Yohna, Erdenkind - Asta Müller - E-Book
SONDERANGEBOT

Yohna, Erdenkind E-Book

Asta Müller

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Kampf zwischen Herz und Verstand - Yohnas spannendes Abenteuer zwischen zwei Welten und inmitten von unzähligen Gefahren. Yohna, eine Studentin aus Hamburg, traut keinem Mann mehr, seitdem sie von ihrem Exfreund betrogen wurde. Als der geheimnisvolle Creihdos in ihr Leben tritt, gibt es keinen Grund, ausgerechnet ihm zu glauben. Zumal seine Geschichte noch abenteuerlicher ist als all die Lügen zuvor. Creihdos behauptet ihr Beschützer zu sein, ein Mittler zwischen der Welt der Sterblichen und den leichtlebigen Göttern. Er warnt sie vor den Nexuss, einer fremden und brutalen Spezies, die heimlich unter den Menschen lebt und nach den verborgenen Töchtern der Götter sucht. Frauen wie Yohna. Alles Unsinn, sagt ihr Verstand, doch ihr Instinkt zweifelt. Als Creihdos durch ihre Schuld in einen Hinterhalt gerät, entschließt sie sich, den Köder für den Anführer der Nexuss zu spielen, um ihn zu rächen. Aber die Götter haben ihre eigenen, undurchsichtigen Pläne. Romantisch-fantastische Spannung von Asta Müller! feelings-Skala (1=wenig, 3=viel): Erotik: 2, Humor: 1, Gefühl: 2, Fantastisch: 3 »Yohna, Erdenkind« ist ein eBook von feelings*emotional eBooks. Mehr von uns ausgewählte erotische, romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite: www.facebook.de/feelings.ebooks. Genieße jede Woche eine neue Geschichte - wir freuen uns auf Dich!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 587

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Asta Müller

Yohna – Erdenkind

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Der Kampf zwischen Herz und Verstand – Yohnas spannendes Abenteuer zwischen zwei Welten und inmitten von unzähligen Gefahren.

Inhaltsübersicht

WidmungPrologKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Kapitel 42Kapitel 43Kapitel 44Kapitel 45Kapitel 46Kapitel 47Kapitel 48Kapitel 49Kapitel 50Kapitel 51Kapitel 52Kapitel 53Kapitel 54Kapitel 55Kapitel 56Kapitel 57Kapitel 58Kapitel 59Kapitel 60 - EpilogPersonenregisterGlossarDanksagungDer Traum von der ewigen Jugend – ein Albtraum?
[home]

 

 

 

Für meine geliebte Ma, meine große Tochter und meinen Göttergatten

[home]

 

 

 

Der Geruch von unzähligen Blumen hüllte mich ein, während ich versuchte, das Gesicht der Göttin zu fixieren, in deren Armen ich lag. Immer wieder verschwamm das reine Antlitz vor meinen Augen. Ich blinzelte, doch vergeblich. Die Helligkeit an diesem Ort und meine aufgewühlten Gefühle nahmen mir die klare Sicht. Ich erinnerte mich: Alles war mir hier vertraut. Hier war ich … zu Hause.

Plötzlich wurde es dunkler und merklich kühler. Ein gigantischer Schatten kroch über unsere kauernden Gestalten.

»Eshra!«, befahl eine donnernde Stimme. »Verwöhne sie nicht. Sag ihr, was wir zu sagen haben, und schicke sie zurück!«

Die Göttin strich mir sanft die Locken aus dem Gesicht. »Sie ist vergänglich wie das Morgenlicht, Torgahrt, du verstehst das nicht.« Ihre Worte wehten so leicht wie eine Sommerbrise.

»Warne sie und schicke sie zurück! Mehr können wir nicht tun. Sie muss lernen, mit ihrem Schicksal zurechtzukommen – oder sie ist es nicht wert zu überleben.« Die dunkle Gestalt beugte sich über mich, entblößte weiße Zähne und grinste mich spöttisch an. Blonde Zöpfe tanzten um ein verschwommenes Haupt.

»Sie ist mein, Torgahrt, und ich helfe ihr, wenn ich kann.«

»Dann beeil dich, warne sie!«

Die tanzenden Zöpfe verschwanden und mit ihnen die Kälte und die Dunkelheit.

Erneut wurde ich leicht an die Brust der Göttin gedrückt, und die vertraute, betörende Stimme wisperte unwirklich: »Höre, Yohna, Erdenkind, dein Schicksal wird sich bald erfüllen. Aber ich warne dich vor den anderen, die nach dir suchen werden, die dich prüfen wollen …« Wie in Trance vernahm ich die Worte, deren Bedeutung ich jedoch erst sehr viel später verstehen sollte.

[home]

Kapitel 1

Bis zu jenem Tag, an dem mein neuer Mitbewohner einzog, verlief mein Leben relativ ereignislos. Eigentlich. Ich war eine ganz normale junge Frau, die, um ihr Studium zu finanzieren, abends in einer Bar arbeiten musste.

Halt, so ganz normal war ich nicht. Seit ich mich erinnern konnte, verfolgten mich merkwürdige Träume, die absolut realistisch wirkten. Ich träumte immer wieder von einem Reich der Götter. Und von einer göttlichen Mutter, die mich dort besuchte, um mir Ratschläge zu geben, so, wie es Mütter nun mal machen. Woher diese merkwürdigen Träume kamen, hatten selbst die erfahrensten Therapeuten nie herausgefunden.

Normalerweise taten sich die meisten Menschen schon mit ihrem Glauben an einen Gott schwer. Doch in meinen Träumen gab es ein ganzes Reich voller Götter, die nichts mit den Religionen, die ich kannte, zu tun hatten. Götter, die unsere Welt als Live-Game nutzten und uns beobachteten wie eine Reality-Show. Ach ja, und wenn ich meiner angeblich göttlichen Mutter Glauben schenken würde, dann zeugten diese Götter gelegentlich Bastarde mit uns Sterblichen.

Für ein Findelkind wie mich war das natürlich eine fantastische Illusion. Vor knapp zweiundzwanzig Jahren war ich als Säugling vor dem Eingang einer Klinik in Hamburg abgelegt worden, und obwohl sich bei der üblichen ärztlichen Untersuchung herausgestellt hatte, dass ich bereits drei Monate alt sein musste, war in meinen Papieren der Fundtag als mein Geburtstag eingetragen worden. Aber darauf kam es mir nie an. Wer auch immer mich dort hingelegt hatte, hatte mich in eine seidige Decke gehüllt, auf der nur ein Wort stand: Yohna. Seither war das mein Vorname. Meinen Nachnamen, Leon, verdankte ich meinen Adoptiveltern, mit denen ich nun schon seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Die beiden hatten null Verständnis für eine pubertierende Tochter gezeigt, die ständig von Träumen und Göttern faselte.

Genauso wenig wie mein allerbester Freund Tom, der nicht müde wurde, mir diesen Götterkram immer wieder auszureden. Im Gegensatz zu mir kannte Tom zwar seine leibliche Mutter, dennoch war seine Kindheit ähnlich lieblos wie meine verlaufen. Seine Mutter vergnügte sich mit ständig wechselnden Liebhabern und kümmerte sich kaum um ihn. Trotzdem war aus ihm ein charmanter, charismatischer und äußerst fähiger Friseur geworden. Sein Talent, die Kunden zu unterhalten und ganz nebenbei mit dem neuesten Tratsch aus der Szene zu versorgen, machte ihn beinahe einmalig. Wenn er sein Geld nicht für teure Markenklamotten, Alkohol und manchmal auch Kokain verschleudern würde, hätte er ein gutes Auskommen gehabt. Tom war eben Tom, liebenswert und loyal, aber ein wenig exzentrisch. Und Tom stand nur auf Männer, was mir total lieb war, da meine letzte Beziehung mich ziemlich schmerzlich vom Traum der großen Liebe geheilt hatte.

Mit einer soliden platonischen Freundschaft, meinem Design-Studium und meinem Job war ich voll und ganz ausgelastet. Deshalb war ich überhaupt nicht begeistert, als mir Tom am Telefon verkündete, er hätte einen neuen Mitbewohner für mich gefunden und würde gleich mit ihm vorbeikommen.

Obwohl ich eigentlich einen weiblichen Untermieter suchte, war es noch zu früh am Morgen, um mich ernsthaft dagegen zu sträuben. Da Tom so begeistert klang, willigte ich ein und wollte mir den Typ zumindest ansehen. Ich hatte gerade noch Zeit, einen prüfenden Blick in den Spiegel zu werfen, als es schon klingelte.

Tom flötete sein obligatorisches »Ich bin’s« durch die Sprechanlage. Ich holte tief Luft, drückte auf den Summer und öffnete meine Wohnungstür.

Wie üblich nahm Tom immer zwei Stufen auf einmal. Er lebte auf der Überholspur, und so bewegte er sich auch. Es dauerte nicht lange, und ich konnte ihn auf der letzten Treppenwindung erkennen. Tom, der blonde Beau, der es allein seiner Jugend zu verdanken hatte, dass sein wildes Leben noch keine sichtbaren Spuren hinterlassen hatte.

Da er mich augenblicklich an seine Brust drückte und meine Wangen abknutschte, konnte ich zunächst nicht sehen, wer ihm gefolgt war. »Yo, du siehst bezaubernd aus. Das rosa Näschen steht dir, aber dein Outfit ist gelinde gesagt schlampig. Ist wohl noch ein bisschen früh für deine wahre Schönheit?«

»Altes Lästermaul.« Ich knuffte ihn freundschaftlich. »Wo ist denn nun dein Märchenprinz?«

Nach einem kurzen Blick über seine breiten Schultern entdeckte ich einen großen, dunkelhaarigen Mann und zuckte zusammen.

Himmel, dieser Mann gehörte zu denen, um die ich gerade einen großen Bogen machte. Männer, die so aussahen wie er und das auch noch wussten und ausnutzten, spielten meist in der gleichen Liga wie mein Ex. Eingebildete Kerle, die nur an sich dachten und Frauenherzen rein aus sportlichem Ehrgeiz brachen – und zwar reihenweise. Mit anderen Worten, das hier war überhaupt kein geeigneter Kandidat für meine Wohnung.

Vollkommen reglos und ganz in Schwarz gekleidet lehnte er an einer Flurwand und beobachtete uns. Als hätte er meine Gedanken gelesen, bemerkte er: »Ich suche nur eine vorübergehende Bleibe und bin bereit, die gesamte Miete der Wohnung und die Nebenkosten für drei Monate im Voraus zu bezahlen. Als Gegenleistung erwarte ich keine neugierigen Fragen und meine Ruhe. Lässt du uns erst mal reinkommen?« Er hatte eine warme Stimme und lächelte gewinnend.

»Komm, Yo, stell dich nicht quer. Er ist dein rettender Engel«, säuselte Tom und schlug seine blauen Augen verführerisch auf.

Ich murrte kurz, trat dann aber zur Seite.

»Er heißt Creihdos … mit einem ›h‹ in der Mitte«, erklärte Tom unaufgefordert und warf seinem neuen Bekannten einen bewundernden Blick zu.

Ich musterte ihn unverhohlen. Dieser Creihdos hatte nicht nur einen gewöhnungsbedürftigen Namen, er wirkte beinah unheimlich mit seinem dunklen, fellgefütterten Ledermantel und dem langen, zum Zopf gebundenen schwarzen Haarschopf.

Nachdem beide eingetreten waren, schloss ich die Wohnungstür. »Kommt erst mal mit in die Küche«, murmelte ich und überlegte mir schon, wie ich mich auf nette Weise aus der Affäre ziehen konnte.

Toms Bekannter blieb vor mir stehen und sah mir direkt in die Augen. »Ziemlich kalt hier bei dir. Hast du ein Problem mit der Heizung?« Sein Blick strahlte dabei eine betäubende Ruhe aus, und mein natürliches Misstrauen rückte in den Hintergrund, als hätte sich ein dichter Nebel darüber gelegt.

»Ich senke nur die Heizkosten, da ich eh gleich zur Uni muss. Außerdem ist das gut für die Umwelt. Ich koche uns einen heißen Tee.« Verwirrt schob ich Tom in die Küche. Das Teekochen würde mich ablenken, Creihdos’ Augen hatten wirklich etwas Hypnotisches.

Tom war schon dabei, den kleinen Küchentisch freizuräumen, als ich Teewasser aufsetzte. Creihdos lehnte sich derweil mit vor der Brust verschränkten Armen an die hintere Küchenzeile und schwieg.

Während der Tee zog, bemerkte ich die bleierne Stille. Ich drehte das Radio etwas auf und wandte mich an Tom. »Wo habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«

»In meinem Salon kurz vor Feierabend. Ich habe ihm nur die Haare gewaschen. Wir kamen ins Gespräch, und so erfuhr ich, dass er dringend ein Zimmer sucht. Ich dachte mir, es wäre einen Versuch wert.« Noch leiser fügte er hinzu. »Heute Nacht hat er bei mir gepennt. Er ist echt heiß, Yohna. Das kannst du mir glauben, ich versteh was von Männern.«

»Tom, manchmal trügt der äußere Schein, die Erfahrung hast du doch selbst schon öfter gemacht«, zischte ich fast unhörbar zurück.

Aus dem Hintergrund unterbrach die amüsierte Stimme des Fremden unser Getuschel. »Wie ich schon sagte, ich suche ein Zimmer und kein Verhältnis. Ich verspreche dir, dich nicht zu belästigen oder dir in irgendeiner anderen Weise auf die Nerven zu fallen. Ich brauche hier nur meine Ruhe, um einige Dinge zu regeln. Du wirst mich kaum bemerken. Wie viel Miete zahlst du monatlich?«

»Alles inklusive … fast fünfhundert Euro!« Ohne mit der Wimper zu zucken, übertrieb ich um satte fünfzig Euro.

»Ich zahle dir sechshundert und sorge dafür, dass dein Kühlschrank immer gut gefüllt ist.«

»Und du zahlst wirklich drei Monate im Voraus?«

Creihdos nickte. »Wenn du es wünschst, jetzt sofort.«

»Du hast das Geld bar dabei?«

Er nickte wieder.

»Aber was ist, wenn du mir doch auf die Nerven gehst? Muss ich dich dann drei Monate lang ertragen?«

»Dann gibst du mir nur die Zeit, die ich brauche, um eine neue Bleibe zu finden, und behältst den Rest. Geld ist nicht mein Problem.«

»Warum mietest du dich nicht mit der ganzen Kohle in einem teuren Hotel ein?«, fragte ich.

Hüstelnd antwortete Tom für Creihdos: »Weil er keine Papiere hat. Er ist illegal hier.«

Ich blickte den Fremden überrascht an. »Woher kommst du?«

»Ich erwähnte bereits: keine Fragen!«

»Wer sagt mir, dass du kein gesuchter Schwerverbrecher bist?«

»Ich gebe dir mein Wort darauf.«

Einen Moment zögerte ich. Mit diesem Geld könnte ich immerhin planmäßig mein Studium abschließen, weil ich dann nicht mehr so viel nebenbei arbeiten müsste. »Du lässt hier nichts rumliegen und spülst die Wanne aus, wenn du geduscht hast …?«

»Selbstverständlich.«

»Hörst keine laute Musik, wenn ich lernen muss?«

»Was immer du verlangst«, antwortete Creihdos.

»Gut, versuchen wir es. Wo sind deine Sachen?«

Mit einem lässigen Kopfnicken wies er auf eine große schwarze Ledertasche.

»Ist das alles?«, staunte ich. Wie ein Backpack-Tourist sah er nicht gerade aus, dafür war seine Kleidung entschieden zu edel, selbst sein langer Mantel wirkte wie maßgeschneidert.

Die Spur eines Lächelns zeigte sich in seinem kantigen Gesicht. »Falls du ein paar Dinge entbehren kannst, bin ich bereit, mehr zu zahlen …«

»Hm, ich habe eine alte Schaumstoffmatratze im Keller, die könntest du vorerst haben. Einen klapprigen Balkontisch mit Stuhl könnte ich dir auch abtreten … Du hast wirklich gar keine Möbel?«

»Nein, es lohnt sich nicht, ich bleibe nicht lange.«

Wollte ich überhaupt wissen, welche Geheimnisse dieser Mann hatte? Ich räusperte mich und entfernte rasch die Teebeutel, die nun eindeutig zu lange im heißen Wasser hingen.

»Gut, abgemacht. Für sechshundertfünfzig Euro im Monat kannst du auch noch andere nützliche Dinge von mir haben, wie Handtücher, Seife, Toilettenpapier, eine Bettdecke und ich vergesse all meine Fragen. Einverstanden?« Ich hatte hoch gepokert, aber ich zwang ihn schließlich nicht, hier zu wohnen.

Er bückte sich kurz, zauberte aus seiner Ledertasche vier Fünfhundert-Euro-Scheine und überreichte sie mir. »Einverstanden und vergiss nicht, keine Fragen. Die fünfzig Euro kannst du mir später rausgeben, wenn du wechseln kannst.«

Dabei blickte er mich durchdringend an. Das war es, was ihn fremdartig machte. Seine Augen, sie changierten in undefinierbaren Farben, fast wie ein Regenbogen. Sie strahlten in einer Intensität, die mir noch nie an einem anderen Menschen aufgefallen war.

Ich zwang mich zurück in die Realität und nahm die Geldscheine entgegen. Soeben hatte ich eine leicht kriminelle Ader an mir entdeckt, aber dieser Mann hatte bestimmt etwas zu verbergen. Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, sah ich die Wuchermiete als ausgleichende Gerechtigkeit an. Schließlich war mein bisheriges Leben auch nicht gerade einfach gewesen.

Doch trotz meiner Freude über die finanzielle Rettung war er mir nicht ganz geheuer. Auf was hatte ich mich da eingelassen? Ich versuchte, mich zu beruhigen. Für den Notfall hätte ich ja mein Pfefferspray. Ich könnte mich zur Wehr setzen, wenn es sein musste.

Tom räusperte sich. »Yo, ich muss in den Salon. Viel Erfolg an der Uni. Wir sehen uns dann später auf eine Haarwäsche.« Bereits im Gehen wandte er sich noch einmal meinem neuen Mitbewohner zu. »Benimm dich! Wenn ich Klagen höre, kastriere ich dich eigenhändig. Yohna ist meine beste Freundin.«

»Mach dir keine Sorgen. Deine Freundin ist bei mir sicher«, antwortete Creihdos, und es klang ehrlich.

»Tschüss, Tom, bis später«, rief ich ihm hinterher und warf einen nervösen Seitenblick auf die Küchenuhr. »Ich muss bald los zur Vorlesung. Der Professor hat mich ohnehin im Visier.« Hektisch wühlte ich in der Küchenlade und fischte einen Schlüsselbund hervor. »Das ist der Wohnungsschüssel. Der große ist für die untere Tür und der andere für die beiden Schlösser hier oben. Und dieser hier«, ich kramte einen weiteren Schlüssel hervor, »ist der Kellerschlüssel. Mein Nachname Leon steht an der Kellertür, du kannst sie nicht verfehlen. Die Haupteingangstür zum Keller lässt sich mit dem Haustürschlüssel öffnen. Ach, dabei fällt mir ein, habe ich dir überhaupt dein Zimmer gezeigt? Es ist hübsch und sehr hell mit altem Stuck aus der Gründerzeit«, plapperte ich unruhig und versuchte, Creihdos nicht erneut in die ungewöhnlichen Augen zu sehen.

»Danke, die Wohnung ist nicht groß. Ich werde zurechtkommen. Es wird vermutlich das einzig leer stehende Zimmer sein?«

»Nicht ganz, mein Mountainbike steht da noch drin. Du kannst es einfach auf den Flur schieben. Bis später … Creihdos.« Im Stillen bat ich darum, dass ich meine Entscheidung nicht bereuen würde. Unbewusst richtete ich ein Stoßgebet an die Götter, die mich seit meiner Kindheit in meinen Träumen heimsuchten.

Unsinn, es gibt keine Götter, ermahnte ich mich. Das hatte mir Tom immer wieder eingetrichtert, wenn ich von einem dieser wundervollen Träume erzählte, in denen sanfte Stimmen mich glauben ließen, dass ein schönes Leben auf mich warten würde, vorausgesetzt ich überlebte eine mysteriöse Bedrohung. Als wenn ich mich nicht täglich irgendwelchen Risiken aussetzen würde.

[home]

Kapitel 2

Nachdem ich meine letzten Vorbereitungen für die Präsentation abgeschlossen hatte, stieg ich in die U-Bahn, die mich fünf Stationen später wieder auswarf. Normalerweise vermied ich es, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Die körperliche Nähe, die zwangsläufig auf so engem Raum entstand, entsprach nicht meiner Vorstellung von Intimsphäre. Tom behauptete, ich wäre zu sensibel. Was gut war, wenn man kreativ tätig sein wollte, aber offensichtlich schlecht, wenn man in einer Großstadt überleben musste.

Als ich direkt vor der Uni stand, fühlte ich mich, als wäre ich auf dem Weg zu meiner Hinrichtung. Die permanente Finanzmisere zwang mich bisher dazu, immer so viel zu jobben, dass meine Präsentationen nur gerade eben ausreichten, um durchzukommen. Und das ließ mich Professor Gillscheck jede Woche spüren.

Für Gillscheck war ich wohl das Paradebeispiel einer faulen und untalentierten Studentin. Zum Glück gab es an dieser Uni noch ein paar andere Professoren, die im Gegensatz zu ihm an mich glaubten. Sonst wäre ich bei aller Liebe zur Kunst vermutlich längst verzweifelt.

Im großen Präsentationssaal warteten außer mir noch acht andere Kommilitonen. Ich war nur fünf Minuten zu spät. Der eher kleine Gillscheck äußerte sich gerade lobend über einen recht durchschnittlichen Entwurf zu einer fiktiven Hautcreme-Kampagne, tätschelte freundlich die Schulter des dazugehörenden Studenten und schritt die Entwürfe, die an den Präsentationswänden hingen, der Reihe nach ab.

Ich ahnte, dass er gleich seinen ganzen Unmut bei mir abladen würde. Wie jede Woche verteilte er seine Lorbeeren erst an seine Lieblingsstudenten, um danach die anderen umso heftiger zu kritisieren.

Als hätte er meine Gedanken gehört, wandte sich Gillscheck nun abrupt mir zu. Sein Blick wirkte augenblicklich kühler. Er rümpfte die Nase. »Ah, da ist ja auch das kleine Barfräulein. Wenn Sie schon so stur an Ihrem Studienplatz kleben, obwohl so viele Talente umsonst darauf warten, wäre es da nicht angebracht, pünktlich zur Vorpräsentation zu erscheinen?«

»Ähm, die U-Bahn hatte Verspätung …«

»Etwas Besseres fällt Ihnen nicht ein?«, unterbrach er mich schroff. »Ich habe schon fantasievollere Ausreden gehört. Haben Sie niemals in Erwägung gezogen, Ihren kleinen Nebenjob als Bardame zum Hauptberuf zu machen? Bei Ihrem Aussehen dürften Sie dort mehr Erfolge verzeichnen als hier bei uns. Ach, was rede ich. Hängen Sie Ihre Kampagne da hinten auf, dann werden wir sie uns später gemeinsam ansehen.« Seine Wangen hatten eine unnatürlich rote Färbung angenommen, und seine Augenlider zuckten unruhig. Keine Frage, er reagierte auf mich allergisch, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit.

Zwei erbarmungslose Stunden später fühlte ich mich zutiefst gedemütigt und wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen, doch diese Genugtuung würde ich Gillscheck niemals geben. Ich hatte meine Arbeiten pünktlich abgeliefert und damit meine Semesterarbeit erfüllt, die Zensur war doch eigentlich egal. Wer würde nach meinem Abschluss noch danach fragen? Mit etwas Glück hatte ich im nächsten Semester einen anderen Dozenten, einen, der etwas mehr Verständnis für meine Lage hatte. Zugegeben, diese Chance war sehr gering, es sei denn, Gillscheck würde einem Herzanfall erliegen.

Ich seufzte und kämpfte meine Mordgelüste erfolgreich nieder. Ich konnte keiner Fliege etwas antun. Und wenn ich ehrlich war – so ganz ungerechtfertigt war die Kritik von Gillscheck nicht. Doch seine Wortwahl war nicht zu entschuldigen. Er hatte mich bewusst verletzt, aus welchen Gründen auch immer. Es war sogar möglich, dass er glaubte, mich so zu besseren Leistungen anzutreiben. Leider fruchtete das bei mir nicht, ich war am Boden zerstört.

Als ich die Treppe zum U-Bahn-Eingang hinunterschritt, überfiel mich eine unerklärliche Unruhe, so als wäre ich in Gefahr. Vor ein paar Wochen hatte ich dieses Gefühl schon einmal gehabt, aber das war in einer einsamen Gegend gewesen und obendrein mitten in der Nacht. Jetzt hatten wir Mittag, und die Tunnel zu den Bahnsteigen wurden von vielen Lampen erleuchtet. Außerdem war ich nicht allein, um diese Tageszeit war hier genug Betrieb. Trotzdem raste mein Herz, als wäre der Teufel hinter mir her.

Alles Einbildung, versuchte ich mir einzureden und atmete erneut tief durch. Sicher nur eine Folge von Gillschecks seelischer Misshandlung. Wer sollte mich schon verfolgen? Ich bemühte mich, etwas langsamer zu gehen, mein Herz schlug jedoch immer schneller.

Endlich erreichte ich die Rolltreppe und tastete nervös nach meinem Smartphone. Mit der anderen Hand umklammerte ich das Pfefferspray. Erst dann blickte ich mich unauffällig um. Oben an der Rolltreppe entschwand gerade ein großer, dunkel gekleideter Mann. Ich riskierte noch einen Blick und versuchte, mehr zu erkennen, aber wer es auch immer war, er war weg. Nur meine unerklärliche Angst blieb bestehen.

Auf dem Bahnsteig ging ich rasch in die Richtung einiger wartender Fahrgäste. Ich wollte jetzt auf keinen Fall allein sein, am besten mit jemandem reden. Kaum stand ich nah genug bei der fröhlichen Gruppe, tippte ich Toms Nummer ein. Meine Stimme zitterte, als die Verbindung zustande kam. »Tom, hier ist Yo. Ich komme gleich vorbei. Mir geht es nicht gut. Gillscheck hat mich mal wieder fertiggemacht.«

»Klar, Yo. Komm her. Ich wasche dir höchstpersönlich deinen hübschen Kopf.« Dann hatte er schon aufgelegt. Etwas irritiert steckte ich das Smartphone weg.

Die U-Bahn fuhr quietschend ein. Als ich endlich einsteigen konnte, war ich heilfroh. Ich warf einen letzten Blick zur Rolltreppe und entdeckte fünf große Gestalten, die alle gleich beängstigend wirkten; wie eine Gang trugen alle schwarze Daunenjacken und Wollmützen. Obendrein teilten sie, soweit ich das aus der Entfernung beurteilen konnte, alle die gleiche ungesunde bleiche Gesichtsfarbe. Beängstigender war jedoch, dass sie in meine Richtung starrten – als wären sie wirklich hinter mir her. Aber warum? Nach Geld sah ich ganz bestimmt nicht aus.

Mit einem lauten Zischen schlossen sich endlich die Türen. Ich atmete erleichtert durch, ich war entkommen – fürs Erste. Eine unerklärliche Vorahnung sagte mir, dass ich diese Männer nicht zum letzten Mal sehen würde.

Auf dem Weg zum Salon nahm ich mir vor, endlich einen Selbstverteidigungskurs zu besuchen. Es wurde höchste Zeit, etwas Handfestes gegen solche Ängste zu unternehmen, wenn ich mir nicht mehr die Nächte in der Studentenkneipe um die Ohren schlagen musste.

Tom empfing mich plaudernd in seinem winzigen Salon, in dem er alleine arbeitete. »Na, ist dein neuer Untermieter nicht toll? Verdammt schade, dass er kein Interesse an mir hatte. Du musst mir von ihm erzählen, Schätzchen. Ich will alles über ihn wissen.«

Bevor ich antworten konnte, zog er mich zum Waschbecken und bog meinen Kopf sanft nach hinten. Dann gingen seine weiteren Worte im Rauschen des Wassers unter, und ich versank erneut in meine Grübeleien.

»Yo?« Tom wedelte mit einer seiner gepflegten Hände vor meinem Gesicht herum. »Ich rede mit dir, und du träumst mit offenen Augen. Bist du schon verliebt in ihn?«

Ich schreckte aus meinen Gedanken auf. »Ach, Tom. Du bist verliebt in ihn. Hör auf, mich zu verkuppeln. Er ist genau der Typ, um den ich einen weiten Bogen machen würde …«

Tom hüllte meine Haare in ein weiches Handtuch. »Komm schon, wenn du mit ihm auf einer einsamen Insel wärst …«

»… würde ich eher die Flucht durch eine haiverseuchte Bucht wagen«, unterbrach ich ihn lachend.

»Mein Gott, du scherzt.« Theatralisch riss er seine Augen auf und schaltete den Fön an. »Du musst mir unbedingt später in der Bar erzählen, woher du diese hartnäckigen Aversionen gegen echte Kerle hast. Sag schon, vielleicht hilft es auch mir? Oder hat dein zügelloser Ex dich so nachhaltig für die Männerwelt verdorben?«

Die Türglocke unterbrach unser Gespräch, kaum hatte er meine Haare leicht angetrocknet. Toms nächste Kundin trat ein. Sie begrüßten sich mit Küsschen auf die Wangen, dann wandte er sich wieder mir zu und drückte auch mir einen Kuss auf. Gleichzeitig wisperte er in mein Ohr: »Du weißt, ich liebe nur dich, Schätzchen. Bis später!«

Na toll. Ich musste grinsen, wenn das kein Gespräch unter Freunden war. Immerhin hatte Tom mich mit seiner lockeren Art abgelenkt, und ich fühlte mich etwas besser als vorher.

Ich zog meine Kapuze über und warf einen Blick auf die Armbanduhr. Fast zwei Uhr nachmittags, noch sechs Stunden bis zu meiner Schicht bei Sunny. Ich sollte nach Hause gehen, etwas essen, arbeiten und mich später aufs Ohr legen. Hoffentlich war Creihdos nicht da. Es wäre mir lieber, jetzt allein zu sein.

Ich nutzte das plötzliche Aufklaren des Wetters und spazierte durch die frostigen, aber nun sonnigen Straßen. Vom Salon bis zu meiner Wohnung benötigte ich nur knappe zehn Minuten, von dort zur Bar nicht viel länger. Eigentlich praktisch, wenn man kein Auto hatte. Um mich abzulenken, stöpselte ich mir Kopfhörer in die Ohren und regelte die Lautstärke am Handy.

Als ich vor meinem Haus stand, schaltete ich die Musik aus und blickte nachdenklich die rote Klinkerfassade empor. Was würde mich da erwarten? Da ich darauf keine Antwort hatte, schloss ich die Eingangstür auf und stieg entschlossen die drei Etagen hoch.

Nach einem vorsichtigen Schritt in meinen Flur bemerkte ich, dass meine Wohnung anders roch, irgendwie frischer. Hatte Creihdos gelüftet? Meine Zimmertür stand offen, und ein englischer Nachrichtenkanal plärrte ununterbrochen aus meinem Mini-Fernseher.

Saß er etwa in meinem Zimmer vor meinem Fernseher? Das war nicht vereinbart. Hatte dieser Mann denn keinerlei Respekt vor einem Minimum an Privatsphäre?

Noch im Türrahmen blieb ich wie angewurzelt stehen und starrte auf Creihdos, der es sich tatsächlich auf meinem Bett bequem gemacht hatte und von dort aus wie selbstverständlich mit meiner Fernbedienung durch die Nachrichtenkanäle zappte. Er lehnte lässig mit dem Oberkörper an meinem Kopfkissen, seine langen Beine waren ausgestreckt und locker übereinandergelegt. Er war barfuß, seine offenen Haare waren noch feucht, vermutlich hatte er gerade geduscht. Entspannt blickte er kurz auf und ließ den Fernseher nach einem flüchtigen Druck auf die Off-Taste verstummen.

Ich holte tief Luft, um meinen Zorn über den unbefugten Zutritt in Worte zu fassen. Sein Blick aber ließ mich den Faden verlieren, noch bevor ich einen Ton sagen konnte. Er bot einen so reizvollen Anblick, dass es mir die Sprache verschlug.

Als wenn er genau wüsste, was in meinem Kopf vorging, lächelte er entschuldigend und schwang sich von meinem Bett. »Verzeih mir mein … Eindringen in dein Zimmer, aber ich besitze ja leider keinen Fernseher. Ich habe nicht so schnell mit deiner Rückkehr gerechnet.« Seine dunkle, besänftigende Stimme hatte wieder diese ungewöhnlich beruhigende Wirkung auf mich. Sie berührte mich tiefer, als sie sollte, und mein Unmut löste sich zu meiner Verwunderung Silbe für Silbe auf.

»Ich … ich möchte nicht, dass du in meinen persönlichen Sachen herumwühlst«, brachte ich nur irritiert hervor.

»Habe ich auch nicht. Versprochen«, beteuerte er und hob seine schlanken Hände.

Ich schluckte. »Nimm den Kasten«, ich deutete verwirrt auf den kleinen Fernseher, »und stell ihn in deinem Zimmer auf. Ich sehe selten fern und leih ihn dir, solange ich ihn nicht brauche.«

»Danke. Hast du Hunger?«, fragte er und musterte mich von Kopf bis Fuß.

»Schon, aber ich war noch nicht einkaufen …«

»Aber ich. Wie du sehen wirst, halte ich mein Wort.« Creihdos kehrte mir den Rücken zu und bewegte sich so selbstverständlich in Richtung Küche, als wohnte er hier schon ewig. Ungläubig folgte ich ihm. Die Küche wirkte blitzsauber und so aufgeräumt wie noch nie zuvor – zumindest seitdem ich hier lebte. Auf dem Tisch standen frisches Brot und Früchte. Er war stilvoll für zwei Personen gedeckt. Es duftete nach frischem Kaffee.

»Was hast du vor, willst du mich doch verführen?«

Er warf mir einen knappen Blick über seine Schulter zu. »Ganz sicher nicht, wie versprochen. Betrachte es als Wiedergutmachung.«

Wie sollte ich aus diesem Mann schlau werden? Aber immerhin hatte er meinem bisher düsteren Tag eine überraschend positive Note verliehen – wenn auch anders, als ich es gedacht hätte.

Creihdos öffnete den Kühlschrank und holte Butter, Käse, Marmelade und frische Milch heraus. Irrte ich mich, oder glänzte selbst mein Kühlschrank von innen heraus? Wie hatte er es geschafft, innerhalb so kurzer Zeit meine Küche zu säubern? Hatte er eine Putzkolonne zur Unterstützung einbestellt?

Höflich zog Creihdos einen Stuhl hervor und nickte mir auffordernd zu.

»Ähm …«, brachte ich nur ratlos hervor und setzte mich hin. »Du bist irgendwie unheimlich.«

Seine Augenlider zuckten kurz, dann hob er den Kopf und sah mich direkt an. »Möglich, aber für dich bin ich keine Bedrohung. Eher so etwas wie … ein Beschützer.« Er schnitt mit einem scharfen Messer das frische Brot an.

Hatte er auch die Messer geschärft? Und was meinte er mit Beschützer? Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, Tom hatte recht. Der Mann war interessant. Seine Augen schienen bis in meine Seele blicken zu können, aber das lag vermutlich nur an der ungewöhnlichen Färbung seiner Iris. Dummerweise erinnerte Creihdos’ Art mich nach wie vor an meinen Ex – und das war nicht gut. Ich nahm mir vor, etwas umgänglicher zu sein, schließlich konnte er nichts dafür, dass Nils mich so hintergangen hatte.

Als er sich selbst eine Scheibe abgeschnitten hatte, blitzte es unter seinem geöffneten Ärmelknopf. Ein funkelndes Schmuckstück? Ich drängte mein Misstrauen beiseite, die angeborene Neugier gewann. »Was hast du da? Ein Armband?«

Er schaute mir weiter unverwandt in die Augen. »Ein Erbstück meiner Familie.«

»Darf ich es sehen?«

Für einen kurzen Moment schien es mir, als ob er zögerte. Dann jedoch sagte er ruhig: »Warum nicht.« Mit der rechten Hand schob er den Ärmel höher und drehte sein Handgelenk vor meinen Augen.

Ein vergleichbares Schmuckstück hatte ich noch nie zuvor zu sehen bekommen und erst recht nicht an einem Mann. Soweit ich erkennen konnte, handelte es sich um eine breite, flache Schlange, die sich um sein Handgelenk wand. Dort, wo ihr Schwanz und der dreieckige Kopf aufeinandertrafen, befand sich ein ovaler Stein. Das gesamte Schmuckstück war entweder aus Silber oder, so kostbar, wie es wirkte, wohl eher aus Weißgold. Die Haut der Schlange bestand aus Intarsien mit verschiedenfarbigen Edelsteinsplittern. Nur der taubeneigroße Stein, der von Kopf und Schwanz gehalten wurde, war schlicht türkisfarben und fast ebenso flach wie das Armband.

»Wow! Gibst du es mir mal?«

Er zog den Arm abrupt zurück. »Nein, der Reif ist für alle Zeiten mit mir verbunden. Du müsstest mir schon die Hand abtrennen – und glaub mir, das würde ich nicht zulassen.«

Bevor ich etwas erwidern konnte, klingelte mein Handy. Hastig hielt ich es ans Ohr.

»Tom? …. Nein, es gibt nichts Neues. …. Alles ist in Ordnung. … Mach dir keine Gedanken … Wir sehen uns später. Tschüss!«

Als ich mich wieder Creihdos zuwandte, hatte er sein Handgelenk bedeckt. Ich beschloss, einfach zu essen, und redete nur wenig. Creihdos wollte offensichtlich nichts von sich preisgeben, und ich hatte versprochen, keine Fragen zu stellen.

Kurz bevor wir fertig waren, lächelte er. »Leihst du mir dein Notebook, wenn du dich nachher schlafen legst?«

»Woher weißt du, dass ich mich schlafen legen will?« Mein Trotz verbarg nur schlecht meine Verunsicherung – es war nicht das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, er könnte tatsächlich meine Gedanken lesen. Warum sonst sollte er auf die Idee kommen, dass ich mich tagsüber ausruhen musste? So fertig konnte ich nicht aussehen.

Creihdos zuckte die Schultern und räumte den Tisch ab. »Dein Freund Tom hat mir verraten, dass du jeden Abend in einer Bar arbeitest. Was liegt da näher, als vor deiner Arbeit noch ein wenig zu schlafen?«

Also doch kein Hellseher – ich atmete tief durch. »Wenn du die Finger von meinen persönlichen Daten lässt, kein Problem. Ich habe eine Flatrate. Danke für den Brunch.« Vielleicht war der Mann doch gar nicht so übel. Womöglich bildete er ja eine löbliche Ausnahme im Club der attraktiven Männer und war nicht gleichzeitig ein eingebildeter, hormongesteuerter Hohlkopf.

Ich stand auf und wollte ihm beim Abräumen helfen, doch Creihdos schob mich sanft, aber entschieden zur Tür. »Ich mach das schneller allein. Vergiss das Notebook nicht.«

»Klar«, nuschelte ich. Hoffentlich konnte ich schlafen mit all den unbeantworteten Fragen, die durch meinen Kopf geisterten und von denen sich ungewollt einige um diesen Mann drehten. Ich betrat das Bad – und glaubte zu träumen: Selbst hier glänzten die Kacheln, und nichts lag herum außer einem frischen, sorgfältig gefalteten Badelaken. Beunruhigt warf ich einen Blick in den Wäschekorb. Hatte er etwa auch meine Wäsche gewaschen? Doch die schmutzigen T-Shirts, Jeans und Unterwäsche lagen noch unberührt in dem längst überfälligen Haufen Wäsche.

Ich schloss vorsichtshalber von innen die Badezimmertür ab und duschte. Anschließend streifte ich mir eine Jogginghose und ein sauberes T-Shirt über und schlüpfte unbemerkt in mein Zimmer. Bevor ich mich hinlegte, suchte ich nach irgendwelchen peinlichen Dateien auf meinem Notebook. Aber da war nichts wirklich Privates, und so fuhr ich beruhigt den Rechner herunter und stellte ihn vor meine Zimmertür. Himmel, was war das für ein merkwürdiger Tag.

[home]

Kapitel 3

Ich schlief wie eine Tote. Als gegen sechs Uhr abends mein Wecker klingelte, erwachte ich frisch und ausgeruht. Leise schlich ich in die Küche und kochte mir einen Kaffee. Erst als ich eine Tasse ausgetrunken hatte, bemerkte ich, dass Creihdos gar nicht da war. Zu meiner Überraschung war ich sogar etwas enttäuscht. Die Tür zu seinem Zimmer stand offen. Ich sah hinein.

Einsam ruhte mein Notebook auf der nackten Schaumstoffmatratze. Am Kopfende standen ein paar eingestaubte Altarkerzen nebst Mini-Fernseher. In dem immerhin zwanzig Quadratmeter großen Raum wirkte das alles sehr ärmlich. Dafür sechshundertfünfzig Euro Miete zu verlangen, erschien mir auf einmal ziemlich unverschämt. Ich nahm mir vor, ihm später Laken, Kissen und eine Bettdecke zu geben. Doch bis dahin stellte ich ihm noch eine meiner Topfpflanzen ins Zimmer.

Die Zeit, die mir noch blieb, beschloss ich sinnvoll zu nutzen und meine Vorlesung für morgen vorzubereiten. Anschließend machte ich mich für die Arbeit fertig und verließ die Wohnung.

Mit raschen Schritten ging ich durch die Straßen. Kurz vor der Bar spürte ich wieder diese diffuse Furcht in mir aufsteigen. Ein eisiger Schauer lief mir über die Haut. Ich drehte mich um, blickte zurück, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Trotzdem hämmerte mein Herz wie wild in meiner Brust und nahm mir die Luft zum Atmen. Ich war richtig erleichtert, als ich den Eingang zur Bar erreichte, und schlüpfte schnell in die schützende Wärme hinein.

Als Erstes begrüßte ich Sunny, meinen Chef. Er war schwer in Ordnung. Wenn irgendeiner der Gäste im Suff frech wurde, mutierte er zur Bulldogge, und derjenige bekam auf der Stelle Hausverbot. Ein weiterer Vorteil war, dass Sunny prompt nach der Schicht zahlte. So gesehen war es kein schlechter Job.

Inzwischen war es acht Uhr abends, die Bar war bereits ganz gut gefüllt. Ohne mich groß umzusehen, betrat ich den kleinen Hinterraum, band mir die schwarze Kellnerschürze um, steckte mein Handy in die Schürzentasche und schnallte mir den Gürtel mit der Geldbörse und dem abgezählten Wechselgeld um.

Heute hatte ich Tresendienst. Ich wechselte mich mit Lotta, einer anderen Studentin, ab. Lotta war nett, aber mir in all der Zeit immer fremd geblieben. Wir tratschten und lachten zusammen, doch mehr Nähe entstand nicht, es dauerte lange, bis ich jemandem vertraute.

»Hallo, Lotta, wie geht’s dir?«, begrüßte ich meine Kollegin im Vorübergehen.

»Super, Yo. Heute Abend sind interessante Gäste hier.« Sie deutete mit dem Kinn über ihre Schulter auf eine der Nischen am Fenster.

Ich zog die Stirn kraus und sah hinüber in die Ecke. Die Kuschelecke wurde heute hauptsächlich von weiblichen Gästen belagert. Nicht ganz, denn Tom war auch da und ups – ich ließ fast den Wischlappen fallen – mein neuer Mitbewohner. Offensichtlich hatte Tom ihm auch verraten, in welcher Bar ich arbeitete. Ich würde mir Tom später vorknöpfen.

»Ein Guinness, bitte!«, forderte ein Gast und lenkte so meine Aufmerksamkeit von der Gruppe weg.

Sunny half mir beim Zapfen, weil nun gleichzeitig mehrere Gäste dringend neue Getränke verlangten; der Tresen wurde regelrecht belagert. Zügig arbeiteten wir die Bestellungen ab. Es dauerte eine Weile, bis ich wieder einen Blick auf die Fensternische werfen konnte.

Creihdos war umringt von Bewunderinnen, die nicht einmal davor zurückschreckten, ihm auf den Schoß zu klettern. Eine hübsche Blonde hatte sich an seine Schulter geschmiegt und himmelte ihn an. Ich schluckte; würde eine von diesen aufdringlichen Frauen etwa in meiner Wohnung nächtigen?

Die Eingangstür zur Bar schwang auf und verdeckte die Leute in der Nische. Eisige Kälte zog herein. Ich blickte zur Tür und erstarrte.

Drei hünenhafte Männer betraten die Bar und marschierten direkt zum Tresen. Die anderen Gäste wichen ihnen aus, als hätten sie Angst vor ihnen. Alle drei trugen Wollmützen auf ihren seltsamen eiförmigen Köpfen. Ihre Gesichter waren glatt und bleich. Auf unheimliche Weise ähnelten sie einander, als wären sie miteinander verwandt.

Aber das allein war es noch nicht einmal, was mich so erschreckte. Ich hätte schwören können, dass genau diese Männer mir heute Morgen im U-Bahn-Schacht gefolgt waren. Während ich sie aus dem Augenwinkel beobachtete, glaubte ich zu sehen, wie mir einer von ihnen zuzwinkerte. Schnell blickte ich zu Sunny, dem seine neuen Gäste ebenfalls nicht entgangen waren.

»Ich bediene die Knaben, Yo. Übernimm du solange das Zapfen«, grunzte er unwillig und quetschte sich hinter dem engen Tresen an mir vorbei.

Beunruhigt sah ich zur Nische, die sich inzwischen geleert hatte. Nur noch Tom saß dort mit einem jungen Bekannten und zwei der vormals sechs schmachtenden Frauen. Creihdos, die Blonde und drei weitere Schönheiten waren verschwunden. Ich knirschte mit den Zähnen. Hatte er sie etwa alle in meine Wohnung geschleppt?

Plötzlich wurde es lauter in der Bar. Sunny und zwei der drei unheimlichen Männer standen sich gegenüber und brüllten sich an. Sunny legte einen Arm auf seinen Rücken, der gestreckte Mittelfinger seiner Hand wies Richtung Boden – das verabredete Zeichen, dass es ernst wurde und einer die Polizei verständigen sollte. Ich schlich mich unauffällig in die ruhige Ecke kurz vor der Kellertreppe, zog mein Smartphone aus der Schürze und rief die nur wenige Straßen entfernt liegende Dienststelle an. Die Beamten im Revier wussten: Wenn Sunny sie um Hilfe bat, dann nicht aus Spaß, deshalb musste ich nicht viel erklären. Erleichtert legte ich auf und drehte mich um – in diesem Moment packte einer der drei Männer mich und presste mich gegen die Wand.

»Du wirst uns nicht entkommen, Weib. Bisher haben wir euch alle irgendwann erwischt und erledigt.«

Sein brackiger Atem schlug mir ins Gesicht, aber noch schlimmer waren seine Augen: Entweder hatte der Kerl keine Pupillen, oder sie waren verschwindend klein. Kaltes Entsetzen kroch an meiner Wirbelsäule empor. In meinem Kopf rauschte es. Was er gesagt hatte, klang wie eine Morddrohung.

Ich zuckte zusammen, als er mir mit der Hand über die Wange strich. Sie war eisig und klebrig, und trotz der Kälte brannte die Haut, die er berührt hatte. Seine Zunge glitt dabei genüsslich über seine Lippen. Doch dann ließ er mich urplötzlich los, trat zurück – und ohne ein erkennbares Zeichen verließen alle drei Männer gemeinsam die Bar, so als hätten sie ihre Angelegenheit erledigt, noch bevor die Polizei eintraf.

Zittrig fasste ich mir an den Hals. Mir war schwindlig vor Angst, ich wankte hinter den schützenden Tresen. Mit letzter Kraft sah ich mich nach Sunny um, dann gaben meine Knie nach.

Sunny sprang sofort zu mir. »Alles gut, Mädchen, die Kerle sind weg. Keine Angst!« Er half mir, mich aufzusetzen. »Das nenne ich eine miese Aura. Komm, Kleines.« Vorsichtig griff er unter meine Arme und zog mich hoch.

Da Sunny vorher mit dem Rücken zu mir gestanden hatte, hatte er nicht mitbekommen, dass mich einer der Männer bedrängt hatte. Ich wollte nicht noch mehr Aufsehen erregen, deshalb schwieg ich, als er mich wie ein liebevoller Krankenpfleger durch die Bar begleitete. »Mach eine Pause. Setz dich zu Tom und trink einen Schnaps, der stärkt den Kreislauf. Ich rufe nur schnell die Polizei an, damit die nicht umsonst anrücken.«

Tom machte mir ein wenig Platz und legte seinen Arm um mich. »Mein Gott, Yo – haben dich diese Paviane so erschreckt? Oder war das ein Schwächeanfall?«

Ich schluckte schwer und schüttelte dann den Kopf. »Lass mich heute Nacht bitte nicht allein. Tom, ich glaube, ich habe diese Kerle heute schon mal gesehen. Vielleicht verfolgen die mich!«

Tom drückte mich fester an sich. »Ach Schätzchen, du liest zu viele Horrorgeschichten. Mach dir keine Sorgen. Dein Tom beschützt dich und bringt dich sicher nach Hause.«

Ich seufzte. Für ihn war alles immer nur ein großes Spiel. In einem einzigen Zug stürzte ich den doppelten Tequila herunter, den mir Sunny reichte. Er erzählte uns, dass er schon von solchen Typen gehört hätte, die abends einfach in Bars für Unruhe sorgten und da wohl Spaß dran hätten. Ich verschwieg weiterhin die bedrohliche Situation an der Kellertreppe, denn ich wollte sie nicht wahrhaben.

Einige Stunden und mehrere Drinks später war die Stimmung wieder beinahe ausgelassen. Wir waren alle erleichtert, dass die Sache nicht eskaliert war.

Es war schon vier Uhr morgens, als Sunny die letzte Runde ausgab und wir uns verabschiedeten. Langsam löste sich die kleine Gesellschaft auf. Ich stellte fest, dass ich einen Schwips hatte, als ich gemeinsam mit Tom und seiner Eroberung des Abends, einem jungen Studenten mit einem unschuldigen Gesicht und dem schlichten Namen Jan, Arm in Arm die Bar verließ.

Die frische Luft verstärkte bei mir die Wirkung des Alkohols, und ich hakte mich gut gelaunt zwischen Tom und Jan ein. Wir bogen in die nächste Straße, Tom erzählte eine lustige Anekdote, als plötzlich meine Ohren rauschten und mich Todesängste überwältigten. Ich konnte nicht mehr zuhören. Angespannt richtete ich meinen Blick auf die finstere Straße, die verlassen und abgeschieden zwischen einer riesigen Baustelle und alten Fabrikhallen lag. Es war still, fast zu still.

Unwillkürlich drückte ich Toms Arm fester und achtete dabei bewusst darauf, ruhig zu atmen. Allein und nüchtern hätte ich nie diese Abkürzung genommen, dazu war es hier einfach zu einsam. Verunsichert warf ich einen Blick auf Tom, der gerade lauthals über einen seiner eigenen Witze lachte. Jan stimmte fröhlich ins Gelächter ein. Alles ist gut, redete ich mir ein und machte den Tequila, die kühle Luft und den Schreck am Anfang des Abends für diese Panikattacke verantwortlich. Ich straffte meinen Rücken und rang mir ein Lächeln ab.

Wir kamen nicht weit. Konturlose Schatten schienen von allen Seiten auf uns zuzukommen. Mein Herz raste, während viele Stiefelschritte in einem gleichförmigen Rhythmus auf den Asphalt trafen. Wir drei blieben wie erstarrt stehen.

»Das sind mindestens zehn«, zischte Tom durch seine aufeinandergepressten Zähne.

Ich schlotterte am ganzen Körper. Es war schlagartig noch kälter geworden. Was wollten die von uns? Die schwarz gekleideten Männer, die uns nun einkreisten, sahen den drei Hünen aus der Bar merkwürdig ähnlich.

Panisch suchte ich nach einer Fluchtmöglichkeit und warf dabei einen kurzen Blick auf die parkenden Autos. Es schien, als würden sich vor meinen Augen Eisblumen auf den Scheiben der Fahrzeuge bilden. Rasch blickte ich wieder den dunklen Männern entgegen. Sie waren nicht mehr weit entfernt, und niemand war in der Nähe, um uns zu helfen.

Tom quetschte schmerzhaft meinen Arm und zischte fast unhörbar: »Wenn ich ‚Los‘ sage, rennen wir und drehen uns nicht um – direkt zur Polizeiwache, dorthin werden sie uns nicht folgen.«

»Wie sollen wir denn hier durchkommen? Wir sind umzingelt!« Ich konnte kaum klar sprechen, da meine Zähne vor Angst und Kälte heftig aufeinanderschlugen.

Tom kam nicht mehr zum Antworten, plötzlich sprang ein weiterer Mann lautlos vor unsere Füße. Ich traute meinen Augen kaum, der Mann hielt zwei lange Schwerter in der Hand und schwenkte sie kreisend über seinem Kopf. Dann ließ er eines davon nach vorne schnellen und schlug damit den ersten Verfolger auf Höhe seines Bauches in zwei Teile. Starr vor Entsetzen beobachteten wir ihn. Das musste ein Albtraum sein, sicher würde ich gleich schreiend erwachen.

Bevor irgendeiner der Gang reagieren konnte, schleuderte der Fremde sein zweites Schwert mit tödlicher Präzision in den Hals des nächsten Mannes, sprang hinzu, zog es heraus und köpfte gleichzeitig mit dem ersten Schwert den dritten Gegner.

Die Letzten der Gang flüchteten so schnell, als könnten sie sich in Luft auflösen. Von einer Sekunde auf die Nächste waren sie nicht mehr zu sehen. Der dunkle Schwertkämpfer beendete seinen todbringenden Tanz und drehte sich zu uns um.

Vor uns stand Creihdos und steckte ungerührt seine zwei blutigen Schwerter in die Innenseiten seines langen Mantels. Seine schwarzen Haare waren offen und fielen ihm bis über die Schultern. Im schwachen Licht der Laterne erkannte ich, dass er kein Hemd unter dem Mantel trug, von seiner Hose waren nicht alle Knöpfe geschlossen, und von den Stiefeln fehlte jede Spur. Wo kam er so plötzlich her? Woher hatte Creihdos die Schwerter? Und wieso hatte er diese Männer einfach getötet?

Creihdos stellte sich direkt vor uns hin. »Seht mir in die Augen und versucht euch zu entspannen. Die Gefahr ist vorbei …« Er murmelte noch weitere beruhigende Sätze, dabei schienen seine Augen von innen zu leuchten. Ich konnte plötzlich spüren, wie meine Ängste sich auflösten. Benommen schüttelte ich den Kopf.

»Wir müssen sie verbrennen«, sagte er mit einem Blick auf die Leichen. »Es sind keine menschlichen Wesen. Wir können niemandem erklären, wer sie sind. Sie müssen spurlos verschwinden. Da vorn ist ein verlassener Hinterhof, gut verborgen zwischen den alten Industriegebäuden. Schleppt ihre Körperteile dorthin. Ich werde euch später alles erklären.«

Verwundert beobachtete ich, wie Tom und Jan nach nur kurzem Zögern die Überreste davonschleppten. Dabei bewegten sie sich wie Marionetten und schienen total unbeeindruckt zu sein.

Ich starrte Creihdos benommen an. »Was hast du getan?«

»Keine Sorge, den beiden geht es gut. Jetzt ist keine Zeit für Panikattacken. Ich habe euch ein bisschen … beruhigt.«

»Wer war …?«

Er packte meinen Arm und nahm mich fast ein bisschen grob zur Seite. »Das waren Nexuss, die solche … Wesen wie dich entführen und vernichten wollen. Ich musste sie töten, sonst hätten sie dich mitgenommen und deine Freunde ermordet.« Creihdos horchte in die Nacht hinein. »Leider sind einige entkommen – das gefällt mir nicht.«

Immer noch etwas betäubt sah ich, wie er mit dem nackten Fuß den Kopf des einen Mannes drehte, sich kurz bückte, mit einem Stock den Mund des Toten öffnete. Dann zog er mich näher heran. »Siehst du diese Zähne? Das sind keine Menschen!«

Fassungslos blickte ich in den Mund der Leiche. Die Zähne waren offenbar alle abgefeilt, und er hatte sehr viele, aber noch schlimmer war, dass sie in mehreren Reihen hintereinander lagen. Wie bei einem Haifisch.

Ich holte tief Luft. »Kannst du mir sagen, was hier …«

»Ich sagte doch, ich bin dein Beschützer.« Creihdos schnaufte ungeduldig. »In der Bar warst du sicher, die Nexuss greifen nur aus dem Hinterhalt an. Sie können es ebenso wenig wie wir riskieren, entdeckt zu werden.« Dann fügte er leiser hinzu: »Ich wusste, dass ich rechtzeitig hier sein würde.«

»Rechtzeitig?« Ich schüttelte den Kopf. Das alles war einfach vollkommen unmöglich. Es war schlimmer als meine furchtbarsten Albträume. Ich holte noch einmal tief Luft und versuchte, mich auf etwas anderes zu konzentrieren.

»Warst du in meiner Wohnung?«

Creihdos verdrehte die Augen. »Nein. Ich war woanders. Und jetzt hilf mir, die letzten Spuren zu beseitigen!«

Ich blieb regungslos stehen. »Wer zum Teufel bist du?«

Er blickte auf und wischte sich mit blutverschmierten Händen die Haare aus dem Gesicht. »Creihdos, dein neuer Mitbewohner und … dein Beschützer!«

Ich schloss die Augen. Wann würde ich aus diesem entsetzlichen Traum erwachen?

[home]

Kapitel 4

Weißhäutige Männer mit Wollmützen jagen mich durch die ganze Stadt. Immer wieder kommen sie mir so nah, dass ich schon ihren fauligen Atem riechen kann, aber ich habe Glück und entwische ihnen. Einer packt mich plötzlich am Arm, ich ringe mit ihm, zerre, schreie … und schreie …

Als ich mich endlich aus der Umklammerung des Traumes befreien konnte und meine Augen aufschlug, bemerkte ich, dass mir die Sonne ins Gesicht schien.

Merkwürdig, wenn ich mich sonst nach dem Dienst in der Bar schlafen legte, zog ich gewöhnlich die Vorhänge zu. Aber das war noch nicht alles, ich war anscheinend in meiner Jeans und meinem dicken Pullover eingeschlafen. Noch etwas benommen setzte ich mich auf und berührte dabei einen neben mir liegenden Körper. Ich zuckte heftig zusammen.

Creihdos … allmählich kam die Erinnerung wieder: Er hatte mich, Tom und einen Bekannten gerettet. Oder hatte ich alles nur geträumt? Was hatte er mir erzählt? Einzelne Worte schwirrten durch meinen Kopf. Fremde Wesen, Schwerter, Tod. Ich presste beide Hände an die Schläfen und atmete durch. Was war hier eigentlich los? Vorsichtig tastete ich nach seinem Arm, um ihn zu wecken.

Mit einer einzigen schwungvollen Bewegung drehte sich Creihdos um, packte mit geschlossenen Augen meine Handgelenke und drückte beide gewaltsam über meinen Kopf, während sein Körper mich auf die Matratze presste. Das Ganze ging so schnell, dass ich mich nicht wehren konnte. Er öffnete die Augen und starrte mich verwirrt an. Als ein langsames Erkennen in seinen noch schläfrigen Blick trat, löste er seinen festen Griff und ließ mich frei.

»Es tut mir leid, entschuldige bitte. Ein Reflex – ich …«

»Schon gut«, unterbrach ich ihn und versuchte, ihn von mir herunterzuschieben. Eigentlich war es eine ziemlich verlockende Position, in der wir uns befanden, aber dann musste ich an die Frauen denken, die gestern mit ihm ein paar Stunden verbracht hatten. War er so göttlich im Bett, wie seine äußere Erscheinung vermuten ließ? Wütend wischte ich diese Gedanken beiseite, während sich Creihdos seitlich von mir herunterrollen ließ. Endlich von seinem Gewicht befreit, setzte ich mich auf. »Das ist mein Zimmer und mein Bett. Was hast du hier verloren?«

Creihdos blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Auf meiner dünnen Matratze schläft Tom mit seiner neuen Liebe. Nach unserem kleinen Abenteuer wollten die zwei nicht allein durch die Nacht streifen. Ich habe mir erlaubt, sie einzuladen. Schließlich ist er dein Freund, oder?«

»Du hättest den Fußboden nehmen oder zu deinen Eroberungen von letzter Nacht zurückkehren können.«

»Für die Höhe der Miete war mir der Fußboden zu schäbig. Wo liegt dein Problem? Ich habe dich nicht angefasst, du hast bis eben nicht einmal bemerkt, dass ich an deiner Seite geschlafen habe.«

Ich verdrehte genervt die Augen. »Mein größtes Problem ist, dass ich nicht verstehe, was heute Nacht da draußen passiert ist …«

Creihdos schüttelte den Kopf und unterbrach mich. »Ich werde dir alles erklären. Aber jetzt sollten wir hier langsam weg. Die Nexuss suchen bald nicht nur nach dir, sondern auch nach Tom, Jan und mir.«

Nexuss … da war dieses Wort wieder! Meine Nackenhaare richteten sich steil auf.

»Dein Leben, kleine Heilige, wird sich von heute an vollständig ändern.« Creihdos zog sich sein Hemd über.

»Ich bin keine ›kleine Heilige‘«,‹ knurrte ich. »Ich werde jetzt duschen und dann zur Uni fahren. Wenn ich keine glaubwürdigen Antworten erhalte, verläuft mein Leben wie gehabt.«

Überraschend schnell stand er vor mir, nahm mein Kinn in seine Hand und sah mir beinahe drohend in die Augen. »Wenn dir dein Leben lieb ist, packst du jetzt ein, was dir wichtig ist. Aber nicht mehr als eine Reisetasche. Ich wecke inzwischen Tom und Jan, denn bedauerlicherweise ändert sich auch deren Leben von heute an. Sie werden uns begleiten müssen …«

Ich schnappte nach Luft. »Spinnst du? Du kannst nicht so einfach über uns bestimmen, schon gar nicht ohne eine Erklärung. Lass mich los und verschwinde! Wir kommen auch ohne deine ganzen Hirngespinste klar.«

Ein bitteres Lächeln teilte seine Lippen. »Ach, ja? Dann sieh mal aus dem Fenster, aber schön vorsichtig.«

Was wollte er von mir? Ich stand auf und ging zum Fenster. Dabei spürte ich Creihdos’ Blick in meinem Rücken brennen. Ich stellte mich direkt hinter den Vorhang, der wie ein schmaler Streifen an der Fensterseite hing und so meinen Körper verbarg. Doch ich konnte beim besten Willen nichts Auffälliges entdecken. Nur ein paar ganz normale Leute, die sonst auch um die Mittagszeit herumliefen. Ich stöhnte genervt. In diesem Moment blieb mein Blick gegenüber am Fenster des Cafés hängen. Obwohl das Glas durch die Spiegelung der Sonne fast undurchsichtig war, erkannte ich deutlich die dunklen Gestalten. Ich hob meinen Blick und zuckte zusammen – auch direkt gegenüber in der Wohnung, in der eigentlich eine freundliche alte Dame lebte, lehnte seitlich am Balkonfenster ein weiterer dieser düsteren Männer, deutlich erkennbar an seiner Wollmütze.

»Verdammt«, entfuhr es mir, »was sind das für Freaks? Was wollen die von mir? Creihdos, erklär mir endlich, was hier gespielt wird!«

Creihdos’ Miene zeigte so etwas wie Mitgefühl und einen weiteren Ausdruck, den ich nicht deuten konnte. Er trat näher zu mir. »Vertrau mir, Yohna.« Dann hob er seine Hand und fuhr ganz leicht mit der Fingerspitze über meine fest aufeinandergepressten Lippen, als Nächstes erstickte sein Mund unerwartet jede weitere Frage.

Ich erstarrte – äußerlich, doch innerlich geschah das Gegenteil. Jede Bewegung seiner Zunge löste ein Brennen in meinem Körper aus, jede einzelne meiner Millionen Nervenzellen schien in Flammen zu stehen. Nie zuvor war ich so geküsst worden. Am liebsten wäre ich einfach in seine Arme gesunken.

Doch genau in diesem Augenblick fielen mir die anderen Frauen und mein Ex-Freund, Nils, wieder ein. Mit einem Ruck löste ich mich von ihm und stieß ihn von mir weg. Dabei beobachtete ich, wie seine Iris in Windeseile alle Farben des Spektrums zu durchlaufen schien.

Abrupt wandte er sich ab und packte einfach seine Sachen weiter. »Das war ein Fehler und wird ganz sicher nicht wieder vorkommen.«

Ich war verwirrt – und sauer. Dieser Mann berührte etwas in meinem Innern, vor dem ich lieber davonrennen wollte. »Haben dir die vier anderen gestern nicht gereicht?«, zischte ich.

Ohne von seiner Tasche aufzuschauen, antwortete er ruhig: »Ich habe keine der Frauen geküsst. Gefühle und Küsse sind nichts für mich.«

»Ach ja?« Ich merkte, wie meine Hände zu zittern begannen. »Und das waren eben keine Gefühle? War das kein Kuss?«

Er hob den Kopf und schaute mich an. »Pack jetzt deine Sachen und vergiss diesen Vorfall. Deine anderen Fragen beantworte ich dir, wenn wir in unserem sicheren Quartier sind.« Ohne ein Zeichen von Unruhe schnürte er seinen Lederbeutel und beachtete mich nicht weiter.

Ich explodierte. »Wer hat dich geschickt? Wer sind diese Wollmützen oder Nexuss? Warum verfolgen sie mich? Verdammt, Creihdos, ich drehe durch, wenn du mir jetzt nicht sofort etwas erzählst …«

Hinter uns öffnete sich leise die Tür, Tom und Jan kamen herein. Tom räusperte sich. »Wenn Jan und ich nicht gleichzeitig einen äußerst miesen Traum hatten, dann haben wir gestern Nacht Leichen von Männern verbrannt, die du kurz davor einfach mit verflucht scharfen Schwertern halbiert hast. Erstaunlicherweise sind wir nur halb so traumatisiert, wie wir sein müssten, trotzdem wüssten wir auch gern, was hier abgeht.«

Ungerührt zog sich Creihdos seinen Mantel über. »Wenn euch euer Leben lieb ist, dann schnappt euch eure Sachen, wir nehmen den Hinterausgang.«

Er schulterte seine Tasche und blickte uns an. »Yohna ist nicht von dieser Welt. Die Nexuss brauchen Wesen wie sie, um sich fortpflanzen zu können. Leider seid ihr zwei nun auch in Lebensgefahr. Seit dem Überfall haben sie eure mentale Spur. Die Nexuss verfügen über eine Art kollektiven Verstand. Auf diese Weise finden sie euch überall. Ohne meine Hilfe könnt ihr nicht entkommen. Vertraut mir. Sie müssen eure mentale Fährte erst verlieren, dann habt ihr die Möglichkeit, vielleicht in euer altes Leben zurückzukehren. Bis dahin ist unser Wissen über die Nexuss der einzige Weg, euer Überleben zu sichern. Ob ihr es nun wollt oder nicht, ihr müsst erst mal mitkommen.«

»Wo gehen wir hin? Wie kommen wir hier unbemerkt raus?«, stammelte ich und spürte, wie sich mein Zorn allmählich in nackte Angst verwandelte. Ich war wie gelähmt. Langsam dämmerte mir, dass meine verletzten Gefühle hier noch das kleinste Problem waren.

Creihdos’ Augen funkelten. »Nehmt nur das Notwendigste mit, dort, wo wir hingehen, gibt es alles, was ihr braucht. Aber bitte beeilt euch jetzt!«

Tom seufzte und sagte zu mir: »Ich weiß zwar auch nicht, was los ist, aber das gestern Nacht war kein Spaß. Yo, dein Mitbewohner hat uns die Ärsche gerettet. Damit hat er einen Vertrauensvorschuss verdient. Ich hole unsere Jacken.«

»Wie kannst du das alles nur so leicht nehmen?«, rief ich ihm resigniert hinterher. Mir lief eine Träne über die Wange.

Creihdos trat auf mich zu und berührte sanft meine Hand. »Tom und Jan stehen noch unter meinen Einfluss. Das lässt aber bald nach. Wie gesagt, eine Panik hilft uns jetzt nicht weiter. Leider hatte diese kleine Suggestion auf dich nicht dieselbe Wirkung.« Er seufzte. »Yohna, mach dir keine Sorgen, unsere Reise dauert nicht lang. Wir müssen eine Zeit lang verschwinden, nur so können wir sie abhängen. Von dort, wo wir ankommen werden, können wir alles regeln. Wir werden uns um eure Jobs und eure Miete kümmern. Ihr müsst euch darum keine Gedanken machen.«

Ich sog scharf den Atem ein und blickte mich hilflos in meinem Zimmer um. Was sollte ich mitnehmen? Was war mir wichtig? Was brauchte ich dort? Wo auch immer es hingehen sollte … meine Lippen zuckten nervös. Mein Mund war trocken. Ich nahm meine geräumige Sporttasche, warf ein paar Klamotten, meine wichtigsten Papiere und mein Smartphone hinein.

Tom war schon zurück und hielt Jan die Jacke hin, als Creihdos den Kopf hob. Er schloss einen Moment lang die Augen – es schien, als ob er in die Stille lauschen würde. »Wir haben keine Zeit mehr. Ich spüre, dass sie sich sammeln. Wir müssen jetzt gehen.« Er packte meinen Arm fester und zog mich näher zu sich. »Tom und Jan, kommt her. Ihr müsst mich berühren und dürft unter keinen Umständen loslassen, was auch immer geschieht, bis wir angekommen sind.«

Widerwillig legte ich ihm die Hand auf den Arm. Nach einem kurzen Zögern berührten auch Tom und Jan seine Schulter. Was hatte er vor? Wollte er uns wegbeamen?

Creihdos schob seinen linken Mantelärmel hoch und schloss die Augen. Sein Gesicht entspannte sich, als würde er meditieren. Dabei berührte sein rechter Zeigefinger seinen ungewöhnlichen Armreif. Mit der Fingerkuppe fuhr er über die glatte Fläche des eiförmigen Edelsteines, als ob er darauf zeichnen würde. In dem Moment, als er seine Bewegung abgeschlossen hatte, flimmerte das Zimmer vor meinen Augen. Ich glaubte, das Bewusstsein zu verlieren, grelle Farben und Funken wirbelten um mich herum. Mir wurde speiübel, als ich mich wie ein rasender Kreisel um die eigene Achse drehte. Ängstlich klammerte ich mich an Creihdos, schloss die Augen und fiel ins Bodenlose.

[home]

Kapitel 5

Erst als ich wieder festen Grund unter meinen Füßen spürte, wagte ich, die Augen zu öffnen. Warme, feuchte Luft hüllte mich ein. Ein würziger Duft, eine berauschende Mischung aus Pflanzen, Blumen und Gewürzen stieg mir in die Nase. Noch ganz schwindlig versuchte ich zu erkennen, wo ich mich befand. Dabei grub sich meine Hand verzweifelt in den mantelumhüllten Arm, an dem ich mich immer noch festhielt.

Toms vertraute Stimme holte mich in die Realität. »What the fuck? Das ist unmöglich. Wo … sind wir?«

Wir standen alle vier auf einer weißen Steinterrasse in der gleißenden Sonne, umringt von tropischer Vegetation.

Die drückende Wärme nahm mir fast den Atem; ich blickte mich um. Ein farbenprächtiger, exotischer Garten, der von einem begnadeten Gartenarchitekten angelegt worden sein musste, umschloss die Terrasse so weit, wie mein Blick reichte. Kleine, geflieste Steinpfade formten Wege in der wuchernden Natur und führten zu einer weißen Villa, die in der Mitte dieser Pracht stand. Ich entdeckte einen leise plätschernden Springbrunnen und ein kleines Tee-Häuschen, das einem asiatischen Tempel ähnelte. Einige buddhistische Skulpturen zierten den Garten wie i-Tüpfelchen, dazwischen bogen sich majestätisch hohe Palmen in der warmen Brise. Am äußersten Ende des Gartens lag nur noch dichtes Grün. Ein Regenwald? Leise rauschten die Blätter, und einige Affen kreischten.

Ich war so versunken in diese neue Umgebung, dass ich zusammenzuckte, als plötzlich neben mir Creihdos’ Stimme erklang. »Willkommen in unserem Quartier. Hier sind wir vorerst sicher. Ihr könnt mich gerne loslassen.«

Schnell zog ich meine Hand zurück und bemerkte im selben Augenblick eine junge Frau, die auf uns zugelaufen kam. Als sie uns erreichte, fiel sie Creihdos lachend in die Arme.

»Da bist du ja endlich«, sagte sie, bevor sie mir einen fragenden Blick zuwarf. »Neriboh ist bei Symbihos, er kommt erst morgen wieder. Ist sie das?«

Creihdos hielt die fremde Frau liebevoll, beinah sehnsüchtig in den Armen. Erst nach einer kleinen Ewigkeit antwortete er mit rauer, leiser Stimme. »Mira, ich habe dich vermisst. Ja, das ist Yohna. Sei vorsichtig, sie ist bissig.«