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Wo bleibst du, Herr?! Du kennst sicher auch diese nicht enden wollenden Wüstenzeiten, die einen mürbe machen. Vielleicht belastet Krankheit deinen Körper und deine Seele. Oder du findest einfach nicht den Partner, nach dem du dich so sehr sehnst. Eine Verheißung, die in dein Leben gesprochen wurde, erfüllt sich nicht. Und wenn du zu Gott rufst, antwortet er nicht. Wie soll man da nicht verzweifeln? Ich kenne das alles zu gut. Mein Leben war so voller Leid, dass ich glaubte, daran zu zerbrechen. Alles in mir schrie um ein Wunder! -Gott half mir, diese Zeiten nicht nur zu überleben, sondern selbst im dunkelsten Tal neue Hoffnung zu finden...
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Seitenzahl: 170
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Warum bin ich so mutlos? Warum so traurig? Auf Gott will ich hoffen, denn eines Tages werde ich ihn wieder loben, meinen Retter und meinen Gott! (Psalmen 42, 12)
Vorwort
Alles hat seine Zeit
Wie soll ich noch glauben?
Geraubte Wunder
Warum heilt Gott mich nicht?
Hilfloses Warten
Der Prinz und das Pferd
Was Gott erwartet
Die Falle des Übereifers
Wo dein Schatz ist, ist auch dein Herz
Ich höre ihn nicht
In seinem Arm
Gott der Wunder
Als Gott mir den Gedanken gab, dieses Buch zu schreiben, war meine erste Reaktion: „Wie soll das denn gehen?!“ Ich stecke selber gerade in zig Herausforderungen und ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht! Durch Songs über Gottes Größe, die ich in Dauerschleife laufen lasse, versuche ich, meinen Fokus auf Jesus zu richten und nicht auf all die Dinge, die mich bedrücken. Das funktioniert manchmal mehr, manchmal weniger gut. Vielleicht sollte ich erstmal aus meiner eigenen Wüste herauskommen, ehe ich mit schlauen Ratschlägen um mich werfe!
Doch da fiel mir ein Satz ein, den mir einmal jemand sagte: „Grace, wenn du Ermutigung brauchst, ermutige andere!“ - „Ok, Herr. Dann mach ich das eben. Ich habe keine Ahnung, wie das gehen soll, weil mir ständig nach Heulen zumute ist. Aber wenn du das ausgerechnet jetzt willst, dann schreibe ich.“
Wenn ich zurück auf mein Leben schaue und wie turbulent es war, frage ich mich: „Das kann doch nicht alles ohne Grund so gelaufen sein? Zu irgendwas muss Gott meine Geschichte doch gebrauchen können!“ Ich bin sehr oft an meine eigenen Grenzen gestoßen. Doch ich durfte auch viel von Gott lernen und wurde von ihm verändert. So fällt es mir heute leicht, Menschen anzunehmen, die nicht besonders vorbildlich leben oder keinen Geradeaus-Weg haben. Eben weil ich weiß, wie schnell man aus der Bahn geworfen werden kann. Meine Vorgeschichte hält mein Herz weich. Doch noch etwas anderes fällt mir auf:
Wenn ich von den Schwierigkeiten erzähle, die mein Leben begleitet haben, schaut mich mein Gegenüber oft ungläubig an: „Wie kannst du noch so fröhlich sein und strahlen?!“ Meine Freude passt nicht zu dem Gehörten. Dabei mache ich niemandem etwas vor: Ich bin meistens gut gelaunt, weil ich dankbar bin! Meine heilige Maske habe ich schon lange liegen lassen, denn Gott weiß eh um alles. Ich kann ehrlich sein, wenn es darum geht, dass mein Leben nicht so lief, wie man es von einer „Pastorentochter“ erwartet. Ich brauche mich nicht mit falschen Lorbeeren zu krönen. Wie sehr kenne ich den inneren Schrei, wenn man verzweifelt ist und Gott schweigt! Ich weiß nur zu gut, wie es ist, wenn Zweifel sich breit machen. Es gab Zeiten, da machte es mich so müde, mich jeden Tag neu aufzuraffen, nur um mich die nächsten Meter über den trockenen Wüstenboden zu schleppen. Mir fehlte dann jede Hoffnung und meine Zuversicht war längst verdorrt. Aber ich wusste auch immer um Gottes Gnade! Er führt mich zur rettenden Quelle! Deshalb wird zwar nicht alles in meinem Leben automatisch gut. In einigen Bereichen warte ich noch immer auf ein Wunder. Doch in allem Schweren lässt Gott nie zu, dass Bitterkeit in meinem Herzen wächst. Stattdessen lehrt er mich, ihm ganz zu vertrauen. Er zeigt mir, was es bedeutet, dass nicht mein Glaube, sondern er selbst mich trägt. Ich durfte viele von Gottes Wundern sehen und Heilung erleben, dafür bin ich dankbar! Doch nicht seine Wunder sind es, die mich staunen lassen, sondern wie er im langen Warten an meinem Herzen arbeitet. Es ist, als würde er einen Schatz freilegen, in dem ich neue Hoffnung finde!
Meine eigene Weisheit wird dir nicht viel bringen. Gott ist derjenige, der Leben verändert. Und ich bete, dass er dich durch dieses Buch ermutigt und dass er dir zeigt, was er damit meint, wenn er sagt, dass er im Schwachen stark ist. Deine Wüste muss kein Ort der Verzweiflung bleiben. Denn Gott ist treu und will seine Wunder in deinem Leben sichtbar werden lassen! „Siehe, ich wirke Neues, jetzt sprosst es hervor; solltet ihr es nicht wissen? Ich will einen Weg in der Wüste bereiten und Ströme in der Einöde.“ (Jesaja 43,19)
„Alles hat seine Zeit.“ (Prediger 3,1) Es gibt Sätze in der Bibel, die zählen nicht unbedingt zu meinen Lieblingsversen. Ich bin absolut nicht für Wartezeiten geschaffen. „Herr, bitte gib mir Geduld. Aber sofort!“ Da ich sehr lösungsorientiert bin, möchte ich immer möglichst schnell ans Ziel kommen. Doch das ist bei Gott oft nicht der Fall: Er hat einen sehr langen Atem! Gerade in Zeiten, in denen es so mühsam ist oder einfach die Hoffnung schwindet, in denen man leidet, ist es manchmal unverständlich, warum Gott nicht handelt. Für ihn wäre es doch ein Leichtes, einfach einzugreifen und seine Wunder zu schenken!
Ich bin als mittleres Kind einer christlichen Großfamilie aufgewachsen. Meine Hochsensibilität machte es mir oft nicht leicht und ich hatte ein sehr großes Harmoniebedürfnis. Wenn meine älteren Brüder sich in die Haare bekamen und aufeinander losgingen, stand ich oft daneben und flehte: „Hört bitte auf! Tut euch nicht weh!“ Es war mir unerträglich, zu sehen, wie sie miteinander rauften, obwohl es für sie nicht mal ernst war. Wenn ich abends bei meinem Vater auf dem Sofa saß und er die Nachrichten schaute, ging mir das noch lange nach und ich weinte über all die Menschen, denen es so schlecht erging. Da war ich noch ganz jung, höchstens im Vorschulalter. Wenn wir Besuch bekamen, war ich so schüchtern, dass ich mich oft über Stunden im Garderobenschrank unter den Jacken versteckte oder in eine Ecke hinter mein Bett kroch. Dort saß ich und flüchtete mich in Tagträumereien oder redete mit Jesus. Ich hatte ihn schon immer sehr lieb! Und ich war sehr dankbar, dass meine Mutter mir aus der Kinderbibel vorlas und mit mir betete. Mit vier Jahren gab ich aus tiefstem Herzen mein Leben Jesus.
Da ich nicht im Kindergarten war, fühlte ich mich in den ersten Schuljahren mit all den vielen Kindern überfordert. Ich schloss mich in den Pausen auf der Toilette ein, da ich Angst vor den „Großen“ hatte. Meine Lehrer mussten mich ständig auffordern, lauter zu sprechen. Ich war oft sehr unsicher und kam ständig zu spät von der Schule nach Hause. Oft lag es daran, dass ich wartete, bis die Jungen aus meiner Klasse fort waren, damit sie mich nicht ärgern konnten. Eine Weile gab es auf dem Schulweg eine Baustelle mit einem riesigen Bagger, an dem ich mich nicht vorbei traute. Ich blieb stehen und wartete, bis er sich nicht mehr bewegte, dann rannte ich, so schnell ich konnte, los. Für mich fühlte sich die ganze Welt zu viel und zu laut an. Und ich hatte ein großes Bedürfnis nach Ruhe.
Mein Vater hatte einen Ruf von Gott auf seinem Leben und wurde Pastor. Doch für ihn war es nicht einfach, den Platz zu finden, an den er gehörte. Somit zogen wir sehr oft um. Ich war in jedem Grundschuljahr auf einer anderen Schule. Einige Monate lebten wir sogar in einer katholischen Gemeinschaft mit Nonnen zusammen. Dort habe ich zum ersten Mal rebelliert. Die Mahlzeiten der Kinder gab es getrennt von den Erwachsenen in einer großen Küche. Da wir dort sehr bescheiden lebten, bekamen wir kein Fleisch oder Süßigkeiten. Stattdessen musste jedes Kind nach dem Abendessen eine Scheibe trockenen Käse essen und mir grauste es davor. Wenn ich Glück hatte, konnte ich die heimlich meiner Freundin zuschieben und sie aß meine mit. Doch oft bekam sie den Käse selber kaum runter. Unter dem Tisch gab es eine alte, schwere Schublade. Ich weiß nicht, ob mein Käselager irgendwann entdeckt wurde. Wer nicht aufaß, musste vor die Tür und bekam einen auf den Hintern. Doch ich aß so langsam, dass ich mein Essen oft nicht ganz schaffte. Wenn mich dann eine Nonne mit nach draußen nehmen wollte, klammerte ich mich am Tischbein fest und kniff die Augen zusammen. Sie ließ mich dann in Ruhe und ich wurde nicht ein einziges Mal bestraft.
Manchmal kam ein Priester vorbei, der uns die Buße abnahm. Er ließ mich erst wieder gehen, wenn ich bereit war zu sagen, was ich falsch gemacht hatte. Doch mir fiel nichts ein! Ich habe dann mit weinerlicher Stimme irgendetwas erzählt, das gar nicht stimmte. Meine Brüder waren deutlich entspannter: Sie machten ihr eigenes Ding! Und ich war froh, wenn sie mich mitnahmen! Wenn wir draußen spielten, zeigten sie mir einen Geheimweg auf eine kleine, naturbelassene Insel auf dem See vor dem Haus. Ich höre noch heute, wie die Nonne hinter uns her schimpfte, wenn wir wegrannten und sie nicht hinterherkam! Wir spielten auf der Insel, dass wir Indianer wären und rauchten Baumrinde aus Bambusrohren. Es war widerlich. Aber ich liebte diese Momente mit meinen Brüdern!
Irgendwann war auch das vorbei und wir zogen in ein kleines Dorf. Ich ging dort in die dritte Klasse einer winzig kleinen Grundschule. Mein Klassenlehrer wollte gern, dass die Mädchen während des Unterrichts auf seinem Schoß sitzen oder ließ sich von ihnen den Rücken massieren. Ich verstand nicht, dass das nicht in Ordnung ist! Doch Gott schützte mich und gab mir ein ganz ungutes Bauchgefühl. Wenn ich am Schreibtisch meines Lehrers stand und er mich zu sich ziehen wollte, drückte ich mich weg: „Ich will das nicht.“ Er nannte mich seine kleine Widerspenstige. Viele Jahre später erfuhr ich, dass er von der Schule geworfen und verurteilt wurde. Wieder zogen wir um und meine Eltern gründeten eine Gemeinde. Mein Vater war für mich mein Vorbild: Niemand predigte mit so einer Leidenschaft und Hingabe wie er! Für mich hatte er alle Weisheit und ich kannte niemanden sonst, der so eine Liebe für Jesus in sich trug. Das hat mich jung geprägt und beeindruckt. Auch wenn unser Verhältnis kein nahes war, blickte ich sehr zu ihm auf und verglich noch lange Zeit andere Prediger mit ihm. Meine Mutter kümmerte sich liebevoll und sehr aufopfernd um unsere Familie. Sie schaute immer, dass es allen gut ging und nahm sich selbst völlig zurück. Doch wir hatten wenig Geld, und als sie dann arbeiten ging, sich nebenher noch in der Gemeinde engagierte, waren wir Kinder öfter mal alleine. Ich entwickelte vor allem für meine jüngste Schwester sehr mütterliche Gefühle, tröstete sie, wenn sie schlecht träumte und bespaßte sie am Tag.
Doch es gab schon früh bei mir viele Herausforderungen, Hänseleien in der Schule, Grenzüberschreitungen und Momente, die mich immer unsicherer werden ließen. Ich fühlte mich niemals ausreichend. Wirklich frei war ich nur, wenn ich alleine in die Felder lief: Dort gab es eine verwilderte Stelle mit großen Bäumen und schweren Steinen. Dort saß ich oft und sprach mit Jesus, schüttete ihm mein Herz aus und sang ihm Lieder. Es war mein absoluter Lieblingsort, an dem ich immer zu ihm kommen konnte. Als ich viele Jahre später in die Stadt ziehen musste, glaubte ich erst, daran zu ersticken. Ich brauchte diese Weite um mich herum und die Möglichkeit, ganz allein mit Jesus zu sein! Ohne Menschen und Lärm überall. Doch Gott lehrte mich, dass ich ihn auch in Trubel finden kann. Denn er ist der, der mein Herz zur Ruhe kommen lässt.
Ich bin froh, dass ich so viele geistliche Höhen, aber auch Tiefen erleben durfte! Mein Vater hatte einen großen Hunger nach Gottes Wirken! Und nicht nur einmal erlebten wir Gottes Vollmacht und Herrlichkeit in unserer Gemeinde. Aber ich sah auch, wie vieles wegbrach und das Herz meiner Eltern schwer wurde. Doch Gott war ihnen treu und trug sie in all der Zeit. Ihr Vertrauen in seine Güte lehrte mich, dass er uns niemals loslässt! Und doch war ich nicht glücklich. Ich hatte das Gefühl, meine Eltern wünschten sich, ich könne sein wie die Töchter in anderen Familien. Selbstbewusst und mit guten Noten! Und ich strengte mich sehr an, möglichst artig zu sein und meine Sache gut zu machen, damit meine Eltern sich über mich freuen konnten. Aber ich schaffte es nicht, da ich einfach nicht so war wie die anderen Mädchen in meinem Alter. In der Schule wurde mir dies quasi bestätigt, es wurde viel über mich herzogen und gelästert. Meine Klasse machte sich lustig über mich, manche äfften mich nach, bis ich irgendwann platzte und mich wehrte: „Ihr denkt wohl, ihr könnt alles mit mir machen! Ich bin nicht nur die brave Pastorentochter!“ Ich war so wütend, dass ich über den ganzen Schulflur brüllte. Zumindest ließen sie mich dann in Ruhe. So oft fühlte ich mich unverstanden, einsam und nicht liebenswert.
Als ich ein Teenager wurde, brach ich aus diesem christlichen Pastorentochterleben total aus. In mir schrie alles nach Liebe und Annahme und ich verlor mich in Partys, aufreizender Kleidung und aufgesetztem Verhalten. In mir drin war ich immer sehr sanft und verletzbar, aber ich versuchte, das nicht zu zeigen, und stöckelte mit vorgespieltem Selbstbewusstsein über den Schulhof. Mit 13 Jahren verliebte ich mich in einen Mann, der sehr viel älter war als ich. Als ich 15 wurde, kamen wir zusammen. Da ich seine erste Freundin war und er Jesus liebhatte, blieb unsere Beziehung zwar ganz harmlos, aber für meine Mitschüler war das natürlich ein gefundenes Fressen. „Was willst du denn mit so `nem alten Kerl? Nennst du den Papa, wenn ihr alleine seid?!“ Ich blendete das Gerede aus und versuchte, viel Zeit mit ihm zu verbringen.
Da ich aber gerade erst in die Pubertät kam und auch meinen Hunger nicht stillen konnte, mich endlich gut genug zu fühlen, verhielt ich mich immer unberechenbarer und wurde lieblos und egoistisch. Er konnte gar nicht anders, als mich zu verlassen. Doch das riss mir so heftig den Boden weg, dass mir alles egal wurde. Ich ertrug meine Trauer über diese Trennung nicht. Und so kippte ich ins totale Extrem, schlich mich nächtelang aus dem Haus und trieb mich mutterseelenallein in der nahen Großstadt herum, um feiern zu gehen. Dort tanzte ich mit wildfremden Männern, flirtete mit jedem und ging erst als Letzte heim. Ich stahl meinen Eltern Geld, um mir schicke Kleider zu kaufen oder meine Partys zu finanzieren. Ich fälschte sogar Schecks von meinem Vater! Jeden Halt hatte ich verloren. Alles, wonach meine Seele sich sehnte, war jemand, der mich so lieben konnte, wie ich bin! Doch ich hatte mich selbst längst verloren. Ich suchte meine Identität und Wertschätzung an völlig falscher Stelle.
Da ich sehr kreativ war und schon immer viel tanzte und sang, hatte ich den großen Wunsch, irgendwann auf den Brettern dieser Welt zu stehen, am liebsten in einem Musical! Ich arbeitete sehr hart an mir. Täglich fuhr ich nach der Schule in eine Ballettschule, in der ich jeden einzelnen Kurs belegte und bis zum späten Abend trainierte. Ich wollte nichts verpassen und das Beste aus mir rausholen. Das Leben dort ist wie eine eigene Welt: Blutige Zehen und überdehnte Bänder sind an der Tagesordnung, aber ich kämpfte weiter und wollte es unbedingt schaffen! Zu meinen Auftritten kam selten jemand. Sonntags sang ich in der Gemeinde im Worship und wann immer es mir möglich war, brach ich aus allem aus: Dann setzte ich mir meine Maske der Selbstsicherheit auf und fuhr in meinem viel zu kurzen Röckchen alleine in die Stadt. Ich war völlig naiv und hatte keine Ahnung, in welche Gefahr ich mich brachte.
Die Situation kippte. Als ich 18 Jahre alt war, verging sich nach einer Party eine Gruppe Männer an mir. Das war meine erste Erfahrung in diesem Bereich, nie war mir vorher jemand so nahegekommen, und durch dieses Gewalterlebnis zerbrach etwas in mir. Da ich mir keine Hilfe holte und niemandem davon erzählte, wusste ich keinen anderen Ausweg, als mich nur weiter in noch exzessivere Partys und Alkohol zu flüchten. Ich verlor mich in Abhängigkeiten und Umständen, die mich immer tiefer in einen Sumpf aus sexueller Gewalt und Erniedrigung zogen. Männer machten mit mir, was sie wollten. Ich war froh, wenn ich Alkohol bekam, dann war es besser zu ertragen. Anfangs wehrte ich mich noch, doch nachdem mich ein Mann zusammenschlug, traute ich mich dies nicht mehr. Ich wusste nicht, wie ich dem entkommen sollte! Doch selbst in diesem Albtraum fand ich mein kleines Stückchen Annahme. Wenn die Männer mit mir zufrieden waren, dann reichte ich ihnen wohl aus. So lernte ich, dass ich mich hingeben musste und mich in nichts verweigern durfte, dann war ich gut genug.
Niemand wusste von diesen Vorfällen in meinem Leben. Ich flüchtete vor persönlichen Gesprächen und zog mich zuhause mehr und mehr raus. Das machte meine Eltern ratlos. Sie verstanden nicht, was mit mir los war! Und ich ließ auch niemanden an mich heran. Jeden Diebstahl, jedes ruppige Wort verziehen sie mir großzügig und gaben mir eine Chance nach der nächsten, um mich zu bessern. Doch als sie dann aus beruflichen Gründen wegzogen - ich war noch immer 18 Jahre jung - , versuchte ich, mein Leben allein in den Griff zu bekommen. Das gelang mir nur mäßig, da ich mich mit vielem überfordert fühlte. In dieser Zeit lernte ich meinen ersten Mann kennen und wurde Mutter.
Ich erlebte selten so etwas wie Normalität. Das ist nicht unbedingt nur schlecht, ich bin für vieles sehr dankbar!
All diese Erfahrungen helfen mir, andere Menschen besser zu verstehen und nicht zu urteilen. Denn das steht uns ja sowieso nicht zu. Und doch sehnte ich mich nach dem, was ich in anderen Familien sah: Dort wirkte alles so geradeaus und gefestigt. Warum war es bei mir nicht so? Alles hat seine Zeit. Und das war wohl meine.
Ich arbeitete das ganze Paket meines Lebens nach und nach auf und Gott schenkte mir übernatürliche Heilung von meinen traumatischen Erlebnissen. Ich weinte in vielen Nächten darüber und dachte, ich könnte mich nie wie andere Frauen auf einen Mann einlassen. Es wäre immer verbunden mit Flashbacks und Angst. Trotzdem heiratete ich und bekam Kinder. Erst Jahre später griff Gott endlich ein. Ich weiß noch, wie ich im Dunkeln zu ihm schrie, dass ich von diesen Ängsten meiner Vergangenheit frei sein wolle! Und er nahm sie mir. In dieser Nacht wurde ich plötzlich heil und nie mehr kam nur ein Fitzelchen Belastung meines Erlebten wieder hoch. Es gab nicht einen Flashback mehr! Ich weiß um das, was mir passiert ist, kann davon erzählen. Aber es kann mich nicht mehr greifen, aller Schmerz und jede Furcht sind fort! Gottes Name sei so gepriesen dafür!
Ich bin heute Mutter von fünf Kindern. Mein Familienleben war schon immer sehr herausfordernd und ich verlor irgendwann meine Nähe zu Jesus. Schon lange suchte ich ihn nicht mehr wie damals als junges Mädchen. Es war einfach von allem zu viel! Und ich versuchte, einen Tag nach dem anderen zu schaffen. In mir wuchs die Sorge, dass Jesus mir sagen würde: „Ich kenne dich nicht“, wenn er wiederkommt. So suchte ich eine Gemeinde. Meine Kinder waren noch sehr klein und es war umständlich, mit dem Bus dorthin zu fahren. Da mein jüngster Sohn im Fremdelalter war, brauchte er mich in seiner Nähe und deshalb saß ich während des gesamten Gottesdienstes im Kinderraum. Das war sehr frustrierend! Ich war dort so beschäftigt mit meinem Kleinen, dass ich keinen Anschluss fand und von der Predigt nichts mitbekam. Eine Frau verstand meine Situation und lud mich zu ihrem Hauskreis ein. Aber wie sollte das gehen? Ich hatte niemanden, der mir die Kinder dafür abnehmen konnte.
Irgendwann gab ich es auf und ersparte uns den sonntagmorgendlichen Stress. Mein Vater beruhigte mich: „Alles hat seine Zeit. Sei für deine Kinder da! Gott versteht das!“ Es nervte mich. Ich war ungeduldig und wollte wieder mehr Gemeinschaft mit Gott haben, aber wusste nicht wie! Ich las damals noch nicht in der Bibel und hatte keine Ahnung, wie man stille Zeit macht. Für mich gab es nur Gottesdienste oder völliges Alleinsein mit Jesus. Und das war mir beides nicht möglich.
Heute weiß ich, dass es so wahr ist, dass alles seine Zeit hat. Und dass es gut so ist! Gott hat mir diese Kinder anvertraut. Die Jahre, in denen ich mich als Mutter investierte, sind nicht verlorene Zeit im Reich Gottes. Im Gegenteil: Ich darf heute erleben, wie großartig gewachsen ist, was Gott hier durch mich gesät hat! Kein einziges Jahr, kein einziger Tag war Verschwendung. Muttersein ist ein Ruf Gottes, der Segen und Frucht bringt!