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Nach seinem lebensgefährlichen Schuss auf FBI-Profilerin Libby Whitman läuft die Fahndung nach dem flüchtigen Vincent Howard Bailey auf Hochtouren. Vergebens, denn als die brutal zugerichtete Leiche einer vermissten Frau auftaucht, wird klar: Bailey ist auf dem besten Wege, ein Serienmörder zu werden. Zeitgleich bittet die Polizei das FBI um Hilfe, als in einer Kleinstadt in Virginia die skelettierte Leiche eines Mädchens in einer Hauswand gefunden wird. Das Skelett des Teenagers weist Spuren jahrelanger Misshandlungen auf – und es scheint keine Vermisstenanzeige zu dem Fall zu passen. Als Bailey erste Drohungen gegen Libby richtet, zögert Profiler-Chef Nick Dormer nicht länger und lässt Bailey auf die Most Wanted List des FBI setzen. Doch Bailey hat sein nächstes Opfer längst in seiner Gewalt – und schmiedet einen perfiden Plan ...
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Dania Dicken
Wo Tod statt Liebe wartet
Libby Whitman 6
Thriller
Mit den Kindern muss man zart und freundlich verkehren.
Das Familienleben ist das beste Band.
Kinder sind unsere besten Richter.
Otto von Bismarck
Prolog
Noch mal würde er nicht scheitern, so viel stand fest. Das würde nicht wieder passieren. Dabei hatte er es jetzt nicht mehr bloß mit einem Cop und einer FBI-Agentin zu tun – jetzt waren da noch zwei zusätzliche Cops.
Er hatte es in Gedanken ungefähr eine Million Mal durchgespielt. Die Überraschung war auf seiner Seite, aber er musste schnell sein. Erst die Cops – zielen, schießen, fertig. Der Schalldämpfer würde helfen.
Und dann musste er irgendwie ins Haus kommen. Möglichst leise und unbemerkt. Er wusste nicht, ob er das schaffte, aber zum Glück musste ja niemand außer ihr am Leben bleiben.
Das klappte schon. Er war damals erfolgreich aus Randalls Haus getürmt, obwohl es dort vor FBI nur so gewimmelt hatte. Dann würde er das hier auch schaffen.
Er musste. Alles in ihm verlangte danach. Allein die Vorstellung …
Vincent atmete tief durch. Ja, er würde das schaffen. Er würde sich seinen Weg frei schießen und dann würde er sie kriegen. Er würde sie mitnehmen und ihr zeigen, wie die Hölle von innen aussah. Beim bloßen Gedanken daran beschleunigte sich sein Puls und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Er erinnerte sich noch an ihr Parfüm …
Für einen kurzen Moment schloss er die Augen und sammelte sich, bevor er nach der Waffe griff und die Fahrertür öffnete. Entschlossen stieg er aus und ging auf den Streifenwagen zu.
Freitag, 21. Mai
Ein Piepen. Stimmen. Etwas rauschte leise. Eine der Stimmen, die sie hörte, klang vertraut. Libby wollte die Augen öffnen, aber sie konnte nicht. Ihr fehlte die Kraft. Dann versank wieder alles in Stille und Dunkelheit.
Ein heftiger Schmerz flammte auf und sie stöhnte. Sie wollte etwas sagen, aber sie konnte nicht. Sofort schoss ihr das Adrenalin ins Blut und sie hob die Hand, wollte nach dem Fremdkörper in ihrem Mund tasten, der verhinderte, dass sie sprechen konnte. Nur mit Mühe gelang es ihr, die Augen zu öffnen, während jemand nach ihrer Hand griff. Sie sah Owen vor sich.
„Es ist alles gut, ich bin bei dir“, sagte er. „Du bist im Krankenhaus, sie haben dich intubiert. Warte kurz, ich gebe einer Schwester Bescheid.“
Libby wimmerte leise. Tränen vernebelten ihr die Sicht, während sie Owens Hand fest umklammert hielt. Besorgt und fragend zugleich sah er sie an und verstand. „Hast du Schmerzen?“
Libby nickte. Mit beiden Händen drückte Owen ihre und lächelte. „Ich hole eben jemanden. Sieh mal, wer da ist.“
Er stand auf und gab den Blick frei auf eine Gestalt, die Libby zuvor noch gar nicht bemerkt hatte. Es war Sadie. Während Owen aus ihrem Blickfeld verschwand, kam Sadie näher. Ihre Miene war versteinert, ihr Blick voller Sorge. In ihren Augen standen Tränen, sie wirkte furchtbar müde.
„Hey.“ Sie setzte sich neben Libby und nahm ihre Hand. „Wir sind auch da. Sieh mal, da sind Matt und Hayley.“
Libbys Blick wanderte an Sadie vorbei und streifte erst Hayley, dann wanderte er weiter nach oben und blieb an Matt hängen. Hayley sah traurig aus und Matt wirkte ziemlich übernächtigt, aber er lächelte.
„Du machst ja Sachen“, sagte er. Libby tastete mit der linken Hand nach dem Tubus in ihrem Mund. Es fühlte sich an, als hätte man sie geknebelt. Sie wollte ihn am liebsten sofort herausreißen, aber da erschien Owen mit einer Schwester, die zuerst nach einem Tropf neben dem Bett schaute und etwas nachregelte, bevor sie sich über Libby beugte und sie mit einem Lächeln begrüßte.
„Schön, dass Sie wieder bei uns sind. Der Arzt ist unterwegs, um den Tubus zu entfernen. Aufgrund Ihrer Verletzungen ist das nicht ganz einfach.“
Libby verstand gar nichts. Verletzungen? Sie war im Krankenhaus? Welcher Tag war es überhaupt?
Augenblicke später erschien ein junger Arzt und begrüßte sie ebenfalls sehr höflich. Er bat die anderen, zur Seite zu treten, und nahm Libby genau in Augenschein.
„Ich werde jetzt den Tubus entfernen, was sich sehr unangenehm anfühlen wird. Ich muss Sie trotzdem bitten, absolut still zu halten, damit wir Ihre Halsverletzungen nicht in Mitleidenschaft ziehen. Ist das in Ordnung für Sie? Ich bin so vorsichtig, wie ich kann.“
Libby nickte und schloss die Augen, während der Arzt sich an den Pflastern in ihrem Gesicht zu schaffen machte. Dann zog er an dem Schlauch, der bis in ihren Hals reichte und Libby spürte ein widerliches, reibendes Gefühl, das sich fast wie ein Kitzeln anfühlte. Sie begann zu würgen, während der Arzt ganz vorsichtig den Schlauch Stück für Stück herauszog. Sie versuchte, sich dabei nicht zu bewegen, was ihr höllisch schwerfiel, und ihr kamen die Tränen, aber dann war es geschafft und sie schnappte befreit nach Luft. Der Arzt lächelte ihr ermutigend zu.
„Ich bin Dr. Robinson und Sie befinden sich im Krankenhaus in Alexandria. Wissen Sie, warum Sie hier sind?“
Libby überlegte, aber sie hatte keine Ahnung, deshalb schüttelte sie den Kopf.
„Gestern wurde vor Ihrem Haus auf Sie geschossen. Das Projektil hat Ihren Hals getroffen und ist ungefähr hier eingetreten.“ Er zeigte es bei sich selbst und deutete auf einen Bereich unterhalb des Kehlkopfes. „Es hat Ihre Schilddrüse verletzt und die Luftröhre perforiert, bevor es die Jugularisvene getroffen hat und dann in der Halsmuskulatur stecken geblieben ist.“ Dr. Robinson versuchte, ihr mit seinen Händen an sich selbst zu demonstrieren, was passiert war.
„So weit man das sagen kann, hatten Sie verdammt viel Glück, Agent Whitman. Wir mussten zwar einen großen Teil Ihrer Schilddrüse entfernen, was vermutlich bedeuten wird, dass sie lebenslang auf Medikamente angewiesen sein werden. Das ist allerdings das kleinere Übel verglichen mit dem, was das Projektil weiter oben hätte anrichten können. Ihre Stimmbänder wurden zum Glück nicht in Mitleidenschaft gezogen, aber wir hatten hier schon Schussverletzungen, nach denen die Betroffenen nicht mehr sprechen konnten.“
Ungläubig starrte Libby ihn an, doch während er sprach, kehrte die Erinnerung zurück. Ihr fiel ein, wie das Projektil sie getroffen hatte. Sie wusste auch wieder, wer auf sie geschossen hatte – Vincent Howard Bailey.
Dr. Robinson sah sie immer noch freundlich an. „Wir haben Ihre Luftröhre geflickt, was das kleinere Problem war. Das größte Problem war der Blutverlust aufgrund der durchstoßenen Vene. Sie ist nun wieder intakt und das dürfte relativ komplikationslos heilen, aber sie hatten wirklich Glück, dass das Projektil genau an der Stelle stecken geblieben ist. Es hat die zerfetzte Vene sozusagen mit zugedrückt, so dass sich der Blutverlust in Grenzen gehalten hat – und zum Glück war es die Vene und nicht die Arterie, denn möglicherweise hätten Sie es sonst nicht mehr ins Krankenhaus geschafft.“
Libby wusste nicht, was sie denken und ob sie ihm für seine Offenheit dankbar sein sollte. Eigentlich war sie immer für Ehrlichkeit, aber das traf sie gerade.
„Ihr Verlobter war zur Stelle und hat gleich richtig gehandelt, indem er Druck auf die Wunde ausgeübt hat, um den Blutverlust zu begrenzen. Der Krankenwagen war nach drei Minuten da und sie waren nach zwölf Minuten im Krankenhaus. Der Blutverlust hielt sich mit zwei Litern gerade noch im Rahmen. Das alles wird komplikationslos verheilen, denke ich, und Sie werden nichts zurückbehalten außer einer Schilddrüsenunterfunktion.“
Libby schluckte und tastete instinktiv mit der Hand nach ihrem Hals, fühlte aber nichts außer Pflastern und Verbänden.
„Danke“, sagte sie. Ihre Stimme klang trotzdem verdammt heiser.
„Wenn Sie mal in Ihrem Gesicht fühlen – da ist noch ein kleiner Schlauch, den wir durch Ihre Nase geführt haben. Er reicht bis in den Magen. Aufgrund Ihrer Verletzungen werden Sie ein paar Tage lang nicht auf normalem Wege essen oder trinken können, das machen wir alles per Magensonde. Wenn die Wunden erst mal ausreichend abgeheilt sind, kommt das natürlich wieder weg.“
Das war ein weiterer Schock. Libby hatte den Schlauch noch gar nicht bemerkt, doch als sie jetzt danach tastete, fand sie ihn sofort.
„Aber das bleibt nicht lang?“, fragte sie zaghaft.
„Nein, wir dürfen gerade nur keine Infektion Ihrer Verletzungen riskieren. Seien Sie unbesorgt, bis zu Ihrer Hochzeit sind Sie wieder auf den Beinen.“
Hochzeit? Libby fühlte sich, als wäre sie aus einem hundertjährigen Schlaf erwacht. Richtig, sie wollte heiraten. Sie war von der Anprobe ihres Hochzeitskleides gekommen, als Bailey ihr aufgelauert und auf sie geschossen hatte. Und irgendwie waren Sadie, Matt und Hayley schon hier.
„Welcher Tag ist heute?“, fragte sie.
„Freitag. Der Schuss auf Sie ist jetzt vierzehn Stunden her.“
Vierzehn Stunden. Libby fühlte sich eher, als wären es vierzehn Tage.
„Haben Sie noch Fragen?“, erkundigte Dr. Robinson sich.
Sie schüttelte den Kopf. „Im Moment nicht … Danke, Doktor.“
„Geben Sie uns Bescheid, wenn Sie was brauchen. Sind Sie schmerzfrei?“
„Es wird besser.“
„In Ordnung. Ich sehe später noch mal nach Ihnen.“
Libby nickte und sah ihm hinterher, während er mit der Schwester hinaus ging. Allmählich kam sie wieder zu sich, fühlte sich nicht mehr so benebelt. Um ihr Bett herum standen Owen und ihre Familie und musterten sie besorgt.
„Dass ihr schon hier seid“, sagte Libby zu Sadie.
„Owen hat uns angerufen, während du operiert wurdest. Wir haben alles stehen und liegen gelassen und mit viel Glück noch Plätze in einer Abendmaschine von San Francisco zum Ronald Reagan Airport bekommen. Wir sind erst vor anderthalb Stunden gelandet.“
„Und du bist auch hier“, richtete Libby sich an Hayley.
„Ich geh doch nicht in die Schule, wenn es dir schlecht geht!“, tat Hayley entschlossen kund. „Außerdem ist heute Freitag und am Montag ist Memorial Day.“
Libby lächelte. „Du bist ein Schatz, Hayley.“
Plötzlich wurde das Mädchen erns, in ihren Augen bemerkte Libby Tränen. „Ich hatte solche Angst um dich.“
„Du hast den Arzt gehört. Ich komme wieder auf die Beine.“
„Ja, aber … wenn Owen nicht da gewesen wäre …“
„Ich war aber da“, sagte Owen, auch wenn seinem Gesichtsausdruck zu entnehmen war, dass auch bei ihm der Schock verdammt tief saß.
„Wo ist Bailey?“, fragte Libby. „Habt ihr ihn erwischt?“
Mit gesenktem Blick knurrte Owen: „Leider nicht. In dem Moment, als du zu Boden gegangen bist, musste ich mich entscheiden, was ich tue. Da war schon alles voller Blut. Bailey hat mein Zögern bemerkt und ist sofort abgehauen, weil ich wusste, ich muss zu dir, wenn ich nicht will, dass du verblutest. Für mich hat er sich überhaupt nicht interessiert, er ist einfach bloß gerannt. Ich habe zwar sofort Verstärkung von der örtlichen Polizei angefordert, aber bis die dort waren, war er schon über alle Berge. Ich habe keine Ahnung, wo er hin ist. Ich musste ihn laufen lassen, sonst wärst du jetzt tot.“
Libby lächelte versöhnlich. „Ich weiß. Du hast alles richtig gemacht.“
„Ich frage mich bloß immer, ob er überhaupt auf dich geschossen hätte, wenn ich in dem Moment nicht aufgetaucht wäre.“
„Er hätte“, sagte Libby überzeugt. „Oder er hätte etwas anderes getan. Es war gut, dass du gekommen bist.“
„Ich darf gar nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn …“
„Dann lass es“, unterbrach Libby ihn und drückte seine Hand. „Ich hätte sterben können, aber ich bin noch hier und das verdanke ich dir. Jetzt ist alles, was ich zurückbehalte, eine kaputte Schilddrüse. Damit komme ich klar.“
„Ich wünschte, ich hätte ihn erschossen. Ich hätte es tun können, aber …“ Owen schüttelte den Kopf. „Ich hatte keine Zeit. Ich musste dich retten.“
„Sie kriegen ihn schon.“
„Das wird auch Zeit.“ Sichtlich unglücklich blickte Owen zu Matt. „Ich hatte es deinem Dad versprochen.“
Matt legte eine Hand auf Owens Schulter und lächelte, ohne etwas zu sagen, aber Owen verstand ihn auch so.
„Bin ich nicht mehr auf der Intensivstation?“, fragte Libby.
„Nein, sie haben dich vor zwei Stunden auf die Intermediate Care verlegt. Da bin ich ihnen ein bisschen auf die Nerven gegangen, weil ich ja wusste, dass deine Familie kommt und in die Intensivstation hätten wir nicht alle hineingedurft“, erklärte Owen.
„Warst du die ganze Nacht hier?“
Er sah sie an, als hätte er fragen wollen: Meinst du das ernst? Aber seine Augenringe sprachen ohnehin Bände.
„Ich habe übrigens Nick gestern Abend noch angerufen. Er weiß schon, was passiert ist und dass Bailey dahintersteckt. Er bat mich, ihn auf dem Laufenden zu halten, deshalb werde ich gleich wieder mit ihm sprechen.“
Libby nickte. „Danke … Ich liebe dich, Owen. Danke, dass du für mich da warst.“
„Na ja …“ Er stand auf und deutete auf seine Hose und sein Hemd. Beides war noch voller Blut.
„Liebe Güte, fahr nach Hause und zieh dich um“, sagte Libby.
„Ich musste doch hierbleiben.“
„Ja, aber jetzt ist meine Familie doch da.“
„Wenn du meinst … Ich brauche erst mal ein Taxi, ich bin gestern im Krankenwagen mitgefahren.“
„Mach das ruhig. Ich bin ja nicht allein.“ Libby lächelte und so konnte Owen sich schließlich dazu durchringen, das Krankenhaus vorübergehend zu verlassen, um die blutige Kleidung loszuwerden. Libby atmete tief durch, als er weg war, und ihre Familie scharte sich dichter ums Bett.
„Es ist so toll von euch, dass ihr hergekommen seid“, sagte Libby.
„Jetzt hör aber auf. Als Owen angerufen hat, war gar nicht klar, wie es um dich steht. Wir sind wirklich sofort los“, sagte Sadie.
„Tut mir leid, dass ich euch solche Sorgen bereite …“
„Das gehört nun mal dazu. Wichtig ist, dass du jetzt wieder gesund wirst und ich glaube auch, dass du großes Glück hattest.“
„Ich mag deinen Job nicht“, tat Hayley kund.
„Nicht doch. Das wird wieder“, sagte Libby.
Hayley machte trotzdem ein unglückliches Gesicht und tat mürrisch kund, dass sie Hunger hatte. Matt bot an, mit ihr in die Cafeteria zu gehen, womit sie sofort einverstanden war. Lächelnd blickte Sadie den beiden hinterher, bevor sie sich wieder Libby zuwandte. Ihr Gesicht war voller Sorge.
„Warum hat Bailey das gemacht?“, fragte sie. „Wollte er dich wirklich umbringen?“
Libby nickte. „Wahrscheinlich, weil ich seinen Cousin getötet habe. Er hat es nicht gesagt. Wir haben noch über Mary Jane gesprochen, als Owen plötzlich dazu stieß. Das hat ihn auf die Idee gebracht, mich vor Owens Augen zu erschießen.“
„Aber er hatte es persönlich auf dich abgesehen.“
„Ja … ich weiß nicht“, sagte Libby und überlegte angestrengt. „Er wollte wissen, wo Mary Jane ist. Er wollte sie wirklich zurück, glaube ich. Aber er hat ja schon eine Frau entführt … und ich glaube, sie ist tot. Ich habe ihn auf sie angesprochen und er hat gelacht. Er meinte, sie wäre nicht mehr in seinem Versteck.“
„Er hätte jeden deiner Kollegen bedrohen können. Warum dich? Hat er das gesagt?“
Libby stutzte. „Hast du einen Verdacht?“
„Ich mache mir nur Sorgen. Nicht, dass er noch mal wiederkommt …“
Libby überlegte krampfhaft. Worüber hatten sie gesprochen? Über Randall und über Mary Jane. Und darüber, dass er da weitermachte, wo er mit Randall aufgehört hatte. Sie hatte Vanessas Namen genannt und er hatte gelacht. Er hatte sie ganz bestimmt getötet.
„Keine Ahnung“, sagte Libby kopfschüttelnd. „Denkst du, er hat mich jetzt im Auge?“
„Ich weiß es nicht, aber ich habe das schon erlebt, das weißt du. Bitte sei vorsichtig, solange er noch auf freiem Fuß ist, ja? Dass er dir zu Hause aufgelauert hat, macht mir Angst.“
Libby erwiderte nichts. Sadies Sorge beunruhigte sie, denn sie hatte es noch nie erlebt, dass Sadie bei so etwas mit ihrem Instinkt falschgelegen hatte.
Zwischendurch sah die Schwester immer wieder nach Libby und erkundigte sich, ob sie etwas brauchte. Aber Libby hatte keine Schmerzen mehr, sie hatte nicht einmal Hunger. Sie wusste nicht, wie es ihr ging.
Alles fühlte sich surreal an. Nur langsam kehrte die Erinnerung an den vorigen Tag zurück – die Arbeit, die Vermisstenfälle, die Anprobe ihres Brautkleides. Sie erinnerte sich auch an die Begegnung mit Vincent Howard Bailey und daran, wie er auf sie geschossen hatte. Wie überall nur noch Blut war und sie fast keine Luft mehr bekommen hatte. Alles war so schnell gegangen, sie hatte nicht einmal Angst gehabt, bevor sie das Bewusstsein verloren hatte.
Und jetzt lag sie im Krankenhaus, musste künstlich ernährt werden und konnte froh sein, dass sie noch lebte. Dass ihre Familie dort war, ließ alles noch viel surrealer wirken, denn sie kamen von so weit her.
Sie war so dankbar dafür, dass ihre Eltern und ihre Schwester jetzt dort waren. Hayleys sonniges Gemüt sorgte für Wärme im Krankenzimmer und Libby fühlte sich geerdet, wenn sie Sadie nur ansah. Sie wusste gar nicht, wie sie es beschreiben sollte, aber Sadie ruhte immer in sich selbst und das färbte auch auf sie ab.
Sie wäre fast gestorben. Die Erkenntnis sickerte nur langsam durch. Ja, sie machte einen gefährlichen Job – aber sie hätte nie mit dem gerechnet, was am Vortag passiert war. Wenn sie zu Owen blickte, sah sie deutlich, dass ihm das tief in den Knochen saß.
Er war nach Hause gefahren, hatte sich geduscht und umgezogen und die Wohnung so hergerichtet, dass auch Libbys Familie dort Platz hatte. Es rührte Libby, dass die Menschen, die sie liebte, gekommen waren, um ihr beizustehen. Zu Hause hatte Owen mit Nick telefoniert, der angekündigt hatte, sehr bald vorbeizuschauen. Das alles hatte er in unter zwei Stunden vollbracht.
Als Libby aufstehen und zur Toilette gehen wollte, rief sie die Schwester herbei, die ihr anbot, eine andere Lösung zu finden, aber Libby bestand darauf. Die Schwester und Owen halfen ihr dabei, sich langsam zu setzen. Auf der Bettkante hockend wartete Libby darauf, dass sich ihr Blutdruck normalisierte, und stand schließlich auf. Der Infusionsständer war eine großartige Stütze und auf der anderen Seite hielt Owen sie. Gemeinsam mit der Schwester brachte er sie ins Bad, dann bat Libby darum, den Rest allein zu machen.
Es war ein Kraftakt, aber sie hatte mit nichts anderem gerechnet. Der Blutverlust war heftig gewesen und sie fühlte sich noch benebelt von den vielen Medikamenten.
Bis zur Hochzeit war sie wieder auf den Beinen … Gerade stand ihr nach nichts weniger der Sinn als nach Heiraten, aber zum Glück hatte sie ja noch ein paar Wochen Zeit.
Im Bad kam sie allein zurecht, war aber sehr dankbar für den Infusionsständer. Als sie schließlich am Waschbecken stand, um sich die Hände zu waschen, erschrak sie beim Anblick ihres eigenen Spiegelbildes.
Sie sah den Schlauch, der in ihre Nase führte, ihr Hals war dick bandagiert. Im Flügelhemd sah sie noch kränker aus, sie war erschreckend blass, ihre Augen schwarz umrändert.
Sie wandte sich ab, öffnete die Tür und bat Owen darum, ihr die Kleidungsstücke zu bringen, die er von zu Hause geholt hatte. Er wühlte ein wenig im Schrank herum und kam schließlich mit einem T-Shirt und einer Jogginghose.
„Hilfst du mir?“, bat Libby. „Mal sehen, wie ich das T-Shirt anziehen soll, wenn ich am Tropf hänge …“
„Willst du das nicht später machen? Ich kann auch die Schwester rufen.“
Libby schüttelte den Kopf. „Nein, wir kriegen das hin. Ich muss aus diesem Krankenhemd raus. Das hilft nicht gerade beim Gesundwerden.“
Owen nickte verstehend und half Libby nach Kräften. Sie hatte mehrmals fast das Gefühl, ohnmächtig zu werden, aber schließlich hatte sie es geschafft und fiel Owen dankbar um den Hals. Er erwiderte ihre Umarmung erst zaghaft, dann entschlossener. Als sie glaubte, ein Zittern bei ihm zu spüren, sah sie ihn fragend an. Er hatte das Gesicht an ihrem Nacken vergraben und als er ihren Blick allmählich erwiderte, entdeckte sie Tränen in seinen Augen.
„Ich dachte, ich verliere dich. Was hat Dr. Robinson gesagt, 12 Minuten? Das waren die längsten 12 Minuten meines Lebens. Ich habe nichts anderes getan, als die Wunde mit meinem Finger zuzudrücken, bis die Sanitäter da waren. Ich wollte Bailey wirklich nicht entkommen lassen, aber ich konnte doch nicht dein Leben riskieren.“ Owen atmete tief durch.
„Du hast mich gerettet. Das war richtig. Ich bin dir so dankbar.“
„Ich liebe dich! Ich werde verrückt bei dem Gedanken, was hätte passieren können.“
„Hoffentlich klicken bei Bailey bald die Handschellen“, grollte Libby. Owen nickte bloß und half ihr dabei, ins Bett zurückzukehren. Als kurz darauf die Schwester erschien, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen angesichts der Anstrengung, die Libby hinter sich gebracht hatte.
Sadie, Matt und Owen überlegten gerade, ob sie etwas essen gehen sollten, als es an der Tür klopfte und Nick Dormer und Jesse Brooks hereinkamen. Während Jesse zögerlich stehenblieb, ging Nick auf die anderen zu und machte erst vor Libby Halt. Sie setzte sich aufrecht und er umarmte sie.
„Wie geht es dir?“, fragte er.
„Ich lebe noch“, erwiderte sie sarkastisch. Er grinste schief, dann umarmte er erst Owen und begrüßte schließlich Sadie, Matt und Hayley. Jesse hatte sich schon mit ihnen bekannt gemacht.
„Wir wären früher gekommen, aber Bailey beschäftigt uns an allen Fronten“, sagte Nick entschuldigend. „Ausgerechnet gestern wurde in Pennsylvania eine Frauenleiche entdeckt – Vanessa Nolan. Wir haben ja einen Vermerk in ihrer Vermisstenmeldung hinterlassen, deshalb hat die Polizei von Franklin County uns heute Morgen gleich angerufen.“
„Wollt ihr nicht schon mal zum Essen gehen?“, richtete Sadie sich an Matt und ihre Tochter.
„Ja, das ist eine hervorragende Idee. Bis gleich.“ Matt verstand sofort und dirigierte seine Tochter aus dem Zimmer.
„Okay, das ist besser“, sagte Nick und wandte sich wieder Libby zu. „Ich war gestern hellauf entsetzt, als Owen mich angerufen und mir gesagt hat, was passiert ist. Das habe ich nicht kommen sehen.“
„Ich genauso wenig“, sagte Libby.
„Was ist da passiert? Glaubst du, er wollte dich töten?“
Libby nickte. „Ja, ich denke, das war seine Absicht. Ich glaube, das war ein missglückter Kopfschuss.“
Ihr entging nicht, wie Owen neben ihr zusammenzuckte. Es tat ihr leid, aber es war wichtig, dass Nick das wusste.
„Ich bin verdammt froh, dass du das überstanden hast. So wie Owen sich gestern am Telefon ausgedrückt hat, war die Situation sehr ernst.“
Libby nickte. „Der Arzt gab sich heute Morgen zuversichtlich.“
„Na immerhin. Dennoch möchte ich, dass du dir alle Zeit nimmst, die du brauchst.“
„Ich würde euch zu gern dabei helfen, diesen Bastard zu schnappen.“
„Ja, das denke ich mir, aber wir sind schon dran. Willst du wissen, was er angestellt hat?“
Libby nickte und Nick fuhr fort. „Wir hatten Vanessa Nolan ja als ein mögliches Opfer auf der Liste. So, wie sie zugerichtet wurde, liegt jede Vermutung nahe, dass Bailey tatsächlich dafür verantwortlich ist.“
Libby holte tief Luft. „Was hat er gemacht?“
Nick blickte kurz zu Sadie und Owen, bevor er weitersprach. „Sie wurde vorgestern getötet – erwürgt. Das hat er sich bei Randall Howard abgeschaut, wenn er nicht sogar damals schon an den Tötungen beteiligt war. Ihr Zustand erinnerte uns sofort an Howards Opfer.“
„Wie lang hatte er sie in seiner Gewalt?“, fragte Libby.
„Neun Tage. Sagen wir, es war kein schöner Anblick.“
„Hat er sie gefoltert?“
Dormer nickte. „Und vergewaltigt. Das war neu. Er war auf seine Art brutaler als Howard, aber er wollte sie auch nicht so lang am Leben lassen.“
„Und wo, sagtest du, wurde sie gefunden?“
„In Franklin County. Wenn man von Pennsylvania aus hierher fährt, kommt man da automatisch durch.“
„Also hat er sie getötet, ist hierher gefahren und unterwegs hat er die Leiche abgeladen.“
„Ja, das haben wir auch vermutet. Würdet ihr beiden mir denn erzählen, was gestern passiert ist? Oder am besten nur du, Owen, so weit möglich.“
„Ich habe nicht alles mitbekommen“, sagte Owen, weshalb Libby Nick zuerst einen Abriss dessen gab, was vor Owens Ankunft passiert war, und den Rest berichtete Owen. Sadie und Jesse hörten gespannt zu und Libby war froh, dass sie nicht mehr sprechen musste. Das war sehr anstrengend, auch wenn sie unter Schmerzmitteln stand.
„Warum muss es denn ausgerechnet meine Verlobte sein, Nick?“, fragte Owen schließlich. „Wie konnte er sie überhaupt finden?“
„So, wie ich Bailey einschätze, hat er unsere Ermittlungen verfolgt. Bei der ersten Pressekonferenz war Libby im Hintergrund zu sehen. Wenn er nun beim SWAT-Einsatz in Howards Haus ihren Namen aufgeschnappt hat, war er ja schon auf dem richtigen Weg.“
„Du hast dasselbe Problem wie ich. Diese Täter projizieren etwas auf uns, das ist bei mir nie anders gewesen. Wir jagen einen Mörder, der Jagd auf junge Frauen macht? Das war ich auch und das bist du jetzt genauso“, sagte Sadie. Libby überhörte nicht, wie Sadie von wir sprach.
„Was soll ich jetzt machen? Ich war da und ich konnte nicht verhindern, dass er auf sie schießt“, sagte Owen frustriert.
„Bestenfalls hat er keine Ahnung, dass der Schuss nicht tödlich war. Im Moment ist Libby hier sicher“, sagte Nick.
„Und ihr? Ihr sucht jetzt nach Bailey?“
Dormer nickte. „Wir versuchen uns gerade am geografischen Profiling und überlegen, wo er hergekommen sein könnte. In Pennsylvania ist das die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.“
„Wollen wir auch etwas essen gehen?“, schlug Sadie Owen vor, der sich ihr etwas widerstrebend anschloss. Libby wartete, bis die beiden draußen waren, dann richtete sie sich an Nick und Jesse.
„Kann ich euch irgendwie dabei helfen, Bailey zu finden?“
Die beiden Männer tauschten einen Blick, bevor Nick sagte: „Du wärst gestern fast gestorben. Du bist nicht in der Verfassung …“
Libby zog fragend eine Augenbraue hoch. „Ich stand ihm gegenüber.“
„Und das hilft?“
„Keine Ahnung. Trotzdem, ich fühle mich nur schlecht, wenn du mich schonen willst. Ja, auf mich wurde geschossen, aber mein Kopf funktioniert noch. Außerdem ist gerade niemand hier, den es nichts angeht.“
„Wenn du drauf bestehst.“ Nick zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ans Kopfende des Bettes neben Libby. Er zückte sein Handy, an dem er einige Fotos aufrief.
„Vanessas Leiche lag in einem Waldgebiet unweit eines Parkplatzes an der Interstate 81. Das ist einigen Truckern aufgefallen, die gesehen haben, wie Aasvögel in der Luft kreisten.“
Libby schüttelte sich. „Na, danke.“
Ein unwilliges Grinsen zuckte über Nicks Lippen. „Es ist wirklich grauenvoll. Das Blut klebte noch an ihren Beinen, er hat sie nicht nur vergewaltigt, sondern auch verstümmelt. Sie hatte zahllose Schnittwunden beigebracht … und hier.“ Nick hielt Libby das Handy hin und sie verstand. Es war eine Nahaufnahme von Vanessa Nolans Gesicht – ihre blauen Augen wirkten milchig, die Äderchen darin waren geplatzt. Doch das hatte Nick ihr gar nicht zeigen wollen – er wollte darauf hinaus, dass Bailey Vanessa die Lippen vernäht hatte. Entsetzt verzog Libby das Gesicht.
„Er ist so ein perverses Schwein.“
„Er hat es beibehalten. Schwer zu sagen, was seine Handschrift ist und was Howards war. Klar ist nur, dass Vincent – anders als sein Cousin – definitiv ein Sexualsadist ist.“
Libby nickte langsam. „Das sieht man deutlich.“
Nick zeigte ihr weitere Fotos. Vincent hatte Vanessa unzählige kleine Schnittverletzungen beigebracht. Das mussten höllische Qualen gewesen sein. Ihre Hand- und Fußgelenke waren von ihren Fesseln blutig wund gescheuert, auch wenn bei der Leiche keine Fesseln gefunden wurden.
„Die Obduktion läuft noch, so weit ich weiß. Keine Ahnung, was wir noch erfahren werden. In ihren Haaren wurden Blätter und Baumnadeln gefunden, die jetzt untersucht werden. Vielleicht verrät uns das etwas über den Ort, an dem Bailey sie festgehalten hat“, sagte Nick.
„Ich verstehe auf jeden Fall, warum ihr glaubt, dass er sie getötet hat.“
„Das ist zu ähnlich und es ist definitiv Täterwissen.“
„Und es gibt keine Spur von ihm?“
Nick schüttelte den Kopf. „Ich war auf dem Heimweg, als er auf dich geschossen hat. Owen hat mich später zu Hause erreicht. Ich habe mit allen zuständigen Behörden telefoniert, aber er war schon wieder untergetaucht. Darin ist er gut.“
„Das gibt’s doch einfach nicht. Wie lang suchen wir ihn schon?“
„Viel zu lang. Wir müssen ihn unbedingt stoppen, bevor das so weitergeht.“
Libby stimmte ihm zu. Als die anderen vom Mittagessen zurückkehrten, brachen Nick und Jesse wieder auf und machten sich auf den Rückweg nach Quantico. Libby bat sie darum, den Kollegen Grüße zu bestellen, und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück.
„Wir können die Hochzeit auch verschieben, wenn du willst“, sagte Owen unverhofft. Libby blinzelte irritiert.
„Wie kommst du jetzt darauf?“
„Na ja … der Doc meinte zwar, dass du wieder auf die Beine kommst, aber ich könnte verstehen, wenn es dir jetzt nicht recht ist.“
„Ich bitte dich. Sofern ich auch nur annähernd dazu in der Lage bin, machen wir das. Ich sage doch wegen Bailey nicht meine Hochzeit ab.“
„Meine Tochter“, sagte Matt mit einem stolzen Grinsen.
„Ich kenne da auch jemanden, den es gar nicht gestört hat, eine Frau mit Gipsarm zu ehelichen.“ Sadie machte ein wissendes Gesicht und vermied es, ihren Mann anzusehen.
Libby grinste. „Natürlich wird geheiratet. Das Kleid sah so toll aus gestern …“
„Gut, wenn du auch darüber nachdenken kannst“, sagte Sadie.
„Ich würde am liebsten meinen Kollegen dabei helfen, ihn zu jagen, aber das geht schlecht.“ Es gefiel Libby nicht, aber sie konnte es nicht ändern. Vor ihr lag jetzt erst mal ein anstrengender Weg.
Donnerstag, 27. Mai
Schon am nächsten Tag hatte man Libby auf die normale Station verlegt, wo sie Besuch von ihren anderen Kollegen bekommen hatte. Sie hatte auch mit Julie telefoniert, die unbedingt kommen wollte, aber Libby hatte sie darum gebeten, das erst zu tun, wenn sie nicht mehr im Krankenhaus war. Sie hätte sich ohnehin kaum Zeit für ihre beste Freundin nehmen können und wollte nicht, dass Julie die Anreise aus New York auf sich nahm, nur um dann neben den anderen Besuchern am Krankenbett zu sitzen.
Montags hatte der Arzt die Magensonde entfernt, wofür Libby mehr als dankbar war. Am späten Nachmittag waren Matt und Hayley zum Flughafen gefahren, denn am nächsten Tag musste Hayley wieder zur Schule und Matt wurde für einen Fotoauftrag in San Francisco erwartet. Sadie hingegen hatte den Wunsch geäußert, noch ein wenig zu bleiben, denn sie hatte gerade vorlesungsfreie Zeit und wollte ihrer Tochter noch ein wenig Beistand leisten, zumal Owen dienstags wieder zur Arbeit musste. Eigentlich wollte er nicht, aber Libby bestand darauf, dass er seinen wertvollen Urlaub nicht opferte, um bei ihr Händchen zu halten.
Das Essen funktionierte nach dem Entfernen der Magensonde überraschend gut, solange sie sich auf weiche Nahrung beschränkte. Libby betrachtete das mit gemischten Gefühlen, allerdings heilten die Verletzungen sehr gut ab, so dass sie dem Arzt pausenlos in den Ohren lag, wann sie entlassen werden konnte. Mittwochs bei der Visite strich er die Segel und gab grünes Licht für eine Entlassung am Donnerstag unter der Auflage strenger Ruhe und auch nur, weil Sadie sich die ganze Zeit über um sie kümmern konnte.
Am Donnerstag zur Mittagszeit hatte Libby alles gepackt, ihre Unterschriften geleistet und wurde von Sadie pflichtschuldig mit einem Rollstuhl bis zum Ausgang gebracht. Man hatte sie mit Eisentabletten, Schmerzmitteln und Schilddrüsenhormonen ausgestattet. Die hatte sie schon im Krankenhaus bekommen und war dazu angehalten worden, bald bei ihrem Arzt vorstellig zu werden, damit der die richtige Einstellung überwachte.
Als sie endlich am Ausgang angekommen waren, stand Libby aus dem Rollstuhl auf und folgte Sadie zu ihrem Mietwagen. Sadie trug die Tasche, wofür Libby nicht undankbar war, denn ihr Kreislauf hatte noch genug damit zu tun, dass sie überhaupt den Weg schaffte. Für diesen Tag waren annähernd 30 Grad vorhergesagt, aber trotzdem war ihr kalt.
Als Libby im Auto auf dem Beifahrersitz saß, schloss sie erst einmal die Augen und versuchte, das Pochen in ihrem Kopf zu ignorieren, das ihr hochschießender Blutdruck verursacht hatte. Wenn sie zu Hause war, musste sie einen Termin mit dem Amtsarzt des FBI vereinbaren. Der würde sie sehen wollen und eine Marschroute darüber vorlegen, welche Rehamaßnahmen erforderlich waren und wann sie wieder einsatzfähig sein würde.
Sie hasste es. Aber so anstrengend das alles auch war – sie war noch am Leben. Das allein grenzte an ein Wunder.
„Ich habe Krankenhäuser auch immer gehasst“, sagte Sadie. „All diese Routineabläufe, die wenig Rücksicht auf deine Privatsphäre nehmen … das fand ich immer verdammt schwierig.“
Libby nickte. „Das kann ich verstehen. Geht mir ähnlich.“
„Wir sind uns ja auch verdammt ähnlich.“ Sadie blickte zu ihr hinüber, während sie an einer roten Ampel warteten.
„Ich bin froh, dass du hier bist.“
„Ja, ich auch. Einerseits, weil ich es möchte, und andererseits entlastet es Owen.“
„Ich verstehe, dass er bei mir sein will, aber viel tun kann er nicht.“
„Das ist aber nicht alles, worum es geht. Ich weiß, wie es ihm letzte Woche gegangen sein muss, als er dachte, du verblutest unter seinen Händen. Das habe ich auch schon erlebt. Vielleicht sollte ich ihm anbieten, darüber zu sprechen.“
„Das ist lieb von dir“, sagte Libby. Sie wusste Sadies Angebot wirklich zu schätzen.
„Für dich gilt das natürlich auch“, schob Sadie hinterher.
„Ich komme schon zurecht.“
„Du weißt, du musst niemandem etwas beweisen.“
„Ja, schon klar … aber ich mache mich nicht fertig, weil Bailey mich fast erschossen hätte. Ich blicke jetzt nach vorn, versuche, wieder auf die Füße zu kommen und hoffe, dass meine Kollegen ihn bald erwischen.“
Sadie lächelte. „Du bist wirklich unbeirrbar.“
„Ja, ich habe mir das ausgesucht. Ich beschwere mich jetzt nicht darüber, dass ich bekommen habe, was ich wollte.“
Als Sadie nur seufzte und ansonsten schwieg, fragte Libby: „Dir macht es was aus, oder?“
Sadie nickte. „Ja, das tut es. Du bist meine Tochter. Ich weiß genau, welchen Höllenjob du da machst und das macht mich fertig, aber ich weiß auch, warum du das tust. Ich habe es selbst lang genug gemacht … Ich würde es heute noch tun, wenn ich diesem Druck gewachsen wäre. Du bist da stärker.“
Darüber dachte Libby schweigend nach. War sie stärker als Sadie? Sie erlebte ihre Mum als wahnsinnig stark. Sadie hatte während ihrer FBI-Laufbahn Dinge getan, von denen Libby nur träumte.
„Ich bin froh, dass ich noch ein wenig Zeit mit euch verbringen kann. Wegen Owen mache ich mir wirklich Gedanken“, gab Sadie zu.
„Warum?“
„Es war furchtbar, als er uns letzte Woche angerufen hat. Ich habe ihn noch nie so erlebt, er stand völlig neben sich. Er hat direkt an uns gedacht und uns Bescheid gegeben, obwohl er noch gar nicht wusste, ob du es schaffst. Und so klang er auch.“
Libby schluckte. „Gerade versucht er immer, sich von seiner starken Seite zu zeigen.“
„Ja, natürlich, aber man darf ihn damit nicht allein lassen. Euch beide nicht. Ich bin wirklich froh, dass ich gerade noch hier sein kann.“
Libby lächelte dankbar. Sie hasste es, dass so eine riesige Distanz zwischen ihr und ihrer Familie lag, aber dafür hatte sie keine Lösung.
Schließlich waren sie an Libbys und Owens Wohnung angekommen. Libby war nicht sehr glücklich darüber, dass Owen jetzt nicht dort war, aber er hatte versprochen, etwas früher Feierabend zu machen.
Sadie trug wieder die Tasche, während Libby langsam vorausging und gewohnheitsmäßig auf dem Weg in die Wohnung in den Briefkasten spähte. Sie hatte ihn kaum geöffnet, als ihr auch schon zahlreiche Briefe und Werbeprospekte entgegenquollen. Grinsend holte sie alles heraus – Owen hatte wohl schlicht und ergreifend in den letzten Tagen nicht daran gedacht, was sie ihm nicht verübeln konnte. Er war auch kaum zu Hause gewesen.
Oben angekommen, schloss sie die Wohnungstür auf und atmete tief durch. Endlich wieder zu Hause.
Sie legte die Briefe auf die Küchenablage, zog ihre Schuhe aus und schaute sich um. Sadie brachte ihre Tasche ins Schlafzimmer, wohin Libby ihr folgte, um auszupacken. Es war anstrengend, aber es ging. Inzwischen hatte sie nur noch ein Pflaster über der OP-Narbe, das die Fäden verdeckte. Als sie ins Bad ging, um ihre Kosmetikartikel zurückzustellen, blieb sie nach dem Aufräumen vor dem Spiegel stehen und löste das Pflaster.
Eine fast zehn Zentimeter langer, schiefer Schnitt lief von unterhalb ihres Kehlkopfes zur rechten Seite nach oben über ihren Hals. Um Schönheit hatten die Ärzte sich keine Gedanken gemacht und dafür hatten sie auch keine Zeit gehabt. Sie hatten einfach alles geöffnet und sich darauf konzentriert, ihr Leben zu retten. Dafür war Libby ihnen dankbar. Bald wurden die Fäden gezogen, dann sah das zumindest nicht mehr so scheußlich aus.
Sadie war gerade damit beschäftigt, auf dem Gästesofa im Arbeitszimmer in ihrer Tasche herumzuwühlen, als Libby gedankenverloren ins Wohnzimmer zurück schlenderte und beschloss, die Post durchzugehen. Zuerst sortierte sie die Werbung aus und sichtete dann die Briefe. Von ihrer Krankenversicherung war einer dabei, einer war von der Bank und einer war handschriftlich an sie adressiert. Er trug keinen Absender. Stirnrunzelnd begutachtete Libby den Poststempel. Er stammte aus Williamsport, Pennsylvania.
Sie war sofort gewarnt. In Williamsport war Bailey gesichtet worden. Der Poststempel war zwei Tage alt. Libby legte den Brief hin, ging zum Putzmittelschrank und nahm ein Paar Handschuhe, das sie erst überstreifte, bevor sie den Brief öffnete. Sie zog einen Briefbogen heraus.
Hi, Special Agent Libby Whitman!
Ich musste ja in ein paar Krankenhäusern in deiner Gegend anrufen, um rauszufinden, ob du noch lebst. Es war ja nicht geplant, dass dein Lover plötzlich auftaucht und mir die ganze Tour vermasselt. Der hat mich echt gestresst, sonst hätte der Schuss besser gesessen. Aber jetzt lebst du eben noch und damit muss ich klarkommen. Ist vielleicht gar nicht schlecht, denn jetzt weiß ich, mit wem ich es zu tun habe.
Die süße Vanessa habt ihr sicher inzwischen gefunden – ich muss schon sagen, es hat verdammt viel Spaß gemacht, sie als meine Sklavin zu halten. Meine allein.
Allerdings muss ich zugeben, dass mir Mary Jane lieber gewesen wäre. Ich wollte, dass du weißt, dass ich mir bald die nächste Sklavin holen werde, wenn ihr Mary Jane nicht rauslasst. Eure Entscheidung. Ihr solltet nicht davon ausgehen, dass ihr das verhindern könnt. Ich bin überall und nirgends. Das solltest auch du dir immer bewusst machen.
Als kleines Souvenir schicke ich dir noch ein Foto von mir und der süßen Vanessa.
Vince
Libby schluckte und ließ den Brief sinken, bevor sie noch einmal in den Umschlag schaute. Tatsächlich lag darin ein Foto, das aus einer Sofortbildkamera stammte. Clever, dachte sie unwirsch. Vorsichtig zog sie das Foto heraus. Beim bloßen Anblick schnürte sich ihr die Kehle zu.
Vince hatte Vanessa an die Decke gefesselt, sie stand mit erhobenen Armen da und war mit Klebeband geknebelt. Ihre Augen waren gerötet, ihre Wangen glänzten feucht. Sie schien nackt zu sein – und gleich neben ihrem Gesicht war Vincent zu sehen, der bestens gelaunt in die Kamera grinste.
„Was ist los?“, riss Sadies Stimme Libby aus ihrer aufkeimenden Wut.
Sie holte tief Luft. „Er schreibt mir jetzt Briefe.“
„Wer? Bailey?“
Libby nickte und hielt Sadie das Foto hin. Ihre Mutter kam sofort zu ihr, um sich alles anzusehen, fasste aber wohlweislich nichts an.
Sadie ließ sich nicht anmerken, was sie dachte. Sie wirkte ruhig, als sie sagte: „Das müssen wir Nick bringen.“
„Ja, du hast Recht. Warte.“ Libby legte das Foto hin und holte aus einer Küchenschublade einen Gefrierbeutel, in den sie alles steckte. Das war besser als nichts. Als sie damit fertig war, spürte sie Sadies Hand auf ihrer Schulter und sah sie an. Nun wirkte Sadie nicht mehr so ruhig, sondern eher zutiefst besorgt.
Sie umarmte Libby und sagte: „Das habe ich immer befürchtet.“
„Dass einer es persönlich meint?“
Sadie nickte. „Und dann einer wie Bailey …“
Libby versuchte, die Angst nicht zuzulassen, weil sie befürchtete, dadurch handlungsunfähig zu werden. „Lass uns nach Quantico fahren.“
„Ja, du hast Recht. Hast du deinen Ausweis?“
Libby holte ihn, zog mühsam ihre Schuhe wieder an und folgte Sadie zum Auto. Sadie starrte verbissen auf die Straße, während sie auf die Interstate fuhr.
Weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, schwieg Libby. Sie wusste genau, was Sadies Befürchtungen waren – aber sie hatte keine Ahnung, wie sie die hätte entkräften können. An Owens Reaktion wollte sie dabei noch gar nicht denken.
Am Checkpoint vor Quantico zeigte Libby ihren Ausweis, aber dass Sadie keinen hatte, war kein Problem. Der wachhabende Soldat erkannte sie und ließ sie passieren. Bei der Sicherheitskontrolle im Gebäude erhielt Sadie einen Besucherausweis, mit dem sie sich ungehindert bewegen konnte. Libby hatte den Beutel in der Hand, während sie mit dem Aufzug zum Büro der Profiler fuhren.
Sie wurden sofort von den Kollegen bemerkt und gleich von allen begrüßt. Darauf wurde auch Nick aufmerksam, der aus seinem Büro kam und zielstrebig auf sie zusteuerte.
„Was machst du denn hier? Wurdest du nicht heute erst aus dem Krankenhaus entlassen?“, fragte er Libby. Sie nickte und hielt ihm den Beutel mit Baileys Brief hin.
„Als ich vorhin nach Hause kam, habe ich das im Briefkasten gefunden.“
„Was ist das?“
„Post von Vincent Howard Bailey. Wir dachten, das wollt ihr vielleicht sehen.“
„Natürlich“, sagte Nick und nahm ihr den Beutel ab. Libby hatte alles so hineingelegt, dass man auf der einen Seite den Brief lesen und auf der anderen das Foto ansehen konnte. Nick war noch nicht ganz fertig mit Lesen, als er ein ungläubiges Geräusch machte.
„Er will was? Mary Jane?“
„Dreh den Beutel mal um, da ist das Foto.“
Nick tat es und zog die Augenbrauen hoch. „Der traut sich was. Wir rechnen zwar jederzeit mit dem Testergebnis der DNA-Spuren, die bei Vanessa gefunden wurden, aber es hat ohnehin nie jemand bezweifelt, dass er sie hatte. Das hier beweist es.“
„Woher kam der Brief?“, fragte Ian.
„Aus Williamsport. Dass er dort schon mal war, wissen wir“, sagte Libby.
„Er lässt uns keine Chance, ihn zu lokalisieren“, sagte Nick.
„Ihr müsst ihn finden. Hast du den vorletzten Satz gelesen?“, fragte Sadie besorgt.
Dormer nickte, ohne ihrem Blick auszuweichen. „Du fasst ihn als Drohung auf?“
„Darüber müssen wir nicht diskutieren, oder? Bailey hat schon auf meine Tochter geschossen.“
„Ja, aber du kennst das Spiel. Er will ihr Angst machen. Allerdings hat er jetzt einen Gegenspieler, das braucht er.“
„Erzähl mir nicht, ich soll mir keine Sorgen machen.“
„Tue ich nicht, aber lass dich darauf hinweisen, dass er von einem klaren Ziel spricht, und das heißt Mary Jane Cox und nicht Libby Whitman.“
Sadie erwiderte nichts, aber der Blick, mit dem sie Nick anstarrte, verriet Zweifel und Widerspruch.
„Ich verstehe dich, Sadie. Ich weiß, warum du das so siehst und so gesehen hast du jeden Grund dazu. Aber lass uns unsere Arbeit machen – wir werden ihn finden. Du weißt, dass wir das können.“
„Seit wann ist er auf freiem Fuß? Seit fast einem Monat?“, entgegnete sie.
„Wir sind dran. Er ist untergetaucht und das macht er gut, aber wir werden ihn kriegen. Wir wissen ja jetzt, wann er in Williamsport gewesen sein muss und so finden wir vielleicht heraus, welches Auto er fährt.“
Sadie erwiderte nichts. Libby konnte ihr ansehen, dass sie verdammt unzufrieden war. Sie konnte nicht anders, das wusste Libby.
„Danke, dass ihr uns den Brief gebracht habt. Sadie, du weißt, er wird irgendwann einen Fehler machen. Den machen sie alle. Und dann haben wir ihn.“
Aber Sadie schien nicht überzeugt. Weil sie so unzufrieden aussah, bot Nick schließlich an, die beiden auf den aktuellsten Stand der Ermittlungen zu bringen, und führte sie in sein Büro.
„Jeder Cop in Pennsylvania kennt sein Foto und ich würde behaupten, auch jeder in der Metropolregion Washington“, begann Nick, woraufhin Libby sofort einhakte.
„Das hat Owen mir so bestätigt. Es hat hier ziemliche Wellen geschlagen, dass Bailey auf eine FBI-Agentin geschossen hat.“
„Sicher, in diesen Momenten sind wir ja eine große Familie. Im Augenblick bleibt er noch unter dem Radar – es gibt Berichte über Sichtungen überall in Pennsylvania, aber darin finden wir noch keine Regelmäßigkeit und nichts davon konnte bislang bestätigt werden. Wenn es mal Videoaufnahmen gibt, auf denen er zu sehen ist, trägt er Baseballkappe und Sonnenbrille. Wir konnten ihn noch nicht zweifelsfrei identifizieren.“
„Ist er mit einem gestohlenen Auto unterwegs?“, fragte Sadie.
„Das vermuten wir. Leider konnten wir es noch nicht zuordnen, er hat zwischendurch gewechselt. Ich habe keine Ahnung, wo und wie er sich Dinge des täglichen Bedarfs besorgt – wenn er clever ist, bestellt er sie im Internet und lässt sie irgendwo an einen AmazonLocker liefern. Das kriegen wir natürlich nicht raus. Wir überwachen auch die Ausgabe von Insulin, aber wir nehmen an, dass er sich das gar nicht auf regulärem Weg holt.“
„Warum sollte er auch“, stimmte Libby zu.
„Wir können jetzt noch mal versuchen, herauszufinden, ob er in Williamsport gesichtet wurde. Ich vermute, er hat irgendein Versteck in der Wildnis mitten in Pennsylvania und ist bereit, weite Strecken zu fahren, um zu verschleiern, wo es liegt.“
„Ihr müsst ihn finden“, sagte Sadie.
„Ich weiß, wir sind dran.“
„Inzwischen habt ihr doch sicher Vanessas Autopsieergebnisse, oder? Gab es da noch neue Erkenntnisse?“, fragte Libby.
„Er hat sie über die ganze Zeit hinweg gefoltert, das bewies das Alter ihrer Verletzungen. Ihr Magen war leer, er wird ihr nicht viel zu essen gegeben haben und vor ihrem Tod gar nichts mehr. Die Nähte an ihren Lippen hat er zwei oder drei Tage vor ihrem Tod gesetzt und ihr auch fast nichts mehr zu trinken gegeben, denn sie war dehydriert. Er hat sie erwürgt … Tatsächlich gab es kaum Erkenntnisse, die uns überrascht oder weitergeholfen hätten.“
Sadie stieß einen resignierten Seufzer aus. „Fast ein bisschen wie bei Brian Leigh damals. Der hat uns auch monatelang genarrt.“
„Wir kriegen ihn noch. Habt Geduld.“
„Vielleicht nimmt er ja auch mit Mary Jane Kontakt auf“, überlegte Libby. „Das könnten wir uns zunutze machen.“
„Möglicherweise. Wie auch immer – die Zeit spielt für uns und nicht für ihn. Das ist immer so.“
Libby bemühte sich, es ähnlich optimistisch zu sehen wie Nick. Vermutlich hatte er Recht.
Wenig später machte sie sich mit Sadie wieder auf den Rückweg. Mit geschlossenen Augen lehnte sie am Beifahrersitz und war wenig erfreut darüber, wie anstrengend alles noch für sie war.