With or Without You - Mein Herz gehört dir - Geneva Lee - E-Book
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With or Without You - Mein Herz gehört dir E-Book

Geneva Lee

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Beschreibung

Für sieben Nächte mit ihr setzt er alles aufs Spiel ...

Klug, zuverlässig, fleißig und mit einem perfekten Plan für ihre Zukunft in der Tasche – das ist Studentin Jessica Stone. Wilde Partys, heiße Flirts oder spontane Abenteuer sind nicht ihr Ding, und als ihre Freundin Cassie sie zu einem Kurztrip nach Mexiko überredet, hat Jessica mehr Bücher als Bikinis im Koffer. Doch dann treffen sie am Flughafen ausgerechnet Roman Markson, den heißesten Typen vom ganzen Campus … und als Jessicas Dozent komplett verbotenes Terrain. Aber es funkt gewaltig zwischen den beiden und: Was in Mexiko passiert, bleibt auch in Mexiko. Oder?

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Buch

Klug, zuverlässig, fleißig und mit einem perfekten Plan für ihre Zukunft in der Tasche – das ist Studentin Jessica Stone. Wilde Partys, heiße Flirts oder spontane Abenteuer sind nicht ihr Ding, und als ihre Freundin Cassie sie zu einem Kurztrip nach Mexiko überredet, hat Jessica mehr Bücher als Bikinis im Koffer. Doch dann treffen sie am Flughafen ausgerechnet Roman Markson, den heißesten Typen vom ganzen Campus … und als Jessicas Dozent komplett verbotenes Terrain. Aber es funkt gewaltig zwischen den beiden. Und: Was in Mexiko passiert, bleibt auch in Mexiko. Oder?

Autorin

Geneva Lee ist eine hoffnungslose Romantikerin und liebt Geschichten mit starken, gefährlichen Helden. Mit der »Royals«-Saga, der Liebesgeschichte zwischen dem englischen Kronprinzen Alexander und der bürgerlichen Clara, traf sie mitten ins Herz der Leserinnen und eroberte die internationalen Bestsellerlisten im Sturm. Geneva Lee lebt zusammen mit ihrer Familie im Mittleren Westen der USA.

Geneva Lee ist online zu finden unter:www.geneva-lee.de,www.facebook.com/genevaleeauthor

Von Geneva Lee bereits erschienenSecret Sins – Stärker als das Schicksal

Die Royals-SagaRoyal Passion (01) • Royal Desire (02) • Royal Love (03) • Royal Dream (04) • Royal Kiss (05) • Royal Forever (06) • Royal Destiny (07)

Die Love-Vegas-TrilogieGame of Hearts (01) • Game of Passion (02) • Game of Destiny (03)

Die Girls-in-Love-ReiheNow and Forever – Weil ich dich liebe (01) • With or Without You – Mein Herz gehört dir (02)

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GENEVA LEE

Roman

Deutsch von Michelle Gyo

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Teaching Roman« bei Ivy Estate, Louisville. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2014 by Geneva Lee

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2019 by Blanvalet Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Susann Rehlein

Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Daiquiri/Shutterstock.com und iStock.com/PeopleImages

JaB · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-23581-9 V004 www.blanvalet-verlag.de

Für alle Mädchen, die gewartet haben …

Kapitel 1

Nicht dass ich diesbezüglich Erfahrung gehabt hätte, aber ich hatte mir immer vorgestellt, dass ein Antrag auf Tränen und Lachen hinauslief. Junge fragt, Mädchen bricht in Freudentränen aus, Hochzeitspläne folgen. Ich aber weinte nicht, was vermutlich ein schlechtes Zeichen war. Wir beide wussten das, doch Brett kniete immer noch vor mir und hielt einen Ring in der Hand.

Willst du mich heiraten?

Seine Rede hatte noch mehr beinhaltet. Es war irgendwie um Vereinbarkeit und solide Kommunikationsfähigkeiten gegangen. Im Grunde genommen die Antithese zur Romantik. Es braucht schon eine Menge, um mich vollkommen sprachlos zu machen. So ein Ich-habe-absolut-keine-Ahnung-was-ich-sagen-soll-Schweigen war in meinem Leben bislang noch nicht vorgekommen, aber Brett hatte es geschafft, mich mit dieser einen Frage völlig sprachlos zu machen. Tatsächlich konnte ich keinen klaren Gedanken fassen, deshalb begann ich, im Geiste eine Liste aufzustellen, und hoffte inständig, dass es so aussah, als dachte ich nach. In Wahrheit brauchte ich Zeit, damit sich mir ein Ausweg bot. Oder wir in ein Wurmloch stürzten. Oder an Altersschwäche starben.

Im Grunde genommen wartete ich auf irgendetwas, das mich davor bewahrte, ihm antworten zu müssen.

Listen waren immer schon mein Notfallplan gewesen. Sie sorgten dafür, dass ich das College im Griff hatte, keinen Ärger bekam, und vor allem stellten sie sicher, dass mein Leben organisiert verlief. Mein Gehirn war wie ein riesiger Terminplaner, der in saubere Listen unterteilt war: Seminare, Zulassungstest zum Medizinstudium, Cassie und Jillian, Familie und Brett. Nicht unbedingt in der Reihenfolge, aber fast. Die Brett-Liste nahm den kleinsten Platz in meiner Gehirnagenda ein. Ich fand das nicht grausam, denn tatsächlich benötigte er einfach nicht viel. Nicht von mir. Brett war unabhängig und verantwortungsbewusst, er studierte BWL und hatte vor, seinen Betriebswirt zu machen. Wir funktionierten, weil wir einander nicht brauchten. Zumindest hatte ich das gedacht. Jetzt war ich da nicht mehr so sicher. Zu heiraten würde nach einer bedeutenden Neukategorisierung verlangen. Offensichtlich war Brett nicht glücklich mit dem winzigen, aber adäquaten Platz, den er auf meiner Prioritätenliste einnahm. Warum würde er mich sonst darum bitten, ihn zu heiraten?

Der Ring, den er da in der Hand hatte, war ein Beweis für seinen Vorsatz. Hatte er darüber seit Tagen nachgedacht? Hatte er das hier seit Tagen geplant, seit Wochen gar? Man kauft einen Diamanten ja nicht im Supermarkt um die Ecke. Ich ging in Gedanken die letzten Wochen durch und untersuchte Augenblick um Augenblick nach einem Hinweis, was zur Hölle mir das hier beschert hatte. Wir beide hatten unsere Abschlussprüfungen diese Woche hinter uns gebracht, sodass ich mich darauf hatte konzentrieren können, Jillian durch ihre Tests zu bringen. Heute Abend hatten wir uns mit Cassie, Jillian und Liam im Garretts zur Semesterabschlussparty getroffen. Cassie hatte sich entschuldigt, um Trevor zu suchen, und Jillian und Liam waren für eine kleine Privatparty in unserer Wohnung verschwunden. In keiner Sekunde fand ich irgendein Anzeichen darauf, dass Brett mit unserer Beziehung, so wie sie war, unglücklich war.

Brett räusperte sich, um mich daran zu erinnern, dass er noch vor mir kniete, und ich schüttelte den Kopf in dem Versuch, meine Gedanken zu sortieren. Meine Zeit war abgelaufen, und ich wusste immer noch nicht, was ich sagen sollte. Was würden Jillian oder Cassie in dieser Situation tun? Jillian würde ihn auslachen, und Cassie würde ihn verfluchen. Beide Reaktionen schienen mir nicht angemessen, obwohl mir ein wenig danach war, beides zu tun. Und vielleicht auch loszuheulen, aber nicht auf die gute Art und Weise.

»Jess?«, hakte Brett nach, und ich zwang mich dazu, ihn anzusehen. Er sah gut aus, aber er war nicht so heiß, dass er ein Arschloch gewesen wäre. Sauber rasiert, mit akkuratem Haarschnitt und einem Kleidungsstil, der genau zwischen Hipster und Prepster lag. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass diese Kleidung mehr Richtung preppy gehen würde, je näher wir dem Abschluss kamen. Blazer und Kakihosen waren seine Zukunft. Denn Brett war jemand, der vorhatte, eine anspruchsvolle Karriere zu verfolgen. Er war zuverlässig, verantwortungsvoll und mäßig ambitioniert, aber als ich so auf ihn herabsah, erkannte ich, dass mir das alles nichts bedeutete. Die Tatsache, dass er da unten kniete, machte ihn nur peinlich.

»Ich denke«, log ich.

»Denkst du Ja oder Nein?« Das darauf folgende Lachen klang zu gezwungen, als dass es die Spannung aufgehoben hätte. Mit meinem Zögern konnte er nicht gerechnet haben, als er den Antrag geplant hatte.

»Ich weiß es nicht.« Ich wusste es wirklich nicht. Mein Gehirn war im Moment nicht in der Lage, irgendeine endgültige Antwort auf irgendeine Frage zu geben. Er könnte mich genauso gut fragen, ob der Himmel blau war, und ich hätte nicht mit Ja antworten können.

Bretts Schultern sackten herab, aber das Lächeln blieb auf seinem Gesicht wie festgetackert. Ich begann zu glauben, dass er sich nicht vom Fleck rühren würde, bis ich nicht zugestimmt hatte, seine Frau zu werden.

Seine Frau!

Heiliger Bimbam. Brett wollte, dass ich ihn heiratete, und egal wie sehr ich auch versuchte, die Listen in meinem Hirn umzusortieren, schien doch einfach kein Platz für Brett, den Ehemann, darin zu sein. Das konnte ich ihm aber natürlich nicht sagen. Stattdessen schloss ich den Deckel des Schmuckkästchens und verdeckte so den glitzernden Diamantverlobungsring mit Princess-Schliff, als wäre irgendwas besser, wenn ich das Teil nicht mehr sah.

Bretts Kiefer war angespannt, als er aufstand. »Ich schätze, das ist eine Antwort.«

»Das ist keine Antwort«, unterbrach ich ihn. »Ich muss darüber nachdenken. Es gibt eine Menge zu bedenken. Das Medizinstudium, Finanzen, Wohnsitze.« Selbst während ich das sagte, wusste ich, dass eine Powerpointpräsentation über diese Dinge unter den Bedingungen einer Ehe auch nicht geholfen hätte. Ich wollte glauben, dass ich einfach ein vorsichtiges Mädchen war, und nicht, dass ich ihn den größten Teil eines Jahres hingehalten hatte. Das Problem war, dass ich mir kein Szenario vorstellen konnte, in dem ich Ja sagen würde.

Aber bedeutete es wirklich, Nein zu sagen, wenn ich nicht Ja sagte? Hatte ich gerade meine Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag unserer Beziehung gesetzt? Es würde schwer werden, mich davon zu erholen. Vielleicht würde ich die Dinge ja mit ein wenig Zeit und jeder Menge Pro- und Contra-Listen anders sehen.

»Ich versteh schon«, sagte Brett und hob eine Hand. »Mach deine Liste, Jess.«

Doch obwohl ich nicht Nein gesagt hatte, gab Brett mir vor meiner Tür keinen Abschiedskuss, und ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Ich konnte es hinauszögern und Ausflüchte machen, ich könnte mir einreden, dass ich darüber schlafen musste. Aber die Wahrheit war, wir beide wussten, dass mir bei dieser Entscheidung keine Liste helfen würde.

Kapitel 2

Wann immer mein Telefon um zwei Uhr morgens klingelte, sagte ich mir, dass das unbedingt als Vorbereitung auf mein Dasein als Ärztin diente und dass ich mich daran gewöhnen musste. Ansonsten würde es nämlich damit enden, dass ich meine Freundinnen umbrachte. Weder Cassie noch Jillian missbrauchten die Macht des Handys oft, aber sie hatten mich schon mehr als einmal angerufen, damit ich ihre besoffenen Ärsche aus der Bar nach Hause brachte. Ich war auch schon angerufen worden, um einen verstauchten Knöchel zu verbinden, als Scherz während der Abschlussprüfungen, und mehrfach war ich unabsichtlich von ihren Hintern angewählt worden. Nach dem Wahnsinn der heutigen Nacht hoffte ich allerdings, dass sie einen wirklich guten Grund für den Anruf hatten. Ich kramte nach dem Handy und riss es schließlich aus der Steckdose.

»Ich hoffe für dich, du bist am Verbluten«, murmelte ich, als ich ranging.

»Ich bin auf dem Weg«, sagte Cassie und legte auf. Ich setzte mich kerzengerade im Bett auf. Ich verehrte meine besten Freundinnen, aber sie konnten auch einen Hauch zu dramatisch sein. Nicht, dass sie dafür nicht ihre Gründe hatten. Die hatten sie für gewöhnlich. Der Grund, aus dem Cassie um diese Uhrzeit zu mir kommen wollte, musste allerdings wirklich ernst sein. Erstens war es zwei Uhr morgens an einem Freitag. Normale Leute hatten jetzt Sex oder waren noch in den Bars unterwegs. Und zweitens hatte sie nicht geflucht. Stattdessen war ihre Stimme vollkommen ausdruckslos gewesen. Eine ruhige Cassie war so erschreckend wie nichts sonst auf der Welt. Das Mädchen konnte nämlich normalerweise nicht ruhig.

Ich schob mich aus dem Bett und machte mir einen unordentlichen Dutt, dann schlappte ich durch den Flur und blieb vor Jillians Tür stehen. Sie hatte das »Bitte nicht stören«-Schild an die Tür gehängt. Sie hatte also auf jeden Fall einen normalen Freitag. Entgegen besseren Wissens drückte ich das Ohr an die Tür und hielt den Atem an. Hoffentlich war die wilde Party schon vorbei. Es war überraschend ruhig, und nur leises Gekicher durchbrach die Stille. Himmel, Liam hatte Stehvermögen. Ich ging das Risiko ein und klopfte.

Zwanzig Sekunden später wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet. Jillian sah mich mit erhobener Augenbraue an. Ich konnte die Rundung ihrer Hüfte erkennen und begriff, dass sie nackt war. Es war absolut uncool, sie beim Sex zu stören, und ich fühlte mich schrecklich deshalb, besonders da sie erst kürzlich alles mit Liam geklärt hatte und diese Liebesnacht mehr als verdient war. Trotzdem war das hier ein Notfall.

»Cassie kommt her. Jills, sie war ruhig«, sagte ich.

Sie riss die Augen auf. Jillian war der einzige Mensch, der begriff, was das bedeutete. »Mist, gib mir fünf Minuten.«

Jillian verschwand wieder, und ich versuchte, nicht auf die gedämpften Stimmen zu lauschen. Sie war in weniger als zwei Minuten zurück, schob sich aus der Tür und folgte mir ins Wohnzimmer. Sie versuchte, sich mit den Fingern die zerzauste Frisur zu glätten, die ganz offensichtlich einer Nacht mit herausragendem Sex zum Opfer gefallen war. Ich fragte mich, wie das wohl war. Bei mir hatte sich kaum je eine Strähne aus meinem Pferdeschwanz gelöst, wenn Brett und ich fertig waren.

Ich dachte immer noch darüber nach, als Liam halb bekleidet aus dem Schlafzimmer kam. Ich sah weg und wurde rot, als er seinen Reißverschluss zuzog. Als er so durch die Wohnung stapfte, das Sixpack voll zur Schau gestellt, war es schwer, ihn zu ignorieren. Als er sich endlich die Schuhe zuband und sein Hemd anzog, hatte ich wahrscheinlich die Farbe eines kandierten Apfels angenommen.

Jillian brachte ihn an die Tür, und er blieb stehen und lehnte sich gegen den Türrahmen. »Seh ich dich morgen?«

»In aller Frühe«, sagte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Abschiedskuss zu geben. Eine seltsame Mischung aus Glück und Eifersucht durchflutete mich. Ich freute mich wahnsinnig für sie. Jillian hatte versucht, ihre Beziehung zu sabotieren, aber die Liebe hatte gesiegt. Sie waren absolut perfekt füreinander, und Liam war mehr als nur ein netter Kerl. Er war ein Traumtyp. Ich wandte mich ab, als sie den Abschied mit einer tendenziell pornotauglichen Liebesbekundung besiegelten.

Liam ging nach einem leisen »Ich liebe dich« und einem letzten Kuss auf ihre Stirn.

Jillian schloss nicht hinter ihm ab. Sie setzte sich zu mir und leuchtete förmlich vor Glück. Ich sah allerdings, dass sie sich Mühe gab, ernst auszusehen für Cassie.

Mit jeder verstreichenden Sekunde machte mein Magen mehr Salti und Bocksprünge. Ich war bereits aufgewühlt wegen Bretts kurz entschlossenem Antrag, und die Sache mit Cassie machte mich nur noch nervöser.

»Was glaubst du, was passiert ist?« Abwesend kaute ich auf meinem Daumennagel herum.

Sie tippte an meine Hand. »Hör auf damit.« Jillian schwieg, dann stieß sie einen langen Seufzer aus. »Ich habe das Gefühl, ich weiß, worum es hier geht.«

Ich wartete darauf, dass sie es mir erzählte, aber sie schien zu zögern. »Und das wäre?«

»Neulich bin ich Trevor in der Bibliothek begegnet, und er hat sich merkwürdig verhalten, als hätte ich ihn bei etwas erwischt.«

»Bei was erwischt? Beim Lernen?«, fragte ich. Trevor war der Typ Mann, der nicht den Ruf haben wollte, fleißig zu sein. Er warf mit Geld um sich, um sorglos und reich zu wirken. Es war offensichtlich eine Show, aber Cassie hatte den Haken geschluckt.

Jillian schnaubte. »Ich bezweifle, dass er ein heimliches Date mit den Ökonomiebüchern hatte. Ich glaube …«

Bevor sie mir sagen konnte, was sie glaubte, platzte Cassie in die Wohnung. Ihre sowieso schon erschreckende Ruhe war jetzt von einer unbändigen Wut verdrängt worden, die ihren ganzen Körper zittern ließ. »Dieser Hurensohn!«

»Oh, oh.« Mein Blick huschte von Cassie zu Jillian, deren Schultern herabsanken. Was auch immer Jillian zu wissen glaubte, es war klar, dass Cassie es gerade bestätigt hatte.

»Möchtest du was zu trinken oder so?«, fragte ich. Ich wusste genau, was ich zu tun hatte. Mach es ihr bequem. Beruhige sie. Lenk sie ab.Dann diskutiere die Möglichkeiten mit ihr. Das war meine Tranquilizer-Liste. Es war eine schlechte Angewohnheit von mir, die abzuhaken, wenn eins meiner Mädchen ausrastete.

»Ich hätte gern einen Baseballschläger. Oder Pfefferspray.« Cassie zählte Sachen auf, die immer Furcht einflößender wurden, und beendete das Ganze mit: »Gib mir eins dieser riesigen mittelalterlichen Dinger mit Dornen drin, in die man Arschlöcher einsperrt.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob wir eine Eiserne Jungfrau vorrätig haben«, sagte Jillian sanft. Sie klopfte neben sich auf das Sofa, um Cassie dazu zu bringen, sich neben sie zu setzen, aber Cassie tigerte weiter wie eine Wahnsinnige hin und her. Normalerweise sah Cassie immer tadellos aus, aber jetzt war ihr schwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengezurrt, und ihre Kleider waren verknittert.

»Du wirst Ärztin.« Sie zeigte auf mich, und ich sank gegen das Sofakissen zurück. Das konnte nichts Gutes bedeuten. »Was nimmt man, um Arschlöcher zu kastrieren?«

Ich schüttelte den Kopf. »Äh, wir machen das eigentlich nicht … selbst bei Arschlöchern nicht.«

»Messer«, sagte Jillian, und ich warf ihr einen Blick zu. Selbst ohne die Details zu kennen, wusste ich, dass es keine gute Idee war, Cassie mit Waffen auszustatten.

»Gut. Ihr habt Messer da, oder?«

»Neeeeeein«, log Jillian sofort, aber ihr Blick flackerte zur Küchenzeile hinüber.

Ich beschloss, Cassie festzuhalten, falls sie auch nur einen Schritt auf den Küchenschrank zu machte.

»Erzähl uns, was passiert ist.« Sie musste darüber reden, und ich musste sie dazu bringen, ihre Mordlust loszuwerden.

»Sagen wir der Einfachheit halber, ich bin rüber zu Trevor gegangen, und da waren ein paar Beine um seinen Hals geschlungen, die mal definitiv nicht meine waren.« Die Enthüllung platzte aus ihr heraus, und sobald sie es ausgesprochen hatte, sackte sie unter Tränen auf dem Boden zusammen.

Jillian und ich sahen einander entsetzt an, dann hockten wir uns zu ihr. Wir nahmen sie beide fest in die Arme und ließen sie weinen und nickten verständnisvoll, als sie versuchte, mehr von der Geschichte herauszubringen, auch wenn wir bei dem ganzen Fluchen und Heulen nicht wirklich folgen konnten.

Eine Sache war aber klar: Trevor hatte es so richtig vermasselt, und Cassie war das Opfer seiner Idiotie. Über Cassies Schulter sah ich Jillians böse Blicke, während sie Cassies nur halb zusammenhängendes Geschwafel echote.

Er ist das Hinterletzte.

Ich habe auch immer gedacht, dass er ein Pisser ist.

Ich war froh, dass Jillian da war. Meine Talente lagen darin, mit jemandem gemeinsam alle Optionen abzuwägen. Wut und Tränen konnte ich nicht so gut handhaben. Sobald wir Cassie beruhigt hatten und sie ein wenig geschlafen hatte, würde ich vernünftig mit ihr reden können. Wir würden alles besprechen, und sie würde begreifen, was wir schon die ganze Zeit gewusst hatten. Kerle wie Trevor hatten keinen Bestand. Für jeden außer Cassie war das offensichtlich, jetzt würde sogar sie es verstehen. Natürlich würden manche Wunden länger brauchen, um zu heilen – wie das Tattoo, das Cassie sich für ihn hatte machen lassen.

Im Moment konnte ich Cassie nicht sagen, dass sie besser ohne ihn dran war, diese Unterhaltung würden wir auf keinen Fall heute Nacht führen. Also saßen wir da, ließen Cassie weinen, bis sie so müde war, dass sie sich nicht wehrte, als wir sie in mein Bett schleppten. Sie stieg mit mascaraverschmierten Augen hinein, ihr Körper bebte immer noch vor Schluchzern, und ich durfte die Decke über sie ziehen. Ich legte meine Arme um meine beste Freundin und hielt sie fest, bis wir beide einschliefen.

Kapitel 3

Woran erkennt man, dass ein Mädchen gerade eine schlimme Trennung hinter sich hat? Halt nach den vorschnellen Entscheidungen Ausschau. Manchmal soll ein neuer Haarschnitt oder eine schnelle Nummer mit einem Lückenbüßer aus der Bar die Perspektive auf ihr Leben ändern. Dieser Gefahr hatten wir alle schon gegenübergestanden, und Cassie war mitten im Trennungswahnsinn. Sie hatte lange genug mit dem Weinen aufgehört, um einen vollkommen lächerlichen Plan zu schmieden, damit sie sich wieder besser fühlte. Unglücklicherweise schloss besagter Plan auch mich und meinen Reisepass mit ein.

»Das wird episch«, versprach sie mir.

»Garantiert nicht«, wiederholte ich, während ich ihr ein Glas Wasser einschenkte. Nichts war schlimmer, als vom Weinen dehydriert zu sein.

Sie hielt das Glas fest, ohne das Wasser zu trinken, und ihre Fingernägel tippten dagegen. Sie hatte sich eine Pyjamahose und ein Tanktop geliehen, um die Kleider von der letzten Nacht ausziehen zu können. Oder wie sie es genannt hatte, das Outfit, das sie am schlimmsten Tag ihres Lebens getragen hatte. Ich hatte sie das ganze Semester noch nicht so lässig gekleidet gesehen. Und obwohl es fast zehn Uhr morgens war, waren ihre Augen rot umrandet und verquollen. In der letzten Stunde hatte sie nicht geweint, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis es wieder losginge.

»Hast du was Besseres vor über die Weihnachtsferien?«, fragte sie.

Da hatte sie mich ertappt. Meine Pläne für diese Ferien beinhalteten Fernsehen und ein paar Bücher. Ich würde nicht einmal nach Oregon fahren. Meine Schwester würde in Seattle bleiben, da sie nicht freinehmen konnte, und meine Mutter hatte einen neuen Freund. Aus unseren Telefonaten war klar geworden, dass sie noch in der Honeymoonphase waren, was bedeutete, dass es absolut Übelkeit erregend sein würde, in ihrer Nähe zu sein. Gerade im Moment war ein Liebesfilm wirklich das Letzte, was ich mir angucken wollte, und da Brett nach Hause nach Indiana fuhr, würde ich Raum haben, über alles nachzudenken. Ich hatte Jillian sogar versprochen, dass sie mein Auto haben konnte, um hinunter nach Kalifornien zu fahren, damit ich während der Ferien die Wohnung für mich hatte. Ich würde die nächsten vier Wochen in Olympic Falls bleiben, und nichts, was Cassie sagte, würde mich umstimmen.

»Du musst mitkommen. Ich muss verdammt noch mal hier raus«, sagte Cassie, und ihre Stimme wurde immer kieksiger und steigerte sich schließlich zu einem Schluchzen.

»Was ist mit Texas?«, fragte ich sie. »Willst du deine Familie nicht sehen?«

»Meine Eltern fahren mit meinen Schwestern dieses Jahr nach fucking Nashville.« Cassie stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte angewidert den Kopf. »Mit Texas komme ich klar, aber ein Weihnachtskonzert in der Grand Ole Opry könnte mich in meinem aktuellen Zustand umbringen. Du weißt doch, dass es in jedem einzelnen Countrysong ums Schlussmachen oder sich Verlieben geht. Es wäre Folter. Außerdem haben sie den Trip schon gebucht. Ich würde alles durcheinanderbringen. Aber wir könnten irgendwohin fahren.«

Cassie war nicht so hart drauf, wie sie immer tat. Sie hatte die meisten Ferien daheim mit ihrer Familie verbracht, und ich vermutete, dass ihr Zögern, dieses Jahr nach Texas zu fahren, nicht mit Songs von Dolly Parton zusammenhing. Diesen Gedanken behielt ich allerdings für mich. »Ich kann nicht irgendwohin.«

»Wir gehen nicht irgendwohin.« Cassies Drängen nervte ziemlich.

»Wo gehst du hin?«, fragte Jillian und ließ eine Reisetasche auf den Wohnzimmerboden fallen. Sie trug einen weichen, lose fallenden Pulli und sah entschieden zu gut aus für das bisschen Schlaf, das wir letzte Nacht bekommen hatten.

»Du siehst heiß aus«, sagte ich mit einer anständigen Portion Neid. »Hast du irgendein magisches Zaubermittel gefunden, das deinen Schlafbedarf mindert?«

»Stunden um Stunden mit großartigem Sex«, sagte sie mit einem Zwinkern, aber das Lächeln erlosch sofort wieder. »Oh mein Gott, Cassie. Es tut mir leid. Das …«

»Entschuldige dich nicht dafür, einen tollen Kerl zu vögeln«, sagte Cassie und tat Jillians Fauxpas mit einer Handbewegung ab.

»Es war trotzdem mies, damit anzugeben«, sagte Jillian, legte Cassie die Arme um die Taille und zog sie fest an sich. »Vergibst zu mir, dass ich eine Idiotin war?«

»Na klar.« Cassie ließ ihren Kopf an Jillians sinken, aber einen Augenblick später wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu. »Ich und Jess müssen Olympic Falls auch verlassen.«

»Das ist eine hervorragende Idee! Du kannst mit nach Kalifornien kommen.« Jillian schaffte es, das wie ein verlockendes Angebot wirken zu lassen, aber sowohl Cassie als auch ich wussten, dass ihr vor den Feiertagen grauste, trotz des schottischen Kerls an ihrer Seite.

»Ich glaube nicht, dass ich im Moment mit Taras Bullshit klarkäme«, sagte Cassie.

»Verständlich. Ich komme mit dem Bullshit meiner Mutter auch nicht klar.« Jillian setzte sich auf einen Hocker. Sie würde niemanden dazu verdonnern, die Feiertage mit ihrer Familie zu verbringen. »Wo gehst du also hin?«

Wir antworteten gleichzeitig.

Cassie: »Mexiko.«

Ich: »Nirgendwohin.«

»Wir fahren nicht nach Mexiko!«, wiederholte ich mit Nachdruck. Ich wollte Cassies Seifenblase nicht zum Zerplatzen bringen, aber Mexiko konnte ich mir einfach nicht leisten, und ich hatte auch keine Lust auf eine Reise. Ich wollte nur ein wenig Zeit in einer leeren Wohnung – alleine.

»Ich bin mindestens eine Woche lang weg. Falls ich nicht vorher fliehen muss, aber Liam sagt, wir bleiben über Weihnachten dort«, sagte Jillian. »Du könntest in meinem Zimmer wohnen, während ich weg bin.«

Ich machte mir eine geistige Notiz, Jillian daran zu erinnern, dass sie mich zuerst fragen musste, bevor sie unsere Wohnung als Hotel anbot. Cassie hierzuhaben würde meinem Plan einen Knacks versetzen, aber wenn sie hier pennen wollte, würde ich es auch überleben.

»Und dann höre ich Brett und Jess die ganze Zeit beim Liebemachen zu?«, gab Cassie zurück. »Ich glaube kaum.«

»Brett fährt über die Ferien nach Hause«, sagte ich.

Jillian kniff die Augen zusammen und musterte mich. »Du klingst nicht gerade betrübt.«

War ich auch nicht, aber ich wollte das jetzt nicht zugeben. Cassie mit Infos zu Bretts Antrag zu quälen war das Letzte, was ich tun würde. Außerdem war es sowieso nicht so, dass wir ständig unzertrennlich waren. »Er geht zu seiner Familie. Das ist gut für ihn.«

»Und er nimmt dich nicht mit?«, fragte Cassie und hatte schon wieder Tränen in den Augen. »Trevor hat mich nie seiner Familie vorgestellt«, jammerte sie. »Ich hätte wissen müssen, dass etwas …«

»Ich will nicht mit ihm nach Indiana fahren«, sagte ich. »Dieses Semester war schwierig, und ich hinke bei meinen Serien hinterher.«

»Deine Serien?«, wiederholte Jillian, die sich nicht die Mühe machte, ihr Lachen zu verbergen. »Bist du sechzig? Machst du ein bisschen Sudoku und adoptierst Katzen, wenn ich weg bin?«

»Sei kein Miststück.«

»Sei keine sechzig!« Jillian lachte wieder und lief dann in ihr Zimmer, um fertig zu packen.

Mein Handy vibrierte in meiner Tasche, und ich holte es hervor, um ausgerechnet eine Nachricht von Brett auf dem Display aufleuchten zu sehen.

Planänderung. Ich bleibe über die Ferien bei dir. Ich kann nicht nach Hause, bevor wir geredet haben.

Ich schob das Telefon wieder in meine Tasche und versuchte, normal auszusehen. Dass Brett nicht nach Hause fuhr, war schlecht. Wenn er hierblieb, würde er immer wieder von der Ehe anfangen, bis er mich mürbe gemacht hätte. Ich würde nicht Ja sagen, nur damit er endlich die Klappe hielt. Aber ich wusste, was passieren würde, wenn ich ihm sagte, dass ich nicht wollte, dass er blieb.

Meine Beziehung war dem Untergang geweiht. Das wurde mit jeder Minute, die verging, deutlicher. Es war nicht fair, ihn in dem Glauben zu lassen, dass es eine Chance gab. Aber genau vor Weihnachten Schluss machen? Das war ein echter Bitchmove. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass die Luft in der Wohnung einfach weg war, ich konnte nicht mehr atmen. In Olympic Falls zu bleiben fühlte sich unmöglich an.

»Geht es dir gut?«, fragte Cassie und sah mich argwöhnisch an.

»Mir geht’s gut«, sagte ich lässig. Tatsache war, dass ich weit davon entfernt war, mich okay zu fühlen. »Ich habe nur gerade beschlossen, mit dir nach Mexiko zu fahren.«

Kapitel 4

Meine Schwester begleitete mich bis zur Sicherheitskontrolle und zählte dabei auf, was ich bei mir haben musste: meinen Pass, die Nummer der amerikanischen Botschaft, Fotokopien aller wichtigen Papiere, Sonnencreme. Ich hatte meinen Pass und die Sonnencreme.

»Ich komme schon klar«, versicherte ich ihr und blieb am Ende der Schlange stehen.

»Trink das Wasser da nicht. Rede nicht mit fremden Männern.« Lillian nahm mich bei den Schultern und blickte mir fest in die Augen. »Und werde nicht schwanger.«

Sie umarmte mich, was ziemlich ungeschickt wirkte, da sie fast fünfzehn Zentimeter größer war als ich – und weil ich zwischen hysterischem Lachen und totalem Schock schwankte. Werd nicht schwanger? Lillian sprach nicht über Sex. Nie. Sie war eine achtundzwanzigjährige Anwältin, die praktisch in ihrem Büro lebte. Soweit ich wusste, hatte sie noch nie Sex gehabt. Für so was hatte sie keine Zeit. Nicht, dass ich viel besser wäre. Unsere Mutter hatte uns dazu erzogen, die Arbeit stets über alles zu stellen. Das war der Preis dafür, von einer Mutter großgezogen zu werden, die ihre Unabhängigkeit über Beziehungen stellte. Mom hatte erst wieder angefangen auszugehen, nachdem beide Töchter das Nest verlassen hatten.

Meine Entscheidung, nach Mexiko zu fahren, bedeutete, dass ich Lillian an Weihnachten versetzte – dem einzigen Tag, an dem sie das Büro verließ. Unsere Geschenke hatten wir uns an diesem Morgen in einem Starbucks überreicht, und dann hatte sie mich zum Flughafen gefahren. Ich hätte wissen müssen, dass mir ein Vortrag blühte.

»Okay, Lillian«, versprach ich ihr, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich lass mich nicht schwängern.«

Sie sah erleichtert aus, was es nur noch witziger machte. Irgendwie gelang es mir aber, nicht loszuprusten. Das Gelächter rutschte mir erst heraus, als der Beamte meinen Pass überprüfte, und ich konnte gar nicht mehr aufhören. Genau deshalb landete ich wohl auch in einem kleinen Hinterzimmer und wurde einer zusätzlichen Kontrolle unterzogen. Sicherheitsbeamte hatten nicht gerade Sinn für Humor.

Meine Schwester musste sich allerdings keine Sorgen machen. Der Blick auf den Hintern des Sicherheitsbeamten würde vermutlich für die nächsten sieben Tage das Wildeste sein, was ich wagte. Ich flog nicht nach Puerto Vallarta, um mich flachlegen zu lassen. Partymaus? Ich doch nicht! Ich musste für die Zulassungsprüfungen lernen, und Cassie hatte versprochen, dass es effektiver wäre, für »diesen langweiligen Medizintest« am Strand zu pauken, wegen des ganzen Vitamin D in den Sonnenstrahlen.

Ich machte mir nicht die Mühe, sie daran zu erinnern, dass ich Ärztin werden wollte und durchaus wusste, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür gab. Meine Freundinnen versuchten immer, mich mithilfe pseudowissenschaftlicher Erklärungen von irgendetwas zu überzeugen. Einmal hatte Jillian behauptet, dass man sich an die richtigen Antworten erinnern würde, wenn man erst betrunken lernte und dann den Test betrunken schrieb. Fragt bloß nicht, ob sich das für sie bewährt hat.

Cassies Behauptung, dass die Sonne mir helfen würde, mir chemische Zusammensetzungen oder homozygot-dominante Genotypen zu merken, war höchst zweifelhaft. Doch dieser Urlaub würde mir allemal helfen, Brett zu entkommen. Er hatte nicht gerade gut auf den Trip nach Mexiko reagiert und hatte eine Antwort verlangt. Ich gab ihm eine, die ihm nicht gefiel. Außerdem lag über Olympic Falls der graue, feuchte Winter wie eine Decke.

Also war ich jetzt am Flughafen und suchte das Abfluggate nach Cassie mit ihrem gebrochenen Herzen ab. Im Wartebereich fand ich sie nicht, also suchte ich in den nahegelegenen Restaurants. Schließlich entdeckte ich sie im Mile High Club, sie hatte bereits zwei Margaritas intus.

»Du solltest langsamer machen«, mahnte ich und stellte mein Handgepäck in Sichtweite ab. Ich setzte mich auf den wackligen Barhocker neben ihr und stützte die Ellbogen auf die polierte Theke.

»Der Flug dauert vier Stunden«, sagte sie, man hörte ihr den Tequila an. Der Alkohol brachte immer ihren texanischen Akzent zum Vorschein. »Ich werde wie ein Baby schlafen.«

»Ein betrunkenes Baby«, sagte ich und schnaubte.

»Stell dir nur mal vor, wie friedlich das wäre«, sagte sie.

Der Barmann tauchte auf und legte eine Serviette vor mich. »Was möchtest du?«

»Zwei Wasser und die Rechnung«, sagte ich. Cassie schmollte neben mir. Ihr Schmollmund war ein wahres Kunstwerk, aber nach drei Jahren mit ihr zusammen an der Olympic State war ich dagegen immun. Als sie das merkte, änderte sie ihre Taktik.

»Jess, so können wir unseren Urlaub nicht starten.«

»Ich dachte gerade, wir könnten uns die Alkoholvergiftung für den Strand aufsparen«, sagte ich trocken.

»Komm schon«, bettelte sie. »Ich habe gerade seine Telefonnummer gelöscht. Da verdiene ich einen Drink.«

Das war in der Tat ziemlich heftig, besonders für Cassie, die ihr iPhone wie ein modernes Rolodex behandelte. »Schön für dich.«

»Geht es dir gut?«, fragte sie plötzlich ernst. »Wie lief es gestern Abend mit Brett?«

Trotz meiner Versuche, meine eigenen romantischen Verstrickungen von ihr fernzuhalten, konnte ich sie schlecht belügen, zumal sie wie eine Klette an mir klebte, seit sie Trevor mit einem anderen Mädchen erwischt hatte, und um ein Haar zu meinem Date mit Brett mitgegangen wäre. »Wir haben uns getrennt.«

Cassie fiel der Unterkiefer runter, aber sie erholte sich sofort und nahm mich in die Arme.

Ich erwiderte die Geste ungeschickt. Ich konnte Cassie nicht sagen, warum ich mit ihm Schluss gemacht hatte. Es ging ihr noch zu schlecht, um ihr einen Heiratsantrag zuzumuten. Aber sie fragte zum Glück nicht nach.

»Die können uns alle mal.« Cassie ballte die Fäuste und streckte sie mir entgegen. Ich stieß mit meinen Knöcheln gegen ihre. Frauenpower. Das musste ich ihr lassen, sie hielt sich ziemlich gut. Wobei das auch am Tequila liegen konnte.

»Also ist seine Telefonnummer weg. Was jetzt? Seine Uber-Bewertungen ruinieren? Ihn per Post mit Glitter bombardieren?«

Sie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ich verschwende keine Zeit mehr an ihn, aber ich brauch einen neuen Bildschirmschoner.«

Sie zog ihr iPhone heraus und hielt es vor uns, und ich lehnte mich für das obligatorische Selfie vor. Ein paar Sekunden später zeigte sie mir den Bildschirm. Neben ihrer dunklen Haut und dem schwarzen Haar sah ich noch blasser und blonder aus als sonst.

»Du brauchst Sonne«, sagte sie mit einem Seufzen.

»Genau, dann sehe ich aus wie ein Krebs.«

»Und ich wie Karamell«, sagte sie.

»Ich weiß nicht, was ich davon halte, wenn wir beide aussehen wie was zu essen.«

Der Barmann stellte schweigend zwei Wasser vor uns, und ich legte meine AmEx auf die Bar, während Cassie ihr Glas hob und damit gegen meines stieß. »Auf den Sand, den Tequila und Fehlentscheidungen.«

»Berühmte letzte Worte«, murmelte ich.

Cassie stürzte das Wasser halb herunter, dann erstarrte sie und sah mir über die Schulter. »Ist das Markson?«

Ihr Timing war perfekt. Ich hatte gerade einen Schluck Wasser im Mund, das mir nun prompt über Kinn und Brust spritzte. Sie hatte recht. Roman Markson, unser Prof für Kommunikation und unbestreitbar ein heißer Typ, war hier. Am Flughafen. Im Mile High Club. In diesem Moment. Mir war die Begeisterung ein wenig unangenehm, die mich bei seinem Anblick durchzuckte und wie ein Blitz in meinem Unterleib einschlug.

»Falls er dich noch nicht gesehen hat«, fuhr sie mit einem Kichern fort und zeigte auf mein besabbertes Top, »dann aber jetzt.«

Fantastisch. Von all den Leuten, denen man im Urlaub über den Weg laufen konnte, ausgerechnet er – und natürlich genau im richtigen Moment. Ich wischte mir über das Top und versuchte, nicht hinzusehen.

Das erwies sich jedoch als unmöglich, da Roman ganz offensichtlich im Urlaub war und mehr nach Hollister-Reklame aussah als nach Lehrkörper für Zwischenmenschliche Kommunikation. Bis hin zu dem Tribal-Tattoo, das sich um seinen Bizeps schlang. Ich sah es zum ersten Mal. Vermutlich, weil er am College in einer Art Professorenuniform steckte: Hemd, Jackett oder Pullunder und Oxford-Treter. Heute trug er jedoch ein dünnes, enganliegendes T-Shirt und Jeans, was seine beeindruckenden Muskeln und das mysteriöse Tattoo sehr gut zur Geltung brachte. Und dieses Outfit ließ die doch recht wichtige Grenze zwischen Lehrkörper und Student auf eine neue und sehr interessante Art verschwimmen. Außerdem waren seine Bartstoppeln deutlich besser zu erkennen als sonst, und er hatte auch nicht versucht, sein seidiges schwarzes Haar zu bändigen. Er sah nicht aus wie mein Prof. Er sah nicht aus, als wäre er überhaupt Prof. Er sah aus wie Gottes Geschenk an die Damenwelt.

»Jessica!«, rief Roman überrascht, als er zu uns herüberkam.

»Ro-Professor Markson.« Mir gingen ziemlich viele Flüche durch den Kopf. Er hatte mich bereits dabei ertappt, wie ich ihn anstarrte. Ich musste mich nicht noch weiter blamieren, indem ich ihn duzte. »Ich habe Sie gar nicht erkannt.«

»Ich bin nicht für den Unterricht gekleidet.«

Ich nickte energisch, als wäre genau das der Grund, aus dem ich vorgab, ihn nicht gleich erkannt zu haben.

Was absolut nicht stimmte.

Außerhalb der Kurse hatte ich Roman nur ein paarmal gesehen. Nicht, dass ich mich mit ihm traf oder so. Ich hatte nur Jillian durch seinen Kurs schleifen müssen, wozu ich seine Hilfe gebraucht hatte, und wir waren uns ab und an zufällig über den Weg gelaufen. Mir machten diese zufälligen Begegnungen überhaupt nichts aus. Doch die waren auch kein bisschen wie diese hier gewesen.

»Ferien?«, fragte Cassie und rettete mich damit.

»Für die Feiertage. Und ihr, Mädchen? Stürzt ihr euch in Schwierigkeiten?« Er zwinkerte mir zu, und mein Magen schlug einen Salto.

»Wenn es nach mir geht, ja«, sagte Cassie.

»Darf ich Ihnen beiden einen Drink ausgeben?«, fragte er und legte seine Tasche auf den Nachbarhocker.

Ich versuchte, lässig dreinzublicken, und scheiterte kläglich, als mir die Hitze in die Wangen stieg. »Wir trinken Wasser. Auf Langstreckenflügen sollte man viel trinken.«

Oh mein Gott, hatte ich ihm da gerade einen gesundheitlichen Rat erteilt? Ich klang wie so ein Info-Film, den sie im Flugzeug vor dem Abheben abspielten.

»Guter Tipp.« Roman drehte sich auf dem Absatz um und blickte auf sein Telefon. »Ich hasse es, dass man für die internationalen Flüge so früh da sein muss.«

»Sie reisen in die exotische Ferne?« Cassie ließ das Rührstäbchen zwischen den Fingern kreisen und steckte es sich dann in den Mund. Flirtete sie mit ihm? Das konnte ich ihr nicht vorwerfen, aber ich beneidete sie darum, wie leicht ihr das fiel. Sie konnte sogar eine ganz einfache Frage sexy klingen lassen, während ich mich einfach nur wie eine Irre anhörte.

»Puerto Vallarta«, sagte er, ohne zu zögern.

Cassie rammte mir den Ellbogen in die Rippen, wenn nicht schon seine Antwort mir den Atem geraubt hätte, hätte ich spätestens davon keine Luft mehr gekriegt. »Nicht Ihr Ernst! Wir fliegen da auch hin. Haben Sie vor, die Bars unsicher zu machen?«

»Seine Familie lebt in Puerto Vallarta«, rutschte es mir heraus, bevor ich mir auf die Zunge beißen konnte.

»Es überrascht mich, dass Sie sich daran erinnern.« Roman sah mir ins Gesicht, und seine Miene war vollkommen unlesbar.

Verdammt. Das hatte ja mal total nach Stalkerin geklungen. Ich erinnerte mich eben einfach an Dinge, besonders wenn es Roman betraf. Das würde ich ihm aber ganz sicher nicht mitteilen, es sei denn, ich wollte, dass er eine einstweilige Verfügung gegen mich erwirkte.

»Sie hat ein gutes Gedächtnis«, warf Cassie lässig ein. »Also fliegen Sie zu Ihren Eltern?«

»Zu meiner Großmutter«, sagte er. »Der größte Teil meiner Familie ist weggezogen. Tatsächlich stehe ich ihr am nächsten von denen, die ihr geblieben sind. Der Rest von uns ist über den ganzen Erdball verteilt. Meine Schwester lebt in Spanien.«

»Es ist wirklich nett von Ihnen, dass Sie sie besuchen«, sagte ich leise.

»Sie verhätschelt mich«, gab er zu, »und der Strand ist auch nicht übel. Mögen Sie das Meer?« Er sah mich mit warmherzigem Blick an.

Ich öffnete gerade den Mund, um zu antworten, als Cassie dazwischenfuhr. »Sie liebt es. Vielleicht könnten Sie mit ihr schwimmen gehen.«

Ich hasste das Wasser, und ich schwamm nicht. Cassie wusste das, aber sie führte ganz offensichtlich etwas im Schilde. Anscheinend fand sie, ich sollte etwas mit unserem Prof anfangen.

»Das wäre schön«, sagte Roman. »Es ist nett, mit jemandem zusammen an den Strand gehen zu können.«

Seine schokoladenbraunen Augen fanden meinen Blick, und ich vergaß zu atmen. Falls mich jemand überzeugen könnte, dass Ertrinken toll wäre, dann wohl er. Nur der Gedanke an ihn in Shorts, wie er ohne T-Shirt in die Wellen lief, ließ mich meine Schenkel aneinanderpressen.

»Ich muss vor dem Boarding noch aufs Klo«, sagte ich, das war die erste Entschuldigung, die mir in den Sinn kam. »Bin sofort zurück.«

Cassie nickte und wandte sich wieder ihrer Unterhaltung mit Roman zu. Ich ging in Richtung der Waschräume und dachte über diese merkwürdige Wendung der Dinge nach. Ich wusste, dass Cassie gerne kuppelte, aber bildete ich mir das ein, oder flirtete Roman wirklich mit mir? Er hatte mich immerhin gefragt, ob ich mit ihm schwimmen gehen wollte. Oder nicht? Ich dachte an seine beiläufige Bemerkung darüber, dass es nett war, mit jemandem gemeinsam an den Strand gehen zu können. Mit mir. Vielleicht wollte er nur höflich sein, aber etwas in seinem Blick sagte mir, dass es nicht nur das war. Und mein Körper hatte mit einem Verlangen auf ihn reagiert, das ich zuvor nicht verspürt hatte. Genau deshalb flüchtete ich mich auch zur Toilette. Leider konnte ich da nicht bleiben.

Wir waren nicht einmal nach Mexiko gestartet, und ich steckte bereits in Schwierigkeiten.

Irgendwie hatte Cassie uns Sitze in der ersten Klasse organisiert. Ich fragte nicht, wie, da ich mir denken konnte, dass es etwas mit der Notfallkreditkarte zu tun hatte, die Trevor ihr vor ein paar Monaten gegeben hatte. In ihrer Gegenwart wedelte er immer mit Geld herum, und falls wir unsere geräumigen Sitzplätze ihm und seinem Fehltritt verdankten, würde mich das nicht überraschen. Nicht, dass ich befürwortete, dass Cassie seine Karte einsetzte, um sich zu rächen, aber es war schön zu wissen, dass ich so im Flieger arbeiten konnte. Außerdem durften wir früher einsteigen, was bedeutete, dass ich bereits saß und mich zurücklehnen durfte. Ich hatte sogar einen Weißwein genommen, als die Flugbegleiterin vorbeikam.

Ich lehnte mich also mit meinem Glas zurück und sah zu, wie die anderen Passagiere sich mit ihrem Gepäck abmühten, während Cassie einen Stapel Magazine organisierte. Vielleicht werden die paar Tage in der Hitze doch gar nicht so schlimm.

Cassie lehnte sich zu mir herüber und flüsterte: »Also steht Markson auf dich.«

»Bitch, bitte«, sagte ich laut, und die Frau uns gegenüber warf mir einen vernichtenden Blick zu. Ich lächelte sie an. Nur weil eine junge Dame erster Klasse flog, musste sie sich noch lange nicht so benehmen.

»Ich muss wohl nicht fragen, wie es dir geht.« Sie kicherte triumphierend und ließ sich wieder in ihren Sitz sinken.

Nein, das brauchte sie nicht. Ich konnte versuchen, mich wieder zu beruhigen, so viel ich wollte, ich war ein Wrack, seit wir ihm begegnet waren. Ich tippte mit den Fingern an dem Weinglas herum und wünschte, dass ich Cassie früher von der Bar weggeschleppt hätte. Als ich aufblickte, sah ich Markson im Gang. Meine Klitoris sandte mir ein SOS. Ich rutschte auf meinem Platz herum und fragte mich, ob Masturbation im Klo mich wohl zum Mitglied im Mile-High-Club werden ließe.

Die Schlange bewegte sich langsam vorwärts, und Roman schenkte mir ein schiefes Grinsen. »Guten Flug.«

Ich grinste wie eine Irre zurück und nickte zu allem Überfluss auch noch. In der Sekunde, in der er aus meinem Blickfeld verschwand, sank ich gegen die Lehne und schüttete den letzten Rest Wein in einem einzigen Schluck herunter.

»Du solltest ihn unbedingt vögeln. Und zwar während des Flugs. Dann bist du ein echtes Mitglied des richtigen Mile-High-Club«, sagte Cassie, als hätte sie meine Gedanken lesen können.

»Warum sagst du so was?« Ich wandte mich zu ihr um, musste sie immer über alles Witze machen? Aber sie sah ganz ernst und unschuldig aus. »Ich werde Roman nicht vögeln.«

»Du willst ihn vögeln.«

»Ich will ihn nicht vögeln«, sagte ich erneut und ein wenig zu laut, sodass sich ein paar Köpfe zu mir umwandten und mich anstarrten. Die Frau von vorhin schüttelte angewidert den Kopf. Diesmal rutschte ich tiefer in meinem Sitz und versuchte, mich unsichtbar zu machen.

Wen kümmerte es schon, ob Roman Markson in diesem Flieger war? Oder ob er unfassbar heiß aussah? Ich musste mir um ganz andere Dinge Gedanken machen. Ich sollte mich auf die Medizin konzentrieren und nicht auf Männer, und genau dafür hatte ich gesorgt, indem ich Brett eine Absage erteilt hatte, bevor wir losgefahren waren. Ich hatte einen total netten Typen sitzen lassen, um mich auf meine Ziele zu konzentrieren.

Nein. Das war wirklich nicht die richtige Zeit für romantische Verwicklungen. Das Problem war nur, dass mein Körper gegen diese Meinung rebellierte.

Cassie lachte und warf mir eine Cosmo zu. »Du willst ihn so was von vögeln. Da drin sind 200 Tipps für guten Sex. Vielleicht kannst du ja die Lehrerin spielen. Hast du einen karierten Rock dabei?«

»Erinnere mich daran, dass ich dich umbringe, sobald wir gelandet sind.«

»Widerspricht das nicht dem hippokratischen Eid?«, fragte sie und winkte die Flugbegleiterin heran, um noch zwei Gläser Wein zu bestellen.

Bei diesem Scherz wurde ich ein wenig starr. Meine Freundinnen zogen mich unglaublich gerne mit meinem Traumberuf auf und nannten mich Doctor Jess oder schenkten mir Shirts von Greys Anatomy. Mir war nur zu klar, dass eine Menge Lernerei und eiserne Disziplin nötig waren, um an der Medizinischen Fakultät aufgenommen zu werden. Und falls ich es schaffen sollte, wovon ich lieber nicht ausging, müsste ich noch die Zeit als Assistenzärztin überleben, was harte Arbeit und null Sozialleben bedeuten würde. Ein weiterer guter Grund, Roman als Fantasie abzutun und ihn mir nicht ins Bett zu holen. »Noch bin ich keine Ärztin.«

»Jess!« Cassie verdrehte die Augen. »Zum letzten Mal, es bringt kein Unglück, wenn wir darüber reden, dass du Ärztin wirst. Du wirst Ärztin. Du bist auf dem richtigen Weg, aber es würde dich nicht umbringen, wenigstens diese Woche mal lockerzulassen.«

Sie hatte keine Ahnung, wie schwer es war, angenommen zu werden – und das Studium dann auch zu überstehen. Ich würde mich nicht völlig auf meinen Fünfjahrplan verlassen können, und diese kleine Variable war mir zutiefst zuwider. Beinahe so sehr, wie ich den Stress hasste, den ich fast ständig verspürte. Könnte Cassie recht damit haben, dass ich einfach mal lockerlassen und ein bisschen Spaß haben sollte? Wäre eine freie Woche ohne Lernen so schlimm?

Oder versuchte ich nur, eine Ausrede zu finden, um Roman die Tür zu öffnen?

»Waffenstillstand?«, schlug Cassie vor und hielt ihr Weinglas hoch.

Ich nickte und nahm einen Schluck, gerade als sie hinzufügte: »Du willst ihn trotzdem vögeln.«

Kapitel 5

Fünf Stunden später landeten wir in Mexiko. Cassie und ich stolperten nach sechs Gläsern Wein mehr aus dem Flieger. Meine Augen waren ein wenig glasig, als wir uns zur Passkontrolle durchschlugen. Ich berührte meine Nasenspitze, um zu sehen, ob sie taub war. Dann zählte ich meine Schritte.

»Hörst du wohl auf, deine Checkliste für Besoffene durchzugehen?«, sagte Cassie und schob ihren Arm unter meinen, um sich abzustützen. »Eilmeldung: Du bist betrunken.«

Ich war nicht betrunken, aber auf jeden Fall beschwipst. Das sagte ich ihr nicht, damit sie nicht auf die Idee kam, mich gleich in die nächste Bar zu schleppen.

Cassie legte den Pass vor den Einreisebeamten und lächelte ihn süß an.

»Grund Ihres Besuchs?«, fragte er. Er sah hoch, und sein Blick heftete sich auf Cassie, die kicherte. »Geschäfte? Vergnügen?«

»Pures Vergnügen.« Sie biss sich verführerisch auf die Unterlippe, und er stempelte ihren Pass mit ein wenig zu großer Begeisterung ab. Diese Wirkung hatte sie immer auf Jungs. Cassie musste nur den Mund aufmachen, schon lagen sie ihr zu Füßen. Das war eine Fähigkeit, die mir abging, aber es bedeutete hoffentlich auch, dass sie ihren Lückenbüßer bald finden würde.

Mich sah der Beamte kaum an und entließ uns mit einem »Willkommen in Mexiko«, damit wir unsere Koffer einsammeln konnten.

Mein Telefon vibrierte in der Tasche. Ich hatte drei Nachrichten. Eine von Jillian: Denk dran: ›Mas Tequila por favor‹, gefolgt von einer Tirade darüber, dass ihre Mutter ihr verbot, mit Liam in einem Bett zu schlafen, und zwei von Brett, der wissen wollte, ob ich gut gelandet wäre und die Einreise überstanden hätte. Offensichtlich hatte er vergessen, dass er nicht mehr mit mir zusammen war. Ich rümpfte die Nase.

Cassie stieß mir gegen die Hüfte und zog so meine Aufmerksamkeit auf sich. »Was schaust du so?«

Ich zeigte ihr mein Telefon.

»Sag ihm, dass wir festgenommen wurden und auf den Prozess warten, weil wir Schmuggelware über die Grenze gebracht haben!« Ihre dunklen Augen glänzten neckisch, als sie wieder meinen Arm ergriff.

»Er kommt her, wenn ich ihm das schreibe«, sagte ich, weil ich wusste, dass es stimmte.

Cassie riss die Augen auf. »Dann sag ihm das bloß nicht.«

Ich schob mir den Rucksack über die Schulter, dann suchte ich auf der Ankunftstafel nach der Info für unser Gepäck, allerdings sah ich immer noch ein wenig verschwommen, wegen unserer Happy Hour im Flieger.

»Dos«, sagte da eine warme Stimme an meinem Ohr. Ich zuckte überrascht zusammen, und Roman streckte die Hand vor, um mich abzustützen.

»Verdammt!« Ich griff mir lachend an die Brust.

»Tut mir leid«, sagte er, und Lachfältchen tauchten um seine schokoladenbraunen Augen herum auf. »Ich dachte, Sie suchen nach der Nummer des Gepäckbands.«

»Ja, die … suche ich«, sagte ich und versuchte, locker zu klingen. Oder wenigstens nicht betrunken. »Bin gerade nur neben der Spur. Textnachricht. Drama zu Hause.«