Wohin mit der Angst, Bruder? - Gregor Geißmann - E-Book

Wohin mit der Angst, Bruder? E-Book

Gregor Geißmann

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Beschreibung

Angst ist nicht nur ein meist unangenehmes Gefühl, sondern sie ist die Grundlage des Bewusstseins von uns allen, solange wir glauben, in einer Welt voneinander getrennter Einzelwesen und Dinge zu leben, die letztlich immer Tod und Zerstörung ausgeliefert sind. Gregor Geißmann und Michael Feuser betrachten die Angst in diesem Buch aus einer spirituellen Perspektive. Seit über zwanzig Jahren sind sie miteinander unterwegs auf einer "Reise ohne Entfernung", die in den geschützten, angstfreien Raum des Geistes führt, von wo aus der Blick auf die Welt, auch mit ihren sehr konkreten Ängsten, ein anderer ist: "Heilen ist Integration. Hier, im 'fundamentalen' Bewusstsein, beleuchtet die LIEBE die Welt und zeigt sie uns als Ausdruck tätiger Liebe. Und hier ist alle Angst vergangen".

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Seitenzahl: 225

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Heilung ist Integration. Hier, im »fundamentalen« Bewusstsein, beleuchtet die Liebe die Welt und zeigt sie uns als Ausdruck tätiger Liebe. Und hier ist alle Angst vergangen.

Inhaltsübersicht

Ein spirituelles Willkommen

Das Rahmenkonzept

T

EIL

I: G

REGOR

Ein Fall von falsch verstandener Identität

Kapitel 1: Liebe und Angst

Kapitel 2: Der Einstieg zum Ausstieg

Kapitel 3: Der geschützte Raum des Geistes

Kapitel 4: Vergiss deinen Plan

Kapitel 5: Wohin denn nun mit der Angst?

T

EIL

II: M

ICHAEL

Die Hilfe des geeinten Willens

Kapitel 1: Eine kleine Schöpfungsgeschichte

Kapitel 2: Füreinander heilsam sein: Der Ausweg aus der Angst

Kapitel 3: Im Antlitz der Angstlosigkeit – Herr Q. stirbt

Kapitel 4: Wer bin ich?

T

EIL

III: D

ER

D

IALOG

Heilung ist Integration

N

ACHKLANG

Literaturverzeichnis

Die Praxis

Im Netz

Ein spirituelles Willkommen

Was passiert, wenn zwei Weggefährten auf ihrer spirituellen Reise ein Buch geschrieben haben und plötzlich auf ein Thema treffen, das offenbar näherer Betrachtung bedarf? Sie schreiben noch ein Buch.

Rückblickend war das Gelingen des ersten Buches ein Wunder, etwas Unmögliches, da wir beide, Michael und Gregor, aus langjähriger Erfahrung wissen, wie selten unsere Meinungen jemals übereinstimmen. Aber es reicht ein gemeinsames Interesse, das noch nicht einmal bekannt sein muss, und das Wunder wird unvermeidlich. Wir wollen jedoch den ungewöhnlichen und tatsächlich wunderbaren Prozess der Entstehung unseres ersten Buches hier nicht weiter erläutern. Das haben wir dort zu Beginn des Buches ausführlich getan. »Ich hab’ auf dich gewartet, Bruder« enthält sozusagen unsere »spirituellen Grundlagen«.

Was wir allerdings gelernt haben: Ein gemeinsames Interesse, wie es zwischen uns zum Tragen kam, lässt sich nicht diskutieren, vereinbaren oder festlegen. Es geht nicht um akzeptierte Kompromisse, um das Angleichen von Meinungen oder die Einigung auf ein gemeinsames Ziel. Für ein zeitlich begrenztes »Projekt« mag das ausreichen, aber wir haben das gemeinsame Buch nie als Projekt empfunden. Ein wahrhaft gemeinsames Interesse geht viel tiefer, es hebt den Graben zwischen zwei »fremden Willen« auf.

Unser Versuch, für ein zweites Buch ein Thema zu finden, scheiterte zunächst kläglich an der vermeintlich »gemeinsamen« Willensanstrengung. Unser gemeinsames Interesse aber hatte bereits das Thema ausgesucht: Uns beiden fiel auf, wie häufig es auch in spirituellen Kreisen um das Thema »Angst« geht. Wie die unterschiedlichsten Fragen an Referenten gestellt werden, welche alle unter einem weiten Oberbegriff gebündelt werden können: »Wie gehe ich mit der Angst um?«

Das Thema war geboren.

Zur Angst in ihren tausend Formen gibt es gefühlt genauso viele Ratgeber in Buchform, wie es Menschen gibt, die schon mit ihr in Berührung gekommen sind. Gerade weil wir der tiefen Überzeugung sind, dass die Angst nur durch einen radikalen Wechsel der Sichtweise auf die Welt und unsere Rollen in dieser Welt geheilt werden kann, da sie bei näherem Hinsehen allem Weltlichen »anhaftet«, können und wollen wir keinen weiteren dieser Ratgeber schreiben.

Wir sind keine Therapeuten und nicht dazu berufen, Maßnahmen vorzuschlagen oder durchzuführen, die im Einzelfall »medizinisch« notwendig oder hilfreich sind. Unser Beitrag soll es sein, dir die Möglichkeit zu bieten, die Angst in einer »anderen« Perspektive zu betrachten, um dir die Macht der eigenverantwortlichen Entscheidung zurückzugeben.

Auch in diesem Buch verwenden wir einen spirituellen konzeptionellen Rahmen (»Rahmenkonzept«), der uns als Leitplanke dient. Vergleiche ihn mit einer Gehhilfe, die du eines schönen Tages weglegen wirst. Es gibt einfach keine universelle Theorie oder Theologie, die Gott und die Welt erklären kann. Es gibt nur eine universelle Erfahrung, unabhängig von jeder Theorie. Wir wollen auch kein neues spirituelles Konzept anbieten, um es dir als den Stein der Weisen zu verkaufen. Denn Konzepte sind nicht wahr – die WIRKLICHKEIT ist unaussprechlich. Es geht uns nur um ein »Werkzeug«, eine mögliche »Leitplanke«, einen »Bezugsrahmen«: ein Angebot und die Gelegenheit, Dinge in einem anderen Licht zu sehen. Darüber hinaus wollen wir dich – auch mit praktischen Anregungen – darin unterstützen, deinen individuellen Weg zum Umgang mit dem Thema »Angst« im Lichte der Erfahrung der Einheit allen Lebens zu finden und zu gehen. Also stellt sich eigentlich nur die eine Frage: Ist der angebotene Rahmen für dich hilfreich?

Spiritualität stellt häufig unsere gewohnten Ansichten, die damit verbundenen Begriffe, Symbole und Namen in Frage. Da für uns, Michael und Gregor, seit Jahren das spirituelle Werk »Ein Kurs in Wundern« Resonanz erzeugt, nutzen wir es, wenn es eines Rahmens oder Konzeptes bedarf. Denn der Kurs, wie wir das Werk in aller Kürze nennen, erfüllte und erfüllt – zumindest für uns – seinen Zweck: Er löst die scheinbaren Widersprüchlichkeiten von Non-Dualität/Einheit auf und befriedigt den Verstand – damit er sich freiwillig aus dem virtuellen Weg heraushält.

Unsere Bücher richten sich jedoch ausdrücklich nicht speziell an Anhänger von »Ein Kurs in Wundern«. Wir setzen keine Kenntnisse über dieses Werk voraus und wir empfehlen dir nichts, sondern nutzen nur die Theorie und Praxis, falls es sich als nützlich erweist, als Mittel zum Zweck. Der Zweck heißt letztlich universelle Erfahrung, eingebettet in ein möglicherweise hilfreiches Rahmenwerk.

An dieser Stelle möchten wir kurz noch einmal zusammenfassend die Eckpfeiler des verwendeten Rahmenkonzepts darstellen, um uns später darauf beziehen zu können. Wer also »Ich hab’ auf dich gewartet, Bruder« bereits kennt, wird im folgenden Kapitel vieles wiedererkennen.

Das Rahmenkonzept

Stell dir vor, deine unerschütterlichen Vorstellungen über Leben und Sterben, Geburt und Tod, Anfänge und Enden, Zeit und Ewigkeit, Du und Ich, Krieg und Frieden basierten auf einem klitzekleinen Irrtum.

Stell dir vor, du befändest dich auf einer Reise ohne Entfernung, zu einem Ziel, das du nie verlassen hast1.

Stell dir vor, die WIRKLICHKEIT hätte kein Gegenteil und Angst sei daher »nur« eine Form von falsch verstandener Identität.

Stell dir vor, der Urknall sei nie geschehen.

Stell dir vor, Schuld wäre nur eine lächerliche Überzeugung und jedes Lebewesen sei unschuldig. Du natürlich eingeschlossen.

Wäre nur eine dieser »Vorstellungen« kein Phantasiegebilde, sondern wahr, hätten wir eine ausgezeichnete Idee. Stelle dir bitte diese einfache Frage: »Wenn ich Angst empfinde, wäre es dann nicht einen Versuch wert, meine Sichtweise zu ändern?«

Es gibt wohl zwei grundlegend verschiedene Vorgehensweisen, die Sichtweise und damit das Erleben der Welt zu ändern: Die erste besteht darin, die Natur des Geistes zu verstehen. Sie bedient sich des Denkens, des Glaubens und des Lernens. Konzepte spielen dabei als Bezugsrahmen eine mitunter bedeutende Rolle (»Konzeptweg«). Bei der zweiten handelt es sich um die Hinwendung zur direkten Erfahrung, was hier und jetzt »wirklich« da ist – jenseits des Verstandes und seiner Überzeugungen (»Erfahrungsweg«).

Beide Vorgehensweisen haben für sich betrachtet Grenzen. Es kann beispielsweise passieren, dass Konzepte ein Eigenleben entwickeln und jeden Fingerzeig auf nützliche »Wegweiser« verhindern, die über das Konzept hinausreichen. Konzepte an sich sind jedoch keine unmittelbaren Erfahrungen und führen daher nicht zu notwendigen Transformationen.

Tiefgreifende »positive« Erfahrungen ohne »Unterbau« wiederum können zu einer Sackgasse werden, da sie den brennenden Wunsch hervorrufen, sie zu wiederholen oder permanent zu machen. Da es keine »Leitplanke« und keinen Wegweiser gibt, kann dieser Wunsch dich aufhalten: Du merkst nicht, dass dein eingeschlagener Weg ein Holzweg ist.

Wir sprachen oben von »Transformation« und bezeichnen damit einen andauernden Wechsel in der Wahrnehmung und im Erleben, der weit über spezifische positive oder gar spirituelle Erfahrungen hinausgeht. Die Welt verändert sich dabei nicht. Aber es ist alles anders geworden!

Wir bevorzugen einen Mittelweg aus Rahmenkonzept und »Techniken«, die Erfahrungen ermöglichen. Das scheint nach bisherigen Erkenntnissen das effizienteste und zielführendste Vorgehen zu sein. Damit entgehst du einerseits den Fallen des Konzeptweges als auch den Defiziten des Erfahrungsweges. Der konzeptionelle Rahmen soll uns als Leitplanke dienen, als Gehhilfe, ohne zu vergessen, dass wir sie eines schönen Tages weglegen müssen. Denn es gibt, wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, keine universelle Theorie, nur eine universelle Erfahrung. Wenn es aber um Erfahrung geht, bedarf es der Praxis.

Hast du einen Augenblick Zeit? Ja, ich weiß, eine ungewöhnliche Frage, schließlich hast du ja dieses Buch in die Hand und dir damit Zeit genommen, es zu lesen. Was ich aber meine: Könntest du das Lesen kurz unterbrechen und dir eine Minute Zeit nehmen, um einen Blick auf die Dinge zu werfen, die dich umgeben? Vielleicht ist da ein Bild an der Wand. Oder da ist eine Blume. Oder siehst du eine Uhr? Neben diesen Bildern hörst du möglicherweise auch Geräusche. Musik? Oder es ist so still, dass du deinen eigenen Atem hörst?

Kannst du mir zustimmen, dass du verschiedene »Dinge« wahrnimmst, seien es Bilder, seien es Geräusche? Gerade bei den Geräuschen: Verändern sie sich oder kommen und gehen sie? Könnte man sagen: Du nimmst Veränderungen wahr, Anfänge und Enden, genau abgegrenzte »Dinge«, die sich unterscheiden? Und stimmst du mir auch zu, wenn ich sage, dass du jedes der gesehenen »Bilder« und jedes »Geräusch« identifizieren, mit einem Namen benennen oder mit einer Bedeutung belegen kannst? Dann sind wir jetzt an der Stelle, an die ich gemeinsam mit dir gehen wollte.

Das waren jetzt sicherlich banale Feststellungen und Fragen für dich, was soll das alles? Es ging mir um die bewusste Hinwendung deiner Aufmerksamkeit auf einen klitzekleinen Ausschnitt deiner Welt. Dieser Ausschnitt genügt, denn nichts in deiner Welt ist von anderer »Qualität«: Sie beruht auf Deutungen, nicht auf Tatsachen. Alles in dieser Welt ist erlernt. Alle deine Deutungen sind das Ergebnis gewaltiger, unglaublicher und äußerst hartnäckiger Lernanstrengungen. Die wurden unermüdlich so lange wiederholt und mit immer neuen Gesichtspunkten auf sich genommen, bis sie das Offensichtliche wirkungsvoll verschleierten.

Das Resultat des Lernens ist Wahrnehmung. Ich nehme »wahr«. Nun ja, nicht ganz. Denn die »Wahr-Nehmung« ist nicht nur das Resultat des Lernens, sondern das Lernen selbst. Ursache und Wirkung sind niemals getrennt – außer durch Zeit. Also durch eine Riesenillusion, einen Taschenspielertrick, wie die Zeit in »Ein Kurs in Wundern« auch genannt wird.

Erinnere dich: Die Kernaussage lautete, dass durch unser intensives Lernen »das Offensichtliche verschleiert« wird. Was ist offensichtlich? Die Wirklichkeit. Oder schreiben wir es in KAPITÄLCHEN: die WIRKLICHKEIT. Damit drücken wir aus, dass sie kein Gegenteil haben kann, denn sonst gäbe es ganz real »Etwas«, das unwirklich wäre – ein Widerspruch in sich. Die WIRKLICHKEIT kann daher nur unveränderlich, ewig und unzweideutig sein. »Unzweideutig« heißt, sie unterliegt keiner Deutung. Sie ist offensichtlich. Sie kann unerkannt sein, aber sie kann nicht verändert werden.

Aus den erlernten Wahrnehmungen entsteht ein komplettes, in sich geschlossenes, plausibles und folgerichtiges Denksystem: Zweifellos glaubst du an die Welt der Dinge, ihre Gesetze und ihre Einflüsse auf dich. Du lebst ja hier – sagst du. Aber das ist der Punkt: Alles das, was du als »Welt« bezeichnest und erlebst, hast du mit enormem Aufwand erlernt. Natürlich bist nicht »du« gemeint, dein Selbstkonzept, mit dem du dich identifizierst. Denn das bist du nicht. Es ist nur ein Konzept, ein gedankliches Konstrukt, eine Illusion – und nicht die WIRKLICHKEIT.

Welche Rolle spielt eigentlich Gott in diesem »Rahmenkonzept«? Schließlich wohnen wir im christlichen Abendland (die Autoren zumindest).

Als Schöpfer der Welt spielt er keine Rolle. Weil eine Welt der Zeit, des Raumes, der Gegensätze, der Anfänge und der Enden, des Wechsels und der Veränderung keine QUELLE haben kann, die einfach existent, unveränderlich und ohne Gegenteil ist und in der weder Anfänge noch Enden möglich sind. Die angesprochene Lernfähigkeit ist daher auch keine Eigenschaft der WIRKLICHKEIT oder der QUELLE. Die QUELLE ist. SIE erkennt und nimmt nicht wahr. Erkenntnis braucht weder Wahrnehmung noch Bewusstsein. Wahrnehmung verhindert Erkenntnis.

Um es vorwegzunehmen: Es geht hier nicht um die Notwendigkeit, an Gott zu glauben. Ein Konzept, das Glauben postuliert, macht Unglauben möglich. Gott kann nur erkannt werden. Daher verwenden wir nun auch für GOTT Kapitälchen, um klarzumachen, dass wir nicht den traditionellen christlichen Gott meinen. Auch GOTT hat kein Gegenteil, daher gibt es keine wirkliche Alternative zur Erkenntnis. Damit ist nicht gemeint, dass du den Glauben an Gott als sinnfrei verwerfen sollst – im Gegenteil. Es heißt nur, dass der Glaube als Konzept einer unabdingbaren Notwendigkeit nicht sinnvoll ist. GOTT ist, Worte können das nicht erfassen.

Bisher fehlt in unserem Rahmenkonzept noch ein klitzekleines, aber wesentliches Detail: die SCHÖPFUNG. Dieser Begriff, dieses Symbol, ist in unserem Konzept ein »Pointer«, ein Hinweis, auf das »Wahre ohne Gegenteil«. Fangen wir mal vorsichtig an: Mit der EINEN SCHÖPFUNG sind du und ich, ihr Leser und wir Autoren sowie die paar Milliarden anderen Mitglieder der Gattung Homo sapiens gemeint. Aber das ist noch nicht einmal die Spitze des Eisbergs. Hinzu kommen alle anderen Lebewesen, die nicht in den paar aufgezählten Milliarden enthalten sind. Nun wird’s etwas schwindelerregender: Wir meinen auch alle Lebewesen, die bereits gelebt haben und die noch »kommen werden«. Und nicht vergessen: Das Universum besteht nicht nur aus einer einsamen blaugrünen Kugel irgendwo in einem vergessenen Seitenarm der Milchstraße ...

Vorsicht: Das ist »nur« die »weltliche« Interpretation dessen, was wir als SCHÖPFUNG bezeichnen, um es »anfassbar« zu machen! Die eine SCHÖPFUNG hat nicht wirklich etwas mit den getrennten Figuren zu tun, die du irrtümlich als eigenständige Lebewesen wahrnimmst.

Um es kurz und schmerzlos zu machen: Als die EINE SCHÖPFUNG bezeichnen wir das, was auf die QUELLE, das ABSOLUTE, das EINE, GOTT zurückgeführt werden kann. Sie ist die »innere Ausdehnung« der QUELLE. Sie ist die einzige Wirkung der QUELLE. Die SCHÖPFUNG ist nicht getrennt von der QUELLE, es gibt keine irgendwie geartete Grenze, wo die QUELLE aufhört und die SCHÖPFUNG beginnt. Man könnte auch vom »Geist an sich« oder neudeutsch vom »Spirit« sprechen.

Es gibt nie auch nur einen Zeitpunkt, an dem die SCHÖPFUNG nicht existiert, weder in Vergangenheit, Gegenwart noch Zukunft. Und auch darüber hinaus existiert sie, denn die Zeit ist nicht ewig: Sie wird verschwinden. Daher hat die SCHÖPFUNG alle Eigenschaften der QUELLE, ist also ihrerseits schöpferisch – aber sie ist nicht die QUELLE. Banal ausgedrückt: Egal, wie »erleuchtet« oder »verwirklicht« ich sein mag – ich bin nicht Gott! Und du leider auch nicht.

Ist dir das viel zu kompliziert? Bitte vergiss nicht: Komplexität kommt nicht von der QUELLE und ist keine Eigenschaft der SCHÖPFUNG. Wir bauen hier lediglich ein Rahmenkonzept als »Leitplanke« auf, da die universelle Einfachheit unverständlich und daher inakzeptabel ist. Alle diese Begriffe sind Symbole, Hinweise oder »Pointer« auf die Wirklichkeit – die sich sämtlichen Begriffen, Gedanken, Gefühlen oder Bildern entzieht. Kein Wort kann GOTT, das EINE oder die WIRKLICHKEIT beschreiben. GOTT hat keinen Namen. Die einzig sinnvolle Frage lautet daher auch hier: Sind diese Worte, Symbole oder Namen hilfreich?

Welche Rolle spielt denn die Welt in diesem ganzen Zauber? In der einen WIRKLICHKEIT ohne Gegenteil taucht eine winzige verrückte Idee2 auf, so lächerlich und wahnhaft, dass es nur eine sinnvolle Reaktion auf diese Idee geben kann: herzhaft zu lachen. Du sagst, Gedanken an Unvollkommenheit, Trennung oder Dualität können in einer vollkommenen und allumfassenden Einheit, die kein Gegenteil haben kann, doch gar nicht vorkommen? Da in ihr keine Gegensätze möglich sind? Da liegst du goldrichtig. Die WIRKLICHKEIT kann tatsächlich kein Gegenteil haben, da sind wir uns einig! Denn ein Gegenteil der WIRKLICHKEIT wäre – unwirklich, also nicht existent. Daher kann es auch keine Wahnidee in der allumfassenden EINHEIT geben. Das bedeutet gleichfalls, dass es weder Zeit in der Ewigkeit noch Raum in der Unendlichkeit geben kann. Es ist in der Tat merkwürdig, dass ganz offensichtlich eine unwirkliche Welt der Illusionen und Träume gemacht werden kann – obwohl der Wille, der aus der EINHEIT kommt und nur EINHEIT wollen kann, unmöglich eine Welt »wollen« kann, die in allen Merkmalen der EINHEIT widerspricht.

Kommen wir also einfach wieder zurück zu den »Tatsachen« und stellen nach diesem geistigen Höhenflug beide Beine zurück auf den Boden. Hier kommt nun die bereits erwähnte Lernfähigkeit ins Spiel. Sie ist ein unabdingbarer Baustein der winzigen verrückten Idee, die wir mal hilfsweise so formulieren: »Was ist das Gegenteil dessen, das alles umschließt?« Wird diese Frage (Idee) ernsthaft erwogen und nicht auf Grund ihrer augenscheinlichen Absurdität mit schallendem Gelächter sofort verworfen, gibt es tatsächlich eine Möglichkeit, die »Antwort« zu finden – indem die Konsequenzen erlernt werden. So wird aus einem lächerlichen Gedanken eine umsetzungsfähige ernsthafte Idee mit »realen«Wirkungen.

Oder wir formulieren es »urknallmäßig«: Wir sind eins mit beständiger, allumfassender, unveränderlicher, zeitloser, glückseliger, freudiger LIEBE und ...

Bumm!

... da ist die Erfahrung des »Gegenteils«: Die scheinbare Trennung von der WIRKLICHKEIT, von der LIEBE, von der QUELLE, von GOTT, das Gewahrsein erfüllt von Angst – getrennt, allein, verlassen, ängstlich, ungeliebt zu sein. Und weil wir denken, wir hätten das ganze Desaster tatsächlich verursacht, sind wir von Schuldgefühlen geplagt, dass wir unser Leben durch »unseren Fehler« für alle Ewigkeit ruiniert haben.

Der ganze (scheinbare) Schlamassel kommt nur durch die erste Entscheidung, wahrzunehmen statt zu erkennen. Damit ist die »Erfindung« des Bewusstseins gemeint. Denn in der WIRKLICHKEIT gibt es kein Bewusstsein, da es für die Erkenntnis nicht erforderlich ist. Wir können statt vom Bewusstsein auch von der Entscheidung zu lernen sprechen, d.h. von der Erfindung der Lernfähigkeit–was dasselbe ist.

Dieser »Vorgang« führte zu einer scheinbaren »inneren« Spaltung des Geistes (dem »aktiven« Aspekt der EINEN SCHÖPFUNG) in den Teil, der nach wie vor die WIRKLICHKEIT repräsentiert, und in den Teil, der die Trennung, die Möglichkeit von Gegensätzen, Anfängen und Enden, Subjekt und Objekt, Wahrnehmendem und Wahrgenommenem, Leben und Tod, Liebe und Angst repräsentiert. Letzteren Teil nennen wir das Ego-Denksystem oder kurz: das Ego – nicht zu verwechseln mit dem herkömmlichen Ego-Begriff, der sich ausschließlich auf die individuelle Person bezieht.

Schau dich doch mal um und staune über das scheinbare Ergebnis deiner Lernfähigkeit. Du nimmst ein ganzes Universum aus Raum und Zeit wahr, bevölkert von einer Unzahl unabhängiger und voneinander getrennter Lebewesen, wirkungsvoll zusammen- und aufrechterhalten vom Kitt der Schuld und der Angst. Mit ihr – der Angst – hast du das perfekte Mittel erfunden, um GOTT zu vergessen.

1 Vgl. Ein Kurs in Wundern: Textbuch, 14. Aufl., Freiburg, Br.: Greuthof, 2019, Kapitel 8, Abschnitt VI, Absatz 9

2 Vgl. Kurs 2019, Textbuch, Kapitel 27, Abschnitt VIII, Absatz 6

Teil I

Gregor

Ein Fall von falsch verstandener Identität

Kapitel 1

Liebe und Angst

»Wie gehe ich mit der Angst um?«

Das war der Auslöser für dieses Buch. Die Frage ist nicht gerade ungewöhnlich, oder? Wie kommt man aber auf die Idee, aufgrund einer solchen Frage gleich ein ganzes Buch zu schreiben?

Hört man eine Frage zum ersten Mal: Nun gut, da meint jemand, diese Frage sei momentan für ihn wichtig oder zumindest sinnvoll. Hört man diese Frage jedoch innerhalb einer Woche mehrfach, dann erregt das Aufmerksamkeit. Als die Frage »Wie geht man mit der Angst um?« auf einem spirituellen Online-Kongress, an dem ich teilnahm, in diversen Variationen an fast alle Vortragende gestellt wurde, begann ich damit, den höchst unterschiedlichen Antworten zu lauschen, auch wenn das kein Thema war, das mich gerade persönlich bewegte.

Du kennst das bestimmt auch: Kaum dämmert dir, dass sich da ein Thema in den Vordergrund schiebt, hast du plötzlich den Eindruck, dass sich nahezu jeder in deinem Umfeld dieses Themas annimmt. Als ich den ersten Volvo meines Lebens fuhr, taten das gefühlt jede Menge Leute um mich herum ebenfalls. Schön, das Beispiel hinkt ein wenig, schließlich gefiel mir das Auto. Letztlich. Aber du weißt sicherlich, was ich meine.

Also sagte ich zu Michael, dass wir ein Thema hätten, welches wir mal beleuchten sollten. Die Angst. Da Michael aus Norddeutschland kommt, antwortete er in einem vollständigen Satz mit Subjekt, Prädikat und Objekt: »Jo.« Die Reise begann.

Eines war uns beiden von Anfang an klar: Wir hatten kein Interesse an »Kochrezepten« oder Symptombeseitigungsmethoden. Wir stimmten darin überein: Das Thema hat eine spirituelle Dimension. Und da wir uns, wie bereits erwähnt, recht gut in »Ein Kurs in Wundern« auskennen, lag es nahe, unsere Beschäftigung mit der Angst aus diesem Blickwinkel zu beginnen. Denn eines schien uns selbstverständlich zu sein: Jeder Psychologe, jeder Psychotherapeut, jeder »Heilungsprofi« arbeitet auf der Grundlage eines plausiblen »psychologischen Rahmenkonzepts«. Um es vorwegzusagen: Weder Michael noch ich verstehen uns als Heilungsprofis im psychologisch medizinischen Sinn. Obwohl ich mich als Informatiker mit »psychischen« Problemen von Computern auskenne (sind auch nur Menschen) und Michael Medizin studiert hat und täglich als Demenzbetreuer mit dem Thema Angst in Berührung kommt, wollen wir keineswegs speziell ausgebildete Therapeuten ersetzen, deren Hilfe im Einzelfall nötig sein kann. Hier, in diesem Buch, verkörpern wir lediglich die Rolle als »Bruder im Geiste«, der dir die Hand reicht in der Hoffnung, hilfreich sein zu können. Im Falle von schweren Angststörungen wie Depressionen, Angstneurosen, Zwängen oder Panikattacken raten wir dir daher immer, professionelle Hilfe zu suchen. Es ist einfach eine Frage unserer Verantwortung.

Was bedeutet es, dass wir von der Angst sagen, sie habe eine »spirituelle Dimension«? Für Michael und mich ist genau diese Prämisse der Ausgangspunkt für die Antworten, die wir in diesem Buch geben wollen. Es geht also schlicht und ergreifend um die Frage, was die Angst mit der geistigen Ebene unseres Daseins zu tun hat.

Also begannen wir zu forschen. Und da die »Spiritualität« bereits als Fokus unserer Betrachtungen gesetzt war, kamen die meisten Antworten aus diesem Umfeld. Diese klangen für uns auch in den meisten Fällen plausibel. Erfolgten die Antworten im Rahmen einer Präsentation oder eines Vortrags, konnten wir an den Reaktionen einiger Zuhörer durchaus feststellen, ja, die Antworten schienen gut anzukommen. Der Vortragende hatte offenbar den Kern getroffen. Die Erklärungen passten. Danke, Beifall, Vorhang.

Ach, die Angst ist immer noch da? Nun, nicht das Problem. Tue einfach dieses oder jenes. Hier eine Meditationsübung, da eine Art Mantra, dort eine Erklärung, die die Angst gegenstandslos macht und ad absurdum führt.

Wunderbar, sagst du. Ich habe ein Rezept! Einen Zauberspruch! Aber – wie mache ich das jetzt genau? Wie muss ich das Rezept anwenden? Morgens nach dem Aufstehen? Im Atemrhythmus? Nur beim Einatmen? Dabei gerade sitzen oder geht das auch im Liegen? Alle Gedanken auf die WAHRHEIT ausrichten? Und was mache ich, wenn das Kopfkino Amok läuft? Wenn die Angst wie ein wildes Pferd ausbricht und sich nicht bändigen lässt?

Klappt alles irgendwie nicht. Was mache ich falsch? Die Angst ist unvermindert da. Ich übe doch, ganz still zu werden, genau, wie du das gesagt hast und wie es in der Anleitung steht, auf die du verwiesen hast.

Genau an dieser Stelle stoße ich immer wieder auf eine bemerkenswerte Fähigkeit, die wir offenbar alle haben–mich eingeschlossen: Es ist gerade für spirituell angehauchte Menschen ohne weiteres möglich zu »wissen«, dass man in Wirklichkeit in der »sicheren und grenzenlosen Sphäre der wirklichen Welt« in Frieden weilt (nur eine Beispielformulierung), und gleichzeitig die Grundsätze des »Selbstschutzes« und der Kontrollerfordernisse als unabdingbar anzusehen. Die Angstauslöser im gleichen Atemzug mit einem Frieden ohne Bedingungen als wirklich zu akzeptieren – das ist eine echte Leistung! Also, alles auf null, wir beginnen von vorn. So führt uns der erste Schritt in die Einleitung von »Ein Kurs in Wundern«:

Das Gegenteil von Liebe ist Angst, doch was allumfassend ist, kann kein Gegenteil haben.3

Hier geht es nicht um das »alltägliche« Gefühl, das wir als »Liebe« bezeichnen. Die hat sehr wohl ein Gegenteil, wie jeder weiß. Sie hat auch durchaus mal ein Ende. Im Kurs wird Letzteres als »besondere Liebe« bezeichnet, da sie sich immer auf ein besonderes »Liebesobjekt« bezieht, also ganz und gar nicht allumfassend ist. In dem Zitat geht es jedoch um die EINE LIEBE, die alles umschließt, ihrem Wesen nach grenzenlos und ohne Gegenteil ist. Diese LIEBE hat keinen Anfang und kein Ende, sie ist die erfahrbare Widerspiegelung der WIRKLICHKEIT oder WAHRHEIT, des EINEN ohne ein Zweites, des ABSOLUTEN, des ganz ANDEREN oder GOTTES. Das sind jetzt eine Menge Vokabeln für ein und dasselbe – in der Hoffnung, dass etwas Passendes für dich dabei ist und du das Buch nicht gleich wegen bestimmter Reizworte vor die Wand wirfst.

Hier, im »fundamentalen« Bewusstsein, beleuchtet die LIEBE die Welt und zeigt sie uns als Ausdruck tätiger Liebe. Das Gegenteil der LIEBE – ist Angst. »Angst« nutze ich als Sammelbegriff für Unbehagen, Widerstände jeglicher Art, mulmige Gefühle, Todesangst, Panik, Zorn oder Wut. Aber auch besondere Zuneigung, besondere Liebe, Mitleid, Vergeltung, Angriff, Rache, Krankheit, Verlustangst, Phobien, Gegensätze oder Konkurrenz. Vereinfacht ausgedrückt, verwende ich den Begriff »Angst« in genau dieser Bedeutung: Alles, was nicht grundlose oder bedingungslose Liebe oder Glück ohne Auslöser ist. Oder alles, was nicht die WIRKLICHKEIT widerspiegelt. Kurz gesagt: Alles, was keine Bedeutung hat.

Das umschließt alles, was Bedingungen unterliegt, nicht andauert, anfängt und endet, sich verändert. Und da ich gerade beim Aufräumen bin: Alles, was du als »Objekt« bezeichnen kannst, etwas, das zeitlich und räumlich begrenzt wahrgenommen werden kann, das du mit einem Namen, einem Symbol versehen hast, fällt darunter. Das alles sind symbolgestützte Erfahrungen: Geräusche, Bilder, Geschmäcker und weitere Sinneswahrnehmungen, alle körperlichen Empfindungen, alle bedingten Affekte, die du als »Gefühle« oder »Emotionen« bezeichnest, und alle Gedanken, die du als »deine privaten oder nur dir bekannten Gedanken« ansiehst. Nichts davon hat irgendeine Bedeutung.

Keine Bedeutung oder bedeutungslos: Das heißt so viel wie »keine Wirkung«. Damit ist gemeint, dass die WIRKLICHKEIT, also das, was du in Wahrheit bist, davon nicht berührt werden kann. So, wie die Leinwand nicht von dem Filmgeschehen berührt wird, so bleibt auch ein Trauminhalt für den Träumer ohne direkte Wirkung. Was jedoch keine Wirkung hat, kann nicht auf eine Ursache zurückgeführt werden, denn jede Ursache hat eine Wirkung. Was jedoch keine Ursache hat – ist nie geschehen. Es existiert nicht.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um einen Augenblick innezuhalten. Und die Gelegenheit zu nutzen, tief durchzuatmen.

Starker Tobak? Bin ich zu sehr mit der Tür ins Haus gefallen? Habe ich zu heftig an dem Teppich gezogen, auf dem du sicher zu stehen glaubst? Schwirrt dir der Kopf, wenn du dir Gedanken darüber machst, was das alles heißen könnte? Welche Konsequenzen das vermeintlich nach sich ziehen könnte – wenn da überhaupt etwas dran ist? Vergiss alle Schlussfolgerungen. Sie schießen erfahrungsgemäß häufig übers Ziel hinaus und damit sich selbst ins Knie, indem sie die Angst verstärken.

Heißt das also, dass Angst »schlecht« ist, dass alles das, was ich als ihre Formen aufgezählt habe, zu vermeiden und abzulehnen ist, oder dass du im Gegenteil »die Sau rauslassen« kannst, weil dein Verhalten ja keinerlei Auswirkungen hat und alles »nicht existiert«? Nein. Ganz entschieden: Nein. Denn »Bedeutungslosigkeit« hat nichts mit »schlecht« oder »nicht beachtenswert« zu tun, genauso wenig wie mit »gut« oder »wichtig«: Ohne Bedeutung meint einfach »neutral«. Wie eine leere Leinwand, bevor der Film darauf projiziert wird. Die »Dinge«, die Angst, die Symbole, auf denen die »symbolgestützten« Erfahrungen gründen, haben die Bedeutung, die du ihnen gibst. Oder alternativ die Bedeutung, die die WAHRHEIT dir zeigt. Das ist jedoch ein »exklusives Oder«, ein Entweder-oder. Es ist eine Wahl.

Es ist die einzige Wahl, die du hast. Welchen Film möchtest du sehen?

Hilft dir das alles im konkreten Fall weiter? Was kannst du mit diesen ganzen Erläuterungen anfangen, wenn dich Fragen dieser Art beschäftigen:

Mein Nachbar macht unerträglichen Lärm, das löst plötzliche Wutausbrüche aus. Wie gehe ich damit um?