Worte Ramakrishnas - Sri Ramakrishna - E-Book

Worte Ramakrishnas E-Book

Sri Ramakrishna

0,0

Beschreibung

Sri Ramakrishna (1836-1886) gilt als einer der bekanntesten indischen Heiligen. Er lebte im 19. Jh. in der Tempelanlage von Dakshineswar in der Nähe von Kalkutta. Nachdem er dort jahrelang spirituelle Übungen aus verschiedenen Traditionen ausgeführt hatte und mit ihnen zu Ende gekommen war, stellten sich Schüler ein, Verheiratete und unverheiratete junge Männer, von denen letztere nach seinem Tod den Mönchsorden gründeten. Angezogen von seiner starken Persönlichkeit und inneren Reinheit kamen auch viele Besucher aus allen Bevölkerungsschichten, um in seiner Gegenwart zu sein, ihre Fragen zu stellen und seiner Lehre zuzuhören. In seiner spontanen, einfachen Art belehrte er sie auf sehr anschauliche Weise, indem er Beispiele aus dem Alltagsleben und Gleichnisse verwandte, wovon diese Sammlung von 1120 Aussprüchen und Gleichnissen zeugt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 525

Veröffentlichungsjahr: 2022

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung der Übersetzerin

Einleitung

Buch I: Mensch und Welt

Kapitel I: Der Mensch

Kapitel II: Maya

Kapitel III: Maya als “Frauen und Gold”

Kapitel IV: Maya als

Ahamkara

oder Egoismus

Kapitel V: Bindung durch Büchergelehrsamkeit

Kapitel VI: Falsche und echte religiöse Lehrer

Kapitel VII: Die weltlich Gesinnten und ihre Wege

Buch II: Der Aufstieg des Menschen

Kapitel VIII: Verschiedene Sucher und ihre Ideale

Kapitel IX: Einige Hilfsmittel für das geistliche Leben

Kapitel X: Wege des spirituellen Lebens

Kapitel XI: Spirituelle Sucher und religiöse Unterschiede

Kapitel XII: Die Grundlage des spirituellen Lebens

Kapitel XIII: Sehnsucht nach Gott

Buch III: Der Mensch und das Göttliche

Kapitel XIV: Der Herr und Seine Verehrer

Kapitel XV: Helfer auf dem spirituellen Weg

Kapitel XVI: Jnana, Bhakti und Karma

Kapitel XVII: Das Göttliche

Kapitel XVIII: Die Erkenntnis des Göttlichen

Kapitel XIX: Der Mensch mit Gotteserkenntnis

Kapitel XX: Einblicke in die Erfahrungen des Meisters in seinen eigenen Worten

Buch IV: Grundsätze und Gleichnisse

Kapitel XXI: Einige Grundsätze

Kapitel XXII: Gleichnisse

Glossar

Sri Ramakrishna Paramahamsa

Vorbemerkung

Vorbemerkung der Übersetzerin

Diese Zitatesammlung mit 1120 Gleichnissen, Aussprüchen und Analogien aus der Lehre Ramakrishnas (Sayings of Sri Ramakrishna) erschien zuerst in der Zeitschrift Brahmavadin, deren Herausgabe Swami Vivekananda angeregt hat, und später in Buchform (2. Aufl. 1905 und weitere Auflagen). Vermutlich kam die Einleitung, deren Verfasser nicht bekannt ist, in einer der späteren Auflagen hinzu. Swami Abhedananda veröffentlichte 1903 eine gekürzte Ausgabe mit 554 Zitaten unter demselben Titel.

Die Analogien und Gleichnisse Ramakrishnas aus dem Alltagsleben vermitteln die Lehre Ramakrishnas auf sehr einprägsame und anschauliche Weise. Ich wünsche dem Leser, der Leserin bei der Lektüre viel Inspiration.

Gabriele Ebert

Einleitung

I.

Die in diesem Band enthaltenen Aussprüche und Gleichnisse Sri Ramakrishnas sprechen für sich selbst, was ihren spirituellen Wert und ihre philosophische Tiefe angeht. Der Stempel des Genies, den sie tragen, kann selbst einem flüchtigen Leser nicht entgehen. Aber weise Sprüche und bewundernswerte Überlegungen zum Leben wurden auch von großen Intellektuellen und erstklassigen Literaten gegeben. Die Aussprüche, die in diesem Band enthalten sind, sollten jedoch von den Werken solcher Männer unterschieden werden. Denn bei aller künstlerischen Schönheit und Erhabenheit des Gedankens fehlt es den Schriften eines bloßen akademischen Philosophen oder Literaten an Autorität in Fragen, die Gott und das spirituelle Leben betreffen, da ihr Autor nur im Dunkeln tappt wie jeder einfache Mensch, was diese Themen von transzendentaler Bedeutung angeht. Die Aussagen von Sri Ramakrishna stehen in dieser Hinsicht auf einer ganz anderen Grundlage, denn Sri Ramakrishna besaß nicht nur einen großen Intellekt und einen künstlerischen Verstand, sondern die zusätzliche Qualifikation, dass er Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, mit Ihm gesprochen und das göttliche Leben geteilt hat. Daher haben seine Worte zu diesen transzendentalen Themen das Gewicht einer Autorität, die vom Höchsten Wesen selbst kommt. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir die folgende kurze Lebensskizze von ihm als Einleitung zu dieser Ausgabe seiner Aussprüche geschrieben haben, doch es mag unter den Lesern Personen geben, die noch keine Gelegenheit hatten, eine detaillierte Biographie von ihm zu studieren und mit diesem einzigartigen Aspekt seines Lebens und seiner Lehren vertraut zu werden.

II.

Sri Ramakrishna wurde am 18. Februar 1836 in einer armen Brahmanenfamilie im Dorf Kamarpukur in Bengalen geboren. Sein Vater Khudiram Chatterjee war ein Mann von großer Frömmigkeit und aufrechtem Charakter. Er hielt so sehr an der Wahrheit fest, dass er diesen Grundsatz in seinem Leben auch dann nicht verletzte, als er feststellte, dass seine Befolgung für ihn und seine Familie den völligen Ruin bedeutete. Als Khudiram einmal vom Grundherrn des Dorfes aufgefordert wurde, zu dessen Gunsten ein falsches Zeugnis abzulegen, weigerte er sich, und in seinem Zorn über den Trotz dieses tugendhaften Brahmanen beraubte ihn der mächtige Mann des Dorfes all seiner irdischen Besitztümer. Auch seine Mutter Chandramani Devi war ein Inbegriff an weiblichen Tugenden. Die Überlieferung besagt, dass dieses fromme Paar vor der Geburt Sri Ramakrishnas viele göttliche Visionen und Erfahrungen hatte, die auf die Göttlichkeit ihres Gadadhar, wie sie ihren Sohn in seinen frühen Tagen nannten, hinwiesen.

Schon in seiner Kindheit zeigte Sri Ramakrishna Anzeichen der großen Persönlichkeit, die ihn im späteren Leben auszeichnete. Als Junge konnte er die Menschen leicht faszinieren und wurde zum Liebling der Älteren und zum geliebten Anführer seiner Spielkameraden. Er hatte die Seele eines Künstlers, der sich an den Schönheiten der Natur erfreute und die feinen Nuancen der Unterschiede in Tönen und Bildern sowie in der Formung der Gesichter und Muskeln der Menschen erfasste. Zu den Lieblingsbeschäftigungen seiner Kindheit gehörten daher Mimik, Porträtieren, Tonmodellieren, dramatische Aufführungen, fromme Musik und die Betrachtung epischer Helden und Heldinnen. Und vielleicht war es der Künstler in ihm, der ihn dazu brachte, sich gegen die langweilige Routine der Schule und ihren Lehrplan mit stereotypen Fächern aufzulehnen und eine besondere Abneigung gegen exakte Wissenschaften wie Mathematik zu zeigen. Aber seine scharfen intellektuellen Fähigkeiten und sein erstaunliches Gedächtnis machten diese Abneigung gegen akademische Studien mehr als wett. Er bildete sich in einem höheren Sinne weiter, indem er die hinduistischen Epen, die die großen spirituellen Ideale Indiens verkörpern, beherrschte, indem er ihrem Vortrag und ihrer Erläuterung durch Gelehrte zuhörte und vor allem, indem er sich direkt in die Natur begab, um Menschen und Dinge durch Beobachtung zu studieren.

Unter den Jungen seines Alters zeichnete er sich durch seinen Mut und seinen hartnäckigen, unabhängigen Geist aus. Schon von klein auf kannte er keine Schüchternheit oder Ängstlichkeit. Er war gesund und kräftig und ließ sich niemals von den Älteren einschüchtern oder unterdrücken, wenn er sich im Recht sah. Er widersetzte sich einigen der einflussreichen Ältesten des Dorfes, was die Purdah-Regeln betraf (die Regel über die Absonderung der Frauen), weil sie seiner Meinung für die charakterliche Erziehung der Frauen nutzlos war. Viele in dem konservativen Dorf müssen ihn für einen Revolutionär gehalten haben, als er anlässlich seiner Upanayana-Zeremonie (Einweihung mit der heiligen Brahmanenschnur) gegen viele Widerstände darauf bestand, sein erstes Bhiksha oder Almosen von einer Schmiedin zu erhalten, wie er es ihr zuvor versprochen hatte.

Doch dem jungen Rebellen fehlte es nicht an Ehrfurcht, denn die Liebe zu Gott war ihm von Kindheit an in die Wiege gelegt worden, und er nahm sowohl bei der Verehrung der Gottheit zuhause als auch bei den religiösen Aktivitäten des Dorfes eine führende Rolle ein. Von klein auf hatte er eine Vorliebe für wandernde Asketen, und wann immer sich ihm eine Gelegenheit bot, unterhielt er sich mit ihnen.

Mit fortschreitendem Alter nahmen seine frommen Neigungen eine konkretere Gestalt an. Man sah ihn oft in göttliche Kontemplation eingehen, die in Ekstase gipfelte. Die bemerkenswertesten Anlässe für solche Ereignisse in seinen frühen Tagen waren vor allem drei – einmal, als er einen Flug schneeweißer Kraniche vor einem dunklen, von düsteren Gewitterwolken bedeckten Himmel beobachtete, das nächste Mal, als er in einem Dorfdrama die Rolle Sivas spielte, und ein weiteres Mal, als er auf einer Wallfahrt Lieder zum Lob der Gottheit sang. Und es war diese Hingabe, die schließlich den Führer, den Künstler und den Rebellen in ihm beherrschte und die verschiedenen Qualitäten seiner Persönlichkeit in den Dienst des höchsten spirituellen Ideals stellte, das er erlangte, was ihn zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten der modernen Zeit machte.

III.

Das geeignete Umfeld für die volle Entfaltung von Sri Ramakrishnas Persönlichkeit bot der Kali-Tempel von Dakshineswar in Kalkutta, der 1855 von Rani Rasmani erbaut worden war. Die täglichen frommen Pflichten als Hauptpriester im Tempel der Göttlichen Mutter schürten das Feuer der Hingabe in ihm. Es wurde beobachtet, dass er Stunden in tiefer Meditation und mit dem Singen hingebungsvoller Lieder verbrachte. Es wurde auch festgestellt, dass er einen Großteil seiner Nächte in Kontemplation in den verwilderten Regionen des Gartens verbrachte und dabei alle Kleidung und sogar die heilige Brahmanenschnur ablegte. Es wurde festgestellt, dass in seiner Art der Gottesverehrung die strenge Einhaltung von Ritualen allmählich einer Zwanglosigkeit wich, die aus einem Gefühl der Vertrautheit mit dem Objekt der Verehrung entstand.

All dies war nur das Zeichen des Sturms, der in seiner Seele tobte – die leidenschaftliche Sehnsucht zu wissen, ob die Göttliche Mutter, die er verehrte, wirklich existierte oder nicht. Im Laufe der Zeit wurde diese Sehnsucht so groß, dass er eines Tages kurz davor war, seinem Leben aus Verzweiflung ein Ende zu setzen. Da verschwanden plötzlich die Schirme, die die Wahrheit vor den Augen seiner Seele verbargen. Er geriet in einen Zustand der Ekstase und hatte eine Vision der Gottheit als „ein grenzenloses, strahlendes Meer von Intelligenz“.

Der Trost und das Gefühl der göttlichen Gegenwart, die diese Erfahrung begleiteten, hielten jedoch nicht lang an. Er stellte fest, dass sie ihm nur einen flüchtigen Blick auf das höhere Leben gewährte, aber sein Bewusstsein nicht mit einer fortwährenden Erfahrung der Gottheit bereicherte. Dieser erste Flug der Seele machte ihm also nur Appetit auf das Göttliche, und in der bald darauffolgenden Periode der Trockenheit wurde er von einer noch stärkeren Sehnsucht erfüllt, die Gegenwart Gottes überall und zu jeder Zeit zu spüren. Die Intensität dieses Verlangens war so groß, dass er praktisch jeden Realitätssinn für die äußere Welt verlor. Ohne auch nur einen Gedanken an Essen oder Schlaf zu verschwenden, verbrachte er seine ganze Zeit damit, in der Qual seiner Seele zur Göttlichen Mutter zu beten.

Schließlich wurde es für ihn unmöglich, den täglichen Gottesdienst für die Gottheit im Tempel weiter auszuführen. Mathurnath, der Vorsteher des Tempels und Schwiegersohn von Rani Rasmani, der inzwischen große Zuneigung und Respekt für Sri Ramakrishna entwickelt hatte, entband ihn von seinen Pflichten im Tempel und gab ihm jede Möglichkeit, seinen spirituellen Neigungen nachzugehen. Und Sri Ramakrishna nutzte diese Gelegenheit, um sich in Gebet, Meditation und asketische Praktiken mit einer Intensität des spirituellen Strebens zu vertiefen, wie sie nur selten in der Welt zu beobachten ist. Oft sah man, wie er, von verzweifelter Sehnsucht gepackt, sein Gesicht auf dem Boden rieb, bis es blutete.

Später sagte er zu seinen Schülern, indem er diese unstillbare Sehnsucht seiner Seele nach Gott beschrieb, sie sei wie das intensive Verlangen nach Luft bei einem Menschen, der unter Wasser gedrückt wird. Wiederum pflegte er zu sagen, dass man eine verschwommene Vorstellung von diesem Verlangen nach Gott haben könne, wenn man sich eine Verdichtung dieser drei Arten von Zuneigung vorstellte – der Vorliebe eines Geizhalses für seinen gehorteten Reichtum, der Liebe einer edlen Dame zu ihrem Mann und der Zuneigung der Mutter zu ihrem einzigen Kind.

Um diese Zeit besuchte er sein Heimatdorf Kamarpukur. Seine Mutter war der Meinung, dass, wenn er heiratete, seine Verrücktheit nach Gott und seine äußerste Gleichgültigkeit gegenüber der Welt eingedämmt werden würden und dass er im Laufe der Zeit auf natürliche Weise zu einer normalen Lebensweise zurückkehren würde. So wurde er 1859 mit Saradamani Devi verheiratet, einem kleinen Mädchen von fünf Jahren, Tochter von Ramchandra Mukhopadhyaya, die aus einem Nachbardorf stammte. Obwohl diese Heirat für seine späteren Tage wichtige Folgen haben sollte, hatte sie nicht die beabsichtigte Wirkung, seinen Eifer für Gott zu bremsen. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Dakshineswar im Jahr 1860 wurde seine Seele erneut von der gleichen stürmischen Leidenschaft der Gottesliebe erfasst.

Bis zu diesem Zeitpunkt kann man sein spirituelles Streben als eine einsame Suche beschreiben. Von da an kamen viele große spirituelle Lehrer zu ihm, als wären sie von der göttlichen Vorsehung gesandt worden, um ihm bei seiner Suche nach Gott zu helfen. Unter ihrer Anleitung begann er, verschiedene spirituelle Disziplinen zu praktizieren, wie sie in den Schriften vorgeschrieben sind.

Es gibt zwei hervorstechende Merkmale, die Sri Ramakrishna in diesem Aspekt seines Lebens von anderen spirituellen Suchern unterschieden. Das eine ist die Schnelligkeit, mit der er in jedem Sadhana (spirituelle Praxis) Erfolg hatte, was auf die Intensität seiner Suche zurückzuführen ist. Der andere ist die Vielfalt der Sadhanas, die er durchlief, was in der spirituellen Geschichte der Menschheit beispiellos ist.

Die erste Lehrerin war die Bhairavi, die Sri Ramakrishna 1861 kennenlernte. Sie war eine Brahmanin mittleren Alters mit großer Gelehrsamkeit und hohen spirituellen Errungenschaften. Unter ihrer Anleitung unterzog er sich erfolgreich allen wichtigen spirituellen Praktiken, die in den vierundsechzig Tantren des Sakta-Kults erwähnt werden. Alle diese Praktiken beziehen sich auf die Verehrung der Gottheit als Göttliche Weltenmutter, und einige von ihnen sind so schwierig auszuführen, dass niemand außer jenen, die vollkommene Meister der Sinne sind und fähig, die Göttlichkeit in allem zu sehen, sie mit Gewinn oder Sicherheit ausüben kann. Dass er sie erfolgreich verfolgte, lässt auf die große Reinheit seines Geistes und sein angeborenes geistiges Genie schließen. Diese Disziplin der Mutterverehrung verlieh ihm nicht nur die Erkenntnis der Göttlichen Mutter in ihren verschiedenen Aspekten, sondern bestärkte ihn auch in der Überzeugung, dass jede Frau eine Manifestation und ein Symbol der Göttlichen Mutter in einem besonderen Sinne ist.

Die vishnuitische Form des Sadhana war eine weitere Art der spirituellen Disziplin, die Sri Ramakrishna praktizierte. Die Vishnuiten verehren die Gottheit, indem sie verschiedene Formen der persönlichen Beziehung zu Ihm kultivieren, die als Bhavas oder Haltungen bekannt sind, wie die des Dieners gegenüber dem Meister (Dasya), des Freundes gegenüber einem Freund (Sakhya), der Eltern gegenüber dem Kind (Vatsalya) und der Geliebten gegenüber ihrem Liebsten (Madhura). Sri Ramakrishna nahm all diese Haltungen nacheinander an. Dabei identifizierte er sich mit den klassischen Persönlichkeiten, mit denen eine bestimmte Haltung traditionell in Verbindung gebracht wurde – mit Mahavir für Dasya-bhava, mit Radha für Madhura-bhava und so weiter. In solchen Phasen der Identifikation lebte er wie diese Persönlichkeiten und brachte ihr Bewusstsein und Verhalten zum Ausdruck. So lebte er viele Monate lang wie eine Frau in der Gesellschaft von Frauen, während er die Sakhya- und Madhura-Formen des Sadhana praktizierte, und weder er noch die Frauen, in deren Gesellschaft er lebte, empfanden dies als fremdartig oder künstlich. So radikal war die Veränderung, die er nach Belieben in seinem Bewusstsein und sogar in seinem physischen Leben bewirken konnte.

Im Jahr 1864 kam er mit einem großen Vedantin der nicht-dualistischen Schule in Kontakt, einem Wandermönch namens Totapuri. Sri Ramakrishna wurde von ihm in das Leben von Sannyasa eingeweiht. Bis dahin verehrte er die Gottheit als göttliche Person mit Eigenschaften. Von Totapuri lernte er die Methode, über Ihn in Seinem eigenschaftslosen und unpersönlichen Aspekt zu meditieren. Sein Geist war so reif für diese höchste Form der spirituellen Disziplin, dass er innerhalb von drei Tagen nach seiner Einweihung Nirvikalpa Samadhi oder den Zustand des bedingungslosen Bewusstseins erreichte, von dem die Advaita-Schriften als dem Ziel aller spirituellen Bemühungen des Menschen sprechen. Und nachdem Totapuri Dakshineswar am Ende seines fast einjährigen Aufenthalts im Tempel verlassen hatte, blieb Sri Ramakrishna sechs Monate lang ununterbrochen im nicht-dualen Zustand von Nirvikalpa Samadhi.

1866 wurde er von einem Sufi-Asketen namens Govinda in die islamischen spirituellen Praktiken eingeweiht und entdeckte, dass auch dieser Weg letztlich zur gleichen spirituellen Erkenntnis führte, die ihm die hinduistischen Systeme der spirituellen Disziplin gegeben hatten. Einige Zeit später meditierte er über Christus und seine Ideale und stellte fest, dass auch das Ziel dieses Weges mit dem der anderen Religionen identisch war.

Die lange Periode von Sri Ramakrishnas spirituellen Praktiken endete 1872 mit dem inspirierenden Ritus, der als Shodasi Puja bekannt ist, indem er seine eigene Frau als Symbol der Gottheit verehrte. Seine kindliche Frau, Saradamani Devi, war zu diesem Zeitpunkt bereits zu einer jungen Frau herangewachsen. Während dieser Jahre hatte sie ihren Mann nur zwei oder drei Mal gesehen. Im Jahr 1872 ging sie nach Dakshineswar, weil sie ihrem Mann dienen wollte, den der Dorfklatsch als verrückt bezeichnete. Ganz anders als ein gewöhnlicher Asket nahm Sri Ramakrishna sie freundlich auf und tat alles, um sie in weltlichen und spirituellen Dingen zu unterrichten. Ihre Anwesenheit in Dakshineswar half ihm auch, seine eigene Erkenntnis und Sinneskontrolle zu testen, aber bei jeder kritischen Prüfung stellte er fest, dass er über allen körperlichen Begierden stand und jede Frau, einschließlich seiner eigenen, als Manifestation der Göttlichen Mutter betrachten konnte. Als Zeichen dieser Errungenschaft stellte er seine eigene Frau als Gottheit vor sich hin, verehrte sie mit allen entsprechenden Ritualen, übergab alle Früchte seiner spirituellen Übungen den Füßen der Gottheit, die sich als reine Jungfrau manifestiert hatte, und trat am Ende der Verehrung in tiefes Samadhi ein.

IV.

Die Shodasi Pooja markierte das Ende von Sri Ramakrishnas Leben als Sucher (Sadhakabhava) und kündete die Zeit seines spirituellen Wirkens als Weltlehrer (Gurubhava) an. Nach dieser Zeit ließ sein unstillbares Verlangen, spirituelle Disziplinen zu praktizieren, nach. Stattdessen spürte er die unerschütterliche Überzeugung der Wahrheit in sich selbst. Mehr noch, er begann sich lebhaft der mächtigen spirituellen Kraft und Weisheit bewusst zu werden, die die Göttliche Mutter durch seinen Körper und seinen Geist manifestierte, und er fühlte ein intensives Verlangen, den spirituellen Bedürfnissen der Menschen zu dienen.

In der Tat würde ein detailliertes Studium seiner Lebensereignisse zeigen, dass von seiner Kindheit an die angeborene Eigenschaft eines Lehrers in ihm vorhanden war und dass von ihm hin und wieder Strahlen geistiger Weisheit ausgingen, die die Herzen der Menschen erleuchteten. Dies wurde im Laufe seiner spirituellen Praktiken immer deutlicher. Seine Haltung gegenüber Rani Rasmani und Mathurnath, den Besitzern des Dakshineswar-Tempels, war nicht die eines Angestellten, sondern die eines vertrauten Freundes zu gewöhnlichen Zeiten und die ihres Herrn und Erlösers in seinen erhabenen spirituellen Stimmungen. Diejenigen, die kamen, um ihn zu belehren, lernten oft mehr von ihm als sie ihn lehrten. Durch seinen Kontakt wurden die Fehler des Charakters der Bhairavi Brahmanin korrigiert, und sie erlangte höchste Entsagung. Totapuri, sein spiritueller Lehrer auf dem Pfad des Advaita, lernte von ihm das Geheimnis der Liebe zum persönlichen Gott, das ihm zuvor fremd gewesen war. Als er 1870 mit Mathurnath auf Pilgerreise ging, ließen sich viele Sucher an den heiligen Orten, die er besuchte, von seiner Gesellschaft inspirieren. Außerdem strömten von Zeit zu Zeit zahllose Asketen verschiedener Richtungen nach Dakshineswar, und die meisten der aufrichtigen Sucher unter ihnen erhielten von ihm spirituelle Hilfe. Unter diesen Suchern befanden sich auch einige der gelehrten Pandits jener Tage wie Vaishnavacharan, Padmalochan, Gauri und Narayan Sastri, die in seiner Gesellschaft so sehr von Inspiration erfüllt waren, dass sie ihn als göttliche Inkarnation betrachteten.

So war von Anfang an die Haltung des Lehrers in ihm vorhanden, allerdings nur gelegentlich. Seine vorherrschende Haltung war die eines Sadhaka oder spirituellen Suchers. Doch nach der Shodasi Pooja verwandelte sich der Eifer des spirituellen Suchers in die intensive erlösende Liebe des Weltlehrers.

Sri Ramakrishna war nun ein Divya, ein göttlicher Mensch. Sein Bewusstsein von Gott war beständig geworden und hing nicht mehr von einem bestimmten Geisteszustand wie der Ekstase ab, obwohl das Phänomen der Ekstase bei ihm bis zuletzt immer wieder auftrat. Der Geisteszustand, den er erlangt hatte, kann in den Begriffen der christlichen Mystik als theopathisch oder, in seinen eigenen Worten, als Bhavamukha beschrieben werden – ein Zustand, in dem der Geist immer im Göttlichen verweilen konnte, sowohl in seinen absoluten als auch in seinen relativen Aspekten, und sich dennoch, ohne die geringste Ablenkung von dieser Vereinigung, aktiv den alltäglichen Belangen des Lebens zuwenden konnte. Dass seine Gotteserfahrung kein eingebildeter Zustand oder ein degenerierter subnormaler Zustand war, wissen wir von ihrer Wirkung auf seinen Charakter, der in seiner Kraft und Reinheit in auffälligem Gegensatz zu dem der sogenannten großen und mächtigen Männer der Welt steht. Im Gegensatz selbst zu den besten und größten von ihnen befand er sich in einem Zustand des Friedens, der Ausgeglichenheit und der strahlenden Freude, der durch keine Veränderung des weltlichen Schicksals im Geringsten beeinträchtigt werden konnte. Er war absolut frei von Sinnlichkeit, und in allen Frauen, ob edel oder gefallen, sah er den Ausdruck der Göttlichen Mutter. Er hatte auch keine selbstsüchtige Anhänglichkeit an Besitztümer – ein Charakterzug, den er dadurch zum Ausdruck brachte, dass er in sich eine spontane Unfähigkeit entwickelte, etwas zu besitzen oder auch nur Metall zu berühren. In der Zeit des Sadhana nahm er Schlamm und Edelmetall in die Hand und warf beides in den Ganges, wobei er die Unterscheidung traf, dass sie zwar einen unterschiedlichen Wert hatten, wenn es darum ging, weltliche Güter zu erwerben, dass aber beide gleichwertig und in gleichem Maße wertlos waren, wenn es darum ging, die Erkenntnis Gottes für sich selbst zu erlangen. Dieser Gedanke war so tief, dass er im Laufe der Zeit sogar körperliche Schmerzen bei der Berührung irgendeines Metalls zu empfinden begann und einen heftigen Schock in Körper und Geist bekam, wenn ihm jemand Geld oder Eigentum anbot. Er war auch frei von jeglichem weltlichen Snobismus und diskriminierte Menschen in niedrigen Lebenspositionen nicht, was er dadurch zum Ausdruck brachte, dass er die schmutzigen Orte in den Hütten der Straßenkehrer mit seinem eigenen langen, verfilzten Haar reinigte. Sein Festhalten an der Wahrheit war etwas Phänomenales. Seine Wahrheitsliebe erstreckte sich nicht nur auf die großen Fragen des Lebens, sondern auch auf alle Kleinigkeiten wie die Vereinbarung, einen Ort an einem bestimmten Tag zu besuchen oder eine Medizin von einer bestimmten Person zu nehmen und nicht von einer anderen. Selbst wenn sein bewusster Verstand ein Versprechen oder eine Vereinbarung vergaß, erinnerte ihn sein Körper daran, indem er sich weigerte, in irgendeiner Weise zu handeln, die seinen Worten zuwiderlief. In der Tat sagte er, dass er, als er alles der Göttlichen Mutter übergab, die Tugend der Wahrhaftigkeit nicht aufgeben konnte, denn sonst würde die Wahrheit seiner Selbsthingabe verfälscht werden. Außerdem besaß er viele wunderbare persönliche Fähigkeiten, über die wir in den folgenden Abschnitten mehr sagen werden.

V.

Obwohl man sagen könnte, dass diese Phase seines Lebens als Weltlehrer ab 1872 begann, erreichte sein spiritueller Dienst erst nach 1875 seinen Höhepunkt, als er den großen Brahmo-Führer Keshub Chandra Sen kennenlernte. Keshubs öffentliche Äußerungen und Schriften über ihn zogen die Aufmerksamkeit der gebildeten Männer Kalkuttas auf ihn, und ständig strömten junge und alte Menschen zu ihm, angezogen von der Kraft seiner Liebe und Heiligkeit. Unter denen, die ihn trafen und ihn sehr schätzten, finden sich die Namen vieler der besten Denker, Schriftsteller und Führer Indiens jener Tage, wie Keshub Chandra Sen, Pratap Chandra Mazumdar, Sivanath Sastri, Vijay Krishna Goswamy, Devendra Nath Tagore, Iswar Chandra Vidyasagar, Bankim Chandra Chatterjee, Michael Madhusudan Dutt, Aswini Kumar Dutt und Girish Chandra Ghosh.

Von den vielen ernsthaften Seelen, die zu ihm kamen, wurden viele sehr vertraut mit ihm und bildeten die Gruppe seiner Anhänger, durch die seine Botschaft in späteren Tagen der ganzen Welt übermittelt werden sollte. Sie bestand aus zwei Gruppen von Menschen – zum einen aus älteren, verheirateten Männern, die sich im Leben eingerichtet hatten, und zum anderen aus jungen Schülern und Studenten, die noch nicht die Verantwortung des Lebens auf sich genommen hatten. Es war diese zweite Gruppe, die später das Leben des Sannyasa auf sich nahm und den Ramakrishna-Mönchsorden unter der Führung von Swami Vivekananda, damals als Narendranath Datta bekannt, gründete. Swami Vivekananda war der besondere Gegenstand von Sri Ramakrishnas Liebe und Gnade, und in seinem späteren Leben verbreitete er die Botschaft seines Meisters weit und breit und hinterließ im Bewusstsein seiner Landsleute einen bleibenden Eindruck als großer Nationalheiliger des modernen Indien.

Den Rest seines Lebens verbrachte Sri Ramakrishna damit, diese Anhänger zu belehren und ihr Leben im Licht des höchsten spirituellen Ideals zu formen. Die Art und Weise seiner Lehre sowie seine Beziehung zu seinen Schülern waren in vielerlei Hinsicht einzigartig. Er hat nie in einem egoistischen Sinne gelehrt. Er war der bescheidenste aller Menschen, ohne jegliches Ego in sich, und er schrieb alles, was er erreichte, der Göttlichen Weltenmutter zu. Und gerade weil er sein Ego vollständig dem Göttlichen überlassen hatte, manifestierte sich die Guru-Sakti (die erlösende Kraft des Herrn) durch seinen Körper und seinen Geist in so bemerkenswertem Maße und heiligte und erleuchtete alle, die in ihren Einflussbereich kamen.

Bevor er Menschen als Schüler aufnahm, unterzog er sie sehr genauen Prüfungen und verschaffte sich ein gründliches Bild von ihrem Charakter. Er studierte ihr Wesen, indem er ihre körperlichen Merkmale betrachtete – eine Kunst, in der er ein Experte war. Er beobachtete sorgfältig die kleinen Handlungen ihres täglichen Lebens in unbewachten Momenten und beurteilte außerdem ihren Wert, indem er ihnen Fragen stellte und ihre Reaktionen auf seine Lehren und Ideale beobachtete. Zusätzlich zu diesen Methoden setzte er manchmal auch seine yogischen Kräfte ein, um in die Herzen der Menschen zu sehen oder sie in eine Art Trance zu versetzen, in der sie das Innerste ihres Geistes offenbarten.

Diejenigen, die er als Schüler annahm, machte er durch die Kraft seiner Liebe, wie sie sie nicht einmal von ihren Eltern erhalten hatten, zu den Seinen. Er scheute keine Mühe, sie zu belehren und dafür zu sorgen, dass sie seine Anweisungen in die Praxis umsetzten. Oft löschte er durch eine Berührung oder einen Willensakt jede unerwünschte Neigung aus, die er in ihnen fand, und schenkte ihnen die höchsten Erfahrungen des spirituellen Lebens. Allein der Kontakt mit seiner dynamischen Persönlichkeit, die von der Flamme der Heiligkeit und der göttlichen Liebe durchdrungen war, verlieh ihrem Streben nach dem göttlichen Leben Kraft und Festigkeit. Er ließ sich nie auf Diskussionen mit den Menschen ein oder hielt ihnen akademische Vorträge, sondern legte in aller Bescheidenheit einfach seine festen Überzeugungen zu spirituellen Fragen dar und überließ es jedem, sie entsprechend seinen Fähigkeiten zu verstehen und zu akzeptieren. Niemals zwang er jemandem seine Ansichten auf. Diejenigen seiner Schüler, die kritisch eingestellt waren, konnten seine Lehren kritisieren und ihn prüfen, so wie er selbst sie prüfte. Ein solches Verhalten ihrerseits brachte ihnen nur Lob ein, niemals seinen Unmut.

Er besaß die außergewöhnliche Fähigkeit, das Interesse von Menschen mit unterschiedlichem Temperament und auf verschiedenen intellektuellen Entwicklungsstufen zu wecken und sich ihnen verständlich zu machen. Er konnte gelehrte Pandits wie Sasadhar und Iswar Chandra Vidyasagar durch die Tiefe seiner Weisheit in Erstaunen versetzen, und er konnte sich auch auf das intellektuelle Niveau der unwissenden Dorffrau begeben, die zu ihm ging, um die Wunden ihres Herzens heilen zu lassen oder um ihre einfachen Zweifel zu klären. Er selbst war in seinem Leben und Denken ein orthodoxer Hindu und hatte keine Ahnung von modernen wissenschaftlichen und sozialen Ideen, konnte aber dennoch Verständnis und Sympathie für die Ideale und Bestrebungen der Verfechter von Reformen und Rationalismus aufbringen. In seinem Zimmer konnten sich daher ein Viswanath Upadhaya und ein Keshub Chandra, ein Narendranath und ein Nag Mahashay, ein Dr. Mahendra Lal Sarkar und ein Girish Chandra Ghosh freundschaftlich begegnen. Was die Ausübung verschiedener Religionen mit sich gegenseitig widersprechenden Traditionen betraf, kann auch hier nur die beispiellose Weite seines Geistes und seines Herzens die große Bandbreite seiner Sympathie und seine Anziehungskraft als Lehrer für Menschen mit unterschiedlichen Temperamenten und Ansichten erklären. Wahrlich, er war der universellste und doch individuellste aller Menschen.

Bei ihm gab es keine der formalen Merkmale, die gewöhnlich für die Beziehung zwischen Guru und Schüler charakteristisch sind, noch verlangte er von denen, die er unterwies, irgendeine unterwürfige Verehrung oder Erwartungshaltung. Seine Schüler waren mit ihm vertrauter als die Mitglieder einer liebenden Familie, und er war ihnen lieber als ihre irdischen Eltern. Er predigte kein bestimmtes Dogma, kein Glaubensbekenntnis und keine Philosophie. Was er tat, war, den Menschen einen Geist zu vermitteln, der ihre Lebensauffassung veränderte und ihnen einen Einblick in das endgültige Wesen der Welt und der menschlichen Persönlichkeit gab. Dabei stützte er sich nicht auf formale Predigten und Reden, sondern auf liebevolle Kontakte, Illustrationen aus der Natur, ein Leben der Reinheit und Selbstbeherrschung und vor allem auf die Praxis des stillen Japa und der Meditation. Er versäumte nie, seinen Schülern einzuprägen, dass die gewissenhafte Wahrhaftigkeit und absolute Enthaltsamkeit die unabdingbare Voraussetzung für die Verwirklichung spiritueller Ideale ist.

Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal seiner Methode war ihre Zwanglosigkeit und die Vermischung von Ernstem und Lustigem, von Erhabenem und Gewöhnlichem. Fast jeden Tag spielten sich in seinem Zimmer Szenen ab, die die Anwesenden abwechselnd inspirierten, unterhielten, belehrten und trösteten. Mit ekstatischer Hingabe sang er hingebungsvolle Lieder und tanzte vor Freude über den Namen der Mutter. Darauf folgten einfache und erleuchtende Darlegungen schwer verständlicher metaphysischer und ethischer Probleme wie die Beziehung zwischen dem unpersönlichen und dem persönlichen Gott oder die Vereinbarkeit von Gottes Güte mit der Existenz des Bösen in der Welt. Von diesen Gedanken über transzendentale Weisheiten konnte er mit Leichtigkeit zu grundlegenden praktischen Anweisungen für das Verhalten in der Welt kommen. Er lehrte den einfältigen Yogen, wie man auf dem Markt feilscht, hielt den ungestümen Niranjan von seinen unüberlegten Handlungen ab, lehrte Hari, den Schüler, der Frauen hasste, Rücksicht auf das schöne Geschlecht zu nehmen, tröstete den alten Mani Mallick beim Verlust seines einzigen Sohnes und tadelte den Bruder von S., weil er seine Pflicht gegenüber Frau und Kindern vernachlässigte. Seine Belehrungen, sei es über Philosophie, Frömmigkeit oder Verhalten, nahmen die Form witziger Sprüche, verblüffender Analogien und erhellender Gleichnisse an, die er in seinem bäuerlichen, ausdrucksstarken Bengalisch vortrug, mit seiner klangvollen Stimme, die ein „leichtes, aber entzückendes Stottern“ enthielt. Oft wurden diese Vorträge durch humorvolle Bemerkungen unterbrochen, die bei seinen Zuhörern schallendes Gelächter auslösten, und durch meisterhafte Karikaturen von Menschen und Dingen – von der Kirtani (professionelle Sängerin religiöser Lieder), die reiche Besucher empfängt, von den müßigen Gesprächen der Pilger, die im Ganges baden, von heuchlerischen Anhängern, die mit Fischhändlern feilschen, von herrschsüchtigen Witwen, die in den Häusern ihrer Brüder ihre Autorität behaupten, von unterwürfigen Ehemännern, die nur ihren Frauen gehorchen, und von vielen anderen Aspekten des täglichen Lebens, die eine große Beobachtungsgabe und gesunde Kritik erkennen lassen. Inmitten all diesem Spaß und dieser Ausgelassenheit erhob eine kleine Anregung seinen Geist auf eine hohe spirituelle Stufe, und er verlor sich in hingebungsvoller Leidenschaft oder in tiefem Samadhi und strahlte den Einfluss seiner kraftvollen Gedanken auf alle aus, die ihn umgaben.

Doch bei all seiner Ekstase und seiner göttlichen Berauschtheit gab es nur wenige Menschen, die ihn in seiner Aufmerksamkeit für die kleinsten Details des Lebens übertreffen konnten. Er war sehr wählerisch, was die persönliche Sauberkeit und die Ordnung der Dinge in seinem Zimmer betraf. Er mochte es nicht, wenn die Leute mit zerrissenen Kleidern und Schuhen herumliefen oder ihre Häuser nicht ausreichend beleuchtet hatten. Wenn er irgendwohin zu Besuch ging, nahm er immer die wenigen Dinge mit, die er für seinen persönlichen Gebrauch benötigte, und er riet seinen Schülern, niemals zu einer Zeit oder auf eine Art und Weise an einen Ort zu gehen, die ihren Gastgebern Unannehmlichkeiten bereiten könnte. Es ist auch bemerkenswert, dass er niemals in seinem Leben irgendetwas von seinen Sachen vergaß, wenn er einen Ort verließ, seien es Schuhe, der Regenschirm oder Kleidung. Und trotz all seines Samadhi und seiner Selbstvergessenheit in den Gedanken an Gott waren seine Sinne so scharf, dass er, wenn er einen Raum betrat, mit seinen Adleraugen alle dort befindlichen Gegenstände mit einem Blick erfassen konnte, und er konnte sogar noch lange danach genaue Beschreibungen der Form und der Lage selbst solcher Dinge geben, die von den anderen, die ihn begleiteten, kaum bemerkt wurden.

So verbrachte dieser große Menschenlehrer sein Leben, indem er der Welt das Ideal eines vollkommenen Menschen vor Augen führte und sich aktiv um die spirituellen Bedürfnisse derer kümmerte, die zu ihm strömten, bis sein zarter Körper unter der Belastung des ständigen Lehrens zusammenbrach. Im Jahr 1885 erkrankte er an Kehlkopfkrebs. Einige Monate später brachten ihn seine Anhänger nach Kalkutta und überließen ihn der Behandlung des berühmten Arztes Mahendra Lal Sarkar. Im Laufe der Zeit verschlimmerte sich die Krankheit trotz bester medizinischer Hilfe immer mehr. Doch selbst die anhaltenden Qualen dieser schmerzvollen Krankheit konnten die Freude und Gelassenheit seines Geistes nicht im Geringsten beeinträchtigen oder sein ständiges Bewusstsein der göttlichen Gegenwart, das er überall verspürte, stören.

Zudem war diese Zeit des körperlichen Leidens auch der aktivste Teil seines Dienstes. Denn die göttliche Kraft, die durch seinen Körper und Geist wirkte, fand in dieser Zeit ihren vollsten Ausdruck. 1884 war sein Name in Kalkutta bereits weithin bekannt, und seine Anwesenheit in der Stadt zu Behandlungszwecken zog große Menschenmengen zu ihm. Obwohl ihm von den Ärzten das Sprechen verboten wurde, brachte ihn seine große Liebe zu den Menschen dazu, sich entgegen den ärztlichen Beschränkungen ganz in den Dienst seiner Besucher zu stellen, ohne Rücksicht auf die fatalen Folgen für seine eigene Gesundheit.

Die Zeit seiner Krankheit war auch die Gelegenheit für den spirituellen Fortschritt seiner engsten Anhänger und für die Bildung eines brüderlichen Geistes unter ihnen, woraus später der Ramakrishna-Mönchsorden entstand. Denn während die Kosten für seinen Aufenthalt und seine Behandlung von den Familienvätern getragen wurden, verpflichteten sich seine jungen Schüler unter der Führung von Narendranath (Swami Vivekananda), bei ihm zu bleiben und ihn während seiner Krankheit zu pflegen. So formten sich die Schüler am Bett ihres kranken Meisters zu einer Gemeinschaft, die durch ihre gemeinsame Hingabe an ihn und ihr ernsthaftes Bestreben, das spirituelle Ideal zu verwirklichen, vereint war.

Trotz seiner körperlichen Krankheit war Sri Ramakrishna in dieser Zeit wie ein lebendiger spiritueller Dynamo. Er segnete viele seiner Anhänger mit höheren Erfahrungen. Besonders am 1. Januar 1886 war er in einer höchst erhabenen Stimmung und weckte durch einen Willensakt die latenten spirituellen Kräfte aller Verehrer, die ihn um seinen Segen baten. Einige Tage später verlieh er Swami Vivekananda die Erfahrung von Nirvikalpa Samadhi.

Nach fast einjähriger Krankheit verließ er am Montag, dem 16. August 1886, in den frühen Morgenstunden seinen Körper und hinterließ einen neuen Geist, der in dieser Welt von seinen Schülern verbreitet werden sollte, insbesondere von den jungen Männern, die sich für ein Leben der Entsagung entschieden und in seine Fußstapfen traten.

VI.

Was hat Sri Ramakrishna gelehrt? Offensichtlich lehrte er mehr durch sein Leben als durch Worte. Er hat nie geschrieben oder Vorträge gehalten, sondern alle seine Lehren in Form von ungezwungenen Gesprächen weitergegeben, von denen einige von seinen Schülern getreu aufgezeichnet wurden. Selbst diese ursprünglichen Informationsquellen können naturgemäß nicht den Anspruch erheben, seine Lehren zu erschöpfen. Was immer er mit Worten lehrte und was davon von seinen direkten Schülern aufgezeichnet wurde – das vorliegende Buch ist eine getreue und ziemlich umfassende Zusammenfassung, die alle wertvollen Anweisungen enthält, die in der umfangreichen Literatur verstreut sind. Da es sich um eine Sammlung von Auszügen aus verschiedenen Zusammenhängen handelt, erscheint der Inhalt des vorliegenden Buches zwangsläufig bruchstückhaft trotz aller Versuche, ihn in einer logischen Reihenfolge anzuordnen. Obwohl keine Mühe gescheut wurde, die Aussprüche logisch zu ordnen, vertrauen wir darauf, dass es dem Leser leichter fällt, ihren Gedankengängen zu folgen, wenn wir im Folgenden eine Zusammenfassung der grundlegenden Prinzipien geben, die in ihnen enthalten sind. Die folgende kurze Zusammenfassung sollte jedoch nicht als Erklärung eines Glaubensbekenntnisses verstanden werden – der Meister lehrte kein spezielles Glaubensbekenntnis oder Dogma – und auch nicht als erschöpfende Darstellung seiner Lehren, sondern nur als Leitfaden für deren detailliertes Studium.

Die Wirklichkeit ist im Wesentlichen ein Prinzip der Intelligenz. Es ist dieses eine intelligente Prinzip, das in den verschiedenen Religionen der Welt als Gott, Allah, Buddha, Siva, Vishnu, Brahman usw. bekannt ist. Es ist sowohl persönlich als auch unpersönlich, mit Eigenschaften und ohne Eigenschaften. Unpersönlich bedeutet nicht weniger als persönlich, sondern ohne die Einschränkungen der Persönlichkeit.

Während die Wirklichkeit in ihrem absoluten Wesen jede Form von Beziehung transzendiert, ist sie in ihrem kosmischen Aspekt eng mit der Welt der lebenden und nicht lebenden Wesen als deren Ursache, Träger und Grundlage verbunden. In diesem Aspekt wird das intelligente Prinzip als Er oder Sie, als Vater oder Mutter des Universums bezeichnet. Sowohl die Jivas (Lebewesen) als auch Jagat (das Unbelebte) sind die Manifestationen dieser Vater-Mutter-Gottheit. Sie ist die Quelle all dessen, was in der Natur erfreulich und schrecklich ist.

Als das Unpersönliche kann man sich Ihm durch Wissen und als das Persönliche durch Liebe nähern. Aber der Weg der Liebe und der Selbsthingabe ist einfacher und natürlicher. Und einem, der diesen Weg beschreitet, schenkt Er auch die Frucht der Erkenntnis – das Empfinden der Identität mit dem Absoluten. Auf dem Pfad der Liebe kann man Ihn als Vater, Mutter, Freund, Kind, Geliebten oder in jeder anderen vertrauten Form der menschlichen Beziehung betrachten. Je nach der Einstellung des Verehrers manifestiert Er sich für seine gereinigte Sichtweise in verschiedenen Formen von Schönheit und Heiligkeit.

Eine besondere Form der göttlichen Barmherzigkeit ist die Menschwerdung. Von Zeit zu Zeit verkörpert Er sich als ein menschliches Wesen von großer Heiligkeit und geistiger Kraft, um der Menschheit den Weg zu einem heiligen und gerechten Leben zu zeigen. Die Begründer aller großen Religionen, die den Menschen verschiedener Zeitalter und Gegenden neue Wege des spirituellen Lebens eröffnet haben, sind entweder solche besonderen göttlichen Manifestationen oder von Ihm speziell beauftragte Seelen. Sie zu verehren und über ihr Leben und ihre Taten zu meditieren, ist eine der wirksamsten Formen der spirituellen Erbauung.

Die menschliche Persönlichkeit ist eng mit der kosmischen Intelligenz verbunden, denn sie ist eine Manifestation dieser Intelligenz durch die Begrenzungen der Materie. Jede Seele ist daher potenziell göttlich, und das Ziel des Lebens ist es, diese innewohnende Göttlichkeit zu manifestieren, indem man die Natur innen und außen kontrolliert. Alle Formen rechtschaffenen Handelns im Leben können diesen Prozess unterstützen, vorausgesetzt, man bringt die richtige Geisteshaltung dazu auf. Religion verkörpert die Methoden, die die Menschheit zur Erreichung des Lebensziels entwickelt hat, und besteht nicht in der bloßen verstandesmäßigen Zustimmung zu Dogmen oder Glaubensbekenntnissen oder der Durchführung von Ritualen. Religion bedeutet in einem wesentlichen Sinne die Erkenntnis oder Verwirklichung der großen spirituellen Wahrheiten in unserem Bewusstsein und unseren täglichen Aktivitäten. Wir werden dies durch Arbeit, Verehrung, geistige Kontrolle oder Philosophie tun müssen – durch eines von diesen oder alle.

Stärke ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das geistliche Leben. Denn Stärke ist Tugend, und Schwäche ist Sünde. Der Glaube ist die Quelle aller Stärke – der Glaube an Gott und der Glaube an sich selbst. Selbstabwertung oder krankhaftes Nachdenken über die eigene wesentliche Sündhaftigkeit gehört nicht zur wahren Religion und sollte unter allen Umständen vermieden werden. Denn die Sünde wird nicht überwunden, indem man sich mit Gedanken an die Sünde beschäftigt, sondern indem man die innewohnende Göttlichkeit der Seele betrachtet. Der Mensch ist kein Sünder, sondern ein Kind Gottes. Das ständige Bewusstsein dessen ist der wahre Glaube, die Quelle aller Kraft und damit aller Tugend.

Geistliches Leben ist ohne eine solide moralische Grundlage unmöglich. Das Grundprinzip aller Moral ist Selbstlosigkeit. Ein Mensch kann nicht selbstlos sein, wenn er nicht vom Geist der Entsagung durchdrungen ist. Entsagung bedeutet die Aufgabe von Kama und Kanchana, d.h. von Lust und Gier. Der Geist der Entsagung manifestiert sich im Leben als Reinheit des Charakters, als hingebungsvoller Dienst an den Mitmenschen und als starkes und beständiges Streben nach dem Göttlichen. Die Schau Gottes dämmert in einem Herzen, in dem der Geist der Entsagung und die Intensität des Strebens ihre Reife erreicht haben. Wenn ein Mensch dieses Ziel nicht erreicht oder zumindest einige Fortschritte auf dem Weg zu seiner Verwirklichung macht, war sein Leben auf Erden als Mensch sicherlich vergeblich.

Buch I: Mensch und Welt

Ein ewiger Teil von Mir, der in der Welt des Lebens zu einer lebendigen Seele geworden ist, zieht den Verstand und die fünf Sinne, die in der Natur ruhen, an sich.

Es gibt drei Pforten dieser Hölle, die zum Verderben der Seele führen: Lust, Zorn und Gier. Deshalb soll der Mensch diesen dreien entsagen.

Der Mensch, der diesen drei Toren der Finsternis entkommen ist, oh Arjuna, arbeitet an seinem eigenen Wohl und erreicht den höchsten Zustand.

Bhagavad Gita

Kapitel I: Der Mensch

Das Schicksal des Menschen – Das wahre Wesen des Menschen – Der gebundene Mensch – Tod und Wiedergeburt

Das Schicksal des Menschen

1. Du siehst nachts viele Sterne am Himmel, aber nicht, wenn die Sonne aufgeht. Kannst du also sagen, dass es am Tag keine Sterne am Himmel gibt? Oh Mensch, weil du Gott in den Tagen deiner Unwissenheit nicht finden kannst, sage nicht, dass es keinen Gott gibt.

2. Vergeblich ist derjenige geboren, der die menschliche Geburt erlangt hat, die so schwer erhältlich ist, und nicht versucht, Gott in diesem Leben zu erkennen.

3. Ein Mensch wird nach seinen Gedanken und Motiven belohnt. Der Herr ist wie der Kalpataru, der wunscherfüllende Baum im Himmel. Jeder bekommt von Ihm, was immer er sich wünscht.

Der Sohn eines armen Mannes, der eine Ausbildung erhalten hat und durch harte Arbeit Richter am Obersten Gerichtshof geworden ist, ist geneigt zu denken: „Jetzt bin ich glücklich. Ich habe die höchste Sprosse auf der Leiter erreicht. Es ist jetzt alles in Ordnung.“ Zu ihm sagt der Herr: „Bleib so.“ Aber wenn der Richter des Obersten Gerichtshofs in den Ruhestand geht und seine Vergangenheit Revue passieren lässt, erkennt er, dass er sein Leben verschwendet hat, und ruft aus: „Ach, was habe ich in diesem Leben wirklich geleistet!“ Auch zu ihm sagt der Herr: „Ach, was hast du getan!“

4. Der Mensch wird in dieser Welt mit zwei Tendenzen geboren – Vidya, die Tendenz, den Weg der Befreiung zu verfolgen, und Avidya, die Neigung zu Weltlichkeit und Knechtschaft. Bei seiner Geburt befinden sich diese beiden Tendenzen sozusagen im Gleichgewicht wie die beiden Waagschalen einer Waage. Die Welt legt bald ihre Genüsse und Vergnügungen auf die eine Waagschale und der Geist (Spirit) seine Anziehungskraft auf die andere. Wenn der Verstand (mind) die Welt wählt, wird die Waagschale von Avidya schwer, und der Mensch wird von der Erde angezogen. Wenn er aber den Geist (Spirit) wählt, wird die Waagschale von Vidya schwerer und zieht ihn zu Gott.

5. Erkenne das Eine, und du wirst das Ganze erkennen. Nullen, die hinter der Zahl Eins stehen, erhalten den Wert von Hunderten und Tausenden, aber sie werden wertlos, wenn man diese Zahl auslöscht. Die vielen Nullen haben nur wegen der Eins einen Wert. Erst das Eine und dann die Vielen. Zuerst Gott und dann die Jivas und Jagat (Geschöpfe und die Welt).

6. Erlange zuerst Gott und dann Reichtum. Aber versuche es nicht andersherum. Wenn du, nachdem du Spiritualität erlangt hast, ein weltliches Leben führst, wirst du niemals deinen Seelenfrieden verlieren.

7. Sprichst du von Sozialreformen? Nun, das kannst du tun, nachdem du Gott erkannt hast. Denk daran, dass die alten Rishis die Welt aufgegeben haben, um Gott zu erlangen. Das ist das einzige, was nötig ist. Alle anderen Dinge werden dir hinzugegeben, wenn du sie wirklich haben willst. Sieh zuerst Gott, und sprich dann über Vorträge und Sozialreformen.

8. Ein Neuankömmling in einer Stadt sollte sich zunächst ein bequemes Zimmer für seine Nachtruhe sichern. Nachdem er sein Gepäck dort untergebracht hat, kann er sich frei in der Stadt bewegen, um Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Andernfalls wird er in der Dunkelheit der Nacht große Schwierigkeiten haben, einen Platz zum Schlafen zu finden. Ebenso kann sich ein Neuankömmling in dieser Welt furchtlos bewegen und seiner täglichen Arbeit nachgehen, nachdem er sich seinen ewigen Ruheplatz in Gott gesichert hat. Andernfalls wird er, wenn die dunkle und furchtbare Nacht des Todes über ihn hereinbricht, mit großen Schwierigkeiten und Leiden konfrontiert werden.

9. An den Türen von großen Getreidespeichern sind Fallen mit geröstetem Reis (Moori) aufgestellt, um Mäuse zu fangen. Die Mäuse, die vom Geschmack des gerösteten Reises angezogen werden, vergessen das größere Vergnügen, den Reis im Inneren des Getreidespeichers zu genießen, und tappen in die Falle. Darin werden sie gefangen und getötet. Genauso verhält es sich mit der Seele. Sie steht an der Schwelle zur göttlichen Glückseligkeit, die wie Millionen von höchsten weltlichen Freuden in einer einzigen Freude verdichtet ist. Aber anstatt nach dieser Glückseligkeit zu streben, lässt sie sich von den unbedeutenden Freuden der Welt verführen und tappt in die Falle von Maya, der großen Illusion, und stirbt darin.

10. Ein Gelehrter: „Die Theosophen sagen, dass es Mahatmas gibt. Sie sagen auch, dass es verschiedene Ebenen und Sphären gibt, wie die Astralebene, die Ebene der Götterwelt, die Sonnensphäre, die Mondsphäre usw., und dass der feinstoffliche Körper des Menschen an all diese Orte gehen kann. Sie sagen viele andere solche Dinge. Herr, was ist deine Meinung über die Theosophie?“

Meister: „Bhakti allein ist das Höchste – Bhakti oder Hingabe an Gott. Interessieren sie sich für Bhakti? Wenn ja, dann ist es gut. Es ist gut, wenn sie die Gotteserkenntnis als Ziel und Zweck haben. Aber denk daran, dass die Beschäftigung mit solch trivialen Dingen wie der Sonnen-, Mond- oder Astralsphäre usf. keine echte Suche nach Gott ist. Man muss Sadhana (spirituelle Übungen) machen, um Hingabe zu Seinen Lotusfüßen zu erlangen. Man muss mit der intensiven Sehnsucht des Herzens nach Ihm weinen. Der Geist sollte von den verschiedenen Objekten aufgesammelt und ausschließlich auf Ihn konzentriert werden. Er ist nicht in den Veden oder im Vedanta oder in irgendeiner Schrift zu finden. Nichts wird erreicht, wenn sich das Herz nicht nach Ihm sehnt. Man muss mit intensiver Hingabe zu Ihm beten und Sadhana üben. Gott kann nicht so einfach erkannt werden. Sadhana ist notwendig.

11. Werden alle Menschen Gott sehen? Keiner muss den ganzen Tag fasten. Manche bekommen ihre Nahrung um 9 Uhr morgens, manche zur Mittagszeit, andere um 14 Uhr und wieder andere am Abend oder bei Sonnenuntergang. Ebenso werden alle Menschen irgendwann, in diesem Leben oder nach vielen weiteren Leben, Gott sehen und müssen dies auch.

12. Kleine Kinder spielen mit ihren Puppen im Vorzimmer, wie es ihnen gefällt, ohne jede Sorge oder Angst oder Zurückhaltung. Aber sobald ihre Mutter hereinkommt, werfen sie die Puppen beiseite, laufen zu ihr und rufen: „Mama, Mama!“ Auch du, oh Mensch, spielst jetzt in dieser materiellen Welt, vernarrt in die Puppen des Reichtums, der Ehre, des Ruhmes usw., und fühlst keine Furcht oder Angst. Wenn du jedoch einmal deine Göttliche Mutter siehst, wirst du an all diesen Dingen keine Freude mehr haben. Du wirfst sie alle beiseite und rennst zu Ihr.

13. Es gibt Perlen im Meer, aber du musst alle Gefahren auf dich nehmen, um sie zu erhalten. Wenn du bei einem einzigen Tauchgang nicht an sie herankommst, darfst du nicht daraus schließen, dass es im Meer keine Perlen gibt. Tauche immer wieder, und du wirst am Ende sicher belohnt werden. So ist es auch bei der Suche nach dem Herrn. Wenn dein erster Versuch, Ihn zu sehen, erfolglos bleibt, verliere nicht den Mut. Versuche es beharrlich weiter, und du wirst Ihn am Ende sicher erkennen.

14. Meditiere über die Erkenntnis und die ewige Glückseligkeit, und du wirst Glückseligkeit haben. Die Glückseligkeit ist in der Tat ewig. Sie ist nur durch Unwissenheit verdeckt und verdunkelt. Je weniger du an den Sinnesobjekten hängst, desto größer wird deine Liebe zu Gott sein.

15. Der bloße Besitz von Reichtum macht einen Menschen nicht reich. Das Anzeichen für das Haus eines reichen Mannes ist, dass in jedem Zimmer ein Licht brennt. Die Armen können sich das Öl nicht leisten, deshalb sorgen sie nicht für viele Lichter.

Dieser Tempel des Körpers sollte nicht in Dunkelheit bleiben. Die Lampe der Erkenntnis muss in ihm brennen. „Zünde die Lampe der Erkenntnis in deinem Zimmer an und betrachte das Antlitz der Göttlichen Mutter.“ Jeder kann Erkenntnis erlangen. Es gibt das individuelle Selbst, und es gibt das höhere Selbst. Jedes Individuum ist mit dem höheren Selbst verbunden. In jedem Haus gibt es einen Gasanschluss, und Gas kann von der Gasgesellschaft bezogen werden. Du musst dich nur an die zuständige Behörde wenden, und die Versorgung wird erfolgen. Dann wirst du Gaslicht in deinem Zimmer haben.

Das wahre Wesen des Menschen

16. Die Ziffer Eins kann zu einer Zahl von beliebigem Wert erhöht werden, indem man Nullen an sie anhängt. Aber wenn die Eins weggelassen wird, haben die Nullen an sich keinen Wert. Ebenso hat der Jiva (die individuelle Seele) keinen Wert, solange er sich nicht an Gott, der der Eine ist, klammert, denn alle Dinge hier erhalten ihren Wert durch ihre Verbindung mit Gott. Solange der Jiva an Gott festhält, der die wertgebende Gestalt hinter der Welt ist, und all seine Arbeit für Ihn tut, gewinnt er dadurch immer mehr. Wenn er Gott übersieht und seiner Arbeit viele großartige Errungenschaften hinzufügt, die alle seiner eigenen Verherrlichung dienen, wird er nichts dadurch gewinnen.

17. Wie eine Lampe nicht ohne Öl brennt, so kann der Mensch nicht ohne Gott leben.

18. Gott ist für den Menschen, was ein Magnet für Eisen ist. Warum zieht Er dann den Menschen nicht an? So wie Eisen, das fest im Schlamm steckt, durch die Anziehungskraft des Magneten nicht bewegt wird, so spürt die Seele, die fest in Maya steckt, nicht die Anziehungskraft des Herrn. Aber wenn der Schlamm mit Wasser abgewaschen wird, ist das Eisen frei, sich zu bewegen. Genauso wird die Seele, wenn sie durch die ständigen Tränen des Gebets und der Reue den Schlamm der Maya abwäscht, der sie zwingt, an der Erde zu kleben, bald vom Herrn angezogen.

19. Die Vereinigung des Jivatman mit dem Paramatman ist wie die Vereinigung des Stunden- und des Minutenzeigers einer Uhr einmal in jeder Stunde. Sie sind miteinander verbunden und voneinander abhängig, und obwohl sie normalerweise getrennt sind, können sie sich vereinigen, sobald sich günstige Gelegenheiten ergeben.

20. Die Seele, die gefesselt ist, ist der Mensch, aber wenn sie von der Kette (Maya) befreit ist, ist sie der Herr.

21. Was ist die Beziehung zwischen dem Jivatman und dem Paramatman? So wie ein Wasserstrom in zwei Teile geteilt zu sein scheint, wenn man ein Holzbrett mit der Kante gegen ihn legt, so erscheint das Unteilbare durch die Begrenzung der Maya in zwei Teile geteilt, den Jivatman und den Paramatman.

22. Wasser und eine Blase auf ihm sind ein und dasselbe. Die Blase entsteht im Wasser, schwimmt auf ihm und wird schließlich in ihm aufgelöst. So sind auch der Jivatman und der Paramatman ein und dasselbe, und der Unterschied zwischen ihnen ist nur der des Ausmaßes. Denn der eine ist endlich und begrenzt, während der andere unendlich ist. Der eine ist abhängig, während der andere unabhängig ist.

23. Die Vorstellung eines individuellen Ichs ist so, als würde man einen Teil des Wassers des Ganges einschließen und den eingeschlossenen Teil seinen eigenen Ganges nennen.

24. So wie ein Stück Blei, das in ein Becken mit Quecksilber geworfen wird, bald mit diesem verschmilzt, so verliert eine individuelle Seele ihre begrenzte Existenz, wenn sie ins Meer von Brahman fällt.

25. Gott ist das unendliche Wesen, während der Jiva nur ein endliches Wesen ist. Wie kann dann das Endliche das Unendliche erfassen? Es ist wie eine Puppe aus Salz, die versucht, die Tiefe des Meeres zu ergründen. Dabei löst sich die Salzpuppe im Meer auf und geht verloren. Ebenso verliert der Jiva bei dem Versuch, Gott zu messen und zu erkennen, sein Getrenntsein und wird eins mit Ihm.

26. Der Herr selbst spielt in der Gestalt des Menschen. Er ist der große Gaukler, und dieses Trugbild von Jiva und Jagat ist Seine große Gaukelei. Der Gaukler allein ist wahr, die Gaukelei ist falsch.

27. Der menschliche Körper ist wie ein Topf, und der Geist, der Intellekt und die Sinne sind wie Wasser, Reis und Kartoffeln. Wenn man einen Topf mit Wasser, Reis und Kartoffeln aufs Feuer stellt, werden sie erhitzt, und wenn jemand sie berührt, verbrennt er sich die Finger, obwohl die Hitze nicht wirklich dem Topf, dem Wasser, den Kartoffeln oder dem Reis angehört. Ebenso ist es die Kraft Brahmans im Menschen, die den Geist, den Intellekt und die Sinne veranlasst, ihre Funktionen zu erfüllen. Und wenn diese Kraft aufhört zu wirken, hören auch diese auf zu arbeiten.

Der gebundene Mensch

28. Das wahre Wesen des Jiva ist ewige Existenz-Erkenntnis-Glückseligkeit. Es ist dem Egoismus zuzuschreiben, dass er durch so viele Upadhis (begrenzende Attribute) eingeschränkt ist und sein wahres Wesen vergessen hat.

29. Das Wesen des Jiva ändert sich mit der Hinzufügung eines jeden Upadhi. Wenn ein Mann sich wie ein Geck kleidet und den feinen, schwarz gesäumten Musselin trägt, kommen ihm die Liebeslieder von Nidhu Babu über die Lippen. Durch ein Paar englische Stiefel wird selbst ein träger Mann mit der Freude der Eitelkeit aufgeblasen. Er beginnt sofort zu pfeifen, und wenn er eine Treppe hinaufsteigen muss, springt er wie ein Saheb von einer Stufe zur anderen. Wenn ein Mann einen Stift in der Hand hält, kritzelt er sorglos auf jedes Papier, das ihm in die Hände fällt.

30. Wie die Schlange von ihrer abgestreiften Haut getrennt ist, so ist auch der Geist (Spirit) vom Körper getrennt.

31. Das Selbst ist an nichts gebunden. Vergnügen, Schmerz, Sündhaftigkeit, Rechtschaffenheit usw. können das Selbst in keiner Weise beeinträchtigen. Aber sie können diejenigen beeinträchtigen, die sich mit dem Körper identifizieren, so wie Rauch nur die Wand schwärzen kann, nicht aber den darin eingeschlossenen Raum.

32. Die Vedantins sagen, dass der Atman völlig ungebunden ist. Sünde oder Tugend, Schmerz oder Vergnügen können ihm nichts anhaben. Aber sie können denen, die an den Körper gebunden sind, Leid zufügen. Der Rauch kann die Wände beschmutzen, aber er kann dem Himmel nichts anhaben.

33. Die Menschen sind von unterschiedlichem Wesen, je nachdem, wie stark Sattva, Rajas oder Tamas in ihnen überwiegen.

34. Obwohl alle Seelen in ihrem letztendlichen Wesen ein und dasselbe sind, werden sie in vier Klassen eingeteilt, je nach ihrem jeweiligen Zustand. Sie sind Baddha oder gebunden, Mumukshu oder nach Befreiung strebend, Mukta oder befreit und Nityamukta oder immer frei.

35. Ein Fischer warf sein Netz in den Fluss und hatte eine große Ausbeute. Einige Fische lagen ruhig und unbeweglich im Netz und machten nicht die geringsten Anstalten, sich zu befreien. Andere zappelten und sprangen, konnten sich aber nicht befreien, während eine dritte Art von Fischen es irgendwie schaffte, sich aus dem Netz zu befreien. Auch in der Welt gibt es drei Arten von Menschen: diejenigen, die gefesselt sind und nie danach streben, frei zu sein, diejenigen, die gefesselt sind, aber nach Freiheit streben, und diejenigen, die bereits die Freiheit erlangt haben.

36. Es gibt dreierlei Puppen – die erste ist aus Salz, die zweite aus Stoff und die dritte aus Stein. Wenn diese Puppen in Wasser getaucht werden, löst sich die erste auf und verliert ihre Form, die zweite nimmt eine große Menge Wasser auf, behält aber ihre Form, und die dritte bleibt für Wasser undurchlässig. Die erste Puppe stellt den Menschen dar, der mit dem universellen und alles durchdringenden Selbst verschmilzt und eins mit Ihm wird. Er ist der befreite Mensch. Die zweite stellt den Bhakta oder den wahren Gottliebenden dar, der voller göttlicher Glückseligkeit und Wissen ist. Und der dritte steht für den weltlichen Menschen, der nicht einmal ein Teilchen des wahren Wissens in sein Herz lässt.

37. Menschen sind wie Kissenbezüge. Die Farbe des einen mag rot sein, die des anderen blau und die des dritten schwarz. Aber alle enthalten dieselbe Baumwolle. So ist es auch mit den Menschen. Der eine ist schön, der andere schmutzig, der dritte heilig, der vierte böse. Aber in allen wohnt das göttliche Wesen.

38. Die äußere Schicht des Kuchens besteht aus Reismehl, aber innen ist er mit verschiedenen Zutaten gefüllt. Der Kuchen ist gut oder schlecht, je nach der Qualität seiner Füllung. So sind alle menschlichen Körper aus ein und demselben Material gemacht, aber die Menschen sind von unterschiedlicher Qualität, je nach der Reinheit ihrer Herzen.

39. Der Sohn eines Brahmanen ist zweifellos von Geburt ein Brahmane. Aber einige dieser geborenen Brahmanen wachsen zu großen Gelehrten heran, andere werden Priester, wieder andere werden Köche, und wieder andere wälzen sich vor den Türen der Kurtisanen im Staub.

40. Es ist wahr, dass Gott sogar im Tiger ist. Aber wir dürfen deshalb nicht zu diesem Tier gehen und ihm gegenübertreten. Es ist wahr, dass Gott sogar in den bösesten Lebewesen wohnt. Aber es ist nicht richtig, dass wir mit ihnen Umgang pflegen.

41. Die Gottheit Narayana (Gott) brütet über dem Wasser, aber nicht jedes Wasser ist zum Trinken geeignet. Ebenso ist es wahr, dass Gott an jedem Ort wohnt, aber nicht jeder Ort ist geeignet, von Menschen besucht zu werden. Das eine Wasser kann zum Waschen der Füße verwendet werden, das andere zur rituellen Waschung und das dritte zum Trinken, während es wieder anderes Wasser gibt, das nicht einmal berührt werden darf. Ebenso gibt es verschiedene Orte. Einigen von ihnen darf man sich nähern und andere besuchen, während man wiederum andere nur aus der Ferne grüßen und sich von ihnen verabschieden sollte.

42. Hüte dich vor Folgendem: dem Geschwätzigen, dem Menschen, der nicht offenherzig ist, dem Menschen, der seine Hingabe zur Schau stellt, indem er heilige Tulsi-Blätter an den Ohren befestigt, der Frau, die einen langen Schleier trägt, und dem kalten Wasser des stehenden Teiches, der mit üppiger Vegetation bewachsen ist, das sehr schädlich für die Gesundheit ist.

Tod und Wiedergeburt

43. Selbst zum Zeitpunkt des Todes sprechen die gebundenen Seelen nur von weltlichen Dingen. Es hat keinen Sinn, Pilgerstätten zu besuchen, im heiligen Ganges zu baden oder die Gebetsperlen zu zählen. Wenn es weltliche Anhaftungen im Herzen gibt, werden sie sich im Augenblick des Sterbens mit Sicherheit zeigen. Daher geben sich die gebundenen Seelen selbst zu diesem Zeitpunkt mit beliebigen Gesprächen zufrieden. Ein Papagei mag normalerweise den heiligen Namen von Radha-Krishna singen, aber wenn er von einer Katze angegriffen wird, schreit er „Kang, Kang“ – was sein natürlicher Schrei ist.

44. Der Mensch leidet so viel, nur weil er sich Gott nicht hingibt. Man sollte daher solche Mittel anwenden, die dazu beitragen, dass der Gedanke an Gott im letzten Augenblick des Lebens im Geist aufsteigt. Dieses Mittel ist die Praxis der Hingabe an Gott. Wenn man dies zu Lebzeiten tut, wird der Gedanke an Gott mit Sicherheit auch in der letzten Stunde des Lebens im Geist auftauchen.

45. Die Wiedergeburt eines Menschen wird durch das bestimmt, woran er kurz vor dem Tod gedacht hat. Andachtsübungen sind daher unbedingt nötig. Wenn der Geist durch ständige Übung von allen weltlichen Vorstellungen befreit wird, dann wird der Gedanke an Gott, der den Geist an ihrer Stelle erfüllt, ihn auch zum Zeitpunkt des Todes nicht verlassen.

46. Wenn ein ungebrannter Topf zerbricht, kann der Töpfer den Ton verwenden, um einen neuen zu machen. Aber wenn ein gebrannter Topf zerbricht, kann er das nicht mehr tun. Wenn also ein Mensch in einem Zustand der Unwissenheit stirbt, wird er wiedergeboren. Aber wenn er im Feuer der wahren Erkenntnis gut gebacken wurde und als vollkommener Mensch stirbt, wird er nicht wiedergeboren.

47. Ein gekochtes Reiskorn treibt nach der Aussaat nicht wieder aus. Nur ungekochter Reis treibt wieder aus. Ebenso muss jemand, der stirbt, nachdem er ein Siddha, ein vollkommener Mensch, geworden ist, nicht wiedergeboren werden, aber ein Asiddha, ein unvollkommener Mensch, muss immer wieder geboren werden, bis er ein Siddha wird.

Kapitel II: Maya

Maya als die kosmische Kraft des Herrn – Maya als die täuschende Kraft (Avidya) – Maya als die befreiende Kraft (Vidya)

Maya als die kosmische Kraft des Herrn

48. Maya ist für Brahman das, was die Schlange in Bewegung für die Schlange in Ruhe ist. Kraft in Aktion ist Maya, Kraft in Potenz ist Brahman.

49. So wie das Wasser des Meers mal ruhig ist und dann wieder zu Wellen aufgewühlt wird, so sind Brahman und Maya. Das Meer im ruhigen Zustand ist Brahman und im unruhigen Zustand Maya.

50. Die Beziehung von Brahman zu Sakti ist wie die des Feuers zu seiner brennenden Eigenschaft.

51. Siva und Sakti (Intelligenz und Energie) sind beide für die Schöpfung nötig. Mit trockenem Ton kann kein Töpfer einen Topf machen. Auch Wasser ist nötig. So kann Siva nicht ohne die Hilfe von Sakti erschaffen.

52. Ich wollte Maya sehen. Da hatte ich eines Tages eine Vision. Ein kleiner Tropfen dehnte sich langsam aus und formte sich zu einem Mädchen. Das Mädchen wurde eine Frau und gebar ein Kind. Und sobald das Kind geboren war, nahm sie es hoch und verschlang es. Auf diese Weise wurden ihr viele Kinder geboren und von ihr verschlungen. Da wusste ich, dass sie Maya war.

53. Die Schlange selbst wird durch das Gift in ihren Zähnen nicht beeinträchtigt. Aber wenn sie zubeißt, tötet das Gift das gebissene Lebewesen. Ebenso ist Maya im Herrn, aber sie beeinflusst Ihn nicht, während dieselbe Maya die ganze Welt täuscht.

Maya als die täuschende Kraft (Avidya)

54. Ein gewisser Sadhu lebte eine Zeit lang in einem Raum im Tempel von Dakshineswar. Er sprach mit niemandem und verbrachte seine ganze Zeit mit der Meditation über Gott. Eines Tages verdunkelte plötzlich eine Wolke den Himmel, und kurz darauf wehte ein leichter Wind die Wolke fort. Der