Yoga-Qigong mit bewusster Atmung - Hans-Georg Schoen - E-Book

Yoga-Qigong mit bewusster Atmung E-Book

Hans-Georg Schoen

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Beschreibung

Der Atem ist die Essenz des Lebens und steht im Zentrum von Yoga-Qigong. Hans-Georg Schoen, Jahrgang 1929, einer der ersten Yogalehrer in Deutschland, zeigt in diesem Buch, wie seine Yoga-Erfahrungen ihn bis ins 89. Lebensjahr gesund, beweglich und lebens-froh gehalten haben. Das Buch vermittelt, wie wir das bewusste Atmen in unseren Alltag einbauen und dadurch immer wieder neue Energie tanken, uns lange gesund und geistig wach halten. Schoen macht seinen Schülern immer wieder Mut, neue Erkenntnisse über die Welt im Bezug zum Menschen zu nutzen und die vielen Möglichkeiten, die uns durch die Wissenschaften geschenkt sind, im täglichen Leben umzusetzen. Konkrete Bewegungs- und Atemübungen stehen in einem abwechslungsreichen Kontext von Seminargeschehen mit Erklärungen und Übungen. Atemtechnik und ihre Anwendung spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Atemübungen und damit verbundenen Körperbewegungen entwickelt Schoen aus einem leichten Anfangsniveau hin zu komplexeren Übungen. So möchte er die Leser dazu anregen, gleich während der Lektüre aktiv mitzumachen.

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Zum Buch

Der Atem ist die Essenz des Lebens und steht im Zentrum von Yoga-Qigong. Hans-Georg Schoen, Jahrgang 1929, einer der ersten Yogalehrer in Deutschland, zeigt in diesem Buch, wie seine Yoga-Erfahrungen ihn bis ins 90. Lebensjahr gesund, beweglich und lebensfroh gehalten haben. Das Buch vermittelt, wie wir das bewusste Atmen in unseren Alltag einbauen und dadurch immer wieder neue Energie tanken, uns lange gesund und geistig wach halten. Schoen macht seinen Schülern immer wieder Mut, neue Erkenntnisse über die Welt im Bezug zum Menschen zu nutzen und die vielen Möglichkeiten, die uns durch die Wissenschaften geschenkt sind, im täglichen Leben umzusetzen.

Konkrete Bewegungs- und Atemübungen stehen in einem abwechslungsreichen Kontext von Seminargeschehen mit Erklärungen und Übungen. Atemtechnik und ihre Anwendung spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Atemübungen und damit verbundenen Körperbewegungen entwickelt Schoen aus einem leichten Anfangsniveau hin zu komplexeren Übungen. So möchte er die Leser dazu anregen, gleich während der Lektüre aktiv mitzumachen.

Zum Autor

Hans-Georg Schoen, geboren 1929 in Stettin, begann mit Yoga 1952 in Kolumbien als Schüler von Yogananda. Er unterrichtet bereits seit 1957 Yoga in Wedel bei Hamburg an der dortigen Volkshochschule. Schoen war bis 1992 Oberstudienrat am Johann-Rist-Gymnasium in Wedel. Er hat mehrere Generationen von Yogalehrer/innen beeinflusst, allein durch seine Kurse, Yogareisen und Seminare. Noch immer ist er als Yoga-Lehrer tätig.

Ich widme dieses Buch

allen treuen Schülerinnen und Schülern, allen Suchenden, meinen Kindern und Enkelkindern

mit dem Wunsch, nie das Forschen aufzugeben, bis sie ihre innere Kraftquelle gefunden haben.

Inhalt

Einleitung

Kapitel 1: Mein Weg zum Yoga

Schritte zum Yoga

Mein Leben bis zum Studienabschluss

Aufbruch in neue Welten

Als Hauslehrer mit Yoga in Kolumbien

Yoga in Deutschland

Als Yoga noch als Sekte galt

Entwicklungsschritte in Deutschland

Yogalehrerausbildung beim BDY

Bereicherung des Yoga durch neue Strömungen

Umbruch in meinen Übungen

50 jähriges Jubiläum des BDY

Kapitel 2: Ein Weg zum Leben mit Yoga-Qigong

2.1.Yoga-Qigong im Ablauf eines Seminars

Was bedeutet Yoga für Dich und was erwartest Du?

Unterrichtsbeginn mit einer Einstimmung

Atem hält uns gesund und lebendig: Pranayama

Die Bedeutung einer bewussten Atmung

Einige Wirkungen der Atmung

Unsere „Geheimfachsprache“

Dreierrhythmus zur Atemvertiefung

Aktivierung der Füße im Dreierrhythmus

2.2. Zwerchfellatmung und Atemtechniken

Atmung aktivieren mit Pranayama-Techniken

Wichtige Hinweise zum Einüben neuer Atemtechniken und Bewegungsabläufe

Zwerchfellatmung

SA (SO)-HAM und HAM-SA, unsere Atemmantren

Perineumatmung – die Tiefe Zwerchfellatmung

Mantra HAM-SA zur Perineumatmung im Alltag

Ujjayi : Kontrolle des Atemstroms

Intensive Atmung: Bhastrika (Blasebalg)

Wechselatmung: Nadi Shodhana

2.3. Unsere Basisübung

Einstimmung und Abschluss beim Üben

Die Yoga-Qigong Basisübung

Kurzform der Yoga-Qigong-Basisübung

2.4. Atmung, Beweglichkeit und Kraft

Beweglichkeit der Hüfte

Beweglichkeit des Brustraums und Atemkapazität

Übungen zur Stärkung des Körpers

2.5. Ziel des Yoga-Qigong: Mentales Üben

Spiegelneuronen in unserem Gehirn

Mentales Üben der Basisübung

Innere Bewegung mit den Bija Mantren

Mentales Üben nach dem Aufwachen im Bett

Morgen- oder Abendsegen

2.6. Faszien und elektrische Signale

Aktivierung der Meridiananfangs- und Endpunkte

Aktivierung der Meridiane durch Reiben

2.7. Die Bedeutung der Atmung im Stress

Stressverarbeitungs-System: Biologie des Selbstschutzes und unsere Gesundheit

Stress durch äußere Gefahren

Stress des täglichen Lebens

Stress, der nicht so schnell vergessen wird

Stresslösung durch Atemübungen

2.8. Gesundheit und Entspannung

Yoga-Qigong auch bei Beeinträchtigungen

Tiefentspannung im Wasser

2.9. Energiekreislauf mit Bija Mantren

2.10. Das Atmen der Zellen – Ich atme Licht!

Kapitel 3: Die geistige Dimension des Yoga-Qigong

Erkenntnisse der Quantenphysik

Verbindung zu Prana und Qi (Chi)

Beobachtereffekt

Nicht-Lokalität

Bezug zum Quanten-Bewusstsein

Bewusstsein und unser Denken

Bewusstsein und Meditation

Kapitel 4: Gespräch mit den Teilnehmern

Wir brauchen Wissen

Schlussfolgerungen für unser Yoga-Qigong

Wissen und Kommentare der Teilnehmer

Wissen und seine Grenzen

Seminarabschluss – „Was bleibt?“

Fragen und Kommentare

Wer wird meine Yogaarbeit weitertragen?

Wenn ihr nach Hause kommt – was bleibt?

Bericht einer langjährigen Yogaschülerin

Zum guten Schluss

Anhang: Texte

Präfrontaler Cortex – kurz PFC

Unser zweites Gehirn – Nabelzentrum, HARA

Neurotransmitter (Hauptbotenstoffe) und Oxytocin

Die wichtigsten Neurotransmitter

Oxytocin und unser Bindungsverhalten

Gesundheit und Medizin

Die Innere Apotheke

Placebo – und Noceboeffekt

Erkenntnisse für unsere Yoga-Qigongübungen

Gene und unser Gehirn: Epigenetik

Yoga-Seminare oder: „per asana ad astra“, kurz zusammengefasst von Angelino

Christian Salvesen: Vita von Hans-Georg Schoen

Glossar

Literaturverzeichnis:

Einleitung

„Jeder ist Zentrum seines eigenen Universums.

Jeder ist in der Lage,

das gesamte Universum zu verändern.

Das ist meine Botschaft.“

Dieter Broers1

Wir können mehr erreichen, als wir uns je vorzustellen vermögen. Auf mein fast 90 jähriges Leben zurückblickend, spüre ich bei allen Hindernissen: da ist immer eine Kraft in meinem Leben, die ich in mir fühle, die ständig stärker wird und der ich vertrauen kann.

Vielleicht kann ich mein Leben mit einem Gemälde vergleichen, in dem alle Farbtöne enthalten sind. Ein helles Rot deutet auf Zeiten mit einem starken, aufbauenden Gefühl. Es ist die Farbe der Freude und Liebe, die Kraft schenkt. Oder die vielen Grünabstufungen, die uns mit der Natur verbinden; sie weisen auf Phasen der inneren Ruhe und Gelassenheit. Auch das, eine gewisse Kühle erzeugende Blau lässt die Wachheit des Verstandes aufblitzen. Mit dem lichten Blau gewinnt die Klarheit des Geistes Oberhand und erzeugt ein Gefühl der inneren Freiheit, das dann durch ein spirituelles Purpur zum Höhepunkt kommt.

Es gibt aber auch Zeiten, in denen ein dunkles Grau vorherrscht und alles hoffnungslos erscheinen lässt. Zu jedem Bild, wie zum Leben, gehören leicht chaotische Schattierungen, die vieles aufwirbeln und schließlich doch eine lebendige Ordnung schaffen. So sind auch diese dunklen Phasen des Lebens wichtig, lassen sie doch die klaren Farben tiefer leuchten.

Ich erkenne für mein Leben ein Gemälde, das alle Farben enthält. Alles strebt zur Vollkommenheit, welche Farbe auch immer erscheint. Es ist, als ob ein großer Künstler Regie führt, der ein Gesamtbild im Auge hat. Immer wieder habe ich, vielleicht durch die Umstände gezwungen, voller Vertrauen gehandelt, dabei bewusst freudige Erlebnisse bewahrt und ihnen meine volle Aufmerksamkeit geschenkt. Damit sind diese positiven Vorstellungen mehr und mehr in meinen Blickpunkt gerückt und haben mein Leben verändert. Es ist meine Freiheit, alles in einem sinnvollen Zusammenhang zu erkennen. Dies hilft mir bis heute, mein Leben bewusst mitzubestimmen. Sicher wünscht sich niemand dunkle Zeiten, aber wir brauchen Hindernisse, um zu wachsen. Aus den Erfahrungen können wir lernen, sie bewusst beleuchten und schauen, ob es möglich ist, den Weg noch besser auszuleuchten. Aus all meinen Erfahrungen habe ich erkannt, dass meine Vorstellung, meine Wünsche und vor allen Dingen mein Denken, einen großen Einfluss auf mein Leben hatten und natürlich auch noch heute haben.

Wenn ich in diesem Buch bestrebt bin, meine Erkenntnisse und Erfahrungen niederzuschreiben, um damit zu einem bewussten Leben anzuregen, muss ich voller Dankbarkeit dem „Großen Meister“ danken, dass er mich auf den Weg zum Yoga geführt hat.

Ich möchte meinen ganz persönlichen Weg des Yoga und Qigong aufzeigen. Das Buch soll das Verlangen anregen, seinen Körper wieder in seiner Einheit zu erfahren, durchströmt von der Atmung. So entsteht vielleicht der innere Wunsch, die Übungen beim Lesen immer gleich aktiv auszuprobieren. Ein großer Yogi hat einmal gesagt: „Ich mache Yoga, damit mein Körper meinem Geist im Alter folgen kann.“ Das ist eine große Weisheit, denn der Körper kann bei Trägheit mit dem Geist nicht schritthalten. In diesem Buch möchte ich zeigen, dass auch umgekehrt durch Beherrschung des Körpers der Geist herausgefordert wird und mitwachsen muss, um der Beweglichkeit zu folgen. Daraus wird ersichtlich, dass Yoga ein vielschichtiger Weg ist, der Geist und Körper gleichberechtigt sieht.

Mein Unterricht basiert auf den Pfeilern der Yogalehre und des Qigong, den Erlebnissen meiner Ayurvedareisen, den Erkenntnissen der Zell- und Gehirnforschung und der Erforschung des quantenmechanischen Körpers. Die wichtigste Basis ist allerdings meine langjährige Yogapraxis und Lehrtätigkeit. Es ist die jetzt 60 jährige Erfahrung als Yogalehrer, aus der ich auf die Entwicklung des Yoga im Westen mit all seinen Strömungen und Einflüssen zurückblicken kann – auf die verschiedenen Strömungen, die ich mit meinen Schülern mitgemacht und verarbeitet habe. Immer bin ich offen gewesen für die fließende Energie, die uns erneuert und wachsen lässt und auch meine Übungen ständig verändert und erweitert.

Mir geht es heute um einen Neustart im Kopf, ein Ablegen alter Programme und ein sich Öffnen für das neue Paradigma unserer Tage. Denn in diesen Zeiten turbulenter Veränderungen können uns auch die tiefen und uralten Einsichten vieler Völker die Richtung weisen. Eine völlig neue Weltsicht, die durch Errungenschaften der Wissenschaft und die Erkenntnisse der Quantenphysik mitbestimmt wird, ermöglicht ein neues Denken und hat unsere Welt verändert. All das gibt uns die Chance, unsere Gedankenwelt und auch unser Leben zu verändern. Es gilt, diese Erkenntnisse im Yoga einzubringen und umzusetzen. Wir selbst sind es, die großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit haben. Das bedeutet für jeden: Sich öffnen für neue Erfahrungen, Verantwortung übernehmen und handeln. Dazu sind wir alle aufgerufen! Diese Erfahrungen brauchen wir in unserer modernen Gesellschaft sehr dringend, wo ein längeres Leben möglich wird und damit große Probleme der Altersversorgung auf den Staat zukommen. Wir wollen doch den gesunden Lebensschwung möglichst lange erhalten. Mit Beweglichkeit und Wohlbefinden kann das Alter uns noch viel Freude und Erfahrungen schenken.

So gehören auch theoretische Unterweisungen zu meinem Unterricht, die uns mit den wichtigsten neuen Erkenntnissen vertraut machen, uns aufrütteln und neue Zusammenhänge erkennen lassen. Es kommt mir darauf an, meine Schüler immer wieder anzuregen und auch geistige Impulse zu setzen. Es gilt, theoretische Erkenntnisse bewusst auch in praktische Anwendungen, also in das tägliche Leben einzubringen, dies unabhängig vom Alter. Jeder hat die Möglichkeit, das Geschenk der Atmung zu nutzen und dafür geben uns unsere Yoga-Qigongübungen in Verbindung mit einer guten Atmung die Kraft, auch noch im Alter für unsere Gesundheit zu sorgen. Altern muss nicht unbedingt zum völligen Abbau der Kräfte führen! Aber um das zu erreichen, muss auch der Geist Nahrung bekommen und gefordert werden. Es sind die mentalen Übungen, die den Geist fordern. Bei uns heißt die Erkenntnis: „Was Du im Körper nicht mehr aktivierst, geht unaufhaltsam verloren.“

Darum sollte Yoga Teil des täglichen Lebens werden und sich nicht auf eine Yogastunde beschränken! So ist es mein Wunsch, Übungen in Verbindung mit Atmung zu vermitteln, die schließlich auch mental in allen Lagen praktiziert werden können. Die moderne Gehirnforschung lehrt uns: Alles was Freude macht, was uns begeistert, was uns anregt und neue Impulse gibt, erhält die Plastizität des Gehirns, macht uns lebendig und schenkt uns Lebensfreude und strahlende Gesundheit. So gelebt, erhält es unsere Vitalität und geistige Wachheit und wird zum inneren Yoga. Im tieferen Sinne führt es uns mehr und mehr zur Selbsterkenntnis und Erfüllung.

Einschneidende gesundheitliche Probleme bei mir führten zu einem Umbruch in meinen Übungen und zu einem Erwachen. Ich fand neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge von Gesundheit und Atmung.

Auch meine Erfahrung im Qigong war mir eine große Hilfe nach meinen Operationen. Da Qigong mit fließenden Bewegungen durchgeführt wird, konnte ich die Übungen innerlich in der Vorstellung machen. Besonders der Qigong-Zyklus „Verjüngungsübungen der gelben Kaiser“, den ich intensiv mit meinen Gruppen praktiziert hatte, brachte in Verbindung mit einer bewussten Atmung eine optimale Durchblutung des ganzen Körpers.

Ich konnte während meiner Rekonvaleszenz lernen, die Übungen geistig mit innerer Bewegung zu machen und gewann meine Beweglichkeit schnell wieder zurück. Es kam zu Veränderungen auch in meinen Yogaübungen. Es entwickelte sich eine zunehmende Verbindung von Yoga und Qigong.

Heute bin ich dankbar für die überstandenen Traumata, denn sie haben mich stark gemacht. Ich verdanke ihnen, dass ich mich dahin entwickelt habe, wo ich heute im Alter mit vollem Lebensmut und noch geistigem Schaffensdrang stehen kann.

Die Verbindung von Yoga mit Qigong nenne ichYOGA-QIGONG

Die neu entwickelten Übungen dieses Yoga-Qigong haben ihre Quelle in meiner langjährigen Yogaerfahrung, der Beeinträchtigung durch Krankheit und der täglichen Praxis. Es hat aber noch Jahre gedauert, bis ich die Übungen so erfahren habe, dass ich sie – jederzeit, überall und in jeder Lage – auch mental – beherrschen kann. Ich habe dadurch immer tiefere Erfahrungen gewonnen.

Yoga bleibt das Feuer in meinem Herzen.

Auch fühlte ich mehr und mehr die Übereinstimmung mit modernen Erkenntnissen. Damit das sichtbar wird, habe ich teilweise meine Ausführungen durch kurze Zitate von Wissenschaftlern belegt. Die im Buch aufgezeigten Techniken sind die Grundlage auch für alle anderen Yogarichtungen.

Letztendlich bezieht sich unser Üben nicht nur auf die körperliche Dimension, es ist immer auch ein Weg zu mehr Bewusstheit, zur Meditation und Selbsterfahrung.

Ich mache die aufgeführten Übungen, weil sie mir gut tun und weil ich dabei meine innere Lebendigkeit spüre. Sie sind für mich keine „Übung“, sondern ein inneres Bedürfnis.

So hoffe ich, dass auch Yogaübende und Yogalehrer noch Anregungen für ihre Praxis bekommen. Es geht darum, bewusst im Jetzt zu sein und klare Entscheidungen zu treffen. Mit den Erkenntnissen der Zell- und Gehirnforschung, den neuen Erkenntnissen der Medizin und der Quantenphysik, eröffnen sich tiefere Dimensionen des Übens.

Für den Leser, der interessiert ist, mit Yoga-Qigong zu beginnen, ist es zunächst wichtig, die „Tiefe Zwerchfellatmung“ intensiv zu üben. Es gilt, diese Atmung im täglichen Leben mehr und mehr zu beachten. Als Empfehlung ist angeraten, die praktischen Atemübungen gleich mehrmals zu machen und dann den Text wiederholt zu lesen. Auch sollte immer wieder auf die Grundübungen zurückgegriffen werden, wenn die Atmung mit einer bestimmten Bewegung in Verbindung gebracht wird, um zum Beispiel die Beweglichkeit zu verbessern, um den Körper zu kräftigen, um alle Körperräume anzusprechen, um die Vitalkapazität zu erweitern und besonders, um Stresssituationen abzubauen. Dafür nutzen wir eine „Geheimfachsprache“, die präzise Anweisungen zum inneren Geschehen im jeweiligen Bereich des Körpers gibt. Ausgesprochen wichtig ist mir, die Übungen so zu vermitteln, dass sie auch innerlich mental in Verbindung mit Atmung gemacht werden können, ist es nötig die Geheimfachsprache zu beherrschen, denn sie macht ein mentales Üben erst möglich. Wir werden erkennen, dass auch diese Form – präziser ausgedrückt inneres, bildliches Üben in Verbindung mit Atmung – uns die Wirkung aller Übungen erschließen kann.

Jeder wird selbst fühlen, was ihm gut tut und was ihn stärkt, um das auszuwählen, woran er wachsen und seine Lebendigkeit spüren kann. Du wirst sie umso mehr genießen, je bewusster Du dabei bist. Bald wirst Du lernen, dass es möglich ist, die Übungen zu variieren. Letztendlich wirst Du Deinen ganz persönlichen Weg finden, der Dich glücklich macht.

Hiermit lade ich Dich ein, Dich beim Lesen als Teilnehmer des Seminars zu fühlen und nicht nur als Leser. So kannst Du die Übungen beim Lesen immer gleich aktiv ausprobieren und daran innerlich wirklich teilnehmen. Yoga-Qigong kann Dir ein Tor öffnen und Dir einen neuen Weg zu Deiner Entwicklung und zur Gesundheit zeigen.

Im Seminargeschehen machen Teilnehmer gelegentlich die Übungen nur auf der körperlichen Ebene mit. Als Leser dieses Buches hast Du aber die Möglichkeit, durch wiederholtes Lesen geistig tiefer in die Zusammenhänge einer Übung einzudringen, so dass sie Teil Deines täglichen Lebens werden kann. Vielleicht hast Du auch Verlangen, die anspruchsvolleren Übungen mitzumachen. Komme aber immer auf die ersten Übungen zurück! Es kommt darauf an, von Anbeginn alle Übungen in Verbindung mit einer guten Atmung zu üben.

Für mich ist es ein Herzensanliegen, aus meinen Erfahrungen Anstöße und Impulse zu einem bewussten, vitalen Leben zu geben und Mut zu machen, Herausforderungen anzunehmen.

Ich fühle tiefe Dankbarkeit für all das, was mir im Leben an Erfahrung und Erkenntnis, Leid und Liebe geschenkt wurde. Von meinen Lehrern und meinen Schülern habe ich im Laufe der langen Yogalehrtätigkeit viel gelernt. Dafür möchte ich meinen Schülern, und vor allem auch meiner lieben Anhati, von Herzen danken. Mögen immer mehr Menschen zu mehr Bewusstsein erwachen. Die uns geschenkten Erkenntnisse und unsere neuen Freiheiten können wir nutzen zur vollen körperlichen und geistigen Entfaltung. Wenn es uns gelingt, das Wissen unserer westlichen Kultur mit der Weisheit des asiatischen Ostens zu verbinden, kann sich ein neues Fenster für unsere Gesundheit und unser Wohlergehen auch noch im Alter öffnen. Dann wird sich uns ganz natürlich eine Weltsicht erschließen, die die unterschiedlichen Forschungsergebnisse der Quantenphysik, der Chemie und der Biologie verbindet. Das strebe ich in diesem Buch mit unseren Yoga-Qigongübungen an.

Bleib Dir immer selbst treu und gehe schließlich Deinen Weg, der Dich erfüllt und glücklich macht. Jeder hat in sich dazu die Kraft und ist aufgerufen, diese Kraft freizusetzen und weiterzugeben.

1 Broers, Dieter: Gedanken erschaffen Realität, 2010, Heyne, Seite 190

Kapitel 1: Mein Weg zum Yoga

Es gibt Augenblicke im Leben, die alles verändern, die Weichen stellen, uns ganz neue Wege aufzeigen und eine Welt für uns öffnen, die völlig unbekannt ist. Das geschah mir mehrmals im Laufe meines Lebens. Diese Ereignisse sind ganz unvermittelt da, ohne irgendwelche logischen Erklärungsmöglichkeiten. Sie scheinen aus dem Nichts zu kommen. Ist es eine innere Führung, der wir vertrauen können und die nichts mit unserem logischen Verstand und Planen zu tun hat? Ist es vielleicht das, was wir unsere unwandelbare Natur nennen, die auch mit Wissen wenig zu tun hat? Ich jedenfalls ließ mich von dieser unbekannten Kraft führen.

Wenn ich von besonderen Schlüsselpunkten spreche, meine ich auch einen völligen Wandel meiner geistigen Welt. Immer wieder werde ich gefragt: „Wie bist Du dazu gekommen, Yoga schon in den fünfziger Jahren zu unterrichten – in einer Zeit, da Yoga im Westen noch unbekannt war?“

Wie ich dazu kam, war wohl der größte „Zufall“.

Um das verständlich zu machen, möchte ich zunächst einen kurzen Überblick über meine Kindheit geben.

Schritte zum Yoga

Mein Leben bis zum Studienabschluss

In einer ländlichen Gegend diesseits der Oder bei Stettin geboren, hatte ich mein Leben bis zum zehnten Lebensjahr in der Geborgenheit der Familie verbracht.

Aquarell „Mein Geburtshaus“, Hans-Georg Schoen, 1989

Dann kam mein erster entscheidender Wendepunkt, der alle Deutschen erreichte: es brach der Krieg aus. Einschneidend für unser Familienleben war, dass mein Vater zum Militär musste und im selben Jahr in Potsdam im Lazarett starb. Die Folgen des Krieges bedeuteten für mich viele Jahre der Entbehrung, Trennung von der Familie durch Kinderlandverschickung nach Binz auf Rügen. Ich meldete mich Ende 1944 als 15- jähriger freiwillig für die militärische Ertüchtigung. Dabei erfuhr ich militärischen Drill und auch den Gebrauch von Panzerfäusten. Ende April 1945 kam unsere „Jugendtruppe“ noch zum Einsatz. Schon als wir auf dem Rügendamm nach Stralsund marschierten, kamen uns lahmende, verwundete und tiefgebeugte Landser auf dem Rückzug nach Rügen entgegen. In dem Moment wurde mir klar, dass unser Einsatz eine Farce war. Rückblickend erkenne ich, wie nachhaltig junge Menschen manipuliert wurden und heute noch werden. Durch die Trennung vom Elternhaus in der Kinderlandverschickung war ich täglich unter dem Einfluss des Nationalsozialismus. Ich war zu der Zeit von den neuen Ideen begeistert und sah es als meine Pflicht an, für die „Freiheit“ zu kämpfen. Wie sollten wir, schlecht bewaffnet, als unerfahrene Jünglinge Stralsund verteidigen? Unsere Truppe wurde nach dem ersten Beschuss durch die Russen dann auch zurückgezogen und in Saßnitz zur Flucht nach Dänemark eingeschifft. So gelangten wir am Kriegsende in einem ausgebrannten Frachter voller flüchtender Truppen über Kopenhagen nach Kiel Schilksee. Dort wurde ich im Lazarett nach einer Behandlung einiger Geschwüre entlassen. Ich erhielt, wegen meines Alters von 15 Jahren, eine schriftliche Bestätigung, dass ich kein Soldat war, obwohl ich nur den Wehrpass besaß.

Nun begann für mich eine abenteuerliche Zeit: Übernachtungen im Dreieckzelt, Schlafen in Scheunen und Ställen. Man hatte mich gewarnt, in die russische Zone zu gehen, da junge Menschen nach Russland geschickt würden. So lebte ich eine Zeit in der Nähe von Lübeck in einer Scheune auf dem Heuboden. Am Rande des Hofes wurde mir erlaubt, eine Feuerstelle anzulegen, und so konnte ich warmes Essen zubereiten. Mit Hilfsarbeiten in der Landwirtschaft dankte ich für die Erlaubnis, dass ich auf dem Heuboden leben durfte.

Es war für mich eine Zeit der Prüfung. Immer wieder musste ich mich aufraffen, um durchzuhalten. Meinen Lebensunterhalt konnte ich recht und schlecht mit Hilfeleistungen verdienen. Da ich nicht wagte, in die russisch besetzte Zone zu meiner Familie zu gehen, pilgerte ich auf den Dächern von Güterzügen oder per Anhalter, von Juni bis September bis hin nach Stuttgart. Auf dem Wege arbeitete ich auch einen Monat in einem Bauunternehmen in Moers und durfte aus alten, mit Beton verschmierten Brettern die Nägel herausziehen. Was ich verdiente, ging für die Unterkunft und Nahrung drauf. So zog es mich weiter in den Süden. Im Kloster in Bad Mergentheim kam der Entschluss, noch einmal zu versuchen, in die russisch besetzte Ostzone und zurück zum Elternhaus bei Stettin zu gelangen.

Von Coburg aus erreichte ich nach einer abenteuerlichen, nächtlichen Überquerung der Zonengrenze Mitte September Berlin. Ich wusste, dass meine Mutter und mein Bruder vor Kriegsende auf der Flucht vor den nahenden Russen zu einer Familie in Neuruppin geflohen waren. Dort erfuhr ich, dass meine Mutter schon im Juli wieder in ihr Heimatdorf, Schillersdorf bei Stettin, zurückgekehrt war.

Ich möchte hier eine Begebenheit einfügen, um zu zeigen, wie unüberlegt und leichtsinnig und wohl auch voller kindlichem Vertrauen ich damals gewesen war. Jetzt sehe ich das ganze Geschehen als eine Schicksalsfügung, die mich dahin gebracht hat, wo ich heute sein darf:

Es war schon am späten Nachmittag, als ich mich entschloss, noch mit der letzten Bahn nach Berlin zurückzufahren. Als ich am Bahnhof ankam, gab der Zugbegleiter gerade das Signal zur Abfahrt. Es standen noch einige Personen auf dem Bahnsteig vor den schon verschlossenen Türen. Der Zug war völlig überfüllt. Wohl ohne nachzudenken, schwang ich mich rittlings beim schon anfahrenden Zug auf einen Stoßpoller des letzten Waggons. Es war Mitte September und schon herbstlich kühl. Ich hatte auch nur leichte Kleidung. Außerdem war ich völlig erschöpft und übermüdet. So nickte ich gegen meinen Willen unmerklich ein. Plötzlich fühlte ich einen starken Ruck durch meinen Körper gehen. Wo war ich? Es war als hätte mich eine Kraft vor dem Abkippen vom Stoßpoller zurückgerissen. Ich sammelte meine letzten Kräfte, um wach zu bleiben. Zum Glück fuhr der Zug bald auf ein Nebengleis. Zu der Zeit waren viele Strecken nur eingleisig, da die Russen eine Gleisstrecke abgebaut hatten.2 Viele Leute waren ausgestiegen und hatten ein Feuer gemacht. Ich gesellte mich zu ihnen. Als sie erfuhren, ich hätte hinten auf dem Poller gesessen, waren sie entsetzt und man nahm mich zur Weiterfahrt mit ins überfüllte Abteil. Nun konnte ich beruhigt aufatmen.

Nach vielen Schwierigkeiten erreichte ich endlich meinen Geburtsort Schillersdorf. Ich fand unser großes Haus voll besetzt mit Flüchtlingen. Die alte Heimat sollte es nicht mehr geben. Meine Mutter und mein Bruder waren in ihrem Elternhaus im Nachbarort. Sie hatten eine schwere Typhuserkrankung überstanden und waren überglücklich, als ich vor der Tür stand. Aber meine Mutter war gleichzeitig sehr besorgt, ich könnte auch an Typhus erkranken. Trotz meiner Erschöpfung blieb ich gesund und fühlte mich glücklich, wieder daheim zu sein. Leider dauerte die Freude nur zwei Tage. Wir erfuhren, das Dorf müsse innerhalb von drei Tagen geräumt werden, obwohl es auf dieser Seite der Oder liegt. Die Polen hatten ein erweitertes Gebiet um Stettin diesseits der Oder beansprucht. So mussten wir am 23. September alles verlassen und uns mit den nötigsten Sachen wieder weiter durchschlagen. Das war ein schwerer Schlag für uns, aber schließlich konnte ich mich glücklich preisen, noch rechtzeitig mit der Familie wieder vereint zu sein.

Im Dezember gelang es uns, in den Westen zu kommen. Zwischen Osnabrück und Diepholz fanden wir eine neue Heimat, zunächst noch getrennt auf verschiedenen Bauernhöfen. Endlich konnte ich ab Ostern in Diepholz als Fahrschüler die Schule wieder besuchen, nachdem ich eineinhalb Jahre keinen Unterricht mehr gehabt hatte. Es war eine harte Zeit, denn bis zum Abitur wohnte ich mit meiner Mutter in nur einem Zimmer. Nach meinem Abitur in Diepholz machte ich an der Pädagogischen Hochschule in Celle ein Studium zur Ausbildung als Volksschullehrer.

Was dort im letzten Semester geschah, veränderte wieder meine Welt völlig, denn durch „Zufall“ bekam ich die Möglichkeit, mich als Hauslehrer auf einer Hazienda in Kolumbien zu bewerben, um nach Abschluss des Studiums dort vier Kinder zu unterrichten. Das mag zur heutigen Zeit nichts Besonderes sein, aber zu jener Zeit war es etwas Außergewöhnliches, ins Ausland zu gehen – das auch noch nach Südamerika. Ich hatte das große Glück, angenommen zu werden. Oder war es nicht nur Glück, sondern auch eine „Fügung“?

Aufbruch in neue Welten

Wenn ich von besonderen Schlüsselpunkten spreche, meine ich Lebenssituationen, in denen sich eine völlige Änderung meiner geistigen Welt angebahnt hat. Immer wieder werde ich gefragt: „Wie kommst Du dazu, zu einer Zeit, da Yoga im Westen noch unbekannt war, schon Yoga zu unterrichten?“ Um das zu erklären muss ich etwas ausholen.

Ich hatte ja das Angebot, als Hauslehrer die Kinder einer Familie auf einer Hazienda in Kolumbien zu unterrichten. Nun war die Frage, wie ich nach Kolumbien gelangen sollte? Zu der Zeit gab es noch keine Flugverbindung nach Südamerika. So begann schon meine Ausreise mit großen Schwierigkeiten. Endlich konnte ich auf einem holländischen, alten Frachter, der „Helena“, mit sieben weiteren Passagieren an Bord die Reise beginnen. Ich bekam mein Bett in einer Mannschaftskabine direkt über der Schiffsschraube gelegen. Erleichtert konnte ich durchatmen.

In dieser Kabine überstand ich auch einen Sturm. Nachts, wenn ich immer wieder durch die starke Bewegung des Schiffs die Schraube in der Luft rattern hörte, konnte ich vor Übelkeit kaum schlafen. Alle Passagiere waren von der Seekrankheit betroffen. Ich hielt mich so viel wie möglich an geschützten Stellen an Deck in der frischen Luft auf. Als dann endlich die Azoren auftauchten, wurde die See spiegelglatt und ich konnte die jetzt erholsame Fahrt genießen. Die frische Seeluft, die Sonne und Freiheit, sich auf dem Schiff uneingeschränkt bewegen zu können, genoss ich mit vollen Zügen. Auch ein so reichliche Essen hatte ich seit der Kinderlandverschickung nicht mehr bekommen.

Zwei besondere Erlebnisse werde ich nie vergessen. In der völligen Dunkelheit der Nacht konnte ich den Sternhimmel in seiner Klarheit beobachten. Die unendliche Weite ließ mich träumen und verzauberte mich. Aber auch das unbeschreiblich tiefe Blau des Meeres zog mich immer wieder in den Bann, wenn ich lange – auf dem Bug des Schiffes liegend – das entstehende Wellental betrachten konnte, welches das Schiff mit seinem steilen Bug ins Wasser pflügte. So ein wunderbares, tiefes Blau habe ich nie wieder erleben dürfen.

Im holländischen Curacao auf den Antillen erlebte ich den ersten Landgang auf einer tropischen Insel. Ich kann nicht beschreiben, welchen tiefen Eindruck die tropische Welt mit ihren Einwohnern hinterließ! Besonders fiel mir der freie, gelöste, aufrechte Gang der dunkelhäutigen Menschen auf. Ich war einfach glücklich.3

Im nächsten holländischen Hafen musste ich die Fahrt nach Kolumbien auf einem Bananendampfer fortsetzen. Nach dieser abenteuerlichen Überquerung des Atlantiks und den überwältigenden Eindrücken auf den verschiedenen Inseln in der Karibik traf ich im September 1952 nach vier Wochen Fahrt in Cartagena ein. Schon als unser Schiff zuvor in Barranquilla einlief, dem größten Hafen in Kolumbien, hatte ich eine Begegnung mit Frau Backhaus, die zufällig an Bord kam, um „Deutsches Brot“ zu kaufen. Wir waren nur 12 Passagiere an Bord und so begegneten wir uns. Als sie hörte, ich wolle als Hauslehrer auf einer Hazienda in Kolumbien unterrichten, und sie die Familie persönlich kannte, nahm sie mich in ihr Therapeutisches Institut mit. Sie hatte ein Buch über ihre Arbeit geschrieben: „Heilen ohne Spritzen und Pillen.“ Dann zeigte sie mir Übungen, die sie regelmäßig machte. „Das sind Yogaübungen aus Indien!“ meinte sie. Ich war sofort davon begeistert und nahm mir vor, auf der Hazienda die Übungen zu lernen und mehr darüber zu erfahren. Frau Backhaus schenkte mir ein Yogabuch. Es war ein tiefes Gefühl der Freude, das mich bei dem Gedanken, die Möglichkeit zu haben, bald selbst Yoga zu praktizieren, beglückte. Ich war gespannt, was mich wohl auf der Hazienda erwarten würde. Ich hatte jedenfalls „Sport und Yoga“ von Yesudian4 und damit die Vorfreude, mit Yoga auf der Hazienda zu beginnen.

Als Hauslehrer mit Yoga in Kolumbien

In Kolumbien setze ich die abenteuerliche Fahrt über Medellin fort und landete mit einer kleinen Maschine bei 35 Grad auf einem Flugplatz in den Niederungen des Rio Magdalena, dem größten Fluss Kolumbiens. Da mein Telegramm nicht angekommen war, saß ich, europäisch mit einem Anzug gekleidet, ohne Spanischkenntnisse auf meinem großen Überseekoffer. Nun musste ich mich wieder alleine durchschlagen. So ging es mit einem Taxi ins nächste Dorf. In der Apotheke fand ich endlich jemanden, der Englisch sprechen konnte. Er meinte, es wolle niemand die Strecke fahren, weil es zu gefährlich sei. Zu meinem Glück konnte der Apotheker dann einen Taxifahrer zu der zurzeit wohl doch ungefährlichen Fahrt überzeugen.

Nach zwei Stunden, bei einbrechender Dunkelheit, erreichte das Taxi die Hazienda Cuba, meinen zukünftigen Arbeitsort. Als wir auf unserem Weg aus dem Urwald kamen, öffnete sich vor uns das Tal und ich sah unten die Hacienda liegen. Arbeiter hatten das Scheinwerferlicht unseres Taxis gesehen und sofort der Familie die Ankunft eines Autos gemeldet. Unser unangemeldetes Taxi wurde vor der Einfahrt durch ein geschlossenes Tor gestoppt. Man rechnete aus Ungewissheit über das Erscheinen eines Autos bei Dunkelheit mit einem Überfall. Schließlich wurde ich von einem Arbeiter als „Mono“ mit meinen blonden Haaren erkannt. Endlich öffnete Oswald, mein ältester Schüler, das Tor zur auf einer Anhöhe gelegenen Hacienda. Ich erfuhr, dass drei Arbeiter, die auf Jagd waren und das Licht des Autos gesehen und mit ihren Gewehren in der Hand das Auto verfolgt hatten.

Von den Problemen, die mit der Ankunft des Autos verbunden waren, hatte ich nichts geahnt. So nahm ich beim Empfang die verhaltene Begrüßung kaum war. Ich war froh, als ich nach dem Duschen endlich im Bett lag. Aber schon nach kurzer Zeit wachte ich auf, denn etwas krabbelte auf meinem Kopf. Als ich Licht anmachte, huschten mehrere Cucarachas (Kakerlaken) schnell weg. Ich hatte wohl noch etwas Pomade im Haar, wie es damals üblich war. So war mein Haar ein willkommenes Angebot für die Krabbeltierchen. Nachdem ich mein Haar gewaschen hatte, konnte ich endlich schlafen.

Für mich begann jetzt ein ganz neues Leben. Bald fühlte ich, „zu Hause angekommen zu sein“. Ich konnte in einer offenherzigen und gebildeten Familie ein wenig meine, durch den Krieg verlorene, familiäre Geborgenheit meiner Entwicklungsjahre nachholen. Nun fand ich mich in einer Welt wieder, in der viele neue, abenteuerliche Erlebnisse auf mich warteten. Ich lernte Reiten, den Umgang mit exotischen Tieren im Urwald und am Wildbach, zum Beispiel mit Schlangen, Ameisen und Aasgeiern, und ich lernte viele Pflanzen kennen. Der Unterricht mit den Kindern machte viel Spaß und ich konnte dabei Spanisch lernen. Da ich alle Fächer zu unterrichten hatte, entdeckte ich meine Neigung zum Aquarellieren. So machten wir bald regelmäßige Ausstellungen und zeigten unser Aquarelle der ganzen Familie. Die aufbauende Kritik der Eltern motivierte uns und so wurde Malen eines unserer Lieblingsfächer.

Einen besonderen Einfluss auf meine Entwicklung hatte der geistige Austausch in der Familie. Ich erhielt viele neue Anregungen, von denen ich vorher nur geträumt hatte. Ich hatte das Gefühl, endlich zu erwachen. Auch für das Geschenk der Geborgenheit in der Familie fühle ich noch heute große Dankbarkeit.

Eine große Hilfe, in der Einsamkeit zu leben, waren dabei vor allem meine täglichen Yogaübungen. Auf dieser einsamen, am Rande des Urwalds auf 950 m Höhe gelegenen Hazienda, fand ich Zeit und optimale Bedingungen, um intensiv Yoga zu praktizieren. Zunächst machte ich meine Yogaübungen in meinem Zimmer, entdeckte aber bald einen kraftvollen Ort an einem kleinen Wasserfall. Dort ebnete ich eine Fläche ein und konnte so jeden Morgen meine Übungen, die Asanas5, nach meinem Buch „Sport und Yoga“, das ich in Barranquilla geschenkt bekommen hatte, machen. Mit diesem energetischen, kraftvollen Platz mit dem Wasserfall und den hoch gewachsenen kräftigen, goldgelben Bambuspflanzen, umgeben von vielfarbigen Urwaldpflanzen, hatte ich einen Ort gefunden, zu dem ich mich zurückziehen konnte.

Noch heute sehe ich in der Entspannung diesen Platz und fühle sofort Geborgenheit und Kraft. So habe ich diesen Ort auch wiederholt gemalt.

Aquarell „Übungsplatz in Kolumbien“, Hans-Georg Schoen, 1998

Auch der Café-Trockenplatz wurde zum Übungsfeld für Atemübungen. Dort ging ich im Laufe des Tages zählend wiederholt im weiten Kreis herum, um bei Pranayama-Übungen genau die angegebenen Phasen des Anhaltens und Ausatmens einzuhalten.

Bald schon begann die ganze Familie, nachmittags Yoga zu üben. Auch die seltenen Besucher aus dem entfernten Bogotá nahmen dann neugierig an den Yogaübungen teil. Von Anbeginn hatte ich große Freude daran, die Übungen zu vermitteln, auch, weil ich selbst dabei wohl manches lernte, was mir beim eigenen Üben entgangen war.

Der Austausch meiner Gedanken mit Herrn von Dewitz, dem Hausherrn, und die vielen geistigen Anregungen füllten so manchen Abend. Die Gespräche über Inhalte gelesener Bücher, zum Beispiel von Jean Gebser: „Ursprung und Gegenwart“6, waren sehr anregend und spannend. Auch hatte ich Muße, mit der Familie Handlinien zu studieren und mich mit Astrologie zu befassen. Ich begann mich mehr und mehr für Esoterik zu interessieren. Damit öffnete sich eine Welt, von der ich bis dahin nichts gehört hatte, die später mein Leben mitbestimmen sollte.

Nach einem Jahr erhielt ich ein Buch „Die Autobiographie eines Yogi“ von Paramahansa Yogananda7. Voller Begeisterung las ich das Buch und bekam so Einblicke in die spirituelle Seite des Yoga und begann zu ahnen, was Yoga eigentlich bedeutet. Das waren Wunderwelten für mich. Ich wurde Schüler des 1952 gerade verstorbenen Meisters. Von der „Self Realisation Fellowship“ in Kalifornien erhielt ich die Lehrbriefe zur Einführung des Kriya-Yoga, einer speziellen esoterischen Technik. In diesen Briefen werden gewisse Übungsanweisungen gegeben, um Geist und Körper für eine „Einweihung“ vorzubereiten. Es sind Übungen zur körperlichen Einstimmung, zur Atemkontrolle und zur Aktivierung der Chakren und der Energie in der Wirbelsäule. Damit begann für mich eine neue Phase der Erkenntnis. All diese Übungen habe ich täglich gemacht.8

Ich wusste: jetzt musste ich beginnen, zu meditieren. So saß ich manche Stunde spätabends in der Dunkelheit im Lotussitz auf der kleinen alten Holzbrücke über dem Bach und versuchte, zu meditieren. Ich schloss die Augen. Ich fühlte eine tiefe innere Ruhe. Aber was sollte eigentlich beim Meditieren passieren? Ich dachte an Yogananda und seine wunderbaren Erfahrungen, seine Lichterscheinungen und das Strahlen der göttlichen Mutter – aber nichts derartiges passierte bei mir. Aber ich dachte! Geht es bei einer Meditation aber nicht um mehr als Denken? Ich hatte mir diese Frage damals nie gestellt und so war ich auf der Suche nach etwas, das ich noch nicht spüren konnte. Ich saß oft lange, manchmal mehr oder weniger bewusst oder verlor mich in Tagträumen. In Meditationshaltung „machte“ ich Atemübungen und erwartete Lichterscheinungen oder Farben hinter den geschlossenen Augen. Meistens aber geschah nichts, außer, dass ich mich dabei wohlfühlte. Es gab aber auch Abende, wo ich mich innig mit der Natur verbunden fühlte. Dieses wundervolle Gefühl gab mir neue Kraft, weiter zu üben.

Das konnte doch noch nicht alles sein! Jedenfalls war ich dennoch glücklich und saß dann am nächsten Abend wieder auf der Brücke. Ich spürte deutlich, dass ich nicht aufgeben durfte. Zu oft lenkten mich noch Geräusche oder Gedanken ab. Ich musste wohl noch viel lernen. Aber der Grundstein war gelegt, und der Entschluss, nach meiner Rückkehr in Deutschland Yoga „richtig“ zu lernen, stand fest.

Vor meiner Abreise aus Kolumbien hatte ich ein Problem. Da ich nach drei Jahren Aufenthalt Staatsbürger von Kolumbien war, durfte ich nur ausreisen, wenn ich den Militärdienst abgeleistet hätte. Zum Glück konnte ich mich nach langem Verhandeln freikaufen. Wenn mir der Abschied auch etwas schwer fiel, so war ich doch froh, als ich endlich an Bord des Schiffes war.

So also bin ich auf wundersame Weise, wie durch den Willen des Himmels, zum Yoga gekommen. Auf der Hazienda habe ich die wunderbare Gelegenheit und auch die Zeit gehabt, gründlich die Asanas zu üben und die geistigen Grundlagen des Yoga kennen zu lernen. Der Yogaweg sollte für mein weiteres Leben mein größter innerer Schatz werden und mir wichtige Erkenntnisse vermitteln. Yoga hat mir Kraft und auch Durchhaltevermögen verliehen und mein ganzes Leben bis ins hohe Alter geprägt.

Yoga in Deutschland

Als Yoga noch als Sekte galt

Nach meiner Zeit als Hauslehrer in Kolumbien kam ich nach Wedel an der Elbe bei Hamburg an die Ernst Barlach Schule. In Deutschland wollte ich unbedingt mehr über Yoga erfahren und eine Ausbildung zum Yogalehrer machen. Aber es gab kein Yoga in Hamburg. Überall stieß ich auf die gleiche Frage: „Was ist denn Yoga? Ist das nicht eine indische Sekte? Immer wieder konnte ich aufklären, dass es keine Sekte ist, wohl aber eine wunderbare Hilfe im Leben sein kann, denn Yoga spricht nicht nur den Körper an, sondern auch Geist und Seele. Natürlich wollte man einige Körperstellungen sehen. Meistens kamen dann Fragen, wofür das gut sein soll. Mit einfachen Erläuterungen erklärte ich, dass das Einnehmen gewisser Körperhaltungen in Verbindung mit einer tiefen Atmung zu mehr Wachheit führt und so eine gute Durchblutung des ganzen Körpers möglich ist.

Aber aufklären allein genügte mir nicht. Ich musste handeln. Zunächst wollte die Leitung der VHS (Volkshochschule) einen Yogaunterricht nicht zulassen. Man könne nicht die Verantwortung übernehmen, denn Yoga sei doch eine Sekte. Schließlich aber war ich Lehrer und keinesfalls Anhänger einer Sekte! Ich nutzte die erste Lehrerkonferenz, um zu beweisen, wie wichtig Yoga auch für Lehrer und Schüler sein kann. Das konnte ich an der Baumstellung demonstrieren, die ja volle Konzentration erfordert. So ließ ich einige Kollegen diese Stellung einnehmen.

„Ja, das ist eine Möglichkeit, die Schüler zu mehr Konzentration zu bringen“, meinte der Rektor.

Damit war ein wichtiger Schritt getan. Nach meinen Vorführungen und viel Überzeugungsarbeit gab es 1957 an der VHS in Wedel die Genehmigung, Yoga zu unterrichten.

Die erste Yogastunde war für mich eine große Herausforderung. Wer würde überhaupt zum Unterricht kommen? Wie konnte ich das vermitteln, was ich gelernt hatte, denn meine Ansprüche waren sehr hoch. Ich beherrschte zwar die Yogaübungen, aber Yoga war für mich viel mehr. Welche Erfahrungen hatte ich denn schon gemacht? Ich beherrschte die Yoga Asanas (Körperstellungen) und gewisse Atemtechniken, aber welche außersinnlichen Erfahrungen konnte ich aufweisen? Was erwarteten wohl die Teilnehmer? Viele Fragen! Aber da musste ich durch! Zwölf Teilnehmer hatten sich angemeldet. Es gab noch keinen Yogaraum wie heute. Bis wir endlich eine Volkshochschule mit festem Sitz hatten, unterrichtete ich in 12 verschiedenen Räumlichkeiten wie Gymnastikräumen, Turnhallen, Zeichensälen und Musikräumen. Unser erster Kurs fand in einem Klassenraum statt. Die Stühle und Tische mussten aus dem Klassenraum geräumt werden. Dieser Umstand war die erste Prüfung, auch für die Teilnehmer. Vorwiegend waren es Männer, darunter auch einige jüngere, die ich kannte, aber die meisten kamen aus Hamburg. Fast alle waren Vegetarier, was zu der Zeit schon etwas Besonderes war. Ich musste mich zunächst auf die Gruppe einstimmen. Alle waren sehr interessiert, vielleicht auch nur neugierig. Nach einer kurzen Erklärung, was sie zu erwarten hatten, begann ich, wie auch noch heute, mit einer meditativen Einstimmung, um den Unterschied zu sportlichen Übungen deutlich aufzuzeigen und auch, um eine innere Aufgeschlossenheit und geistige Wachheit zu erzeugen. Dabei legte ich Wert auf eine tiefe Atmung und ließ beim Ausatmen summen, denn ein OM würde eine Überforderung sein. Einfache Übungen konnte ich dann erfolgreich vermitteln. Wenn auch alles zu der Zeit noch mit einem förmlichen „Sie“ ablief, war der Grundstein für Yoga an der Volkshochschule in Wedel gelegt.

Vor drei Jahren brachte ein damaliger Teilnehmer, der nach langen Jahren wieder in unsere Yogagruppe kam, einen Bericht aus einer meiner ersten Yogastunden. Hier kurz zusammengefasst:

„Herr Schoen forderte uns auf, in der Vorstellung eine Hantel mit einem gewünschten Gewicht zu wählen. Dann mussten wir zunächst voll ausatmen und in der Vorstellung das Gewicht mit beiden Händen ergreifen. Nun sollten wir tief einatmen und mit dem Ausatmen das Gewicht hochstemmen. Plötzlich erfolgte ein lautes Krachen. Ein Teilnehmer, ein sehr großer Sportler aus der Leichtathletikgruppe, lag auf dem Boden. Herr Schoen erschrak sich sehr. Als der Gestürzte sich dann aber aufrichtete und sagte: „Ich glaube, ich habe mir zu viel Gewicht aufgelegt“, da mussten alle Teilnehmer lachen und Herr Schoen konnte erleichtert durchatmen.“

Das zeigte mir, dass ich schon zu Beginn meines Yogaunterrichtes leichte mentale Übungen eingebaut hatte.

Entwicklungsschritte in Deutschland

Dazu möchte ich vorausschicken, dass es viele Zeitströmungen und auch viele Begegnungen gab, die immer wieder meinen Yogaunterricht beeinflusst haben. Davon möchte ich im Folgenden nur die wichtigsten Einflüsse für meine Entwicklung im Yoga aufführen.

1958 boten Dr. Isbert, Yogalehrer, Anthroposoph und Yoga-Buchautor aus Stuttgart, und Frau Irene Horbat aus Berlin ein Yogawochenende in Hamburg im Haus des Sports an. Dr. Isbert war begeistert, dass ich die Hatha Yogaübungen so gut beherrschte, und machte darauf einige Wochenendkurse im Jahr mit mir zusammen. Er übernahm den meditativen Teil und ich die Hatha-Yogaübungen. Ich konnte durch die Fachkenntnisse von Dr. Isbert viel lernen und meinerseits Dr. Isbert viele Übungen zeigen. Im nächsten Jahr leitete ich dann selbst eine regelmäßige Yogagruppe in Hamburg im Haus des Sports. Christiane, die zu der Zeit sechsjährige Tochter eines Teilnehmers, nimmt heute noch, nach 60 Jahren, an meinen Seminaren teil.

Dev Murti, ein Yogi aus Indien, kam nach Hamburg. Er besaß die volle Körperbeherrschung und konnte Übungen wie ein Fakir vollbringen. Während Dev Murti in Hamburg weilte, nahm ich mehrmals an seinen Übungen teil. Dev Murtis Spezialität waren Reinigungsübungen (Dhautis) und Pranayama-Übungen zur Körperbeherrschung. So habe ich Nauli9