalten: Die Effizienz der Handlungen und Prozesse steht im Vordergrund, die Rücksichtnahme auf persönliche Faktoren der Mitarbeitenden ist gering. Werden Anweisungen gegeben, ohne das Gespräch oder den Austausch zu suchen, handelt es sich im Extremen um bloße »Befehlsausgabe«.

Partnerschaftlicher Dialog im Führungskreislauf: Aufgrund des ausgewogenen Verhältnisses zwischen Mitarbeitenden- und Ergebnisorientierung entsteht eine hohe Arbeitsleistung. Die Basis dafür ist partnerschaftlicher Dialog auf Grundlage des Führungskreislaufs (Abb. 2) – gekennzeichnet von Zielvereinbarung, Konsens statt Konflikt, Dialog statt Monolog.

1.6       Differenzierter Führungsansatz auf Basis des Reifegradmodells

Reifegrad in Bezug auf die Arbeitsaufgabe beachten

Eine wichtige Weiterentwicklung dieses zweidimensionalen Führungsstilmodells ist der differenzierte Reifegradansatz, der in den 1980er Jahren von den Wissenschaftlern Paul Hersey und Kenneth Blanchard erarbeitet wurde. Er fordert Führungskräfte auf, ihren Führungsstil an den Reifegrad der Mitarbeitenden – bezogen auf die jeweilige Aufgabe – anzupassen. Mit dem Satz »Ungleiche Wesen gleich zu behandeln, ist nicht Gerechtigkeit, sondern Gleichmacherei« (Blanchard, 1995), lässt sich die Grundüberlegung dieses Ansatzes zusammenfassen. Werden Menschen nicht entsprechend ihrer Reife in Bezug auf ihre Arbeitsaufgabe geführt, kann sie das einerseits überfordern, wenn sie zu früh zu selbstständig arbeiten sollen. Andererseits können Unzufriedenheit oder Demotivation entstehen, wenn sie bereits sehr eigenständig sind, aber nicht selbstständig arbeiten dürfen.

Differenziertes Führungsverhalten basiert im Klinikalltag auf drei Schritten:

1.  Definieren und Beschreiben der Aufgabe.

2.  Ermitteln und Einschätzen des Reifegrades jedes/jeder Mitarbeitenden für diese Aufgabe.

3.  Das an den individuell ermittelten Reifegrad angepasste Führungsverhalten auswählen, abstimmen und anwenden.

1.6.1     Das Reifegradmodell

Der Reifegrad ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Motivation/Selbstvertrauen und Fachwissen/Erfahrung. Aufgrund der Ausprägung von niedrig bis hoch ergeben sie vier Grundformen:

Unterschiedliche Reifegrade führen zu unterschiedlichen Bedürfnissen

Je nach Reifegrad haben Mitarbeitende unterschiedliche Bedürfnisse an das Führungsverhalten ihrer/ihres Vorgesetzte*n. Diese verschiedenartigen Bedürfnisse sind von folgenden Hauptmerkmalen gekennzeichnet (in Anlehnung an Kenneth Blanchard):

Tab. 5: Die vier Reifegrade

Die vier Reifegrade

Mitarbeitende in Reifegrad 1 brauchen …

•  Akzeptanz, Begeisterung und Einbeziehung der übertragbaren Fähigkeiten

•  Richtlinien darüber, wie gute Arbeit aussieht

•  Informationen darüber, wie Leistung beurteilt wird

•  Informationen über die Aufgabe und das Unternehmen

•  Training »on the job«

•  Aktionspläne: Anweisung über das Wie, Wann und mit Wem

•  Zeitvorgaben und Prioritätensetzung

•  Einschränkungen und Begrenzungen von Autorität und Verantwortlichkeit

Mitarbeitende in Reifegrad 2 brauchen …

•  bei gleichzeitig hoher Unterstützung die klare Ansage: »Ich rede mit Ihnen nicht mehr über das ›Ob‹, sondern nur noch über das ›Wie‹.«

•  strukturierte Aus-, Fort- und Weiterbildung

•  Perspektive, Ausblick

•  die Gewissheit, dass Fehler gemacht werden dürfen

•  Erklärungen über das Warum

•  Möglichkeiten, über Bedenken zu reden

•  Beteiligung an Entscheidungsfindungen und Problemlösung

•  Ermutigung

Mitarbeitende in Reifegrad 3 brauchen …

•  erreichbare Mentor*innen oder Coaches, die »aktiv« zuhören

•  Möglichkeiten, über Bedenken zu reden

•  Unterstützung und Ermutigung bei der Entwicklung von Problemlösungsfähigkeiten

•  Hilfe bei der objektiven Betrachtung der Fertigkeiten, um Selbstvertrauen aufzubauen

•  Beseitigung von Hindernissen bei der Zielerreichung

•  Zutrauen

Mitarbeitende in Reifegrad 4 brauchen …

•  vielfältige und herausfordernde Aufgaben

•  eine Führungskraft, die eher Mentor*in und Kolleg*in als Chef*in ist

•  Anerkennung für Erreichtes

•  Selbstständigkeit und Kompetenz

•  Vertrauen

1.6.2     Die Analyse des Reifegrades

Stärken erkennen und mit der Aufgabe in Übereinstimmung bringen

Die Analyse des Reifegrades eines/einer Mitarbeitenden für eine Aufgabe erfolgt immer im persönlichen Dialog – unabhängig davon, ob sie in einem Vier-Augen-Gespräch oder während eines Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräches stattfindet. Dabei geht es in erster Linie um die Nutzung und den Ausbau vorhandener Stärken und nicht – wie vielfach angenommen – um die Ermittlung und Beseitigung von Schwächen. Die Analyse des Reifegrades verfolgt zwei wichtige Ziele:

1.  Die Stärken des/der Mitarbeitenden zu erkennen.

2.  Die Stärken mit der Aufgabe zur Deckung zu bringen.

Denn nur wenn vorhandene Stärken zur Arbeitsaufgabe passen, lässt sich ein*e Mitarbeitende*r in Reifegrad 1 zu einem Spitzenkönner mit Reifegrad 4 entwickeln.

Fragen zur Ermittlung des Reifegrades

Neben der Beurteilung des im täglichen Arbeitshandeln von der Führungskraft beobachteten Fachwissens, unterstützen folgende Fragen die Erhebung des Reifegrades:

1. Schlüsselfragen:

Was brauchen Sie von mir,

•  damit Sie diese Aufgabe erfolgreich umsetzen können? Oder:

•  damit Sie dieses Ziel erreichen können?

2. Fragen zu den Reifegradfaktoren:

Fachwissen/Information

•  Welche Informationen brauchen Sie von mir?

•  Welches Fachwissen brauchen Sie von mir?

Erfahrungen/übertragbare Fähigkeiten

•  Welche Erfahrungen können Sie nutzen?

•  Welche übertragbaren Fähigkeiten können Sie nutzen?

Motivation

•  Wie viel Spaß, Freude und Lust haben Sie an dieser Aufgabe?

•  Wie viel Spaß, Freude und Lust haben Sie, dieses Ziel zu erreichen?

Selbstvertrauen

•  Inwieweit trauen Sie es sich zu, diese Aufgabe zu erledigen?

•  Inwieweit trauen Sie es sich zu, dieses Ziel zu erreichen?

1.7       Führen über das Gespräch

Wie bereits mehrfach beschrieben, ist Kommunikation das einzige Mittel, das Führungskräfte haben, um ihre Mitarbeitenden zu führen und zu entwickeln. Regelmäßige Gespräche und Besprechungsroutinen sichern die Weitergabe von Informationen über

•  Prozesse

•  Abläufe und Strukturen

•  Probleme

•  den Stand der Zielerreichung

Sie geben Orientierung, Klarheit und sorgen so für Identifikation mit der Klinik.

Den Grad der Bindung zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft ermitteln

Um die ohnehin knappe Führungszeit noch gezielter einzusetzen, hat sich in der Praxis das Modell der Bindungsanalyse (Abb. 4) bewährt. Mit diesem Führungsinstrument lassen sich die Nähe bzw. der Abstand zwischen Führungskraft und einzelnen Mitarbeitenden bestimmen. Je weiter abseits ein Teammitglied steht, umso intensiver muss die Führungskraft mit ihm/ihr ins Gespräch kommen.

1.7.1     Feedback-Kultur

Zwar findet in der Hektik des Klinikalltags durchaus ein Informationsaustausch auf fachlicher Ebene statt, doch regelmäßige Feedback-Gespräche, die Mitarbeitenden fachliche und soziale Orientierung bezüglich ihres Reifegrades geben, kommen oft zu kurz.

Abb. 4: Bindungsanalyse

Feedback als Chance für die persönliche Entwicklung

Dabei ist gerade eine funktionierende Feedback-Kultur, die alle Mitglieder des Teams einbezieht, für die Mitarbeiterführung und -entwicklung unverzichtbar: Die Mitarbeitenden wissen, wo sie stehen, sie brauchen nicht darüber zu spekulieren, wie sie und ihre Leistungen wahrgenommen werden, und erhalten gleichzeitig die Chance, sich zu entwickeln (Kap. 9.1).

In der Praxis wird jedoch häufig kein Feedback gegeben oder es fällt zu knapp und zu destruktiv aus. Hinzu kommt, dass beim Gegenüber nicht immer das ankommt, was ursprünglich beabsichtigt war. Schließlich muss das, was gesagt wurde, nicht das sein, was der/die Gesprächspartner*in verstanden hat und schon gar nicht das, was eigentlich gemeint war.

Den Kern eines jeden Feedback-Gesprächs bilden gelungene Ich-Botschaften, die deutlich die Wahrnehmungen, Wirkungen und Wünsche aus der eigenen Sicht beschreiben (in Anlehnung an Schulz von Thun):

Feedback: Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch

•  Wahrnehmung: »Ich habe wahrgenommen, dass …«

•  Zahlen, Daten, Fakten nennen, ohne jede Bewertung

•  Wirkung: »Es hat mich geärgert, dass …«

•  Beschreiben, welche Gefühle das Verhalten des/der Anderen bei einem selbst als Führungskraft auslöst (z. B. Irritation, Nachdenklichkeit, Überraschung, Besorgnis, Verärgerung, …)

•  Wunsch: »Ich wünsche mir von Ihnen, dass …«Kurz-, mittel- oder langfristige Erwartungen klar an den/die Andere*n formulieren

Aktiv zuhören

In einem Feedback-Gespräch spielt aktives Zuhören eine wichtige Rolle. Droht das Gespräch durch überbordende negative Emotionen einer/eines Beteiligten aus dem Ruder zu laufen, kann durch aktives Zuhören wirksam gegengesteuert werden. Wichtige Instrumente hierfür sind:

•  innere Haltung (»Ich will mein Gegenüber verstehen.«)

•  offene, positive und zugewandte Körpersprache, inkl. Blickkontakt, Kopf nicken

•  mit eigenen Worten zusammenfassen

•  Fragen stellen (»Wer fragt, der führt.«)

•  emotionale Gesprächsinhalte verbalisieren (»Gefühle spiegeln«)

•  Absprachen treffen

•  Perspektiven aufzeigen

Geübte Feedback-Geber*innen verzichten auf Verurteilungen oder verallgemeinernde Abrechnungen und achten darauf, dass Empfänger*innen nicht ihr Gesicht verlieren. Erfahrene Feedback-Nehmer*innen hingegen werten die Rückmeldung nicht als Angriff und verschanzen sich nicht hinter Rechtfertigungen und Begründungen. Stattdessen wird das Feedback dankend entgegengenommen und nach einer Denkpause kann die Entscheidung getroffen werden, was davon angenommen wird – und was nicht.

Feedback ist ein wichtiges Führungsinstrument, dessen idealtypische Form Max Frisch treffend beschrieb: »Wenn Du jemanden Rückmeldung gibst, schlage sie ihm nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren, sondern halte sie ihm wie einen Mantel hin, in den er hineinschlüpfen kann« (frei nach Max Frisch).

1.7.2     Partnerschaftliche Kommunikation im Klinikalltag

Etablierte Besprechungsroutine entlastet

Der regelmäßige und intensive Dialog im Klinikalltag stützt sich auf folgende Grundpfeiler:

•  Team- und Abteilungsgespräche zur regelmäßigen Information über Themen, die für alle Mitglieder des Teams gleichermaßen relevant sind, insbesondere die Leitungskonferenz zwischen Chef- und Oberärzt*innen.

•  Vier-Augen-Gespräche zur Besprechung von Entwicklungszielen und Hemmnissen oder Problemen, evtl. auch zur Analyse von Reifegraden.

•  Briefing-/Debriefing-Gespräche vor und nach Schichtbeginn zur Schaffung eines Wir-Gefühls.

•  Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche zur jährlichen Vereinbarung von Entwicklungszielen. Sie sind ein zentrales Instrument der Mitarbeiterführung und -entwicklung und werden daher ausführlicher im folgenden Abschnitt dargestellt.

Zielvereinbarungs- und Mitarbeiterjahresgespräche

Zielvereinbarungs- und Mitarbeiterjahresgespräche geben Orientierung

Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche sind wichtige Meilensteine einer dialogorientierten Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden. Diese werden damit stärker in das Klinikgeschehen eingebunden, ihre Eigeninitiative und ihr Verantwortungsbewusstsein werden ausgebaut. Sie kennen die wesentlichen Ziele ihrer Klinik/Abteilung, wissen, welchen konkreten Beitrag sie zum Erreichen des Gesamtziels leisten, und konzentrieren ihre Kräfte auf das Wesentliche.

Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche sind auch eine Zusammenfassung vieler Feedback-Gespräche, die im Laufe des Jahres geführt wurden. Sie umfassen im Wesentlichen fünf Bausteine (siehe auch Checkliste in Kap. 9.3.1):

1.  Perspektiven und Zufriedenheit am Arbeitsplatz

2.  Erreichte Ziele

3.  Zukünftige Ziele

4.  Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung der fachlichen und mentalen Leistungsfähigkeit

5.  Feedback-Runde

•  zur grundsätzlichen Zusammenarbeit von Führungskraft und Mitarbeitenden

•  zum Gespräch

Klinikweite Einführung ist mitbestimmungspflichtig

Um Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche flächendeckend für die ganze Klinik als glaubhaftes Führungsinstrument zu etablieren, ist es wichtig, alle Hierarchiestufen einzubinden und die Gespräche top-down zu führen, z. B. Geschäftsführung → Chef- → Ober- → Assistenzärzt*in. In Fällen der klinikweiten Etablierung sind sie mitbestimmungspflichtig, d. h. sie werden anhand eines einheitlichen Gesprächsleitfadens geführt bzw. dokumentiert, der im Einvernehmen mit dem Personalrat entwickelt wurde. In Fällen, in denen Mitarbeitergespräche nicht klinikweit etabliert sind, können sie von Leitungskräften dennoch als informelles Führungsinstrument genutzt werden und auf einem »weißen Blatt« festgehalten werden.

Mit jedem/jeder Mitarbeitenden wird pro Jahr ein Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräch geführt – im Idealfall gegen Ende des Kalenderjahres. Der Termin wird im Vorfeld abgestimmt. Zielvereinbarungsgespräche – für deren Dauer etwa 90 Minuten störungsfreie Zeit eingeplant werden sollte – unterscheiden sich deutlich von anderen, informellen Gesprächen.

Nach vier Monaten findet ein Review-Gespräch (20 bis 30 Minuten) statt, in dem die Zielerreichung überprüft wird und ggf. neue Ziele vereinbart werden. Regelmäßige Vier-Augen-Gespräche (10 bis 15 Minuten) informieren über Etappenziele, eventuelle Hemmnisse oder Erfolge.

Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche werden von dem/der disziplinarischen Vorgesetzten geführt. Mit der Gesprächsvorbereitung und dem sicheren Umgang mit diesem Führungsinstrument trägt er/sie wesentlich zum Gelingen des Gespräches bei. Aber auch der/die Mitarbeitende muss sich vorbereiten, anderenfalls wird das Gespräch abgebrochen und auf einen späteren Termin verschoben.

Beim strukturierten Ablauf von Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgesprächen unterstützen Gesprächsunterlagen, die in einigen Kliniken bereits standardmäßig eingesetzt werden. Sie umfassen im Wesentlichen:

Vorbereitungsbogen: Er dient einerseits als schriftliche Einladung zum bereits vereinbarten Termin, zum anderen beschreibt er alle Themen und Fragen, die im Gesprächsverlauf erörtert werden. Um dem/der Mitarbeitenden die ausreichende Vorbereitung zu ermöglichen, sollte dieser spätestens eine Woche vor dem Gespräch übermittelt werden.

Gesprächsleitfaden: Er umfasst alle Themenbereiche und dient gleichzeitig als Protokollbogen.

Diese Unterlagen bilden die Basis jeden Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräches. Sie werden an die klinikspezifischen Erfordernisse angepasst und dienen beiden Seiten zur Gesprächsvorbereitung, -strukturierung und -dokumentation.

Klinikziele im Aufgabenspektrum des Mitarbeitenden verankern

Der Erfolg eines Zielvereinbarungsgesprächs hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, die Klinikziele deutlich und begreifbar zu machen und sie im Aufgabenspektrum des/der Mitarbeitenden konkret zu verankern. Abhängig vom Reifegrad hat der/die Mitarbeitende die Möglichkeiten, seine/ihre künftigen Ziele mitzubestimmen, er/sie kennt den eigenen Arbeitsplatz am besten. Die Führungskraft hingegen weiß um die übergreifenden Erwartungen an das Aufgabengebiet und lässt diese erläuternd einfließen.

Gesprächseckpunkte und Vereinbarungen werden in Abstimmung mit dem/der Mitarbeitenden schriftlich im Protokollbogen fixiert – ebenso eventuelle Meinungsverschiedenheiten. Am Ende des Gesprächs bringen die Gesprächspartner*innen mit ihrer Unterschrift die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Aussagen zum Ausdruck; der/die Mitarbeitende erhält eine Kopie des Protokollbogens. Dieser Protokollbogen dient beiden Gesprächspartner*innen als Arbeitsmittel bei der Verfolgung der abgestimmten Ziele und Aufgaben sowie zur Vorbereitung auf folgende Gespräche.

Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche ziehen Bilanz, sie ersetzen nicht den intensiven Dialog im Klinikalltag.

1.8       Fazit

Mitarbeiterführung bedeutet für jede ärztliche und pflegerische Führungskraft ein zeitliches Investment, das im fordernden Klinikalltag erbracht werden muss. Doch diese Investition besteht nicht darin, mehr, sondern wirksamer zu arbeiten. Dafür ist es notwendig, sich und andere richtig zu führen. Denn aktives Führungshandeln entlastet – sich selbst, das Team und die Patient*innen. Die Grundlage bilden die Einsicht, dass es nötig ist, und der Wille, es zu tun.

2          Rollen- und Verhaltensprofile

»Verhalten ist wie ein Handschuh, den ich über meine Finger streife.

Der Handschuh macht das, was meine Finger machen.

Das heißt, ich bin nicht mein Verhalten, sondern ich steuere es.«

Werner Fleischer

Die fachlich anspruchsvolle Tätigkeit Ärztlicher Leitungskräfte umfasst zwangläufig auch den engen Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen: Mit dem Team, mit Patient*innen und deren Angehörigen, den Kolleg*innen aus angrenzenden Bereichen sowie der Klinikleitung. Sie alle haben ihre eigenen Erwartungen und Verhaltensmuster. Um dieser – über das medizinische Fachwissen hinausgehenden – Herausforderung dauerhaft gerecht zu werden, sind drei Aspekte von Bedeutung:

1.  Das Bewusstmachen und Annehmen der eigenen Rolle.

2.  Das rollenadäquate Verhalten.

3.  Die Berücksichtigung der Verschiedenartigkeit von Persönlichkeitsprofilen, das Erkennen des Verhaltensprofils bei sich und anderen sowie das darauf abgestimmte Verhalten.

Kurz: Das Wissen um Rollen- und Verhaltensprofile wird zu einer wichtigen Schlüsselkompetenz und Sozialtechnik bei der Bewältigung der sozialen Herausforderungen in der Klinik.

2.1       Begriffsklärung: Was ist eine Rolle?

Der Begriff »Rolle« ist abgeleitet vom altgriechischen Schauspiel, in dem ein Akteur ein von Thema und Inhalt vorgeschriebenes Verhalten zeigt. In der Sozialpsychologie wird unter Rolle die Summe erwarteter Verhaltensweisen verstanden, die an den Inhaber einer bestimmten sozialen Position gerichtet sind. In erster Linie wird in sozialen Systemen die Rolle anhand des Berufs bzw. der ausgeübten Tätigkeit festgelegt (Nerdinger, 2013).

In ihrem Beruf haben Menschen in der Regel mehrere Rollen inne und stehen somit unterschiedlichen Erwartungen gegenüber, die durchaus zu Rollenkonflikten führen können.

Rollenanalyse schafft Verständnis

Zu einer Rolle gehört immer (mindestens) ein Gegenstück: Eine*n Chefärzt*in gibt es nicht ohne Ober- und Assistenzärzt*innen, Ärzt*innen nicht ohne Patient*innen. Die Berücksichtigung dieses Aufeinander-bezogen-Seins von Rolle und Komplementärrolle ist wichtig für das Verständnis von Prozessen in sozialen Strukturen (Rechtien, 2013).

Das Rollenverhalten wird jedoch nicht nur von gegenseitigen Erwartungen bestimmt, sondern auch von den Vorstellungen des/der Rolleninhaber*in darüber, wie diese Rolle auszugestalten ist – dem sogenannten Rollenselbstbild (Rechtien, 2013).

Beispiel: Das Rollenverhalten eines Assistenzarztes ruft bei der Oberärztin ein darauf bezogenes Rollenverhalten hervor. Stellt sich der Assistent z. B. als »klein« und wenig selbstsicher dar, provoziert er damit bei der Oberärztin ein sehr bestimmendes und stark tonangebendes Verhalten. Das wiederum führt dazu, dass sich der Assistent in seinem Verhalten bestätigt fühlt.

2.1.1     Rollenerwartungen

Rollenerwartungen resultieren in erster Linie aus der beruflichen Position und haben mit der Person des/der Rolleninhaber*in nur wenig zu tun. So ändern sich z. B. bei einem Wechsel in eine Leitungsposition auch die Erwartungen an den/die Stelleninhaber*in.

Beim adäquaten Umgang mit Erwartungen helfen folgende grundlegende Betrachtungen (Hofbauer, 2012): Erwartungen …

•  sind Hoffnungen, Wünsche und Ansatzpunkte und nicht zu verwechseln mit einer strikten Handlungsanweisung, die erfüllt werden muss.

•  sind Information über die Sichtweise des Umfelds.

•  können Hinweise auf Mängel oder Missstände sein.

•  werden unter Umständen mit Fakten verwechselt.

•  stehen teilweise in einem Widerspruch zueinander.

•  sind die Messlatte für das Umfeld.

Erwartungen der Umwelt bedürfen der Reflexion

Für die Entwicklung eines klaren Rollenselbstbildes ist es wichtig, die Erwartungen, die das Umfeld an die Rolle hat, möglichst gut zu kennen und eine eigene Einstellung dazu zu entwickeln. Beruflicher Erfolg, insbesondere der von Leitungskräften, hängt in einem hohen Maße davon ab, wie auf die Erwartungen unterschiedlicher Personen und Gruppen reagiert wird: Welche Erwartungen nehme ich ernst, welche weniger und welche beachte ich nicht? Auf welche Erwartungen muss ich wie reagieren? Das sind die Kernfragen, mit denen sich Erwartungen priorisieren lassen.

Eines sollte dabei klar sein: Alle Erwartungen sind nicht zu erfüllen. Aber je genauer man die Erwartung an die Rolle kennt, umso besser kann das Verhalten der Umwelt eingeschätzt und desto besser kann dazu eine eigene Position bezogen werden. Eine solche Rollenreflexion schützt zum einen davor, sich von den Erwartungen anderer verunsichern zu lassen. Zum anderen verhindert sie, sich einseitig auf eine Position einzulassen, ohne die Auswirkungen auf andere zu bedenken (Hofbauer, 2012).

2.1.2     Rollenkomplexität – im Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen

Analyse der Rollenerwartungen

Fragt man Mediziner*innen nach ihrem Rollenverständnis, sehen sie sich in erster Linie als Menschen im Dienst der Gesundheit, die zum Wohle ihrer Patient*innen tätig sind. Doch Ärzt*innen, die im aktuellen gesundheitspolitischen Umfeld in einer Klinik arbeiten und dort eine Leitungsposition innehaben, managen als Schnittstellenverantwortliche weitreichende Prozesse. In jedem Einzelfall sind sie für die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen verantwortlich und müssen dafür zu sorgen, dass Patient*innen ggf. in andere klinische Abteilungen weitergeleitet werden. Gleichzeitig dürfen sie die damit verbundenen ökonomischen Aspekte nicht aus den Augen verlieren und müssen ihrer Dokumentationsverpflichtung nachkommen. Aus dieser komplexen und anspruchsvollen Arbeitsaufgabe resultieren viele Rollenerwartungen unterschiedlicher Personengruppen:

Erwartungen …

•  der Geschäftsführung, der Ärztlichen bzw. kaufmännischen Leitung

•  der Kolleg*innen anderer Stationen/Kliniken

•  anderer Berufsgruppen

•  der einzelnen Mitarbeitenden

•  des Teams

•  der Patient*innen und Angehörigen

•  des familiären Umfeldes

•  an sich selbst

Rollenkonflikte

Bei dieser Vielzahl unterschiedlicher Erwartungen entstehen beinahe zwangsläufig Situationen, in denen Erwartungen nicht erfüllt werden können oder sich widersprechen. Die Folge sind Rollenkonflikte.

Ein Beispiel aus der Notaufnahme: Ein Patient mit unklaren Schmerzen im Brustbereich wird in die Notaufnahme eingeliefert. Er erwartet eine schnelle und umfassende Diagnose und Therapie unter Einbeziehung aller zur Verfügung stehenden Mittel. Der Notfallmediziner hat die Erwartung an sich selbst, eine möglichst gut abgesicherte Diagnose zu stellen. Aus medizinischer Sicht wäre dafür die Erhebung mehrerer kostenintensiver Laborwerte hilfreich, jedoch ist diese Maßnahme aus Kostengründen nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Die Kaufmännische Leiterin erwartet eine möglichst kostengünstige Behandlung. Es prallen drei unterschiedliche, sich zum Teil widersprechende Erwartungen aufeinander.

Der Umgang mit einer großen Rollenkomplexität und den damit verbundenen unterschiedlichen Rollenerwartungen ist mit dem Berufsbild eines/einer Mediziner*in unweigerlich verbunden – auch die Tatsache, dass daraus mitunter Rollenkonflikte entstehen. Wer sich der Herausforderung, die dieser Beruf mit sich bringt, stellen will, sollte sich diesen Umstand bewusst machen und die unterschiedlichen Erwartungen möglichst genau kennen, um eine eigene Position dazu zu entwickeln. Im Folgenden werden die wichtigsten Erwartungen kurz skizziert.

Erwartungen der Geschäftsführung, der Ärztlichen und kaufmännischen Leitung

Geschäftsführer*innen erwarten kaufmännische Kompetenz

Eine Geschäftsführung hat die Interessen der gesamten Klinik im Blick. Sie ist für das finanzielle Gesamtergebnis verantwortlich und muss für die Erreichung der Klinikziele sorgen. Das Bestreben ist es, das Zusammenwirken der einzelnen Bereiche möglichst so zu organisieren, dass der langfristige Erfolg der Klinik gesichert ist. Im Fokus ihrer Aufmerksamkeit steht daher die gesamte Organisation.

Von den Mitarbeitenden in den Fachkliniken bzw. deren Leitung wird erwartet, dass sie …

•  sich mit den Klinikzielen identifizieren,

•  auf hohem fachlichen Niveau arbeiten,

•  Qualitätsstandards einhalten,

•  ihren Arbeitsbereich sicher beherrschen,

•  patientenorientierte Versorgung leisten und dabei auf Wirtschaftlichkeit achten,

•  klinik- bzw. stationsübergreifend gut zusammenarbeiten,

•  interdisziplinär und interprofessionell zusammenarbeiten,

•  sparsam mit den Ressourcen Zeit und Geld umgehen,

•  Konflikte alleine lösen.

Bei der Bewertung einer Situation stellen sich Geschäftsführer*innen immer die Frage: Wie wirkt sich diese Entscheidung auf die gesamte Klinik bzw. auf das EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) der Klinik aus?

Vor diesem Hintergrund fordern Geschäftsführer*innen und ärztliche Direktor*innen von der Leitung einer klinischen Abteilung kaufmännisches Denken und Handeln.

Erwartungen der Leitungskräfte/ärztlichen Kolleg*innen anderer Stationen bzw. Kliniken

Die Leitungskräfte bzw. Kolleg*innen anderer Stationen erwarten kollegiales Verhalten, Kooperationsbereitschaft und Informationsweitergabe. Der eigene Bereich soll dabei weitgehend unangetastet bleiben, »Hineinregieren« wird nicht geduldet. Allzu forsches Auftreten oder Allianzen in Richtung Klinikleitung sind verpönt. Hingegen erwarten sie gegenüber der Klinikleitung ein möglichst gemeinsames und solidarisches Auftreten.

Mitarbeitende anderer Klinikbereiche erwarten Kollegialität

Wer neu in der Leitungsposition ist, sollte daher erst einmal die Bereitschaft zu solidarischem Handeln signalisieren und sich in Einzelgesprächen mit den Erwartungen der Kolleg*innen vertraut machen. Jedoch gilt es, das schnelle Verbünden zu vermeiden. Vorher sollte erst analysiert werden, welche Erwartungen und welche Positionen die anderen Leitungskolleg*innen haben und worin die eigenen Ziele bestehen.

Erwartungen der einzelnen Mitarbeitenden

Die Erwartungen der Mitarbeitenden beziehen sich einerseits auf die Beziehung zur Leitungskraft und sind andererseits aufgaben- und sachbezogen (Hofbauer, 2012). Grundsätzlich wünscht sich jede*r Mitarbeitende Anerkennung, Unterstützung, Anleitung, Verständnis, Gerechtigkeit und Feedback. Die Leitungskraft soll sicher auftreten und gleichzeitig entgegenkommend sein. Während das Team als Ganzes Gerechtigkeit erwartet, wünscht sich ein*e einzelne*r Mitarbeitende*r insgeheim ein klein wenig Bevorzugung (Hofbauer, 2012).

Die Mitarbeitenden erwarten Anerkennung und Gerechtigkeit

Bei einer Beförderung vom Assistenten zum Oberarzt erwarten die ehemaligen Kolleg*innen z. B., dass die neue Leitungskraft – wie früher auch – ein guter Kumpel ist und vielleicht schon mal ein Auge zudrückt. Für die Abnabelung vom alten Team ist für eine aus den eigenen Reihen rekrutierte Leitungskraft die offizielle Inthronisation wichtig. Damit wird ihre neue Rolle für alle Mitarbeitenden deutlich und sichtbar, sodass es ihnen leichter fällt, sich von alten Erwartungen zu lösen.

Erwartungen des Teams

Das Team erwartet ein gutes Zusammenspiel

In Kliniken hat der Zusammenhalt im Team eine große Bedeutung. Die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit steht im Vordergrund, das Handeln ist stark ergebnis- und prozessorientiert, in einigen Bereichen, z. B. in der Notaufnahme, ist die Überbetonung vorhandener hierarchischer Strukturen verpönt. Obwohl die Teams einer Station bzw. klinischer Abteilung aufgrund des Schichtsystems nur sehr selten gemeinsam anwesend sind, erwarten alle ein gutes Zusammenspiel, reibungslose Übergaben und funktionierenden Informationsfluss. Von der Leitungskraft wünschen sie sich Präsenz – unabhängig von der jeweiligen Schicht. Eine fest etablierte Besprechungsstruktur sowie die Informationsweitergabe in E-Mails und Protokollen sind wichtige Führungsinstrumente. Gleichzeitig erwarten die Mitarbeitenden von der Leitung, dass sie sich aktiv in das Tagesgeschäft einmischt und die Bodenhaftung nicht verliert. Von Leitungen, die die Position neu übernommen haben, erwartet das Team Problemlösungen, ohne zu tief in die Struktur einzugreifen. Gutes und Angenehmes sollen erhalten bleiben, Defizite und Mängel sollten beseitigt werden – und das alles bitte mit Vorsicht und Fingerspitzengefühl.

Erwartungen der Patient*innen und Angehörigen

Patient*innen erwarten Einfühlungsvermögen

Patient*innen und Angehörige nehmen die Schwere der Erkrankung sowie die geplanten medizinischen Maßnahmen und Behandlungsabläufe anders wahr als die Klinikmitarbeitenden. Ungeachtet der Tatsache, dass sie generell kurze Wartezeiten und eine möglichst hohe Behandlungsqualität erwarten, haben sie zwangsläufig eine andere Einstellung zu den medizinischen Maßnahmen und erwarten, dass sich Ärzt*innen und Pflegekräfte möglichst gut in ihre Situation und Sichtweise hineinfühlen. Abhängig von ihrem Persönlichkeitsprofil wünschen sich Patient*innen und ihre Angehörige ein an ihre individuellen Bedürfnisse angepasstes Maß an Information, Aufklärung, Beistand und Trost.

Die Zufriedenheit von Patient*innen und deren Angehörigen mit der medizinischen und sozialen Behandlung wird auch von der Klinikleitung erwartet – insbesondere in der Notaufnahme, die erheblichen Einfluss auf das Image der Klinik hat. Insofern werden Patient*innen zum Impulsgeber der Prozesse – bei gleichzeitiger Notwendigkeit der Beachtung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.

Erwartungen des familiären Umfelds

Das familiäre Umfeld erwartet Zuwendung

Zeitliche Belastungen aufgrund des Schichtdienstes, starke psychosoziale Beanspruchungen und ein hohes Maß an Verantwortung kennzeichnen die Tätigkeit in der Klinik. Nicht immer sind diese Tätigkeitsmerkmale mit den Erwartungen des familiären Umfeldes in Einklang zu bringen. Ausgesprochene und auch unausgesprochene Forderungen des familiären Umfelds, die mit dem Klinikalltag nur schwer zu vereinbaren sind, können schnell zu Rollenkonflikten führen. Allerdings basieren Lebenserfolg und -zufriedenheit langfristig nicht in erster Linie auf den Geschehnissen in der Klinik, sondern hauptsächlich auf der Unterstützung durch Familie und Partnerschaft.

Erwartungen an sich selbst

Eigene Denk- und Verhaltensmuster bestimmen die Erwartungen an sich selbst

Die Erwartungen an sich selbst lassen sich am ehesten unmittelbar verändern. Es liegt an uns selbst, wie hoch wir die Messlatte legen. Allerdings wird die persönliche Erwartungshaltung stark von der eigenen Persönlichkeit sowie den Verhaltens- und Denkmustern beeinflusst. Zum Beispiel wird eine Leitungskraft, der es wichtig ist, bei ihren Mitarbeitenden beliebt zu sein, eher bereit sein, zugunsten ihres Teams zu entscheiden.

Je besser die Erwartungen an sich selbst reflektiert werden und die Faktoren bekannt sind, die diese Erwartungen bestimmen, umso einfacher ist es, eine Rolle anzunehmen und aktiv auszugestalten. Diese Klärung und Reflexion der eigenen Erwartungen ist insbesondere für Führungskräfte ein wichtiger Prozess.

2.2       Umgang mit Rollenkonflikten

Die Vielfalt dieser unterschiedlichen Erwartungen macht auch deutlich, dass Erfolg (als Leitungskraft) in enger Beziehung zu der Wahrnehmung und Bewertung des Umfeldes steht. Das heißt, Erfolg hängt nicht nur von konkreten Ereignissen ab, sondern auch von der Einschätzung des Rollenhandelns durch andere. Umso wichtiger ist es, die eigene Aufgabe und das Handeln klar darzustellen und Erfolge zu kommunizieren.

Diskrepanz zwischen Erwartungen des Umfeldes und dem eigenen Handeln führt zu Rollenkonflikten

Je weniger die Erwartungen des Umfeldes mit dem eigenen Handeln übereinstimmen, desto stärker treten Rollenkonflikte zutage, sie können sich folgendermaßen darstellen (Neuberger, 1995):

Konflikte in der Person – Die Erwartungen an sich selbst sind widersprüchlich. Beispiel: Ein Oberarzt will im Team beliebt sein, will aber eine unpopuläre Entscheidung der Chefärztin durchsetzen.

Konflikte mit Mitarbeitenden oder anderen Funktionen – Die Erwartungen anderer widersprechen sich. Beispiel: Das Assistent*innen-Team erwartet Fairness und Gleichbehandlung bei der Verteilung der Dienste. Ein von familiären Problemen beeinträchtigter Kollege erwartet hingegen Rücksichtnahme und fordert zwei Dienste weniger.

Konflikte mit den eigenen unterschiedlichen Rollen – Aus verschiedenen Rollen resultieren unterschiedliche Erwartungen, die sich widersprechen. Beispiel: Als Ärztliche Leitungskraft soll die Verantwortung möglichst umfassend wahrgenommen werden, als Mutter oder Vater soll möglichst viel Zeit mit der Familie verbracht werden.

Konflikte mit der Rolle – Die Rollenerwartungen passen nicht mit dem Selbstbild zusammen. Die persönlichen Anschauungen stehen im Widerspruch zum persönlichen Handeln. Beispiel: Aufgrund der Vorgaben der Klinikleitung, die vorgegebene Grenz-Verweildauer einzuhalten, wird ein 90-jähriger Patient entlassen, obwohl aus sozial-medizinischer Sicht ein stationärer Verbleib bis zur Sicherstellung einer häuslichen Betreuung empfehlenswert gewesen wäre.

Erkennen der unterschiedlichen Erwartungen beugt Rollenkonflikten vor

Um Rollenkonflikten vorzubeugen oder sie zu lösen, ist es wichtig, sich die unterschiedlichen Erwartungen klar zu machen und sie zur priorisieren. Dabei ist folgendes Raster (Hofbauer, 2012) hilfreich:

Tab. 6: Priorisierung von Erwartungen

Unterschiedliche Arten von Erwartungen

Der Umgang mit Rollen und den damit verbundenen Erwartungen ist vielschichtig und komplex. Insbesondere für Leitungskräfte ist es wichtig, ihre Rolle zu reflektieren und Rollenklarheit zu gewinnen. Dabei helfen die Kenntnisse über unterschiedliche Verhaltensprofile. Mit ihnen lassen sich das eigene Verhalten und das anderer Menschen besser einschätzen. Das war seit jeher die Sehnsucht von Menschen. Schon die alten Griechen unterteilten in vier Temperament-Typen: Choleriker, Sanguiniker, Melancholiker und Phlegmatiker. In Abbildung 5 werden daher die Grundzüge des DISC-Verhaltensprofils dargestellt.

Abb. 5: Persönlichkeitsmodelle

2.3       Begriffsklärung: Was ist ein Verhaltensprofil?

Die Summe der Merkmale einer Person bildet deren Persönlichkeit. Ein Teil dieser Merkmale ist erkennbar, ein anderer bleibt meist unsichtbar unter der Oberfläche. Die unausgesprochenen Gedanken und nicht gezeigten Gefühle bleiben verborgen, sichtbar ist das Verhalten eines Menschen (Dauth, 2012). Beobachtbares Verhalten lässt sich mithilfe diagnostischer Testverfahren und Verhaltensbeobachtung zu spezifischen Verhaltensmustern zusammenfassen, die von der Persönlichkeit eines Menschen beeinflusst werden.

Diese sogenannten Verhaltensprofile lassen sich mithilfe von Fragebögen (Tests) ermitteln. Sie formen aus allen beurteilten Verhaltensweisen, deren Einschätzung ein*e Teilnehmer*in vornimmt, ein zusammenhängendes Profil. Zwar sind solche Verhaltensprofile immer nur ein Versuch, der wahren Persönlichkeit eines Menschen nahezukommen, dennoch haben sie ihre Berechtigung. Denn sie helfen, die eigenen Verhaltensweisen zu erkennen, sie systematisch zu reflektieren und mit anderen Menschen und neuen Situationen besser umgehen zu können.

Abb. 6: Verhaltensschwerpunkte nach DISC

2.3.1     Was ist das DISC-Verhaltensprofil?

Das DISC-Verhaltensprofil basiert auf den Forschungsergebnissen des amerikanischen Psychologen Moulton Marston. Er ging in den 1920er-Jahren der Frage nach, welche Emotionen Menschen zeigen und wie sie sich darin unterscheiden. Dabei fand er vier Verhaltenseckpfeiler: Dominanz, Antrieb, Unterwerfung und Ordnungsmäßigkeit. Sie bilden die theoretische Basis des DISC-Modells. Inzwischen wurden das DISC-Modell weiterentwickelt sowie Fragenbögen und Auswertungsmethoden verfeinert und die vier Grundverhaltensstile erhielten eine etwas andere Interpretation und Bezeichnung: dominance, initiative, steadiness und conscientiousness – kurz DISC.1

Was zeichnet die vier DISC-Verhaltensstile aus?

Die Beschreibungen der Verhaltensstile sind modellhaft und bilden das reale Verhalten nur vereinfacht ab, selbstverständlich gibt es Zwischentöne und Mischformen.

Dominanter Verhaltensstil – Angst vor Kontrollverlust

D wiedominant – Dominante Menschen legen ein hohes Tempo vor, verfolgen mit viel Energie ihren Weg und versuchen, ihre Ziele durchzusetzen. Sie möchten ihr Umfeld bestimmen – mitunter auch auf Kosten anderer. Gleichzeitig schützen sie sich vor zu viel Nähe. Dominanten Menschen ist es wichtig, ihre Umgebung positiv zu beeinflussen, indem sie sichtbar Ergebnisse erzielen. Übertriebene Gefühle haben dabei zunächst keinen Platz. Ist das Ziel erreicht, ist der öffentliche Applaus sehr wichtig, er macht für sie den Sieg erst perfekt. Eindeutigkeit in der Kommunikation und Verlässlichkeit im Verhalten zeichnen dominante Menschen aus. Diese beiden Verhaltensweisen erwarten sie auch von anderen. Risikofreude ist ein typisches Merkmal dominanter Personen. Sie fühlen sich stark und anderen überlegen, daher neigen sie mitunter zur Selbstüberschätzung. Möglicher Kontrollverlust macht ihnen Angst. Konflikten weichen sie grundsätzlich nicht aus, sondern wollen sie schnell aus der Welt schaffen, dabei kann ihre Direktheit bisweilen in Aggression umschlagen.

Initiativer Verhaltensstil – Angst, nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen

I wieinitiativ