Work Life Liebe -  - E-Book

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Beschreibung

Be happy, work happy - mit der Hilfe von "Queer Eye"-Coachin Leni!
Du hast das Gefühl, du bist im Hamsterrad gefangen und dir würde ein bisschen mehr Work-Life-Balance guttun? Leni Bolt, bekannt aus der Netflix-Makeover-Serie "Queer Eye Germany" kann dir genau dabei helfen! Sie ist Expertin für mehr Achtsamkeit im Arbeitsleben und spricht in ihrem Ratgeber über hilfreiche Routinen, effektives Zeitmanagement sowie Wege zu mehr Selbstakzeptanz im Job.

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Seitenzahl: 163

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Vorwort

Work Life Liebe. Dieser Titel beschreibt ziemlich genau das, was mich in den letzten Jahren viel beschäftigt hat: die Liebe zu meinem Job zurückzugewinnen und einen Weg zu finden, bei dem Arbeit und Freizeit Hand in Hand gehen. Ist das überhaupt möglich? „Si, claro“, würde mein Nachbar hier im mallorquinischen Dorf jetzt sagen. Ich möchte es nur mal erwähnt haben: Hier in Spanien gibt es sogar noch Siesta. Und von einem Mittagsschlaf während der Arbeitszeit können wir in Deutschland ja wirklich nur träumen.

Es gibt aber Chancen, die du ergreifen kannst, um deiner Work-Life-Balance ein ganzes Stück näherzukommen. Dafür musst du im besten Fall nicht mal deinen Job wechseln und erst recht nicht auswandern, aber dazu später mehr. Alles fängt in deinem Inneren an. Jede äußere Veränderung wird langfristig nichts bringen, wenn du nicht tief in dich hineinhorchst, um deine Berufung in diesem Leben für dich zu eruieren. Also etwas findest, das dir jeden Tag viel Kraft zum Weitermachen gibt, weil du hinter der Idee, Mission und Zielsetzung stehst. Weil du daran glaubst und du deine kostbare Zeit gern dafür einsetzt.

Vielleicht bist du in einer ähnlichen Situation wie ich vor ein paar Jahren – gefangen in einem Arbeitskonstrukt, das du dir zwar selbst geschaffen hast, in dem du aber schon länger nicht mehr zufrieden bist. Und eins vorab: Du bist mit deinen Gedanken nicht allein. In einer kapitalistisch geprägten Welt gehen menschliche Bedürfnisse und Werte schnell unter, denn das einzige Ziel vieler Unternehmen ist: mehr Umsatz. Dass Individuen unter diesem ständigen Druck leiden können, ist den meisten Unternehmen zwar bewusst, aber sie ändern dennoch nichts daran – lieber tauschen sie ihr verbrauchtes „Humankapital“ einfach in neues um. Schließlich geht das schneller als eine Investition in nachhaltige New-Work-Ansätze!

Was wir als Individuum in dieser oftmals harschen Arbeitswelt dagegen tun können? Wir können uns selbst weiterbilden, die Perspektive ändern, unsere Resilienz stärken und uns selbst verdeutlichen, was wir uns wirklich für unser Leben wünschen und wie viel Geld wir dafür brauchen.

In diesem Buch erzähle ich zum allerersten Mal meine vollständige Geschichte: wie ich als queeres Kind auf dem Land groß wurde, um mich dann in die vermeintlich glamouröse Berliner Modewelt zu stürzen, wie mich mein Job in einer Werbeagentur ins Burn-out trieb und ich mich dann für einen Neustart in Spanien entschied – als Work-Life-Coach:in.

Als ich über die Inhalte meines Buches nachdachte, war mir eins sofort klar: Es reicht mir nicht, biografisch über meine Work-Life-Balance zu schreiben. Ich habe zwar so einiges zu erzählen (und das werde ich auch), aber ich möchte den Menschen da draußen wirklich helfen. Aus all den Gedanken ist ein Ratgeber mit Tipps, Reflexionsfragen und Aktivseiten entstanden. Keine Sorge, ich werde dir hier keine Luftschloss-Fantasien à la „Du musst es nur manifestieren, dann wird das Geld schon vom Himmel fallen“ in den Kopf setzen. Die Ratschläge, die ich dir hier an die Hand geben werde, musste ich mir selbst inmitten meines Burn-outs beibringen. Diese Methoden haben mir zu einer besseren Balance zwischen meinem beruflichen und privaten Ich verholfen.

Du hast dir dieses Buch wahrscheinlich besorgt, weil dir gerade so einige Fragezeichen im Kopf herumschwirren und du die Antworten für deine individuelle Situation noch nicht gefunden hast. Ich bin mir aber sehr sicher, dass du einige Schritte weiter sein wirst, wenn du dieses Buch als Leitfaden für deinen Weg raus aus dem Hamsterrad annimmst und dich Schritt für Schritt von mir begleiten lässt.

So, jetzt genug der Vorrede und rein ins Vergnügen: Ich wünsche dir viel Freude bei der Lektüre, der Reflexion und den Erkenntnissen.

Besitos

Leni

Disclaimer: Coaching vs. Therapie

Coaching und Therapie werden oft verwechselt, aber sie unterscheiden sich deutlich voneinander. Das Coaching ist ein zielorientierter Prozess, der sich auf die Gegenwart konzentriert, während in der Therapie meist vergangene Erfahrungen betrachtet und aufgearbeitet werden, um aktuelle Situationen besser verstehen zu können. Coach:innen arbeiten mit ihren Kund:innen zusammen, um ihnen bei der Identifikation von Zielen sowie der Erstellung umsetzbarer Pläne für die Erreichung dieser zu helfen. Die Rolle von Coach:innen besteht in der Unterstützung und Anleitung einer Person, damit diese die Verantwortung für eigene Entscheidungen und das eigene Verhalten übernehmen kann. Zudem geben sie während des gesamten Prozesses Feedback. Diese Art von professioneller Beziehung gibt den Menschen die Möglichkeit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und aktiv positive Veränderungen schneller zu bewirken.

Therapeut:innen wiederum konzentrieren sich darauf, zu verstehen, wie die vergangenen Erfahrungen einer Person ihre aktuelle Lebenssituation beeinflusst haben, indem sie Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Auslöser erforschen. Durch diese Erkundung können die Patient:innen Einblicke in ihre Verhaltensweisen, Überzeugungen und Beziehungen gewinnen. Bei dieser Art von Arbeit geht es oft darum, tief sitzende Probleme zu untersuchen und Wege zur Verarbeitung und Bewältigung zu finden. Der Schwerpunkt hierbei liegt auf der Heilung der Vergangenheit, damit in der Gegenwart sinnvolle Veränderungen bewirkt werden können.

Coaching und Therapie sind beides wertvolle, aber grundlegend unterschiedliche Ansätze, um Menschen bei der Zielerreichung zu helfen. Je nach deinen Bedürfnissen kann der eine Ansatz also hilfreicher sein als der andere. Es ist daher wichtig, dass du dir die Zeit nimmst, um die Unterschiede zwischen Coaching und Therapie zu verstehen, bevor du dich letztlich für einen Weg (oder beide) entscheidest.

Dieses Buch ist kein Therapieersatz!Erst recht nicht, wenn du an einem Burn-out leidest. Es kann begleitend genutzt werden, aber ich rate dir dennoch in diesem Fall dazu, dir professionelle Hilfe zu suchen. Letztendlich musst du entscheiden, welche Beratung dir am meisten dabei helfen könnte, deine Ziele zu erreichen. So oder so: Mit einer guten Anleitung, mit etwas Motivation und professioneller Unterstützung kannst du dein Leben selbst in die Hand nehmen und dauerhafte Veränderungen schaffen.

Zum Aufbau dieses Buches

Dieses Buch ist in drei Phasen aufgeteilt. In Phase 1 erfährst du mehr über dich, deine Einzigartigkeit und Ziele. Phase 2 soll dir mit den Themen Selfcare und Stressmanagement dabei helfen, in die Umsetzung zu kommen. Zum Schluss kannst du in Phase 3 herausfinden, wie du mit Zeitmanagement und Visionsarbeit dranbleibst.

Dieses Buch ist als Workbook gestaltet – hinter vielen Themen findest du Aktivseiten, bei denen du gefragt bist.

Mach den nachfolgenden Realitäts-Check, um eine Bestandsaufnahme zu bekommen und schau dir nach getaner Arbeit im Abschluss-Check am Ende des Buches an, was du alles erreicht hast.

Diese Icons findest du im Buch:

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Schnappe dir einen Stift und halte hier deine Gedanken fest oder reflektiere das Gelernte.

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Diese Bereiche zeigen dir auf einen Blick meine besten Tipps und Tricks.

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Realitäts-Check

Bevor ich dich gleich auf meine Achterbahnfahrt durch die Arbeitswelt mit-nehme, möchte ich dich zu einem Realitäts-Check animieren, in dem du dir klarmachst, womit du in deinem Job unzufrieden bist. Im besten Fall kannst du am Ende dieses Buches auf deine Gedanken zurückschauen, aber mit einem klaren Plan dafür, wie du deine Situation verbessern kannst.

Welche Intention hat dich zum Buchkauf bewegt?

Vorweg muss ich dir leider gleich die Illusion rauben, dass ich dir hier die einzig wahre Lösung für deine eigene Work-Life-Balance auf dem Silbertablett servieren werde. Am meisten wirst du jedoch für dich mitnehmen, wenn du dich auf meine Fragen und Aufgaben einlässt und sie bearbeitest. Selbst wenn dir dabei die ein oder andere Methode bereits in ähnlicher Form begegnet ist, so sind wir Menschen doch Wiederholungstäter:innen, müssen manches für die Umsetzung also auch mehrmals hören und lesen.

Für mich setzt sich Work-Life-Balance aus vielen Aspekten zusammen, um die wir uns kümmern müssen. Dazu zählen beispielsweise Stressmanagement, unsere Job-Beziehungen und unsere Komfortzone. Und genau darum wird es sich in den folgenden Kapiteln drehen.

Was belastet dich in deinem Beruf gerade am meisten?

Bei vielen meiner Coaching-Kund:innen ist der größte Schmerz bei den zwischenmenschlichen Beziehungen zu finden. Wie sehr sie sich im Job auch anstrengen und abliefern – die Arbeit wird nicht wertgeschätzt und sie fühlen sich auf menschlicher Ebene nicht gesehen. Eine weitere häufig genannte Belastung ist der Workload. Du bist also nicht allein damit, wenn dir der Gedanke an deine To-do-Liste Bauchschmerzen bereitet! Bei vielen Unternehmen wird am falschen Ende gespart: beim Personal. Du hast also nicht nur das Gefühl, dass du den Job zweier Leute machst – du machst es tatsächlich.

Welchen Traumberuf hattest du als Kind, was hast du später erlernt und wo arbeitest du heute?

Das Schöne an der Kindheit ist, dass wir zu dieser Zeit noch groß träumen. Ich wollte Comic-Zeichner:in werden, arbeite heute aber remote von Mallorca als Work-Life-Coach:in. Hätte ich damals gedacht, dass mich dieser Job mal erfüllen würde? Nein. Hätte ich gedacht, dass ich irgendwo auf einer kleinen Insel im Mittelmeer sitzen und von zu Hause aus arbeiten würde? Nein. Wir wachsen in unsere berufliche Identität rein und mit der Zeit verschieben sich unsere Prioritäten. Während meiner Zeit in Berlin habe ich zum Beispiel in der Werbebranche gutes Geld verdient, konnte mir also schöne Urlaube und Markenklamotten leisten. Überraschung: Selbst das Geld und die finanzielle Sicherheit stimmten mich nicht zufrieden, im Gegenteil, ich war sogar zutiefst unzufrieden im „goldenen Käfig“. Einfach weil mir der Job keinen Spaß machte. Denn Glück lässt sich nicht kaufen – und wenn, dann nur für kurze Zeit. Wahre Zufriedenheit entsteht erst, wenn dein Berufs- und dein Privatleben im Einklang miteinander sind. Mein kostbarstes Gut ist Zeit. Ich liebe die Arbeit an neuen Projekten, meinen Coaching-Kund:innen weiterzuhelfen. Aber eben auch nur so lange, wie ich genau so viel Zeit in mein Privatleben investiere – in Freundschaften, Yogastunden und Spaziergänge bei Sonnenuntergang am Strand.

Welche Aspekte gefallen dir trotz der vielleicht negativen Gesamtsituation an deinem aktuellen Job?

Diese Frage ist wichtig, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass du mindestens drei Punkte benennen kannst. Dir muss bewusst werden, dass du deine Situation in eine positive Richtung lenken kannst – auch ohne deinen Job zu kündigen. Ich möchte auch nicht, dass du aufgrund einer gerade schwierigen Phase die Freude an deinem Job verlierst. Dein Arbeitsleben ist wie eine Beziehung: Es erfordert kontinuierliche Arbeit an der Sache selbst. Viele sehen die Kündigung als einzigen Ausweg, aber bemerken dann schnell bei der neuen Stelle die gleichen Schattenseiten. Aus diesem Grund geht es im ersten Kapitel darum, wie du dein Leben selbst in die Hand nimmst.

Meine Story – 1. Teil

Mein Traumjob? Als Kind wollte ich Comic-Zeichner:in werden. Warum, weiß ich gar nicht mehr so genau, aber ich war ein großer Fan und der Hype um japanische Animes schwappte gerade nach Deutschland. Ich weiß noch, wie ich versuchte, die Charaktere von Sailor Moon und Co. vom Fernseher abzumalen – was sich als recht schwierig herausstellte, weil wir nur drei Programme hatten, ich das „coole“ Programm mit den Animes also nur bei meiner besten Freundin schauen konnte. Ich verbrachte Stunden allein in meinem Kinderzimmer, dachte mir Geschichten aus und erweckte sie dann auf dem Papier zum Leben. Tatsächlich schickte ich sogar zwei meiner Comics bei einem Zeichenwettbewerb ein … wenn auch erfolglos. Die Faszination für die japanische Zeichenkunst blieb jedoch noch einige Jahre bestehen, bis ich als Teenager die schillernde Modewelt für mich entdeckte – im Otto-Katalog.

Insgesamt war meine Schulzeit ziemlich scheiße und ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich mit zwölf Jahren auf dem Schulhof gefragt wurde: „Bist du ein Junge oder ein Mädchen?“ Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich noch nicht näher mit meiner eigenen Identität auseinandergesetzt. Bei meiner Geburt wurde mir das männliche Geschlecht zugewiesen. Es wurde in den folgenden Schuljahren noch schlimmer, ich hatte definitiv mehr Feind:innen als Freund:innen, auch wenn es einige gab, die mich immer unterstützten und zu denen ich noch heute Kontakt habe. Ich war kein lautes Kind, sondern eher schüchtern, aber irgendetwas löste Reaktionen bei den Menschen aus. Vielleicht waren es die experimentellen Outfits? Ich probierte viel aus und würde im Nachhinein sagen, dass ich wohl mit Mode versuchte, meine eigene Identität zu entdecken – an einem Tag mit schwarzer Paillettenhose, am anderen mit riesigem Schal im Zebraprint. Für mich spannend, aber für die Kleinstadtmodepolizei zu viel.

In der Modewelt fand ich einen Zufluchtsort für mich. Eine glamouröse Welt. Wie für mich gemacht, weil sie auch Menschen wie mich akzeptierte und verstand – or so it seemed. Meine Mutter hatte mir das Nähen beigebracht und mich beim Nähen meiner ersten Taschen, T-Shirts und Kleider unterstützt. Anschließend eröffnete ich einen kleinen Onlineshop und begann, meine kleine Kollektion zu verkaufen. Ich weiß zwar nicht, wie, aber ein lokaler Radioreporter erfuhr von meiner Geschichte und stattete mir für einen Bericht zu Hause einen Besuch ab. Zu dem Zeitpunkt im Jahr 2008 war ich 15 Jahre alt, unglaublich aufgeregt, aber happy zugleich, dass sich jemand von der Presse für mein kleines Modelabel interessierte. Das mag etwas dramatisch klingen, aber dieser Moment veränderte mein Leben komplett, denn so schnappte eine RTL-Redakteurin meine Story auf und kam mich ebenfalls besuchen – dieses Mal mit einem Kamerateam. Daraufhin folgten vier aufregende Jahre mit eigenen Modeschauen auf der Berlin Fashion Week, Gastauftritten bei stern TV, VIVA Live! und im KiKA sowie einer eigenen Modelinie mit Onlinevertrieb.

Ich würde fast behaupten, dass mir dieser frühe Jobeinstieg das Leben rettete, denn so konnte ich endlich aus der Schule ausbrechen und dem Mobbing entfliehen. (Mein Abitur habe ich in der Zeit ganz brav trotzdem abgeschlossen, auch wenn ich insgeheim wusste, dass ich es für diese Branche nicht brauchen würde.) Wenn ich mich so an die Zeit zurückerinnere, war sie definiert von Extremen geprägt: Auf der Fashion Week wurde ich für meine Outfits gelobt und von Streetstyle-Fotograf:innen abgelichtet, aber auf dem Schulhof dafür ausgelacht und angespuckt. Dieser Zufluchtsort der Modewelt gab mir Halt während der letzten Schuljahre, denn ich wusste: Wenn ich meinen Schulabschluss in der Tasche habe, bin ich weg – Berlin, London, Paris, egal!

So sollte es dann auch kommen. Mit meinem … na ja … mittelmäßigem Abitur in der Tasche und einer Bewerbungsmappe voller Zeichnungen, Collagen und Nähproben nahm ich all meinen Mut zusammen und bewarb mich an einer renommierten Berliner Hochschule für Mode. Ich schaffte es in die erste Bewerbungsrunde. Das Verfahren war heftig – eine Mischung aus Der Teufel trägt Prada und Big Brother: 40 Bewerber:innen mussten unter Zeitdruck verschiedene Aufgaben in einem kleinen Raum erfüllen. Manche weinten, manche brachen ab, der Druck war zu hoch. So ging das drei Tage lang. Täglich mussten Bewerber:innen ihre Tasche packen und gehen. Ich wollte aber unbedingt an dieser Hochschule Modedesign studieren, also biss ich die Zähne zusammen und lieferte ab.

Die vielen Testaufgaben und die nervenaufreibenden Wartezeiten haben sich schlussendlich gelohnt. Ich wurde neben 14 weiteren angehenden Modedesi-gner:innen für die Klasse ausgewählt und fing ein halbes Jahr später mit dem Studium an. Rückblickend war es für mich der beste Ort zur Selbstfindung. An dieser Kunsthochschule war einfach alles erlaubt, ich konnte mich frei entfalten und mich endlich so ausdrücken, wie ich wollte.

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Kleiner Funfact am Rande: Ich war in meinem ersten Berlin-Jahr oft als Dragqueen feiern – schlussendlich auch mein Aha-Moment, bei dem ich realisierte, dass meine weibliche Seite zum Vorschein kommen möchte.

Mir war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, welche Wellen diese Erfahrung schlagen wird, aber ich wusste, dass sich etwas ändern musste, damit ich mich in meinem Körper wohlfühle. Passend dazu bekam ich 2014 die Chance, ein Praktikum bei der Streetstyle- und DJ-Ikone Larry Tee (war Teil der New Yorker 80er-Club-Kids-Szene und einer von RuPauls Songwritern) in London zu absolvieren – ein völlig neuer Lebensabschnitt, den ich gut zu nutzen wusste: Von nun an stellte ich mich nur noch mit Leni und weiblichen Pronomen vor. In London habe ich gemerkt, dass es wichtig ist, die Komfortzone zu verlassen, damit sich etwas zum Positiven verändern kann. Wäre ich damals nicht ins Ausland gegangen, wo mich niemand kannte, wer weiß, wo ich heute wäre … Die Freiheit, sich selbst neu erfinden zu können, ist einfach eine wunderbare Erfahrung.

London hatte mein Portemonnaie komplett leer gefressen, also musste ich mir nach meiner Rückkehr nach Berlin erst einmal einen Minijob suchen. Ich hatte mittlerweile schulterlange Haare, trug Make-up und androgyne Kleidung, doch eins konnte ich nicht so leicht anpassen: meine Stimme. Sie ist recht tief und erfahrungsgemäß wurde ich spätestens dann von anderen Menschen geclocked1, sobald ich den Mund aufmachte. Dennoch fing ich einen Nebenjob in einem Strandbad-Café an, was mir täglich dabei half, meine Unsicherheit bezüglich meiner Stimme wegzutrainieren.

Lange sah ich meine Stimme und meine queere Identität als Schwäche an, vor allem jobtechnisch. Der Kontakt zu Menschen, die Kommunikation, meine Em-pathiefähigkeit waren aber immer meine Stärken, ironischerweise braucht man dafür bekanntermaßen seine Stimme. Das Strandbad hat mir wirklich dabei geholfen, mich so zu akzeptieren, wie ich nun mal war und bin. Den meisten Gäst:innen war mein Erscheinungsbild egal, sie wollten einfach ihre Bestellung haben. Auch die komischen Blicke oder blöden Sprüche hielten sich in Grenzen, aber durch sie lernte ich, dass aggressive Äußerungen mir gegenüber viel mehr mit den Sprecher:innen als mit mir zu tun hatten. Denn es macht weniger Probleme, mit der Masse zu schwimmen als vielleicht anzuecken, wie ich damals. Aber weißt du was? Das ist auch ziemlich langweilig!

1Bedeutung: wenn eine andere Person dich als trans* erkennt

1. Nimm dein Leben selbst in die Hand!

Akzeptiere deine Stärken und Schwächen

Wie möchtest du dich verbessern? Möchtest du einen Skill lernen, der dich bei unbeliebten Aufgaben schneller ans Ziel bringt? Oder an deinem Selbstwertgefühl arbeiten? Das sind Ziele zur Selbstoptimierung, die ich schon oft von Coaching-Kund:innen gehört habe. Es gibt einen roten Faden, der sich durch all die Wünsche zieht: Die meisten Menschen denken an ihre Schwächen, wenn sie da-rüber nachdenken, etwas zu verbessern.

Warum aber sollten wir unseren Schwächen so viel Aufmerksamkeit schenken?

Warum nutzen wir nicht die Chance, unsere Stärken zu verstärken?

Weil die meisten Menschen der Überzeugung sind, dass sie eher ihre Schwächen als ihre Stärken ändern können. Sie sehen ihre Stärken als festen, unveränderbaren Bestandteil ihrer Persönlichkeit an. Du bist beispielsweise superselbstbewusst und kannst deshalb Projekte und Ideen gut vor anderen Menschen präsentieren. Würdest du auf die Idee kommen, eine Fortbildung zu besuchen, um deine Kommunikations-Skills zu optimieren? Wahrscheinlich nicht, aber genau darin liegt der Fehler. Dir ist mindestens eine besondere Gabe in die Wiege gelegt worden, mit diesem Talent solltest du von nun an arbeiten. Behandle es wie eine Pflanze, die wachsen möchte. Schenke deinem Talent Aufmerksamkeit und schau, dass du dich in den Aspekten verbesserst, die dir von Natur aus schon gut liegen. Verschwende keine Zeit daran, dich in dem zu verbessern, was du nicht gut kannst und dir wahrscheinlich auch keine Freude bringt.

Wer will schon scheitern?

Es gibt einen weiteren Grund, warum wir uns mehr auf unsere Stärken konzentrieren sollten: Wir scheitern oft bei dem Versuch, unsere schlechten Gewohnheiten zu ändern. Viele überschätzen schlichtweg ihre Fähigkeit, Schwächen zu verändern, daher setzen sie sich unrealistisch hohe Ziele. Die Enttäuschung ist am Ende groß und überschattet die Möglichkeit, die in unseren Stärken schlummert.

In diesem Kapitel möchte ich dir gar nicht absprechen, dass du deine schlechten Angewohnheiten loswerden kannst, ich möchte vielmehr einen liebevollen und realistischen Umgang mit ihnen aufzeigen – sowie die Chancen, die mit deinen Stärken einhergehen. Sei nicht so hart zu dir selbst und setze dir lieber kleine Ziele als gleich ganzjährige Vorsätze. Das garantiert Erfolgsmomente! Statt also „Ich gehe ab jetzt jeden Morgen vor der Arbeit eine Stunde joggen, um wach in den Tag zu starten“ könntest du erst mit einem 15-minütigen Spaziergang an der frischen Luft starten, um deine Zellen im Körper zu aktivieren. Ohne dich jedoch zu überfordern.