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Um sich beruflich zu verändern, zieht Pia Sieder von Bremen nach Heidelberg. Ihre offene Art lässt sie schnell Freundschaften schließen. Nur mit der großen Liebe will es nicht klappen - bis ihr eines Tages Stefan Bachmann, ein viel älterer und bekannter Journalist, über den Weg läuft, der ihrer besten Freundin Miriam sofort ein Dorn im Auge ist. Doch Pia lässt sich nicht beirren und muss erfahren, dass der Weg zum Glück manchmal ziemlich steinig sein kann.
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Seitenzahl: 175
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Wo Liebe hinfällt
Band 1
Roman
3. Auflage
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Text: © Copyright by Jessica Krenz
Cover: © Copyright by Jessica Krenz
Verantwortlich für den Inhalt:
Jessica Krenz
c/o Block Services
Stuttgarter Str. 106
70736 Fellbach
jessica.krenz.autorin@gmail.com
Never stop dreaming
Never stop trying
Dich
Pia Sieder ist fünfundzwanzig Jahre alt, einen Meter siebenundsiebzig groß, schlank, hat grüne Augen und lange blonde Haare. Geboren wurde sie in Bremen. Dort ist sie auch aufgewachsen. Pia liebte ihre Heimat, aber irgendwann wollte sie einfach neue Dinge sehen und hatte beschlossen, das Nest zu verlassen. Als junge Frau standen ihr schließlich alle Türen offen. Ihre Wahl fiel auf Heidelberg. Sie hatte die Stadt ein paar Monate zuvor mit ein paar Freundinnen besucht und sich nach ihrer Ausbildung in einem Anwaltsbüro dazu entschieden, dorthin zu ziehen, weil sie ihr so gut gefiel. Ein mutiger Schritt, den nicht alle nachvollziehen konnten, denn schließlich war sie ganz allein und kannte niemanden. Dennoch wollte es Pia wagen. Sie hatte nichts zu verlieren. Sie bewarb sich in einer kleinen Kanzlei und erhielt nach ihrem Vorstellungsgespräch tatsächlich die Zusage. An einem warmen Juliwochenende zog sie von zu Hause aus. Ihre Freundinnen aus dem Handballverein organisierten am Abend zuvor eine große Abschiedsparty und mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie viele liebe Menschen sie zurückließ. Dieser Gedanke stimmte sie zwar traurig, aber Pia war bewusst, dass sie jederzeit zurückkommen konnte.
Ihre Eltern hatten für den Umzug extra Urlaub genommen, einen größeren Transporter gemietet und alles eingeladen, was Pia mitnehmen wollte und musste.
Ihre Zwei-Zimmer-Wohnung lag in einem Altbau in einer ruhigen Seitenstraße. Zur Innenstadt war es nicht weit und in direkter Umgebung gab es eine kleine Parkanlage mit ausreichend Einkaufsmöglichkeiten. Ihre Wohnung war mit einem Holzdielenboden ausgestattet und wurde zunächst einmal gestrichen. Das Einheitsweiß war ihr zu steril gewesen. Pias Wohnzimmer erstrahlte jetzt an zwei Wänden in einem hellen Gelb.
Ihre Eltern hatten ihr eine Wohnwand und ein Sideboard geschenkt, auf dem sie Fotos von ihrer Familie und ihren Freunden gestellt hatte. Besonders gefiel ihr aber die große, gemütliche Couch.
Die Wand im Schlafzimmer, an der ihr Bett mittig stand, strich Pia petrolfarbend, passend zu den weißen Möbeln, wie sie fand. Links daneben, zum Fenster hin, stellte sie eine Pflanze, rechts zur Tür einen kleinen Nachttisch. Wenn sie auf ihrem Bett lag, blickte sie auf ihren großen, neuen Kleiderschrank und auf eine kleine Kommode, auf der Make-up-Utensilien und Schönheitsprodukte standen.
Das alles war jetzt über zwei Jahre her. Inzwischen kannte Pia einige nette Leute in Heidelberg. Sie hatte sich nach ihrem Umzug einen neuen Handballverein gesucht und sich dort mit ein paar Mädchen angefreundet. Darunter war auch ihre jetzige beste Freundin Miriam Brinkmann, die von allen nur Miri genannt wurde. Sie merkten schnell, dass sie sich sehr ähnlich waren und wurden mit der Zeit unzertrennlich. Miriam war ein Jahr älter, etwas kleiner als Pia, hatte rotbraune, schulterlange, wellige Haare und blaue Augen. Gleich nach dem Abschluss ihres Journalismus-Studiums fing sie eine Stelle bei der Heidelberger Tageszeitung an.
In ihrer Arbeitskollegin Chiara fand sie ebenfalls eine Freundin, obwohl sie sich anfangs nicht besonders mochten. Chiara war genauso alt wie Miriam, einen Meter achtzig, hatte braune Augen und trug schwarze kurze Haare. Sie war immer top-gestylt und seit drei Jahren mit Raphael liiert. Wahrscheinlich hatte sie damals Angst, Pia könne eine Konkurrentin für sie sein, aber auf der ersten Weihnachtsfeier stellten beide fest, dass sie doch Gemeinsamkeiten hatten. Sie gingen zum Beispiel gerne schwimmen und liebten es, ins Kino zu gehen. Nach und nach entwickelte sich eine Freundschaft und jetzt saßen Pia und Chiara nach einer dreistündigen Shoppingtour gemeinsam in ihrem Stammcafé in einer Einkaufspassage, tranken eine große Tasse Milchkaffee, aßen ein Stück Kuchen und beobachteten die Leute, die draußen an diesem sonnigen Januartag vorüberliefen.
»Wir haben doch eine gute Ausbeute gemacht, oder?«, fragte Chiara und deutete auf die Einkaufstüten unter dem Tisch.
»Ja, das stimmt, aber eigentlich hast du die Ausbeute gemacht, nicht ich. Mir gehört nur etwa ein Zehntel davon«, gab Pia zurück und lachte.
Sie war froh, endlich sitzen zu können. Ihr taten die Füße weh, denn Chiara hatte sie von Geschäft zu Geschäft geschleppt. Überall schien sie etwas zu finden, das ihrem Geschmack entsprach. Ein Pullover hier, ein Rock da und natürlich eine neue Tasche. Sie selbst hatte sich nur eine Hose gekauft.
»Was machst du denn heute noch?«, fragte Chiara.
»Miri kommt nachher zum Fernsehabend vorbei.«
»Cool. Den müssen wir zwei auch mal machen. Vielleicht, wenn Raphi mit seinen Kumpels unterwegs ist.«
»Klar, gerne.«
Chiara sah auf die Uhr.
»Mensch, ich habe gar nicht mitbekommen, dass es schon so spät ist. Ich bin mit meiner Familie um achtzehn Uhr zum Essen verabredet und muss noch mal nach Hause. Tut mir leid!«
»Kein Problem.«
Pia schlang schnell den letzten Bissen vom Kuchen hinunter und trank ihren Kaffee aus. Dann verabschiedeten sie sich voneinander.
Am Abend stand Miriam wie vereinbart vor der Tür.
»Hallo Süße, komm rein.« Pia begrüßte sie mit einem Küsschen auf die Wange. »Du kannst dich ins Wohnzimmer setzen.«
Miriam nahm auf der Couch Platz und Pia brachte die Bestellkarte vom Pizzaservice. Eigentlich war das überflüssig, denn sie bestellten immer das Gleiche; Pizza Hawaii für Miriam und Salamipizza für Pia.
Eine Stunde später saßen sie vor ihren Tellern, tranken ein Gläschen Wein und schauten eine Liebesschnulze. Dieses Mal blieb Miriam wieder über Nacht und als der Film zu Ende war, lagen sie gemütlich auf dem Bett und unterhielten sich. Beide liebten es, stundenlang zu reden. Sie hatten sich eine Decke umgelegt, mampften Gummibärchen und Schokolade und philosophierten über Männer. Miriam war, genau wie Pia, Single.
»Was meinst du, Pia? Ob wir unserem Traummann noch begegnen werden?«
»Hmm, ich weiß nicht. Was macht so einen Traummann denn aus?«
»Na er sollte zumindest nach was aussehen.«
»Ja, da gebe ich dir recht. Man muss sich aber auch mit ihm unterhalten können. Und wenn er im Haushalt mithilft, wäre das auch nicht schlecht.«
»Exakt. Er sollte abwaschen, bügeln, kochen, den Rasen mähen, das Haus putzen, die Kinder hüten und handwerklich begabt sein«, lachte Miriam.
»Das wäre doch was«, gab Pia zurück. »Aber es heißt ja nicht umsonst ›Traummann‹.«
»Was hältst du denn davon, wenn wir nächsten Samstag mal wieder in die Disko gehen? Da waren wir lange nicht mehr. Möglicherweise wartet ja da unser Prinz auf uns.«
»In die Disko? Ich weiß nicht. Sind wir nicht schon zu alt dafür?«
»Ich habe gehört, dass das Publikum gemischt sein soll. Vielleicht kommen Chiara, Raphael und ein paar aus dem Handballverein auch mit. Dienstag ist doch wieder Training. Dann fragen wir mal.«
»Na gut, überredet. Chiara und Raphi werden aber nicht kommen. Die fahren übers Wochenende in den Kurzurlaub.«
Abends um zehn wurde Pia von Miriam und ihren Freundinnen aus dem Verein abgeholt. Zu sechst machten sie sich zu Fuß auf in die Innenstadt. Sie froren ein wenig, denn alle hatten sich für einen kurzen Rock entschieden und die Nacht war ziemlich kalt. In der Diskothek war von der Kälte jedoch nichts mehr zu spüren. Es war voll und laute Musik dröhnte aus den Boxen. Pia mochte keine Diskos. Sie tanzte nicht gerne. Viel lieber setzte sie sich irgendwo an die Seite und beobachtete die Leute. Die anderen waren da ganz anders. Hanna, Kim und Lauren stürzten gleich auf die Tanzfläche und ließen sich von dem Rhythmus mitreißen. Pia, Miriam und Lisa gingen zunächst an die Bar. Sie bestellten drei Caipirinha und fanden in einer Ecke einen kleinen Tisch auf dem sie ihre Getränke abstellen konnten.
»Na los, Pia. Lass uns tanzen gehen«, brüllte ihr Lisa entgegen.
»Ach, geht ihr beide allein. Ich passe solange auf die Getränke auf.«
»Keine Widerrede. Die Getränke haben wir im Blick. Du kommst jetzt mit.«
Miriam zog Pia auf die Tanzfläche. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, aber weil sie nicht als Spielverderberin dastehen wollte, blieb sie und begann, sich irgendwie nach der Musik zu bewegen.
»Geht doch«, schrie ihr Miriam entgegen. »Ich weiß gar nicht, warum du dich immer weigerst und lieber am Rand stehst.«
Pia zuckte mit den Schultern. Sie tanzte ausgelassen, und als sie das nächste Mal auf ihre Uhr schaute, war es halb zwei. Sie brauchte eine kleine Pause und bahnte sich den Weg mit Miriam durch die Menge. Plötzlich kam ihr von vorn ein junger Mann mit Bierflasche in der Hand entgegen. Er war unverkennbar angetrunken.
»Hallo Prinzessin. Heute schon was vor?«, lachte er schief und blieb erwartungsvoll vor Pia stehen.
Sie verdrehte die Augen. »Mit dir bestimmt nicht«, entgegnete sie scharf und ging dann weiter.
»Was bist du denn für eine Diva?« hörte Pia ihn noch hinterherrufen, wovon sie sich jedoch wenig beeindruckt zeigte.
»Das war jetzt etwas gemein von dir. Der sah doch ganz gut aus«, grölte ihr Miriam ins Ohr.
»Der war betrunken und kann sich wahrscheinlich morgen an nichts mehr erinnern. Meinen Traummann habe ich mir irgendwie anders vorgestellt.«
Damit war für Pia das Thema erledigt. Sie nahm einen Schluck von ihrer Caipirinha und ging anschließend mit Miriam wieder zurück zu den anderen auf die Tanzfläche. Dort feierte sie bis in die frühen Morgenstunden; ohne einen Mann zu finden, der ihr gefiel und mit dem sie einen Flirt hätte wagen wollen.
Erst um halb fünf war sie wieder zu Hause. Sie hatte noch Ohrensausen von der lauten Musik und fiel völlig erschöpft und müde ins Bett.
Zwei Wochen später klingelte bei Pia das Telefon.
»Hi Miri!«
»Hi! Na, was machst du Schönes?«
»Ich koche mir gerade Spaghetti Bolognese zum Mittag. Willst du vorbeikommen? Ich meine, es reicht auch für zwei.«
»Klingt verlockend, aber ich habe gleich einen Friseurtermin. Ich wollte eigentlich nur kurz wissen, ob du am nächsten Wochenende was vorhast.«
»Noch nicht, warum fragst du?«
»Ich muss am Samstag zu meinem ersten Interview und ich dachte, dass du mich vielleicht begleiten könntest. Als Schützenhilfe sozusagen.«
»Darf ich das denn? Nicht, dass dein Chef etwas dagegen hat.«
»Ach, das Interview führe ich doch und du bist auch nur im Hintergrund. Also, was sagst du?«
»Na ja, von mir aus. Wo findet das Ganze denn statt?«
»In Mannheim. In einem Hotel. Ich würde dich um neun mit dem Auto abholen.«
»Gut, abgemacht. Dann bis Samstag.«
Miriam stand pünktlich vor Pias Haustür. Gemeinsam machten sie sich sodann auf den Weg. Nach einer kurzen Fahrt parkten sie das Auto vor dem Hotel.
»Hier ist es. Man, bin ich aufgeregt. Danke, dass du mitgekommen bist.«
»Kein Thema. Aber die Aufregung kann ich dir auch nicht nehmen.«
»Stimmt. Trotzdem ist es gut, dass ich nicht allein bin.«
Sie betraten das Foyer und waren beeindruckt. Eine solche Empfangshalle hatten sie noch nie gesehen.
»Das nenne ich mal edel«, bemerkte Pia.
»Allerdings. Hältst du mal die Kamera? Ich frage an der Rezeption, wo ich hinmuss.«
Miriam klärte die Formalitäten, während Pia neben ihr stand und sich etwas fehl am Platz fühlte.
»Und wer ist das?«, fragte die Rezeptionistin plötzlich.
»Frau Sieder ist die Fotografin«, antwortete Miriam schnell und trat ihrer Freundin leicht gegen den Fuß.
»Ja, ich bin die Fotografin«, reagierte Pia augenblicklich, hielt die Kamera hoch und spielte das Spiel notgedrungen mit.
»Von Ihnen steht nichts in den Unterlagen. Ich muss Sie daher bitten, hierzubleiben. Frau Brinkmann, ich gebe Herrn Bachmann Bescheid. Einen Moment.«
»Na das hat ja super funktioniert«, flüsterte Pia Miriam zu.
»Kann ja keiner ahnen, dass die so penibel sind.«
»Und was ist jetzt?«
»Herr Bachmann holt mich gleich ab. Wir führen das Interview in seinem Zimmer.«
»Aha. Dann warte ich so lange dort hinten.«
»Sorry. Oh, ich glaube da ist er.«
Miriam lief Herrn Bachmann entgegen und gab ihm die Hand.
»Gehören Sie zusammen?«, fragte er freundlich, als er Pia sah.
»Eigentlich bin ich nur...«
»Sie ist Praktikantin und wollte sich alles mal anschauen«, fiel ihr Miriam ins Wort.
Pia lächelte gequält. Sie war gespannt, welche Rollen man ihr heute noch zuteilen würde. Zumal Miriam und sie fast gleichaltrig waren. Praktikantin. Wie glaubwürdig musste das klingen?
»Ich heiße Pia Sieder«, stellte sie sich schließlich vor.
»Stefan Bachmann. Sehr erfreut«, sagte er und gab ihr ebenfalls die Hand. »Wollen wir dann?«
»Gerne«, antwortete Miriam und wandte sich Pia zu. »Wir sehen uns später.«
»Kommen Sie gar nicht mit? Ich dachte, Sie sind Praktikantin und möchten sich alles mal anschauen.«
»Wir haben leider ein Dokument vergessen. Deshalb muss sie hierbleiben«, erklärte Miriam die Situation.
»Sagt wer?«
»Die Dame am Empfang.«
»Für mich ist das kein Problem. Sie können gerne dabei sein.«
Die Freundinnen folgten ihm. In seinem Zimmer legte Miriam alles auf dem Tisch zurecht, was sie für ihr Interview benötigte. Pia nahm auf der kleinen Couch Platz. Dann begann Miriam, ihre Fragen zu stellen. Pia hatte Stefan Bachmann noch nie vorher gesehen. Auf der Hinfahrt erfuhr sie von Miriam, dass er als Sportjournalist in der ganzen Welt unterwegs war und für diverse Zeitungen Berichte und Artikel schrieb. Ab und an sah man ihn wohl auch im Fernsehen. Pia konnte nicht genau sagen, was es war, aber die Art, wie er sprach, und sein Lachen, gefielen ihr. Sie wehrte sich etwas gegen ihr Empfinden, da er wesentlich älter war als sie. Doch je länger sie dort saß, desto genauer konnte sie ihn beobachten. Er war groß und schlank, hatte bereits überwiegend graue Haare und seine blauen Augen blitzten, wenn er lächelte. Einmal trafen sich ihre Blicke, doch Pia sah schnell wieder weg.
Dann war Miriam mit ihrer Befragung fertig. Sie knipste noch ein paar Fotos von ihrem Gesprächspartner, tauschte mit ihm die Visitenkarte und verabschiedete sich. Danach ging er zu Pia.
»Ich hoffe, es war Ihnen nicht zu langweilig.«
»Nein, überhaupt nicht. Ich habe wieder etwas dazugelernt«, sagte sie und fühlte sich nicht wohl dabei, ihn angelogen zu haben.
»Schön.« Erneut strahlten seine Augen. »Dann machen Sie es gut.«
Herr Bachmann begleitete die Frauen zur Tür, wo er Pia noch einmal zuzwinkerte.
Als sie auf den Fahrstuhl warteten, kreisten Pias Gedanken um ihn.
»Ist alles okay?«, fragte Miriam.
»Ja, alles okay. Der war ganz nett, oder? Und gutaussehend.«
»Jetzt sag nicht, dass er dir gefallen hat.«
»Wieso denn nicht?«
»Weißt du, wie alt der ist?«
Pia schüttelte den Kopf.
»Siebenundvierzig. Macht einen Altersunterschied von zweiundzwanzig Jahren. Er könnte also theoretisch dein Vater sein.«
»Ich wollte ihn ja auch nicht gleich heiraten.«
»Allein der Anflug einer Schwärmerei ist sträflich. Das ist ein totaler Aufreißer und für meinen Geschmack etwas zu selbstherrlich. Ich habe mich ein bisschen über ihn im Internet erkundigt. Der ist kein Kind von Traurigkeit.«
»Wer weiß, woher die Quellen stammen. Das kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen. Ich fand ihn sympathisch.«
Miriam zuckte mit den Schultern.
Wenig später stiegen sie ins Auto. Während der Fahrt schaute sich Pia die Bilder in der Digitalkamera an. Eine ganze Weile sah sie auf die Fotos und bekam daher auch nicht mit, dass Miriam die Augen verdrehte.
»Soll ich sie dir vielleicht vergrößern und ausdrucken?«, fragte sie spöttisch.
Pia blickte kurz auf und schaltete die Kamera dann aus. »Schon gut. Ich will ja gar nichts von ihm.«
»Das will ich hoffen.«
Dass sie Stefan jedoch nicht so leicht vergessen konnte, merkte Pia bereits am nächsten Morgen. Die letzte Nacht hatte sie von ihm geträumt und nun lag sie im Bett und fasste sich selbst an den Kopf. Was ist los mit dir, Pia Sieder? Der Mann ist alt, garantiert glücklich verheiratet und hat bestimmt tolle Kinder. Sie fühlte einen kurzen Stich in ihrem Magen. Endlich gefiel ihr mal jemand und dann musste sie sofort feststellen, dass sie sowieso keine Chance hatte. Deswegen beschloss Pia endgültig, nicht mehr an Stefan zu denken. Um sich abzulenken, ging sie am Nachmittag mit Hanna zu einem Handballturnier. Hannas jüngere Schwester Nele spielte ebenfalls im Verein. Sie hatte die beiden gefragt, ob sie nicht vorbeikommen könnten, denn es war ihr erstes wichtiges Match. Pia musste anerkennend feststellen, dass beide Teams wirklich etwas draufhatten und am Ende gewann tatsächlich Neles Mannschaft. Der Jubel war grenzenlos. In diesem Augenblick erinnerte sich Pia an ihren ersten Sieg. Sie spielte jetzt seit elf Jahren Handball und es machte ihr noch immer Spaß.
Auf dem Rückweg vom Turnier fuhr sie bei Miriam vorbei.
»Hey, was gibt’s? Komm rein«, begrüßte sie Pia und war auch schon wieder im Wohnzimmer verschwunden, wo sie eine kleine Arbeitsecke eingerichtet hatte. Sie saß wie immer am Laptop.
»Ich wollte gar nicht lange bleiben, sondern nur mal schauen, was du so machst.«
»Ich habe den ganzen Tag an dem Interview mit Stefan Bachmann gefeilt. Du könntest mir übrigens kurz helfen. Ich kann mich nicht entscheiden, welches Foto ich nehme. Was meinst du?« Sie hielt die Aufnahmen hoch. »Links oder rechts?«
Damit war Pias Vorsatz, Stefan zu vergessen, gescheitert. Beide Bilder gefielen ihr. Der einzige Unterschied war, dass er auf dem einen ein wenig mehr lächelte als auf dem anderen.
»Ich würde das Freundlichere nehmen.«
»Gut, wenn du das sagst, vertraue ich dir.«
»Was machst du jetzt mit den Ausdrucken?«
Miriam zeigte auf den Aktenvernichter.
»Könnte ich die vielleicht bekommen?«, fragte Pia vorsichtig.
Ihre Freundin hob eine Augenbraue und drückte ihr die Fotos in die Hand. »Ich frage jetzt nicht, was du damit willst.«
»Nichts Besonderes. Ich finde sie nur zu schade zum Wegwerfen.«
»Na dann.« Miriam wandte sich wieder dem Laptop zu. »Ich werde deinem Schwarm jetzt das Interview zum Probelesen per Mail übersenden und hoffe, dass er nichts daran auszusetzen hat.«
»Du schreibst ihm?«
»Er muss vor der Veröffentlichung zustimmen. Ich bin gespannt. Hast du Lust auf einen Cappuccino?«
»Ich wollte zwar nicht lange stören, aber wenn du so fragst.«
»Gut, irgendwo habe ich auch noch Kekse.«
Die beiden saßen in der Küche und plauderten eine ganze Weile, bis plötzlich Miriams Handy im Wohnzimmer klingelte.
»Warte mal, bin gleich wieder da.«
Während Miriam telefonierte, räumte Pia das Geschirr zusammen und stellte es in die Spülmaschine. In diesem Augenblick kam Miriam zurück und reichte ihr das Smartphone.
»Für dich. Stefan Bachmann.«
Pia tippte sich an die Stirn. »Veralbern kann ich mich allein.«
»Das ist kein Scherz«, verteidigte sich Miriam. »Nun geh ran.«
Pia konnte es im ersten Moment nicht recht realisieren. Prompt schlug ihr das Herz bis zum Hals. Was sollte sie sagen? Zaghaft nahm sie das Handy entgegen und ging in den Flur. Sie wollte nicht, dass Miriam das Gespräch mitbekam.
»Hallo Herr Bachmann«, meldete sie sich ein wenig schüchtern.
»Grüß dich, Pia. Sag bitte Stefan zu mir. Ich habe gehört, dass du auch gerade da bist und dachte, dass wir kurz ein paar Worte wechseln könnten. Natürlich nur, wenn du magst.«
Seine sanfte, ruhige Stimme ließ sie entspannter werden, aber sie merkte, dass ihre Gesichtsröte noch immer nicht gewichen war.
»Sehr gerne«, antwortete sie schließlich.
Stefan wollte von ihr wissen, wie es ihr geht und was sie an dem Wochenende noch unternommen hatte. Er erzählte ihr kurz von seinem abwechslungsreichen Job und Pia erfuhr im weiteren Verlauf des Telefonates, dass er schon morgen wieder beruflich unterwegs sein würde. Sie hätte ihm noch ewig zugehört, aber er hatte nicht viel länger Zeit. Stefan gab ihr jedoch seine private E-Mail-Adresse und bekam im Gegenzug Gleiches von ihr.
»Also Pia, dann wünsche ich euch noch einen schönen Abend und vielleicht lesen wir mal voneinander.«
»Ich hätte nichts dagegen. Dir auch einen schönen Abend.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, ging sie zu Miriam, die auf dem Sofa lag und sich die Nachrichten ansah.
»Und, war es schön?«
»Es war sehr nett.«
»Ja, er weiß sich zu verkaufen. Mit dem Interview ist er übrigens einverstanden.«
»Hast du ihm gesagt, dass ich hier bin?«
»Nein, er hat sich nach dir erkundigt.«
Miriam maß dem offensichtlich keine große Bedeutung bei, aber Pia freute es, dass Stefan nach ihr gefragt hatte.
Es vergingen ein paar Tage und Pia musste oft an das Gespräch mit ihm denken. Eigentlich hatte sie sich geschworen, ihn zu vergessen, aber das war ihr, auch aufgrund des Telefonates, nicht gelungen.
Während sie mit dem Fahrrad nach der Arbeit nach Hause fuhr, entschied sich Pia dazu, Stefan eine Mail zu schicken. Sie formulierte bereits gedanklich den Inhalt und schrieb alles abends am Computer nieder. Dabei nutzte sie die Gelegenheit, ihm zu erzählen, welchen Beruf sie tatsächlich ausübte und dass sie eben keine Praktikantin bei einer Zeitung war, sondern in einer Anwaltskanzlei arbeitete.
Als sie nach drei Tagen noch immer keine Antwort von Stefan erhalten hatte, vermutete sie, dass er sich vielleicht von der Praktikanten-Lüge hintergangen fühlte und möglicherweise dachte er jetzt zurecht, sie sei kindisch und unreif. Doch dann endlich, eine Woche später, erhielt sie die ersehnte Nachricht:
Hallo Pia,
es tut mir leid, dass ich erst jetzt schreibe. Ich bin urlaubsbedingt nicht eher dazu gekommen.
Vielleicht klingt das jetzt merkwürdig, aber ich habe in den letzten beiden Wochen oft an dich gedacht und deshalb würde ich dich gerne wiedersehen. Ich möchte dich einfach näher kennenlernen und hoffe, dass das auch auf Gegenseitigkeit beruht.
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