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Uralte Weisheit für das moderne Leben: Die transformierende innere Reise des indischen Mönchs zeigt, wie wir unser grenzenloses Potenzial erwecken
Er entstammt einer uralten Linie von Yogis und verbrachte die ersten 20 Jahre seines Lebens in einem Kloster im Himalaya, wo er schon als Kind in die Geheimisse des Yoga, der Meditation und der Kampfkünste eingeführt wurde: Der indische Mönch Ishan Shivanand besitzt die einzigartige Gabe, das Wissen seiner Ahnen für unser modernes Leben zugänglich zu machen.
Erstmals erzählt er seine faszinierende Lebensgeschichte und präsentiert die bahnbrechenden Praktiken seines Programms »Yoga of Immortals«, das bereits von über einer Million Menschen in 150 Ländern angewandt wird. Mit zahlreichen Übungen, wertvollen Impulsen und inspirierenden Weisheitsgeschichten weist er den Weg zu Lebensfreude und ganzheitlicher Gesundheit, mentaler Stärke und geistiger Klarheit – und lässt uns innere Potenziale entdecken, von denen wir bisher nicht zu träumen gewagt haben.
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Seitenzahl: 327
Veröffentlichungsjahr: 2025
Er entstammt einer uralten Linie von Yogis und verbrachte die ersten zwanzig Jahre seines Lebens in einem Kloster im Himalaya, wo er schon als Kind in die Geheimnisse des Yoga und der Meditation eingeführt wurde: Der indische Mönch Ishan Shivanand besitzt die einzigartige Gabe, das Wissen seiner Ahnen für unser modernes Leben zugänglich zu machen. Erstmals erzählt er seine faszinierende Lebensgeschichte und präsentiert die transformierenden Praktiken seines Programms »Yoga of Immortals«, das von über einer Million Menschen weltweit angewandt wird. Mit effektiven Übungen, wertvollen Impulsen und inspirierenden Weisheitsgeschichten deutet er den Weg zu Lebensfreude und ganzheitlicher Gesundheit, mentaler Stärke und geistiger Klarheit – und lässt dich innere Potenziale entdecken, die du bisher nicht für möglich gehalten hast.
»Wenn ich von ›Unsterblichkeit‹ spreche, dann meine ich damit keinen geheimnisvollen Zustand. Ich spreche von einer Haltung. Von einer Praxis. Von einem Erwachen. Es geht nicht darum, mehr Zeit zu haben, sondern unser Verhältnis zur Zeit, die uns geschenkt wurde, grundlegend zu verändern.« Ishan Shivanand
Ishan Shivanand, aufgewachsen in einem Kloster im Himalaya, ist Mönch und international bekannter Experte für Meditation, Yoga und Mental Health. Sein Programm »Yoga of Immortals« (YOI) wird bereits von über einer Million Menschen in 150 Ländern praktiziert. Es basiert auf der uralten Weisheit und Heilkunde Indiens und verbindet Atemarbeit, Yogatechniken sowie kognitive und emotionale Stimulation. Ishan Shivanand lebt in Kalifornien, wo er seiner Berufung folgt, das authentische Yogawissen seiner Ahnen für das moderne Leben anwendbar zu machen und weiterzutragen.
Ishan Shivanand
Entdecke dein grenzenloses Potenzial für Gesundheit, wahres Glück und Erfüllung
Die zeitlose Weisheit eines Mönchs aus dem Himalaya
Übersetzung aus dem Englischen von Sabine Zürn
Die englische Ausgabe erschien 2025 unter dem Titel The Practice of Immortality bei Balance, einem Verlag der Perseus Books LLC, Hachette Book Group, USA.
Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
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Copyright © 2025 by Ishan Shivanand
This edition published by arrangement with Balance, an imprint of Perseus Books LLC, a subsidiary of Hachette Book Group, Inc., New York, USA. All rights reserved.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2025 by Lotos Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)
Alle Rechte sind vorbehalten.
Redaktion: Constanze Lüdicke
Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München, unter Verwendung von Motiven von © Dmytro Synelnychenko / iStock / Getty Images Plus, © dibrova / iStock / Getty Images Plus, © Gyzele / iStock / Getty Images Plus, © Ganna Galata / iStock / Getty Images Plus und © AnnaFrajtova / iStock / Getty Images Plus
Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg
ISBN 978-3-641-32032-4V001
www.ansata-integral-lotos.de
Dieses Buch ist dem göttlichen Funken in jedem Menschen gewidmet, den Gurus vor meiner Zeit, die diese Göttlichkeit in den Menschen erweckt haben, und allen, die diese Göttlichkeit in sich selbst suchen
Für die Seele gibt es zu keiner Zeit Geburt oder Tod. Sie ist nicht entstanden, sie entsteht nicht, und sie wird nie entstehen. Sie ist ungeboren, ewig, immerwährend und urerst. Sie wird nicht getötet, wenn der Körper getötet wird.
(aus: Bhagavad Gita, 2. Kapitel, Vers 20, Übersetzung von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada, 1972)
Einleitung
Teil Eins Das Paradies verlassen
Kapitel 1 Dem Pfad der Einheit folgen
Kapitel 2 Die Jagd nach dem Nektar der Unsterblichkeit
Kapitel 3 Lernen, die Zeit zu meistern
Kapitel 4 Sich mit dem unsterblichen Selbst verbinden
Kapitel 5 Aus Zerstörung entsteht Neues
Teil Zwei Den Geist meistern
Kapitel 6 Zwei kämpfende Wölfe
Kapitel 7 Wenn wir unsere göttliche Natur vergessen
Kapitel 8 Entzünde mein Licht mit deiner Kerze
Kapitel 9 Auf dem Weg zum Übermenschen
Kapitel 10 Der Luftballon an deinem Zeh
Kapitel 11 Das Gift des Egos
Teil Drei Den Körper meistern
Kapitel 12 Die Kraft des Prana
Kapitel 13 Die ersten Schritte zur Unsterblichkeit
Kapitel 14 Die Fesseln des Geistes abstreifen
Kapitel 15 Halt im Chaos finden
Kapitel 16 Zwei Vögel auf einem Baum
Kapitel 17 Verliebt in Shiva
Kapitel 18 Auf der Jagd nach dem Konzept der Spiritualität
Teil Vier Die Seele meistern
Kapitel 19 Der dunkle Passagier
Kapitel 20 Zurück zum Anfang
Kapitel 21 Yoga ist gelebte Freiheit
Kapitel 22 Der Tanz der Unsterblichkeit
Das unsterbliche Selbst
Glossar
Dank
Über Shiv Yog und das Yoga der Unsterblichkeit
Zwei Vögel, unzertrennliche Gefährten, sitzen nebeneinander auf einem Baum. Der eine pickt an den Früchten des Baumes, der andere beobachtet ihn still. Der erste Vogel steht für unser endliches Selbst, das sich an den Freuden und Leiden unseres Handelns nährt und Ängste, Stress und die Überforderung dieses Lebens in sich aufnimmt. Der zweite Vogel ist unser unsterbliches Selbst, unser unendliches Selbst: ein stiller und gelassener Beobachter.
Dieses Buch erzählt von meiner Reise und wie ich mich allmählich vom ersten Vogel, gefangen im Chaos, zum zweiten Vogel entwickelte, zu meinem unsterblichen Selbst. Doch es handelt auch von dir und wie du diese zweite, unsterbliche Version deines Selbst entdecken kannst.
Die Wahrheit ist einfach: Wir sind keine endlichen Wesen, wie unser begrenztes Denken uns glauben machen will. In jedem von uns liegt die Fähigkeit, Gesundheit, Erfolg, Glück und Positivität nicht nur zu genießen, sondern sie auch aktiv zu erschaffen, und die Zeit, die uns dafür gegeben ist, ins Unendliche auszudehnen, zu gestalten und voll auszuschöpfen. Doch wir nutzen dieses Potenzial viel zu wenig.
Die Grenzen des Geistes tarnen sich bei den meisten als Bequemlichkeit oder übertriebene Rastlosigkeit. Heutzutage sind wir nur eine Google-Suche von der Antwort auf die Frage entfernt, was wir denken, sagen oder tun sollen. Wir suchen ständig äußere Reize: Essen, Alkohol, Drogen, Sex, soziale Medien. Und so treiben wir im endlosen Dämmerschlaf dahin, bis eines Tages der Ruf ertönt: Wach auf!
Ich bin in der Tradition des Shivaismus (auch Shaivismus) aufgewachsen, in der Shiva verehrt wird – eine der großen hinduistischen Gottheiten, die viele Namen trägt: Shambho (»der Gütige«), Mahesha (»großer Herr«), Mahadeva (»der große Gott«). Wir Shaiviten streben danach, mit Shiva zu verschmelzen, eins mit ihm zu werden. In dieser Tradition ist das Göttliche nicht von uns getrennt, sondern Teil von uns. Das Universum ist in uns. Alle Menschen besitzen bereits Unsterblichkeit – die meisten wissen es nur nicht. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, sie aus ihrem Schlaf zu wecken.
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Ich wurde in eine alte Yogi-Familie hineingeboren und verbrachte die ersten zwanzig Jahre meines Lebens in einem Kloster, in einem Ashram. Dort praktizierten wir jeden Tag die alten Yogatechniken, um einen klaren, gesunden Geist und eine Seele zu entwickeln. In diesem Ashram gab es keine Uhren, keine Sekunden, Stunden, Tage oder Monate, nur die Jahreszeiten. Wenn der kalte Wind wehte, wussten wir: Der Winter ist da. Und wenn wir die Vögel beim Nestbau beobachteten, war Frühling. Wir orientierten uns an unseren Sinnen.
Alle im Kloster kannten Mahasiddha, jenen Zustand der Einheit, in dem große Stille und wunderbare Ruhe herrscht. Die wenigen Auserwählten, die diesen Zustand erreichten und sich selbst Mahasiddhas nannten, hatten den Prozess gemeistert und sich selbst überwunden. Sie waren vollkommen, denn ihr sterbliches Selbst war vollständig mit ihrem unsterblichen Selbst verschmolzen. Sie mussten nicht mehr länger über die Vergangenheit nachgrübeln oder sich um die Zukunft sorgen. Die Zeit hat keine Macht über die Mahasiddhas. Und das lag nicht daran, dass sie auf magische Weise das Verstreichen der Sekunden aufgehalten hätten, sondern daran, dass sie ein Geheimnis kannten: Die Angst, dass die Zeit zu schnell vergeht, oder der Druck, den wir wegen einer Frist verspüren, hat nichts mit der Zeit an sich zu tun. Dafür ist allein unser Geist verantwortlich.
Die Mönche des Klosters hatten keine Angst vor Krankheit, Tod oder sonst irgendetwas. Sie fühlten sich mit allem verbunden, denn sie waren aus derselben Energie wie die Bäume, die Berge und die Seen. Ihre Tage waren genauso lang wie die aller anderen, doch sie hatten unendlich viel Zeit.
Meine eigentliche spirituelle Reise begann erst, nachdem ich den Ashram verlassen hatte. Erst da verstand ich die wahre Bedeutung eines Vergleichs, den mir mein Guru mitgegeben hatte. Er sagte, dass Glas entweder ein Spiegel oder ein Fenster sein kann. Schaust du in einen Spiegel, siehst du nur dein eigenes Spiegelbild. Siehst du aber durch ein Fenster, erkennst du die Schönheit und Unendlichkeit des Universums um dich herum. Ein Spiegel ist auf einer Seite schwarz, ein Fenster dagegen ist »rein« und durchsichtig. Willst du aus einem Spiegel ein klares Glas machen, musst du ihn reinigen und die schwarze Schicht entfernen.
Nach meiner Zeit im Ashram durchlief ich diesen Reinigungsprozess. Als ich dann nach innen blickte, konnte ich den zweiten Vogel erkennen. Mein unsterbliches Selbst.
Als ich in die Welt hinausging, erkannte ich, wie viele Menschen Hilfe brauchen. Ich sah Studierende, die unvorbereitet in eine harte und chaotische Welt gingen. Ich sah Ärzte, die unter der Last der emotionalen Bedürfnisse ihrer Patienten ausbrannten. Ich sah Veteranen, die unter ihren belastenden Kriegserfahrungen zusammenbrachen. Unzählige Menschen litten unter den Folgen von Selbstverletzung, Selbstzerstörung, Ängsten, Depressionen, Schlaflosigkeit und Hilflosigkeit. Ich wünschte mir damals, sie hätten Zugang zu den Praktiken, die mir selbst zu so viel innerer Stärke verholfen hatten.
Heute reise ich um die Welt und erfülle meine Mission als Gründer des Yoga of Immortals – auf Deutsch: Yoga der Unsterblichkeit. Das Programm umfasst intensive und beruhigende Atemübungen (Pranayama), Bewusstseinsarbeit, Achtsamkeitsübungen sowie Methoden zur Lenkung des Energieflusses, die auf der Weisheit der einundzwanzig Generationen innerhalb meiner spirituellen Linie beruhen. Die Übungen im Kloster waren oft unpräzise, unsystematisch oder wurden nicht gründlich erklärt. Meine Lebensaufgabe besteht darin, sie so aufzubereiten, dass alle Menschen überall auf der Erde sie erlernen und anwenden können.
So alt diese Lehren auch sind – sie haben nichts von ihrer Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Sie sind heute vielleicht sogar relevanter denn je. Wir wissen, dass wir eins mit der Natur sind. Aber wenn wir unsere Lebensgrundlage zerstören, zerstören wir uns selbst. Auch wenn wir glauben, mithilfe der modernen Technik alle Probleme der Menschheit lösen zu können – früher oder später holt uns die Realität ein. Dieser Moment des Erwachens aus unseren Illusionen ist der Beginn für unsere Reise nach innen, so wie ich sie hier beschreibe – eine Reise vom ersten Vogel zum zweiten, hin zu unserem unsterblichen Selbst.
Der Name meines Programms enthält zwar das Wort Yoga, aber es ist nicht das Yoga, das du vielleicht aus dem Fitnessstudio kennst. Ein weiser Guru hat einmal über diese Variante gesagt, sie sei »eine Praxis für Herz und Seele, reduziert auf das Gesäß«.
Die yogischen und meditativen Techniken meiner Tradition gehen weit darüber hinaus, denn sie umfassen alle Aspekte des Yoga: die körperlichen, emotionalen, kognitiven und zwischenmenschlichen Dimensionen. Was ich vermittle, ist therapeutisches Yoga – eine Lebenspraxis und keine Methode, um deine Körperhaltung und deine Beweglichkeit zu verbessern. Viele westliche Lehrende konzentrieren sich auf den ersten Vogel und versuchen, ihn zu beruhigen, anstatt sich mit dem zweiten Vogel auf dem höchsten Ast zu vereinen. Durch genau diese Vereinigung können wunderbare Dinge passieren.
Wenn ich von »Unsterblichkeit« spreche, dann meine ich damit keinen geheimnisumwitterten Zustand. Ich spreche von einer Haltung. Von einer Praxis. Von einem Erwachen. Es geht nicht darum, mehr Zeit zu haben, sondern unser Verhältnis zur Zeit, die uns geschenkt wurde, zu verändern. Und genau das möchte ich dir in diesem Buch nahebringen.
Vielleicht kommen dir diese Gedanken zunächst mystisch oder abstrakt vor, aber die Botschaft dahinter ist uns vertraut: Die Idee, ganz im gegenwärtigen Moment zu sein, bildet den Kern nahezu aller moderner Achtsamkeitsübungen. Nur wenn wir ganz im gegenwärtigen Moment leben, können wir alle Ängste in Bezug auf die Vergangenheit und die Zukunft loslassen. Wir werden gelassener und erkennen klarer, was vor uns liegt. So kommen wir dem Ziel näher, ein Mahasiddha zu sein.
Natürlich kann ich dir nicht versprechen, dass du durch dieses Buch wirklich ein Mahasiddha wirst. Selbst Mönche arbeiten oft jahre- oder jahrzehntelang auf dieses Ziel hin, und nur wenige erreichen es. Aber eines kann ich dir versichern: Die Techniken, die ich in diesem Buch mit dir teile, werden deine Beziehung zur Zeit grundlegend verändern.
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Obwohl ich der Sohn eines bekannten Gurus und spirituellen Führers bin, hatte ich am Beginn meiner Reise weder mehr Wissen noch mehr spirituelle Reife als irgendein anderer Mensch. Meine persönliche Entwicklung begann mit vielen traditionellen Lehren, um Körper und Geist durch Yoga, Meditation, Kampfkunst, Geschichtenerzählen und Kräutermedizin zu stärken. Aber einige der wichtigsten Lektionen meines Lebens habe ich auf ganze andere Weise gelernt.
Meine Lebensumstände und mein Ego zwangen mich dazu, eine innere Pilgerreise anzutreten, auf der Suche nach dem Nektar der Unsterblichkeit, dem Unsterblichkeit spendenden Trank der Götter, der in meiner Seele verborgen lag. Eine Reise, auf die sich letztlich jeder Mensch früher oder später begeben muss. Mit der richtigen Anleitung ist sie allen möglich.
In diesem Buch vermittele ich meine Lehren anhand meines eigenen Weges, ausgehend vom Leben im Ashram hinaus in die Welt. Diese transformierende Reise inspirierte mich dazu, die Weisheit meiner spirituellen Linie mit einer Welt zu teilen, die unter den Folgen von Angst, Furcht, Konkurrenzdenken und Wut leidet. Gleichzeitig ist das Buch ein Wegweiser zur Unsterblichkeit – allerdings nicht in dem Sinne, wie viele sich Unsterblichkeit vorstellen.
In der östlichen Meditationslehre gilt der Scheitel als Sitz von Shiva, das untere Ende der Wirbelsäule als Sitz von Shakti. Zwischen diesen beiden Polen – Shiva und Shakti – liegt das gesamte Universum. Ich bin – wie jeder Mensch – aus diesem Universum hervorgegangen und trage es – wie jeder Mensch – in mir.
Betrachte dieses Buch als Entstehungsgeschichte: Es erzählt nicht nur von meiner eigenen Entwicklung vom Mönch zum Lehrer, der heute Millionen von Menschen seine Lehre vermittelt, sondern auch von der Entstehung des Programms, das ich auf der Grundlage seit Urzeiten tradierter vedischer Weisheiten entwickelt habe. Auch wenn es auf jahrtausendealten Praktiken beruht, lässt es sich durch moderne Forschung wissenschaftlich untermauern.
Als Oberhaupt der Shiv-Yog-Linie unterrichte ich seit 2008 Millionen von Menschen auf der ganzen Welt. Lehrende lernen stets auch von ihren Schülern, und so hat auch mir der ständige Austausch mit Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religion und Geschlechts ermöglicht, Jahr für Jahr etwas Neues zu lernen und zu wachsen. In meinen wissenschaftlichen Untersuchungen konnte ich durch quantitative Studien belegen, dass Shiv Yog dabei hilft, Angstzustände, Schlaflosigkeit und Depressionen spürbar zu lindern.
Dieses Buch gibt dir alle Werkzeuge an die Hand, die du brauchst, um deine Praxis zu beginnen und dich auf deine persönliche Reise zu begeben. Du wirst von den Lehren profitieren, die meine Vorfahren seit Jahrtausenden praktizieren. Du kannst sie auf dein heutiges Leben anwenden, um Herausforderungen wie Stress, Angst, Wut oder Trauer zu bewältigen.
In meiner Kultur haben Geschichten große Kraft, denn sie dienen dazu, die Lehren von Generation zu Generation weiterzugeben. In der Bhagavad Gita, einem der heiligen Texte des Hinduismus, wird das Gespräch zwischen Krishna, dem Herrn des Universums, und dem Krieger Arjuna erzählt. In ähnlicher Weise verknüpfe ich die Lehren dieses Buches mit den Geschichten meiner Kindheit. Jedes Kapitel beginnt mit einem Sutra, was wörtlich übersetzt »Faden« heißt. So wie man für eine Blumengirlande einen Faden benötigt, um die Blüten zusammenzubinden, halten die Sutras in diesem Buch die universellen Wahrheiten der einzelnen Kapitel zusammen.
Am Ende jedes Kapitels findest du unter der Überschrift Samadhi eine Meditationsübung. Dieses Sanskritwort steht in vielen spirituellen Traditionen für meditative Versenkung, in der der Mensch eins mit dem Universum wird. Samadhi ist nicht nur eine Praxis, sondern schafft ein Gefühl von Glückseligkeit. Diese innere, angeborene Freude ist einfach da, egal was im Außen geschieht. Gefühle wie Trauer, Angst, Schuldgefühle, Enttäuschung, Sorge, Wut, Verzweiflung oder Verwirrung haben darin keinen Platz. Wir alle dürfen diese Glückseligkeit erfahren, ganz gleich, welchem Geschlecht wir uns zugehörig fühlen, wie alt wir sind, welchem Glauben wir anhängen oder welche Hautfarbe wir haben.
Die Samadhi-Übungen sind eine Einladung, die Inhalte der einzelnen Kapitel selbst zu erfahren. Das Kapitel ist wie der Baum, das Sutra sein Same und die Übung seine Frucht. Diese Frucht kann dir tiefe Glückseligkeit schenken, wenn du dich in sie versenkst, darüber meditierst und daraus lernst.
Aus dem Zusammenspiel dieser drei Elemente – dem Kontemplieren über die Sutras, dem Eintauchen in die Geschichten und dem Praktizieren der Meditationen – entsteht ein natürlicher Rhythmus, so wie es in der Musik ein Wechselspiel von Klang und Stille gibt. Nur wenn Töne und Pausen miteinander harmonieren, entsteht eine Melodie. Ein anhaltender Ton ohne Pause ist keine Musik, sondern Lärm.
Unser heutiges Leben erinnert mehr an Lärm als an Musik, weil wir verlernt haben innezuhalten. In diesem Buch ist die Geschichte der Klang, die Meditation die Pause. Und in dieser Pause liegt der Zugang zu deinem unsterblichen Selbst.
Deshalb lade ich dich ein, zunächst ein Kapitel zu lesen, dann nachzuspüren, was die Geschichte in dir auslöst, und anschließend durch die Meditation innezuhalten, bevor du weiterliest. Auf diese Weise erschaffen wir gemeinsam eine Sinfonie.
Es gibt viele Wege, um in dich zu gehen, innere Harmonie zu finden und emotionalen Ballast loszulassen. Ich wünsche mir, dass dieses Buch dir einen solchen Weg eröffnet, damit du dich mit deinem unsterblichen Selbst verbinden und die Kraft nutzen kannst, die bereits in dir ist.
Rajasthan
Dem Pfad der Einheit folgen
Lenke deine Meditation auf dein Selbst, versenke dich in dein Inneres. Denn das Göttliche, das du suchst, wohnt in dir – als du selbst.
In den dunklen Höhenzügen des Aravalli-Gebirges im Nordwesten Indiens, einer der ältesten Gebirgsketten der Welt, liegen riesige Granitfelsen verstreut über das weite Land. Keiner der Felsen ist irgendwie besonders.
Eines Tages kommt ein Mann, betrachtet einen der Felsen – und lächelt. Dieser Mann ist ein Künstler, und er empfindet Mitgefühl für den Stein. Er möchte etwas Besonderes aus ihm machen, greift zu seinem Werkzeug und beginnt, ihn mit dem Meißel zu bearbeiten. Unter der glühenden Sonne hämmert er unermüdlich, und es scheint, als würde der Felsen unter den Schlägen zerbersten. Doch mit geübtem Blick erkennt der Künstler, wie sich der Felsen verändert – er wird zu etwas anderem. Durch diese Verwandlung gewinnt er an Bedeutung. Nun hebt sich dieser Felsen von allen anderen ab. Er ist schön. Er erzählt eine Geschichte. Sein Schöpfer tritt zurück und betrachtet sein Werk – eine majestätische Form mit klar definierten Merkmalen, in der jede Linie, jede Rundung eine tiefere Bedeutung hat. Und der Schöpfer lächelt und geht.
Jetzt ist der Felsen etwas Besonderes. Er ist zu einem Kunstwerk geworden. Er ragt heraus und wird allen, die an ihm vorbeikommen, Inspiration schenken. Er verleiht der Landschaft Schönheit. Er hat einen Sinn erhalten.
Als Kind hörte ich, dass jedes Neugeborene wie ein unbearbeiteter, roher Stein ist. Wenn das Kind Glück hat, begegnet es einem erleuchteten Meister, der die Schönheit in ihm erkennt. Er nimmt sich die Zeit, das Kind zu formen, es zu gestalten und ihm eine Bestimmung zu geben. Das Kind wird von der Weisheit des Meisters geformt. Je bedeutender der Meister ist, desto besser beherrscht er seine Kunst. Denn dies ist nicht der erste Stein, den er bearbeitet. Der Meister ist wahrscheinlich so alt wie das Aravalli-Gebirge – es gab schon viele Steine vor diesem, und es werden noch viele weitere folgen.
Doch wenn ein Kind kein Glück hat, begegnet ihm auf seinem Lebensweg kein Meister. Stattdessen schlagen traumatische und negative Erfahrungen wie Hämmer und Meißel wahllos von allen Seiten auf es ein. Sie hinterlassen überall Spuren, erschaffen aber keine Struktur, keinen Plan, keinen Fokus. Natürlich kann es sein, dass aus einem dieser zufälligen Hiebe, aus diesem Chaos, ein Meisterwerk entsteht. Aber die Chance, dass dies geschieht, liegt bei eins zu einer Milliarde. Das passiert also nicht jedem. Meist entsteht kein Kunstwerk – was bleibt, ist Staub.
Als ein Abkömmling des Klosters gehörte ich zu denen, die Glück gehabt hatten. Als ein Stück roher Stein war ich umgeben von alten Meistern: große Mönche, jeder von ihnen ein Meister seiner Kunst, fähig, ein Meisterwerk zu schaffen. Seit ich denken kann, haben Hammer und Meißel nach ihrem großartigen Plan ihre Magie in meinem Geist, meinem Körper und meiner Seele entfaltet.
Ich erinnere mich an eine schöne Nacht, am Himmel unzählige Sterne. Ich lebte in der Wüste, und nachts schliefen wir unter freiem Himmel. Ich konnte die großen Sternbilder erkennen und sah Dutzende von Sternschnuppen, die leuchtende Spuren am Nachthimmel zogen. In diesem Moment erahnte ich die grenzenlose Weite des Universums. In der Morgendämmerung zeichnete sich die Silhouette des Aravalli-Gebirges ab. An seinen Ausläufern entdeckte ich Männer und Kinder mit ihren Kamelkarawanen. Das Läuten der Glöckchen vermischte sich mit den spirituellen Gesängen um mich herum. Die Künstler, die Mönche, rezitierten die Hymnen der Veden in einer Sprache, die so alt ist wie die Zeit: die Sprache der heiligen Schriften göttlichen Ursprungs. Es heißt, sie seien die himmlischen Klänge des Universums, das ewige Wissen, das sich nur in vollkommener Stille offenbart.
Der Überlieferung nach wurden die Veden über Jahrtausende hinweg als reine Energie vom Meister an den Schüler weitergegeben, sobald Letzterer zur Vollkommenheit und Erleuchtung »gemeißelt« worden war. Erst mit dem Aufkommen von Schrift und Papier wurden die Veden niedergeschrieben und konnten somit gelesen, auswendig gelernt und gelehrt werden.
Ich liebte diese Klänge einfach. Ich bebte innerlich, wenn ich sie hörte. Es war, als würde ich träumen oder in einem Zustand tiefer Hypnose schweben. Das Summen dieser heiligen Mantras erfüllte mich, als wäre ich selbst eine Biene.
Als ich aufstand, betrachtete ich die Abdrücke meiner kleinen Füße im Sand. Das ist das Schöne am Leben in der Wüste: Man kann die Fußspuren der anderen sehen. Bevor der Wind sie verweht, weiß man für einen kurzen Moment, wer wohin gegangen ist und woher er kam. Summend lief ich umher und suchte den größten und tiefsten Fußabdruck, den meines Gurus, meines Lehrers. Er war ein stattlicher Mann mit einem dichten schwarzen Bart. Seine Augen leuchteten wie helles Sonnenlicht. Dieser Guru hatte mich ins Kloster aufgenommen. Er war mein spiritueller Führer – und mein Vater.
Ich nannte ihn Babaji (deutsch: Vater), eine liebevolle und zugleich respektvolle Anrede. Babaji lebte in einer kleinen Hütte, dahinter ein riesiger Felsen, auf dem er häufig meditierte. Ich wusste zwar immer, wo er sich befand, aber ich liebte es, seinen Spuren zu folgen. Auch seine beiden großen, stets wachsamen Hunde waren ein untrügliches Zeichen dafür, wo er sich aufhielt, denn sie wichen ihm nicht von der Seite. Der eine hieß Tufan, ein Wort aus dem Sanskrit, das »Sturm« bedeutet, der andere hieß Shanti, »Frieden«. Sie beobachteten mich schon von Weitem, wenn ich durch den Sand näher kam. Dann erhoben sie sich, als wollten sie mich ehrfürchtig begrüßen. Ich ging hinter die Hütte, wo mein Lehrer meditierte.
Eines Tages sagte Babaji zu mir: »Setz dich zu mir, Ishan. Ich möchte dir deine erste Lektion erteilen.« Es war der Moment des ersten Hammerschlags. Damals ahnte ich nicht, dass ich danach für immer ein anderer sein würde. Das ist die Unwissenheit des Felsens – und die Bedeutung des ersten Hammerschlags.
Er bat mich, die Augen zu schließen und zu spüren, was mich umgab: die Sonne, den Himmel, die Erde, den Sand, den Wind.
»Was spürst du?«, fragte er mich.
»Ich habe Hunger.«
Ich hörte ihn lachen, wagte aber nicht, die Augen zu öffnen. Jedes Kind im Kloster lernt als Erstes Disziplin, und das Wort des Gurus war Gesetz. Wenn er mir sagte, ich solle die Augen schließen, war das ein Befehl, den ich zu befolgen hatte.
»Mein Sohn«, sagte er, »die Menschen glauben, Gott sei der Schöpfer und sie sein Werk. Aber das ist der Pfad der Dualität. Der Pfad der Trennung. Mein lieber Sohn, Gott ist der kosmische Tänzer, du bist der Tanz – und das ist der Pfad der Einheit. Ich möchte, dass du dich hinsetzt und spürst, dass du eins bist mit dem Universum. Spüre jedes deiner Atome. Die Bewegung in jedem Atom ist der Tanz des Lebens. Solange Gott tanzt, lebst du. Und wenn er aufhört, hörst auch du auf. Wenn du mit diesem Konzept der Nichtdualität – Advaita – eins wirst, beginnt dein Bewusstsein, sich auf eine höhere Ebene hin zu entwickeln.«
Dann wies er mich an, mich auf meinen Atem zu konzentrieren. »Achte beim Einatmen auf deinen Körper. Atme nun aus und bring diese Wahrnehmung in dein Bewusstsein. Atme wieder ein, gehe tiefer, spüre deine Organe. Bring diese Wahrnehmung beim Ausatmen aus deinem Unterbewusstsein in dein Bewusstsein. Atme wieder ein, gehe noch tiefer und versuche, die kleinsten Teile deines Seins zu spüren – die Atome. Tauche so tief wie möglich ein und bringe das, was du dort wahrnimmst, nach oben. Atme noch tiefer und versuche, die Atome zu erkennen. Sie tanzen wie Sandkörner im Wind.«
In meiner kindlichen Vorstellung sah ich die Atome wie in einem Sandsturm in mir herumwirbeln.
»Dies ist Shivas Tanz«, sagte Babaji. Shiva ist eine unserer höchsten Gottheiten. »Meditiere eine Weile darüber und verinnerliche, dass du eins mit dem Tänzer bist. Spüre deinen Körper. Dann atme ein und aus und kehre mit deiner Wahrnehmung von den Atomen zurück an die Oberfläche.«
Mein Vater hatte eine kräftige Stimme, einen dröhnenden Bass. Jedes seiner Worte war für mich wie Musik. Ich bin sicher, dass sich auch Vögel unterhalten, aber für unsere Ohren klingt es wie Gesang. So klang auch die Stimme meines Vaters, wenn er mir Anweisungen gab, während ich bei ihm saß. Ich konnte seine Musik hören.
Damals wusste ich es noch nicht, aber Babaji führte mich in eine der grundlegenden Techniken des Samadhi ein, die es mir ermöglichte, mich mit dem Universum zu verbinden.
So verliefen meine Tage als »Klosterkind«. Aus der frühesten Zeit erinnere ich mich an die vielen Mönche jeder Statur, die zusammensaßen und miteinander aßen. Woher sie kamen, weiß ich nicht mehr. Einige von ihnen blieben im Kloster; andere kamen und gingen wieder. Wir wurden angehalten, uns zu den durchreisenden Mönchen zu setzen und ihnen zuzuhören. Im Kloster praktizierten wir Satsang, was wörtlich »gute Gemeinschaft« bedeutet. Dabei handelte es sich um spirituelle Zusammenkünfte mit Gesängen, Lesungen und Diskursen.
So wie ein Gegenstand nach der Vorstellung der Mönche in Ruhe verharrt, bis eine äußere Kraft ihn bewegt, so entzündet Wissen den Funken der Erkenntnis – und der Mensch beginnt, über sich selbst hinauszuwachsen. Im Satsang erlangen die Mönche Inspiration und neues Wissen. Denn der Mensch strebt nur nach dem, was er kennt. Alles andere bleibt im Dunkel seliger Unwissenheit. Oder, um es mit einem indischen Sprichwort zu sagen: »Ein Affe weiß nicht, wie Ingwer schmeckt, also sucht er auch nicht danach.« Ein Beispiel: Der Everest blieb über Jahrtausende hinweg unberührt. Niemand dachte daran, den Berg zu besteigen, bis Tenzing Norgay und Edmund Hillary es taten. Und plötzlich, als sie davon hörten, wollten alle hinauf. Nur im Austausch mit anderen entdecken wir Neues und können uns weiterentwickeln.
Während des Satsang lasen wir und hörten den Mönchen zu, die uns von ihren großen Reisen und Unternehmungen erzählten. Um mich herum strahlten die Gesichter der anderen jungen Schüler. Sie waren fasziniert und voller Tatendrang. Ich sah, wie gespannt sie den Geschichten der großen Mönche lauschten – wie sie in ihrer Fantasie mit in den tiefsten Dschungel gingen, wo sie unter den ältesten Bäumen meditierten und das göttlichste Licht empfingen. Auch ich war fasziniert, aber ich fühlte mich nicht inspiriert. Ich hörte von Mönchen, die Reichtümer und Königreiche hinter sich gelassen hatten, um unsterblich zu werden – mit einem alterslosen Körper, unendlicher Weisheit und unzähligen Lebensjahren. Teilnahmslos saß ich in meinem Dhoti – einem Tuch, das man um die Hüften gewickelt trägt – dabei, siebte mit den Fingern den Sand, den Kopf von Tufan, dem Hund meines Vaters, im Schoß. Ich fragte mich: Was hat das Schicksal mit mir vor? Was könnte wohl mein Ziel sein?
In solchen Momenten versuchte ich, mithilfe der Meditation meines Vaters tief in mich hineinzuspüren. Ich beobachtete die Antwort in mir und atmete aus, um diese Wahrnehmung in mein gegenwärtiges Sein zu bringen. Es schien einfach, aber gerade deshalb gelang es mir nicht, die Bedeutung dieser Wahrnehmung ernst zu nehmen. Mir fehlte sicherlich der innere Antrieb der großen Mönche auf ihrem spirituellen Weg. Die Meditation tat mir gut, aber ich fühlte mich, als stünde ich vor einer verschlossenen Tür, durch deren Schlüsselloch ich nur einen flüchtigen Blick auf etwas unermesslich Schönes werfen durfte.
Mein tiefstes Satsang-Erlebnis hatte ich nicht mit Menschen, sondern mit Tieren. Ich vergleiche mein Leben unter Mönchen mit dem eines Hasen, der zu begreifen versucht, warum Vögel fliegen können. Er bewundert sie, aber ihre Welt bleibt ihm verschlossen. Meine wahren Freunde waren die Tiere. In dieser Wüstenlandschaft gab es keine Zäune, Hunde und Kühe liefen frei herum, oft verletzt und notleidend. Ich liebte es, Tiere zu retten. Wenn ich ein verletztes Tier fand, versorgte ich es. Einmal fand ich einen verletzten Welpen, den ich aufpäppelte. Er war sehr lieb, gab aber seltsame Laute von sich und hatte ungewöhnlich große Pfoten.
Einmal kam ein Besucher ins Kloster und sah mich mit meinem Welpen. »He!«, rief er. »Was macht der Junge mit einer Hyäne?« Für mich war der Kleine ein Lebewesen wie jedes andere. Ich spürte seinen Hunger, seine Einsamkeit und seine Angst und konnte sie lindern. In solchen Momenten verflüchtigte sich mein Gefühl, blockiert zu sein, und ich konnte einen Hauch meiner Bestimmung erahnen.
Eines Tages, mitten in der Wüste, wo man außer Karawanen nichts sieht und nur Sonne und Sterne für Helligkeit sorgen, sah ich in der Ferne eine Staubwolke mit zwei hellen Lichtern auf mich zukommen. Das erste Auto meines Lebens! Ich war fasziniert, ging darauf zu und wurde in diesem Moment inspiriert. Das Schicksal klopfte an meine Tür.
Samadhi Meditationsübung
Suche dir einen ruhigen Ort, setze dich bequem und aufrecht hin, mit geradem Rücken und Nacken, und schließe die Augen.
Verweile in der Stille.
Bleibe so lange in dieser Haltung, wie es dir angenehm ist.
Die Jagd nach dem Nektar der Unsterblichkeit
Die verschiedenen Phasen des Yoga versetzen uns in Staunen.
Bis zu diesem Zeitpunkt endete meine Welt am Aravalli-Gebirge, das ich vom Kloster aus sehen konnte. Ich kannte nichts, das weiter entfernt, größer oder mächtiger war. Doch jetzt näherte sich ein Auto.
Aufregung machte sich in unserer Gemeinschaft breit. Wer konnte das sein? Und wohin fuhr der Wagen? Die Lichter kamen ganz langsam näher. Offensichtlich war der Wagen auf dem Weg zu unserem Kloster, wer auch immer darin saß.
Ein Auto war an sich schon eine Seltenheit, doch dann stiegen zwei Frauen aus, beide mit blonden Haaren, blauen Augen und heller Haut. Ich hatte noch nie Menschen aus einem anderen Kulturkreis gesehen und war fasziniert. Die eine Frau war älter, um die sechzig, und stellte sich als Suzie vor. Die Jüngere war etwa Mitte fünfzig und hieß Barbara. Sie waren elegant und auffällig gekleidet, denn sie trugen Hemden und Hosen, wie ich sie noch nie bei einer Frau gesehen hatte. Meine Mutter und meine Schwester lebten in der Stadt und besuchten uns ab und zu – das war für die Frau und die Familie eines Mönchs wie mein Vater üblich –, aber im Kloster lebten hauptsächlich Männer und Jungen. Bis dahin hatte ich nur wenige Frauen gesehen, geschweige denn solche wie Suzie und Barbara.
Die beiden Frauen waren genauso neugierig auf uns wie wir auf sie. Sie kamen mir vor wie Entdeckerinnen, die in der rauen Natur der Antarktis angekommen waren und zum ersten Mal Pinguine sahen. Ich näherte mich ihnen, um mit ihnen zu sprechen, und sie erklärten mir, dass sie aus einem weit entfernten Land namens Amerika kämen. Sie sprachen mit mir in einfachem Englisch, und ich verstand sie, weil ich Englisch aus den Büchern und Comics gelernt hatte, die jemand dem Kloster geschenkt hatte. Die beiden Frauen machten einen sehr freundlichen Eindruck. Eine von ihnen reichte mir ein Snickers. So etwas hatte ich auch noch nie gesehen. Ich riss die Verpackung auf und biss in den Schokoriegel – er schmeckte einfach himmlisch. Ich war auf der Stelle süchtig nach der Schokolade und diesen göttlichen Wesen, die sie mir geschenkt hatten.
Während ich diesen köstlichen Geschmack noch auf der Zunge hatte, erzählten mir Suzie und Barbara eine Geschichte aus meiner Heimat. »In Indien gibt es eine alte Legende von zwei Prinzen aus Sri Lanka«, begann Suzie. »Als sie gegen den zehnköpfigen Dämon Ravana kämpften, wurde einer der beiden so schwer verletzt, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing. Die Ärzte waren ratlos. ›Nur eine bestimmte Heilpflanze aus dem Himalaja kann ihn retten‹, sagten sie. ›Aber wir haben nur zwölf Stunden, um sie zu finden. Sonst ist es zu spät.‹« Mit weit aufgerissenen Augen hörte ich gebannt zu und konnte vor Aufregung kaum still sitzen.
»Nun, der Himalaja liegt weit, weit weg von Sri Lanka, nämlich im Norden Indiens in der Nähe von China und Pakistan. Wer könnte es schaffen, die Pflanze innerhalb von zwölf Stunden von dort zu holen und an den südlichsten Punkt Indiens zu bringen? Das konnte nur der Halbgott Hanuman. Und so geschah es: Hanuman flog in den Himalaja, fand die Heilpflanze Sanjeevani, kam rechtzeitig nach Sri Lanka zurück und rettete so das Leben des Prinzen. Sie nahmen den Kampf gegen Ravana wieder auf und besiegten ihn.«
In der hinduistischen Überlieferung ist Sanjeevani ein mythisches Heilkraut, das Leben retten kann. Im Kloster kennt man Sanjeevani als lebendige Energie, die einer Kraft ähnlich ist, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin als Chi (Qi) bezeichnet wird. Diese spirituelle Energie entsteht durch unsere yogische Praxis. Sie fließt aus unserem Inneren, um Gesundheit und grenzenloses Glücklichsein zu kreieren.
Barbara erklärte mir, dass das geheimnisvolle Kraut auch eine verjüngende Wirkung haben soll. Wie zwei Versionen von Indiana Jones waren Suzie und Barbara um die halbe Welt gereist, um diese Heilpflanze zu finden. Man könnte sagen, dass sie ab dem Moment, als sie von der Legende hörten, zu Sanjeevani-Jägerinnen wurden. Die Frauen reisten nach Sri Lanka, fanden die Pflanze jedoch nicht. Aber sie hörten Gerüchte, dass irgendwo in den abgelegenen Klöstern der Wüsten Rajasthans Mönche die »lebendige Sanjeevani« praktizierten. Also flogen die beiden schönen und klugen Frauen in ihren Hemden und Hosen erst Tausende Kilometer nach Sri Lanka und dann weitere Tausende Kilometer nach Rajasthan. Sie durchquerten die Wüste auf der Suche nach diesen sagenumwobenen Klöstern und landeten schließlich bei uns.
Ich war zugleich fasziniert und verwirrt. Die Sanjeevani-Praxis war für mich etwas Selbstverständliches. Sie gehörte zu meinem Leben wie der Wüstensand. Doch wie waren diese beiden Wesen, die mir wie Engel oder Außerirdische erschienen, hierhergekommen? Und was war an dieser Praxis so besonders, dass sie ihr um den ganzen Globus nachjagten? Offenbar lag hinter den Bergen, die bis dahin die Grenzen meiner Welt markiert hatten, noch eine viel größere Welt.
Aber noch wichtiger war die Frage, warum Suzie und Barbara unserer Sanjeevani nachjagten, wenn sie doch in meinen Augen bereits etwas viel Wertvolleres besaßen: Snickers-Riegel.
Die Vorstellung von Unsterblichkeit ist in der östlichen Tradition weit verbreitet und existiert in verschiedenen Ausprägungen. Einerseits gibt es die Heilpflanze Sanjeevani, nach der Suzie und Barbara suchten, und andererseits Amrita, den Nektar der Unsterblichkeit. Dieser wurde am Anfang der Schöpfung von den Göttern und Dämonen gemeinsam gewonnen. Beides sind hochwirksame Substanzen mit heilender Wirkung. Daneben gibt es eine andere Vorstellung von Unsterblichkeit: Sie wird nicht durch äußere Faktoren erreicht, sondern durch einen inneren Prozess, genannt Prati Prasav. Erinnern wir uns an den Phönix der alten Legenden, der Hunderte von Jahren lebt, bevor er in den Flammen stirbt. Auf wundersame Weise wird er aus seiner Asche wiedergeboren und beginnt sein langes Leben von Neuem.
Prati Prasav ist eine Art geistige Wiedergeburt. Nicht durch Sanjeevani oder Amrita, sondern durch Prati Prasav befreit sich der Mensch von allen negativen Emotionen, vergangenem Schmerz und anhaltenden Traumata. Er wird gereinigt. Durch Prati Prasav wird der Tänzer eins mit dem Tanz, und die Fesseln, die einen an die Vergangenheit binden, werden gesprengt. Durch das Feuer intensiver Meditation wird der Mensch zu Asche verbrannt und im Feuer wiedergeboren, verjüngt, friedvoll, stark.
Prati Prasav ist ein sehr wichtiger Prozess, den alle Mönche in meinem Kloster von klein auf erlernen. Doch wie hätte ich als Kind Prati Prasav schätzen sollen? Ich hatte weder ein Trauma noch Schmerz erlebt. Ich war so rein wie Quellwasser, das aus der Erde sprudelt. Dennoch verstand ich, dass Suzie und Barbara Emotionen durchlebt hatten, die ich mir nicht vorstellen konnte, und dass sie auf einer viel tieferen Ebene nach Verjüngung suchten, auch wenn sie es selbst nicht wussten.
Später hörte ich, wie Barbara und Suzie mit meinem Vater über ihre Suche sprachen. Sie waren offen und aufrichtig. »Wir kommen aus Los Angeles, Kalifornien«, sagte Suzie. »Mein Mann ist Toningenieur und hat bei großen Filmproduktionen mitgearbeitet.« Sie zählte die Titel einiger Spielfilme auf, von denen ich noch nie gehört hatte. »Barbara und ich leben in Hollywood. Unsere Nachbarn sind sehr berühmte Schauspieler und Prominente. Auch wir sind schon wie Filmstars über den roten Teppich gelaufen. Damals waren wir jung und schön, aber jetzt werden wir älter, und das wollen wir nicht. Wir brauchen dieses Elixier, diese Sanjeevani. Kannst du uns unterrichten?«
Mein Vater erkannte, dass sie nur ewige Jugend und Schönheit wollten. Doch etwas so Einseitiges ist nicht gesund. Die beiden Frauen wussten nicht, dass Sanjeevani nicht nur den Körper, sondern ebenso den Geist heilen kann. Obwohl sie bloß etwas suchten, um ihre Schönheit zu bewahren, wollte er ihnen helfen und sagte: »Auch wenn ich euch ein Mittel gebe, das äußerlich wirkt, müsst ihr einen inneren Reinigungsprozess durchlaufen – Prati Prasav. Wie ihr wisst, wird ein köstliches Mahl nicht in einer schmutzigen Schüssel serviert; man muss die Schüssel vorher reinigen.«
Der Meditationsprozess würde sie nach innen führen, damit sie ihre Vergangenheit und alles, was sie waren und was zu sein ihnen beigebracht worden war, loslassen konnten. Prati Prasav ist eine tiefgehende meditative Praxis, die man ebenso wenig allein durchführen kann wie eine Operation am eigenen Körper. Die Teilnehmer benötigen einen erfahrenen Begleiter, der sie in die Praxis einführt und sie sicher durch den Prozess leitet. Dies ist vergleichbar mit einer Ayahuasca-Zeremonie oder einer Visionssuche in Anwesenheit eines erfahrenen Schamanen.
Suzie und Barbara waren einverstanden und bereit, es zu versuchen.
Mein Vater hatte bemerkt, wie fasziniert ich von den Frauen war. Er sagte zu ihnen: »Ihr werdet bei Prati Prasav Hilfe brauchen. Dieses Kind wird euch helfen.« Er zeigte auf mich.
Ich war etwas schockiert, dass mir die Verantwortung übertragen wurde, die Frauen durch den Prozess der Wiedergeburt zu führen. Sicher waren auch sie überrascht, vielleicht sogar verärgert. Sie hatten bestimmt erwartet, dass nur der älteste und beste Mönch mit ihnen arbeiten würde, und nicht irgendein Kind.
Das Schicksal ist voller Überraschungen: Man weiß nie, welchen Weg der Guru einschlägt, um dein Schicksal für dich zu offenbaren. Mein Vater hatte entschieden, dass ich mit Suzie und Barbara arbeiten sollte. Wahrscheinlich wusste er, dass ich Satsang brauchte, und diese spirituelle Erfahrung geschieht manchmal an den unwahrscheinlichsten Orten.
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Leiden entsteht, wenn wir uns selbst nicht kennen. Dann erschaffen wir ein falsches Ego, und daraus entstehen erst Kummer und Schmerz, dann Angst. Wenn wir uns selbst erkennen wollen, müssen wir bereit sein, uns all unseren unverarbeiteten Emotionen zu stellen und zu lernen, sie loszulassen. Prati Prasav führt uns durch diesen Prozess, bis wir das Wissen um unser Selbst – Vidya – erlangt haben.
