Xabi Alonso - Luca Caioli - E-Book

Xabi Alonso E-Book

Luca Caioli

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Beschreibung

Deutschlands Trainer des Jahres 2024 Die überragende Saison 2023/24 hat das Team von Bayer 04 Leverkusen rund um Trainer Xabi Alonso mit der ersten Deutschen Meisterschaft des Klubs und dem DFB-Pokal gekrönt. Im Oktober 2022 hatte er den Klub auf dem vorletzten Tabellenplatz stehend übernommen. Wie schaffte es der Trainer, aus Bayer Leverkusen einen Titelfavoriten zu formen? Alonso steht dabei kein Team aus Weltstars zur Verfügung, vielmehr hat der Erfolg viel mit dem Fußball, den Alonso sein Team spielen lässt, zu tun. Ganz Europa schwärmt von dem Fußball, den die Leverkusener auf den Rasen zaubern. Die Autoren lassen die Leser dieses Buchs auf eine eindrucksvolle Karriere blicken: Der aus dem Baskenland stammende Xabi Alonso verbrachte seine ersten Jahre als Profi in der Jugend von Real Sociedad San Sebastian. Von dort wechselte er zum FC Liverpool, mit dem er 2005 die Champions League gewann. Anschließend spielte er fünf Jahre für Real Madrid, wo er ebenfalls die Champions League, aber auch die Meisterschaft gewann und Pokalsieger wurde. Zum Abschluss seiner Spielerkarriere wechselte er für drei Jahre in die Bundesliga zum FC Bayern – drei Meisterschaften sprangen für ihn dabei heraus. Dazu wurde er mit Spanien zweimal Europameister und einmal Weltmeister. • Tiefe Einblicke in das Leben und die Leistungen von Xabi Alonso • Karriereübersicht: Von Real Sociedad bis zum FC Bayern München • Erfolge als Trainer Erfolgreicher kann eine Spielerkarriere also kaum verlaufen, dazu hat er unter den besten Trainern gespielt und schon als Spieler wie ein Trainer gedacht: "Er war wirklich etwas Besonderes. Seine Lektüre des Spiels war erstaunlich. Er wusste immer, was passieren würde, bevor er den Ball bekam. Er war das Gehirn des Teams", sagte beispielsweise Teamkollege Joshua Kimmich über die Fähigkeiten des damaligen Mittelfeld-Regisseurs der Bayern. "Alles scheint zusammenzupassen bei diesem Trainer: das Fachliche, das Menschliche, die Persönlichkeit, die Karriere als Profi sowie der Weg als Fußballlehrer, der bei der U 14 von Real Madrid begann", bilanzierte die FAZ kürzlich. Wer den Menschen Xabi Alonso und seinen Erfolg besser verstehen möchte, muss dieses Buch lesen.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Luca Caioli/Cyril Collot

Xabi Alonso

Charismatisches Genie

Luca Caioli/Cyril Collot

Xabi Alonso

Charismatisches Genie

Aus dem Italienischen von Tobias Empl

VERLAG DIE WERKSTATT

1. Auflage 2024

© Luca Caioli und Cyril Collot, 2024

Mit Dank an ACER Agencia Literaria

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe:

2024 Verlag Die Werkstatt GmbH

Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:

ISBN 978-3-7307-0721-0 (Print)

ISBN 978-3-7307-0728-9 (Epub)

Fotonachweis Cover: picture alliance / dpa / Marius Becker

Übersetzung: Tobias Empl

Lektorat: Lorenz Knieriem, Stephanie Jaeschke

Gesamtherstellung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen

Datenkonvertierung E-Book: Bookwire - Gesellschaft zum Vertrieb digitaler Medien mbH

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

www.werkstatt-verlag.de

Inhalt

König Xabi

Aita – mit dem Vater nach Barcelona

Donostia-San Sebastián – zurück im Baskenland

Antiguoko – der Stadtteilverein

Ein Sieg gegen Real Madrid und ein komplizierter Wechsel

Real Sociedad – die erste Profistation

Eine fast perfekte Saison

Reif für die Insel – und das Wunder von Istanbul

Der „Midfield Maestro“

Im Einsatz für die Furia Roja

Sommerliche Turbulenzen

In Weiß

Die Weltmeisterschaft in Südafrika

Drei Trophäen und ein perfektes Spiel

La Décima und der Abschied

Bei Pep in der Lehre

„Farewell beautiful game“

Die erste Trainerstation – „La Fábrica“

Zurück in der Heimat

Mit Sanse zum Aufstieg

Der Mann, der Leverkusen das Feuer zurückbrachte

In den Geschichtsbüchern

Bittersüßes Finale

Bilbliografie

Die Autoren und Danksagung

1

König Xabi

„Er wurde mit einem Fußballprofi als Vater geboren und wuchs mit einem Fußballtrainer als Vater auf. Dann ist er selbst Fußballer geworden, ohne Zweifel ein Top-Spieler. Seine Positionierung auf dem Feld und sein Spielverständnis – herausragend. Er hat in Spanien, England und Deutschland gespielt, er wurde von Guardiola bei Bayern trainiert, von mir und von Ancelotti in Madrid, von Benítez in Liverpool … Fügt man all das zusammen, glaube ich, dass Xabi die nötigen Voraussetzungen besitzt, um einmal ein sehr guter Trainer zu werden.“

So äußerte sich im November 2019 das Orakel José Mourinho in einem Interview im brasilianischen Fernsehen. Seitdem hat Xabier „Xabi“ Alonso Olano diese schmeichelhafte Prophezeiung sogar noch übertroffen. Gleich auf seiner ersten Station als Trainer eines Erstligisten hat er eine Mannschaft, die sich mitten im Abstiegskampf befand, innerhalb von 18 Monaten zu jenem Titel geführt, den der Verein in seiner 120-jährigen Geschichte nie gewonnen, aber mehrmals knapp verpasst hatte: die Deutsche Meisterschaft. Er hat dafür gesorgt, dass die Begriffe „Vizekusen“ beziehungsweise die englische Entsprechung „Neverkusen“ der Vergangenheit angehören – die Spitznamen eines Klubs, der oft im Titelrennen mitmischte, aber dann doch nie ganz oben stand.

Damit hat Xabi Alonso erreicht, was prominenten Vorgängern auf der Bayer-Bank wie Rinus Michels, Christoph Daum, Berti Vogts oder Jupp Heynckes verwehrt geblieben ist. Und nicht nur das: Er hat seine Mannschaft in „Die Unbesiegbaren“ verwandelt, das erste Team der Bundesligageschichte, das während einer kompletten Saison kein einziges Spiel verloren hat – ein einsamer Rekord. Die Dominanz des Serienmeisters FC Bayern München, die unglaubliche elf Jahre lang angedauert hatte, wurde unter ihm gebrochen, darüber hinaus hat er mit Bayer 2023/24 das „Double“ gewonnen und zuletzt auch noch den deutschen Supercup.

Der aufregende, spektakuläre Fußball seines Teams hat alten und neuen Fans viele glückliche Momente beschert, hat sie zum Lachen gebracht und dazu, vor Freude zu weinen. Sogar eine Straße haben sie – zumindest vorübergehend – schon nach ihm benannt: Die Bismarckstraße in Leverkusen wurde im Zuge der Feierlichkeiten im April 2024 kurzerhand zur „Xabi-Alonso-Allee“. Auf Plakaten setzten ihm die Fans eine Krone auf und verliehen ihm den Titel „King“, und wie es sich für einen König gehört, wünschen sich seine „Untertanen“ auch eine Xabi-Statue, am besten am Eingang der BayArena. Selbst die Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Leverkusen stand für den Basken zwischenzeitlich im Raum.

Der ehemalige Mittelfeldspieler von Real Sociedad, dem FC Liverpool, Real Madrid und dem FC Bayern München hat, wie Leverkusens Bürgermeister Uwe Richrath gegenüber der Bild-Zeitung erklärte, „die Herzen der Menschen dieser Stadt gewonnen“. Und laut Richrath hat er sogar dazu beigetragen, das öffentliche Bild von Leverkusen zu verändern:

„Dank Xabi Alonso und seiner Mannschaft werden wir anders wahrgenommen. Die Mannschaft verkörpert das, was unsere Stadt ausmacht. Eine Gemeinschaft, in der Vielfalt sehr wichtig ist. Wir sind nicht laut, dafür demütig. Und dazu passt Xabi Alonso als Trainer wunderbar, weil er diese Eigenschaften verkörpert.“

Aber welche Eigenschaften sind das genau? Nun, die Leute mögen Xabi, weil er ein „guter Typ“ ist, weil er Stil besitzt, weil er auf und neben dem Fußballplatz Klasse verkörpert, mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben ist und klare Vorstellungen hat. Er hat der Bayer-Mannschaft zu einer schier unglaublichen Siegermentalität verholfen, eine Eigenschaft, die in Leverkusen jahrzehntelang vergeblich gesucht wurde. Und er hat Treue bewiesen: Im Frühjahr 2024 hatte er die Angebote von großen europäischen Klubs auf dem Tisch, allen voran von Bayern München, doch er ist trotzdem in Leverkusen geblieben.

Eines Tages wird er weiterziehen, vielleicht zu Real Madrid, wo man ihn wegen seines Stils liebt, so wie einen Zidane, Ancelotti oder del Bosque, aber das spielt für die Leute in Leverkusen im Moment noch keine Rolle. Hier hat er einen Traum Wirklichkeit werden lassen. Egal was in Zukunft passiert, Xabi Alonso wird für immer einen Ehrenplatz in der Geschichte von Bayer 04 haben.

Der Baske hat aber nicht nur die Herzen der Menschen in der 165.000-Einwohner-Stadt im Rheinland erobert, er fasziniert ganz Deutschland, wenn nicht sogar ganz Europa. Von allen Seiten gab es Preise und Ehrungen. So wurde Xabi am 28. Mai 2024 auf Sardinien mit dem „Globe Soccer Award“ als „Best Coach of the Year“ ausgezeichnet, und am 4. August 2024 ernannte ihn auch das Fachmagazin Kicker nach einem Voting unter den Mitgliedern des Verbandes Deutscher Sportjournalisten zum „Trainer des Jahres“. Bei der Abstimmung erhielt er 503 Stimmen, weit mehr als der Zweitplatzierte Sebastian Hoeneß vom VfB Stuttgart (74) und der Drittplatzierte Frank Schmidt vom 1. FC Heidenheim (50). Im Rahmen der Ehrung gab sich Xabi gewohnt bescheiden:

„Diese Rolle als Trainer ist so neu für mich, dass ich mich von solchen Auszeichnungen überwältigt fühle, denn ich habe großen Respekt vor all meinen Kollegen, die den Beruf schon seit Jahren ausüben. Natürlich ist es nicht meine Arbeit allein, die mir diesen Titel eingebracht hat, sondern auch die Leistung der Mannschaft und des gesamten Staffs.“

Am 5. September wurde dann Bayer Leverkusen in gleich drei Kategorien für den Ballon d’Or 2024 nominiert: Die „Werkself“ ist im Rennen um den Titel als „Klub des Jahres“, zusammen mit Real Madrid, Manchester City, Borussia Dortmund und dem Girona FC; Alejandro Grimaldo, Granit Xhaka und Florian Wirtz zählen zu den Kandidaten für den Goldenen Ball als bester männlicher Fußballer; und Xabi Alonso gehört zu den Anwärtern auf die Auszeichnung als bester Trainer, gemeinsam mit Carlo Ancelotti (Real Madrid), Luis de la Fuente (Spanien), Gian Piero Gasperini (Atalanta Bergamo), Pep Guardiola (Manchester City) und Lionel Scaloni (Argentinien).

Das hier ist seine Geschichte.

2

Aita – mit dem Vater nach Barcelona

„Mein Vater ist meine größte Inspiration und meine größte Quelle der Weisheit.“

Xabi Alonso

Miguel Ángel Alonso Oyarbide, in der Welt des fútbol besser bekannt als Periko Alonso, wird am 1. Februar 1953 in Tolosa geboren, einer Gemeinde in der Provinz Gipuzkoa im Baskenland. Damals wohnen in dem Städtchen etwas mehr als 15.000 Einwohner. Der Ort ist geprägt von bunten Häusern, die sich entlang des Flusses Oria erstrecken, baskischem Barock, dem Markt von Zerkausia, der Papierindustrie, von Landwirtschaft und Gastronomie. Sehr bekannt sind die alubias de Tolosa, schwarze Bohnen von erstklassiger Qualität, und die asadores genannten Grillrestaurants, wo man nicht nur nach Belieben chuletónes (Steaks) essen kann, sondern auch tejas y cigarrillos, ein typisches Butter-Mandel-Gebäck.

Miguel Ángels Eltern heißen Mertxe und Miguel. Sein Großvater war Lumpenhändler, sein Vater ein Schrotthändler, auf Spanisch chatarrero oder chatarra genannt. Diese Spitznamen sollte Xabi Alonsos Vater später verpasst bekommen. Miguel Ángel beginnt beim Tolosa Club de Fútbol das Fußballspielen, einem 1922 gegründeten Verein, der heute in der 6. Liga spielt. Er geht auf eine Klosterschule und studiert später Wirtschaftswissenschaften. Mit 21 Jahren wird Real Sociedad aus San Sebastián auf ihn aufmerksam und verpflichtet ihn für die zweite Mannschaft des Vereins. Periko kommt also recht spät zu den Txuri-Urdin, den Weiß-Blauen, wie Spieler und Fans von Real Sociedad genannt werden.

Dort verbringt er noch drei Jahre im Nachwuchsteam, ehe er am 18. September 1977 in der ersten Mannschaft debütiert. José Antonio Irulegui, seit zwei Jahren auf der Trainerbank von „La Real“, schenkt ihm das Vertrauen. Periko gilt mit 24 Jahren schon als recht alt für diesen Sprung, doch er hat keine Probleme, sich an die Liga zu gewöhnen, und erobert sich bald einen Platz in der ersten Elf. Diesen gibt er in den fünf Jahren, die er noch bei Real Sociedad bleibt, nicht mehr her. Er ist ein Kämpfer, ein „Raubtier“ im Mittelfeld, jemand, der das Spiel des Gegners zerstört, aber gleichzeitig in der Lage ist, das eigene Spiel aufzubauen.

Vicente del Bosque, der ehemalige Spieler und Trainer von Real Madrid sowie Trainer der spanischen Welt- und Europameistermannschaften von 2010 und 2012, erinnert sich noch heute gut an die vielen Duelle zwischen Real Madrid und Real Sociedad beziehungsweise ihm und Periko, ob im Estadio de Atotxa in San Sebastián oder im Santiago Bernabéu in Madrid:

„Wir spielten beide im Mittelfeld, damals spielte man noch mit Manndeckung, und deshalb hatte ich andauernd mit ihm zu tun. Er war eher ein defensiverer als ein offensiver Mittelfeldspieler, auch wenn er einen guten Schuss hatte, kopfballstark war und auch einige Tore erzielte. Auf dem Platz war er wie ein Roboter, sehr korrekt, sehr förmlich und streng. So streng, dass ich ihm manchmal sagte: ‚Du hast mich nicht mal begrüßt.‘Aber er dachte nur an das Spiel. Auf dem Feld nahm er auf niemanden Rücksicht, es machte ‚ Bumm‘, und er spielte weiter. Er war sehr sicher am Ball, routiniert, war am Spielaufbau beteiligt, aber schaltete sich auch oft weiter vorne ein. Wir waren Rivalen, aber gute Rivalen, würde ich sagen.

In dieser Zeit gewann Real Sociedad, mit Arconada im Tor, mit Alonso, Diego und Zamora im Mittelfeld, mit Idígoras, Satrústegui und López Ufarte im Sturm, zwei Meisterschaften in Folge. Sie spielten ein 4-3-3-System, hatten großartige Spieler undAlberto Ormaetxea als Trainer. Sie waren damals besser als wir, auch wenn sie bei ihrem ersten Titel nur hauchdünn vor uns landeten. Wir hatten am Ende der Saison gleich viele Punkte, aber wegen des verlorenen direkten Vergleichs wurden wir nur Zweiter.“

Wie es zu dieser ersten Meisterschaft kam, ist in San Sebastián bis heute legendär. Gijón, 26. April 1981, 23 Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit: Real Sociedad liegt gegen Sporting Gijón mit 1:2 hinten, während Real Madrid in Valladolid führt. Die Geschichte des Vorjahres scheint sich zu wiederholen, als die Txuri-Urdin, 32 Spieltage lang ungeschlagen, kurz vor Schluss noch eingeholt wurden und einen Punkt hinter den „Königlichen“ aus Madrid landeten. Doch diesmal kommt es anders. Jesús Mari Zamora trifft zum späten Ausgleich und beschert San Sebastián damit die erste spanische Meisterschaft der Vereinsgeschichte. Perikos Anteil an dem entscheidenden Treffer besteht darin, den Ball zuvor, in einer vermeintlichen Verzweiflungstat, in den gegnerischen Strafraum gedroschen zu haben. Auch er gewinnt damit den ersten Titel seiner Karriere.

Zu diesem Zeitpunkt ist Periko Alonso 28 Jahre alt und bereits seit Längerem verheiratet mit Isabel Olano, die wie er aus der Provinz Gipuzkoa kommt, aus dem Dorf Orendain, mit gerade einmal 200 Einwohnern. Am 17. Mai 1980, einen Tag vor dem bitteren Saisonende für Real Sociedad, hat Isabel ihren ersten Sohn geboren, Mikel. Am Mittwoch, den 25. November 1981, kommt in Tolosa dann das zweite Kind auf die Welt, ebenfalls ein Junge: Xabier, den alle Xabi nennen.

An diesem Tag spielt Real Sociedad im Estadio El Sadar in Pamplona in der dritten Runde des spanischen Pokalwettbewerbs Copa del Rey gegen Osasuna. Periko steht auf dem Platz und schießt sein Team in der 45. Minute in Führung. In der 81. Minute wird er ausgewechselt, nur vier Minuten später gleicht Enrique Martín zum 1:1-Endstand aus. Erst am späten Abend, nach seiner Rückkehr aus Pamplona, nimmt Periko den kleinen Xabi auf den Arm. Ein Baby, das im Zeichen des Fußballs geboren wird, der auch weiterhin sein Leben bestimmt: Am 25. April 1982, genau fünf Monate nach Xabis Geburt, feiert Real Sociedad zum zweiten Mal den Gewinn der spanischen Meisterschaft. Zu Hause im Atotxa gewinnen die Txuri-Urdin das baskische Derby gegen den Athletic Club aus Bilbao dank Toren von Zamora und López Ufarte mit 2:1. Der Klub aus San Sebastián verteidigt seinen Titel, mit zwei Punkten Vorsprung auf den FC Barcelona und drei auf Real Madrid.

Im Sommer 1982 findet die Fußball-Weltmeisterschaft in Spanien statt. Periko hat zwei Jahre zuvor sein Debüt in der Nationalmannschaft gegeben, am 24. September 1980 gegen Ungarn. Der uruguayische Trainer José Santamaría schenkt ihm Vertrauen, er wird unumstrittener Stammspieler und für die WM nominiert. Alonso steht in den drei Partien der 1. Runde für die Furia Roja auf dem Feld und auch in den zwei Spielen der 2. Runde. Doch dort endet das Turnier für den Gastgeber. Nach einer 1:2-Niederlage gegen die Bundesrepublik Deutschland und einem 0:0 gegen England scheidet Spanien als Gruppenletzter aus. Es ist die WM von „Naranjito“, dem Maskottchen, das aussieht wie eine Orange, von Paolo Rossi, der mit sechs Treffern Torschützenkönig wird, von Toni Schumachers Foul an Patrick Battiston, und von Italien, das im Finale mit 3:1 gegen die von Paul Breitner angeführten Deutschen gewinnt.

Das Spiel gegen England ist der letzte Auftritt von Periko Alonso im roten Trikot. Nach der WM wird er nicht mehr für die Nationalmannschaft nominiert. Im gleichen Sommer verlässt er Real Sociedad. Nach fünf Spielzeiten, 202 Spielen, 37 Toren und zwei spanischen Meisterschaften wechselt er für die zu jener Zeit stolze Ablösesumme von 80 Millionen Pesetas, was etwa 420.000 Euro entspricht, zum FC Barcelona. Damit verlässt auch die gesamte Familie Alonso Olano das Baskenland und zieht aus dem nur zehn Kilometer von Tolosa entfernten Dorf Ibarra in die Hauptstadt Kataloniens. Xabi ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ein Jahr alt. Die Familie wohnt fortan im Stadtviertel Sarrià, in einem Haus in der Nähe des Stadions von Stadtrivale Espanyol Barcelona. Dort bleiben sie für sechs Jahre, in denen Periko drei Spielzeiten beim FC Barcelona verbringt und anschließend noch drei weitere für den in der Nähe von Barcelona beheimateten Verein CE Sabadell kickt.

Die erste Saison bei den Blaugrana verläuft ziemlich turbulent. Der deutsche Trainer Udo Lattek, der sich für die Verpflichtung des Neuzugangs aus San Sebastián starkgemacht hatte, wird Anfang März 1983 durch den argentinischen „Fußball-Philosophen“ César Luis Menotti ersetzt. Periko beweist dennoch seinen Wert für die Mannschaft und erobert sich einen Platz im Mittelfeld. Er spielt zusammen mit Diego Armando Maradona, der nach der WM 1982 von den Boca Juniors aus Buenos Aires nach Barcelona gewechselt ist, mit dem „blonden Engel“ Bernd Schuster und mit den torgefährlichen spanischen Angreifern Lobo Carrasco und Quini. Doch trotz der großen Namen reicht es in dieser Saison nur zum Gewinn der Copa del Rey und des Ligapokals. In der Liga hingegen landet der FC Barcelona lediglich auf dem vierten Platz, in den internationalen Wettbewerben scheidet er früh aus. Auch die nächste Saison unter der Leitung von Menotti läuft nicht viel besser. Bis auf den spanischen Supercup und den durch einen 2:1-Sieg im Finale gegen Borussia Dortmund gewonnenen Joan-Gamper-Pokal während der Sommervorbereitung gibt es keine Titel zu bejubeln.

Das Leben von Xabi und Mikel Alonso spielt sich derweil zwischen Kindergarten, Spielplatz und ihrem Zuhause ab. Vater Periko begleitet seine Söhne morgens vor dem Training zur Vorschule, gibt ihnen ihr Pausenbrot und Ratschläge für gutes Benehmen mit auf den Weg. Im Parque de los Gatos, dem kleinen Park zwischen dem Paseo de Manuel Girona und der Calle del Doctor Ferran, verbringen die Brüder die Nachmittage mit Mama Isabel und spielen mit anderen Kindern. Am liebsten ist es ihnen, wenn ein Ball dabei ist. Manchmal geht die Mutter mit ihnen auch ins Camp Nou, aber allzu sehr interessiert sie das zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Es wird noch ein bisschen dauern, bis sie sich für den fútbol begeistern.

Sofern es die Saisonvorbereitung zulässt, verbringt die Familie die Sommer im Landhaus Okaingorro bei den Großeltern mütterlicherseits, wenige Kilometer von Tolosa entfernt. Die Brüder lieben die Zeit auf dem Land. Sie jagen Glühwürmchen und machen viel Blödsinn. Wenn ihnen ein Lausbubenstreich in den Sinn kommt, denken sie nicht lange darüber nach, sondern schreiten umgehend zur Tat, klauen etwa die Eier aus dem Hühnerstall und bewerfen damit die Autos, die auf der Straße vorbeifahren. Es sind glückliche Tage voller Freiheit. Hier entstehen Xabis erste und prägendste Erinnerungen, etwa an die Maccheroni mit Tomaten und hart gekochten Eiern, die Großmutter Mertxe in Tolosa zubereitet, oder an die Oliven, die ihm der Großvater bei einem Besuch in Orendain aufzwingt. Die schmecken Xabi allerdings schon damals nicht, und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Die Saison 1984/85 ist die letzte von Periko Alonso im Trikot des FC Barcelona. Mittlerweile hat mit Terry Venables ein neuer Trainer das Sagen, und es ist schon bald klar, dass es zwischen dem Engländer und dem baskischen Mittelfeldspieler nicht passt – die Chemie stimmt nicht. Periko spielt kaum noch, ist aber am Saisonende dennoch zum dritten Mal in seiner Karriere spanischer Meister, denn Barcelona gewinnt auch ohne den im Sommer nach Neapel abgewanderten Maradona mit zehn Punkten Vorsprung vor Atlético Madrid den Ligatitel.

Im Juli 1985, sein Vertrag ist ausgelaufen und wurde nicht verlängert, schließt sich Periko dem katalanischen Zweitligaverein Centre d’Esports Sabadell an. Und bei den Arlequinats, den „Harlekinen“, wie sie wegen ihrer karierten Trikots genannt werden, findet er die Freude am Fußball wieder. Er wird ein Anführer und einer der wichtigsten Spieler für seinen Trainer Pedro Uribarri. Schon in seiner ersten Saison bei Sabadell steigt der Verein in die Primera División auf. In der folgenden Spielzeit schafft die Mannschaft den Klassenerhalt, und Periko avanciert mit zwölf Treffern zum besten Torschützen seines Teams.

In Sabadell werden Xabi und Mikel sich erstmals bewusst, was den Fußball ausmacht. Das Nova Creu Alta ist das erste Fußballstadion, an das die beiden sich erinnern können. Dort sehen sie dem Aita, wie sie ihren Papa auf Baskisch nennen, bei der Arbeit zu, sie setzen sich hinter die Ersatzbänke und nehmen die Einwechselspieler der gegnerischen Mannschaft auf die Schippe. Xabi betritt erstmals eine Umkleidekabine, und er wird nie vergessen, wie er, als er zum ersten Mal die Treppen von der Tribüne hinuntersteigt, bis ganz nach unten purzelt: Voller Stolz trägt er eine große Vereinsfahne, tritt aus Versehen darauf und findet sich kopfüber auf dem Boden liegend wieder.

Samstags ist keine Schule, also nimmt Periko die beiden Brüder mit zum Training. Die Spieler trainieren auf der einen Hälfte des Platzes, Mikel und Xabi vergnügen sich in der anderen. Sie schießen aufs Tor, versuchen dabei, den Pfosten oder die Latte zu treffen, oder spielen sich gegenseitig die Bälle zu. Sie sind fünf und sechs Jahre alt und werden sich bewusst, dass sie ein großes Privileg haben, denn andere Kinder dürfen nicht auf dem Fußballplatz herumtollen. „Damals“, sagt Periko Jahre später, „konnte man noch nicht sehen, ob sie einmal gute Fußballer sein würden. Ich habe mir die Frage erst gar nicht gestellt. Es waren einfach zwei Kinder, die Spaß daran hatten, mit dem Ball zu spielen.“

1987/88 ist die letzte Saison des Mittelfeldspielers aus Tolosa in Katalonien. Xabi geht inzwischen in die erste Klasse. Am Saisonende steigt Sabadell in die zweite Liga ab. Periko Alonso beschließt mit 35 Jahren, nach 301 Vereinsspielen und 43 Toren, 20 Länderspielen und einem Tor, drei spanischen Meisterschaften, einer Copa del Rey und einem spanischen Supercup, seine Fußballschuhe an den Nagel zu hängen.

Die Familie Alonso Olano kehrt nach sechs Jahren in Katalonien zurück in ihre Heimat, das Baskenland. Sie zieht nach Donostia-San Sebastián.

3

Donostia-San Sebastián – zurück im Baskenland

„Respekt und Ehrlichkeit sind die Werte, die mir meine Eltern vermittelt haben.“

Xabi Alonso

Die Bucht von La Concha ist ein kleines Wunder. Dieser Halbmond zwischen Land und Meer hat etwas Magisches. Es ist ein Schauspiel, das sich jeden Tag wiederholt, unabhängig von der Jahreszeit oder den Wetterbedingungen. Auch dann, wenn die Wellen nur sanft am goldenen Sand des Strandes knabbern, bevor sie gegen die Mauern der Uferpromenade schlagen, behält La Concha seine Faszination. Hier vermischen sich der Himmel und die Unendlichkeit, hier beruhigt die Insel Santa Clara die Gewässer, hier kann das menschliche Auge eine glänzende Pracht bewundern. La Concha ist ein etwas mehr als einen Kilometer langer Genuss für Spaziergänger, Badegäste und für die Kinder, die dort schon am frühen Morgen zwischen Sand und Meer Fußball spielen. Er wurde zum schönsten Strand Europas und zum sechstschönsten der Welt gewählt. Und La Concha ist zugleich der Spiegel einer erstaunlichen Stadt.

Die Skyline von San Sebastián und die Häuser, die sich vom Monte Igueldo bis zum Monte Urgull erstrecken, versuchen gar nicht erst, mit dem muschelförmigen Strand zu konkurrieren. Im Gegenteil, sie begleiten ihn entlang des Meeres. Es wirkt wie ein Set aus Pappmaschee, hinter dem sich das Stadtzentrum verbirgt. San Sebastián, dessen baskischer Name „Donostia“ lautet, ist eine elegante Stadt, im französischen Stil der Belle Époque. Die Plätze und Theater, die Thermen und Hotels sind wie eine Zeitreise an den Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Adel und selbst Könige und Königinnen hier ihre Urlaube verbrachten und in weiten Badeanzügen, mit riesigen Badekappen ins Wasser sprangen. Diese Atmosphäre von einst ist heute noch immer spürbar, wenn alljährlich im September die Stars zum internationalen Filmfestival „Donostia Zinemaldia“ in die Stadt kommen.

Besonders spürt man die Faszination San Sebastiáns im historischen Stadtzentrum. Die Bars und Restaurants sind voller Leben, und schon ein schneller Blick reicht, um eine Idee der baskischen Küche zu bekommen. Ein Stück Brot kann hier auf hundert verschiedene Arten zubereitet werden, und jeder pintxo, wie man die kleinen, mit Tapas vergleichbaren Mahlzeiten am Spieß nennt, ist ein kleines Kunstwerk.

Zehn Minuten vom regen Treiben im Zentrum entfernt befindet sich El Antiguo, das älteste Viertel der Stadt. Laut den örtlichen Chroniken bildete sich hier der ursprüngliche Kern jener Siedlung, aus der im 12. Jahrhundert die Stadt Donostia werden sollte. In dem Viertel befindet sich der beeindruckende Palacio de Miramar, den Königin María Cristina am Ende des 19. Jahrhunderts errichten ließ und der jahrzehntelang von der spanischen Königsfamilie als Sommerresidenz genutzt wurde. Durchquert man einen Tunnel, gelangt man zum Strand von Ondarreta. Er ist weniger bekannt als La Concha und hat auch nicht die großen Wellen des bei Surfern beliebten Strandes La Zurriola zu bieten – hier geht es ruhiger und entspannter zu. Und am Ende der Strandpromenade steht El Peine del Viento, ein Ensemble dreier von Eduardo Chillida entworfener Skulpturen, inspiriert von der Architektur Luis Peña Gancheguis, die mit der Kraft des Stahls die von der Natur getrennten Elemente Wasser und Erde zu verbinden scheinen.

Im Stadtviertel El Antiguo, in der Calle Pio Baroja, lässt sich im Sommer 1988 nun die Familie Alonso Olano nieder. Das Haus hat einen Hinterhof, den die beiden Brüder sofort in einen Fußballplatz verwandeln. Xabi besucht wie Mikel die Schule Ikastola Ekintza und geht jetzt in die zweite Klasse. Er hat keine großen Probleme, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen, weder an die Mitschüler noch an die Unterrichtssprache: Euskara, wie das Baskische von den Sprechern selbst genannt wird. Der Fußball hilft ihm zusätzlich dabei, Anschluss zu finden.

Da Xabi gut spielt, wollen ihn alle in ihrer Mannschaft haben, wenn sie in der Pause oder am Freitagnachmittag nach Schulende zusammen kicken. In der Schule sind Xabi und Mikel schon bald Gesprächsthema, und die anderen Kinder fragen sich, welcher der Alonso-Brüder denn nun der Bessere ist. Mikel nennen sie „Mister Perfect“, denn er ist in der Lage, alle anderen auszudribbeln und ein Tor nach dem anderen zu schießen. Xabi dagegen ist schon damals derjenige, der die freien Räume früher als die Mitspieler sieht und dessen Bälle mit nahezu geometrischer Perfektion genau dort landen, wo er es möchte.

Der jüngere der beiden Alonsos nimmt mit seiner Klasse an einer Hallenmeisterschaft teil, und an den Wochenenden veranstaltet die Ikastola weitere Aktivitäten. Neben Fußball macht Xabi vor allem Basketball viel Spaß, und er trifft so einige Körbe. Manchmal macht er aber auch schmerzhafte Erfahrungen. Mit acht Jahren versucht er einmal, von einer Rutsche auf den Basketballkorb zu springen, kommt allerdings nicht weit genug und schlägt sich die Augenbraue auf. Doch Xabi lässt nicht locker und versucht es zwei Wochen später erneut. Gleicher Ort, gleicher Versuch – und wieder ist er nicht erfolgreich. Er fällt hin und verletzt sich an der anderen Augenbraue. Aber so ist Xabi nun mal: Er mag die Herausforderung und scheut nicht das Risiko. Auch in Pelota versucht er sich, dem baskischen Nationalsport par excellence, bei dem ein Ball abwechselnd gegen eine Prellwand, den Frontón, geschlagen wird.

Sport ist wichtig, allen voran der Fußball, doch das Wichtigste für Mutter Isabel ist, dass Xabi und Mikel gut in der Schule sind. Sie achtet darauf, dass die beiden sich nicht von ihren Pflichten ablenken lassen. Xabi ist ein guter Schüler, der zwar nicht unbedingt glänzt, aber sich Mühe gibt und ordentliche Noten nach Hause bringt. Er ist kein Lautsprecher, etwas introvertiert, hört im Unterricht aufmerksam zu und muss sich bei Prüfungen nicht allzu sehr anstrengen. Er weiß aber auch, dass eine schlechte Note die schlimmste Strafe zur Folge hat, die er sich nur vorstellen kann. „Einmal habe ich eine Spanisch-Prüfung nicht bestanden, und meine Eltern haben mich damit bestraft, dass ich einen Monat lang nicht Fußball spielen durfte“, wird er später erzählen.

Seine Mutter erinnert ihn immer wieder, die Hausaufgaben zu machen, wenn er nach Hause kommt, denn er vergisst es gerne. An zwei Tagen pro Woche geht Xabi auch noch zum Englisch-Unterricht in die „Smith School“, eine Sprachenschule. Er tut sich leicht mit der Sprache Shakespeares und bekommt gute Noten. In Zukunft wird ihm das nützlich sein.

Um im Englischen noch besser zu werden, schickt ihn seine Mutter später, mit 14 Jahren, einen Monat lang nach Kells, eine Stadt im Nordosten Irlands, im County Meath. Xabi lebt bei Familie O’Brien am Headfort Park. Obwohl es Juli ist, regnet es fast jeden Tag, doch der Junge ist trotzdem ständig draußen und spielt im Headfort Grove oder in Rockfield Fußball. Er lernt auch den Gaelic Football kennen, der einigen Fachleuten als Vorläufer des klassischen, englischen Fußballs gilt. Dabei geht es so hart zu, dass Xabi den anderen Jungs vorschlägt, doch lieber mit Helm zu spielen. Gleichzeitig lernt er aber auch den britischen Fußball kennen und lieben, nämlich die Freude an Zweikämpfen und am körperlichen Spiel. Trotz des schlechten Wetters und Xabis anfänglicher Probleme, den irischen Akzent zu verstehen, wird es ein schöner Sommer.

Doch zurück nach Donostia. In der fünften und sechsten Klasse nimmt Xabi jeweils an den playeros de La Concha teil. Das sind Fußballwettbewerbe für Klein und Groß, die am Strand ausgetragen werden, und die Finals sind von enormer Bedeutung. Fútbol und Leidenschaft. Ein unberechenbarer Platz in schlechtem Zustand, von den Fluten des Meeres getränkt. Doch trotzdem geht es immer weiter. „Ich erinnere mich an puren Fußball, an die frühen Morgenstunden, an Regen und Kälte. Aber es sind großartige Erinnerungen“, erzählt Xabi später in einem Interview mit El País. „Die Tore müssen jedes Mal neu aufgebaut werden, jedes Mal mussten wir alles neu herrichten: die Pfosten, die Netze, die Eckfahnen und die Linien … Es ist eine sehr besondere und interessante Fußballschule. Man lernt, sich aufzuopfern, zu teilen, hart zu arbeiten und auch, dass ohne Gegner kein Spiel möglich ist.“ Es heißt, dass viele, die zu jener Zeit an der Strandpromenade entlanglaufen, stehen bleiben und bewundernd zusehen, wie dieser Junge mit den roten Haaren das Spiel für seine Mannschaftskameraden aufbaut.

Ein Bild des jungen Xabi ist im Oktober 1989 in der Zeitschrift Aupa Undinak! zu sehen. Ein rothaariger Junge mit Sommersprossen kniet in einem blauen Trikot in der ersten Reihe. Damals nimmt er für den Tolosa CF am „Shanti“-Hallenturnier für Benjamines (8–9-Jährige) und Alevines (10–11-Jährige) teil, einem Klassiker, der seit 1983 alljährlich zur Weihnachtszeit ausgetragen wird. Stolze 46 Mannschaften sind dabei, verteilt auf vier Gruppen. In derselben Zeitschrift: ein weiteres Foto, darauf die U19-Mannschaft von Tolosa gemeinsam mit ihrem neuen Coach, Periko Alonso, der zu jener Zeit in der Nachwuchsabteilung seines Heimatvereins die ersten Schritte als Trainer macht. Im Jahr darauf wird er die zweite Mannschaft von Real Sociedad übernehmen.

In einem im Juni 2024 für The Player’s Tribune verfassten „Brief an Leverkusen“ erinnert sich Xabi Alonso an seinen Vater als Trainer:

„Über den Küchentisch verteilt lagen immer lauter Notizbücher und Bleistifte. Er kritzelte ständig an irgendwelchen Taktiken und Aufstellungen herum, während meine Mutter das Essen kochte. Er war andauernd damit beschäftigt, das nächste Spiel oder das nächste Training vorzubereiten. Damals gab es noch kein Internet, keine Laptops, keine komplizierten Statistiken, deshalb sammelte er all seine Ideen mit dem Bleistift, während meine Mutter versuchte, Teller und Gabeln auf dem Tisch zu platzieren. ‚Periko, bitte …‘Doch es war ein aussichtsloser Kampf! Nach einer Zeit akzeptierte meine Mutter es. Es blieb ihr nichts anderes übrig.“

Dabei ist Isabel durchaus selbst fußballbegeistert und begleitet Mikel und Xabi oft zu deren Spielen, auch wenn sie sich bald noch um einen dritten Sohn, Jon, kümmern muss, der die Familie Alonso Olano bereichert. Ins Atotxa zu den Partien von Real Sociedad gehen Xabi und Mikel jedoch mit dem Großvater.

Nach den Spielen macht es den Jungs Spaß, sich mit einer alten Videokamera gegenseitig zu interviewen, als wären sie schon große Fußballstars:

„Wie war das Spiel?“

„Es war ein schwieriges Spiel für uns, wir sind froh, dass wir die Punkte mitnehmen konnten.“

„Xabi, du warst heute nach Ansicht der Experten der beste Spieler auf dem Feld, wie geht es dir damit?“

„Sehr gut, ich freue mich sehr darüber, aber zuallererst möchte ich mich bei meinen Mitspielern bedanken, ohne die das nicht möglich gewesen wäre …“

Im Sommer 1990 landet Xabi um ein Haar wirklich vor einer Kamera. Julio Medem, ein Regisseur aus San Sebastián, sucht für seinen ersten Film einen sportlichen Jungen mit roten Haaren und einem typisch baskischen Gesicht. An der Strandpromenade von Ondarreta findet er ihn. Ihm ist sofort klar: Das ist der Junge, der Peru, die Hauptfigur seines Films, als Kind spielen soll. Es ist Xabi Alonso, der gerade zusammen mit seinem Bruder Mikel und einigen Freunden im Sand Fußball spielt. Der Junge passt perfekt für die Rolle. Die Leute vom Casting sehen ihn sich genau an, dann reden sie mit ihm und fragen ihn nach seiner Mutter. Isabel Alonso Olano ist gerade mit Freundinnen am Strand. Periko ist weit weg, bestimmt auf irgendeinem Fußballplatz, also muss Isabel allein entscheiden. Sie lehnt die Anfrage höflich ab. Wer weiß, vielleicht hätte der Junge mit den roten Haaren auch als Schauspieler eine gute Karriere hingelegt?