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Vor dem Genetik-Labor hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Sie waren Tierschützer und fanden es falsch, Tiere für Versuchszwecke zu missbrauchen. Die Rädelsführerin hielt sich ein Megafon vor dem Mund, um auch die letzten Reihen mit ihrer Botschaft zu erreichen. "Es kann nicht sein, dass man Tiere in Käfigen hält. Sie mit Elektroschocks und Psychopharmaka zu dröhnt, an ihrer Genetik Gott spielt und damit ungeschoren davonkommt. Ich sage: Nein. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir werden hier so lange ausharren, bis diese Unmenschen einsehen, dass ihre Vorgehensweise falsch ist." Die Rädelsführerin entdeckte eine Ratte, die um ihre Füße lief. Sie hob sie hoch und zeigte sie der Menge. "Seht her! Durch unsere Proteste sind sie unaufmerksam geworden. Dieses kleine, mutige Kerlchen hier, ist ihren Klauen und somit ihren Machenschaften entkommen, durch unser Zutun. Ihr seht, wir können etwas bewirken." Plötzlich durchzuckte die Rädelsführerin ein brennender Schmerz. Vor Schreck ließ sie die Ratte los. Sie sah auf ihre Fingerspitzen. Die Ratte hatte sie gebissen. In ihr kam etwas hoch, was sie noch nie gespürt hatte. Etwas das alles verdrängte. Ihre Erinnerungen. Ihre Menschlichkeit. Ihre Emotionen. Sie konnte an nichts anderes denken, als daran Menschenfleisch zu fressen. Selbst ihre Rede war vergessen. Die Rädelsführerin stürzte sich auf den ersten Menschen, der vor ihr stand. Der Mann kippte um und sah noch, wie man begann in seinen Eingeweiden zu wühlen. Die Menschenmenge spürte, dass etwas nicht stimmte. Sie ließen alles stehen und liegen. Panisch flohen sie nach allen Seiten. Als vom Mann nur noch die letzten Überreste geblieben waren, sah die ehemalige Rädelsführerin, dass in der Panik einige Menschen zu Tode getrampelt worden waren. Genüsslich machte sie sich über die Leichen her...
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Seitenzahl: 343
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Cora Bullinger
Zehn gruselige Fantasy-Kurzgeschichten
Inhaltsverzeichnis
Story 1: Der Wanderer
Story 2: Der schwarze Turm
Story 3: Menschenfleisch
Story 4: Kreaturen der Finsternis
Story 5: Niemand kehrt zurück
Story 6: Trauma
Story 7: Engelsviech
Story 8: Der Kriegerkönig
Story 9: Die Tochter des Kopfgeldjägers
Story 10: Tyler, der Teufel
Impressum
STORY 1: Der Wanderer
Ein einsamer Wanderer machte sich auf das Moor zu durchschreiten, vor dem ihn alle gewarnt hatten. Es sei gefährlich. Doch der Wanderer gab nichts darauf. Es lag auf seinen Weg und er war schon so weit gegangen, dass er keine Räuber oder Banditen mehr scheute. Dunstschwaden waberten durch das Moor. Man konnte nicht mehr, als zwei Meter sehen. Der Weg war nichts weiter als feuchte, mit Moos bewachsene Erde. Ein falscher Schritt und es war aus mit ihm. Das Moor hatte schon etliche Wanderer verschluckt. Die Legende besagte, dass hier einst eine ungeheure Schlacht getobt haben solle. Das Blut habe dann den Boden aufgeweicht und dieses Moor geschaffen. Die Seelen der Gefallenen sollten keinen Frieden finden können. Jeder der das Moor durchquerte war ein schreckliches Schicksal vorhergesagt. Ertränkt von den Toten, gesellte man sich schlussendlich zu ihnen und zog weitere Menschen in die Abgründe des Moors. Aber der Wanderer glaubte nicht daran. Ruhig schritt er durch das Moor. Das saugende Geräusch des Schlamms begleitete seine Schritte. Die Bäume waren karg und verkümmert. Leise säuselte der Wind durch die Stille. Er klang wie das wispern von hundert Stimmen, die lockten. Sie lockten den Wanderer zu ihnen zu kommen. Einer von ihnen zu werden. Doch der Wanderer ignorierte sie. Er schob es auf seine Einbildungskraft. Das Wispern wurde eindringlicher. Der Wanderer beschleunigte seine Schritte. Er stolperte und fiel der Länge nach hin. Ihn mit Flüchen und Verwünschungen überschüttend schaute er sich den Ast genauer an. Nur um festzustellen, dass es kein Ast war, sondern der Arm eines Skeletts. Erschrocken machte der Wanderer einen Schritt nach hinten. Panisch und orientierungslos sah er sich um. Er wusste weder woher er gekommen war, noch wohin er gehen sollte. So setzte er seinen Weg fort. Alles war besser, als hier zu verweilen. Das brackige Wasser des Moors begann zu blubbern. Körper entstiegen ihm. Verwesend und mit Moosbewachsen wollten sie den Wanderer zwingen einer von ihnen zu werden. Panisch rannte er davon. Er wollte nicht wie sie sein. Doch so schnell er auch rannte, die Toten folgten ihm, wie die Schatten einer bösen Erinnerung. Die Bäume schienen ihn aufhalten zu wollen. Ihre Zweige zerrten an seiner Kleidung. Die Luft wurde wie Blei. Das Atmen fiel schwer. Der Boden wurde nachgiebig wie Sand. Es wurde immer schwieriger sich die Verfolger vom Leib zu halten. Er wollte nicht wie sie sein. Er wollte sich von ihnen unterscheiden, anders sein. Doch alles schien ihn davon abhalten zu wollen. Schlussendlich versagte ihm sogar der Körper seinen Dienst. Die Seele des Wanderers aber war immer noch stählern und unnachgiebig. Kriechend floh er weiter. Trotz der Schwierigkeiten setzte er seinen Weg fort. Er zuckte zusammen, als ein paar glitschige Arme ihn am Knöchel packten und fortzogen, zu den anderen. Mit letzter Kraft trat er gegen die Arme und krallte die seinen in den weichen Boden des Moors. Man zog ihn unwiderruflich ins dunkle Wasser des Moors. Schreiend krallte er sich an die Kante des Ufers. Schreiend ging er unter. Als er Unterwasser war, kamen nur noch ein paar Luftbläschen an die Wasseroberfläche. Kurz darauf war alles wieder still. Als wäre das Schauspiel nichts weiter als eine Einbildung gewesen. Prustend durchbrach der Wanderer die Oberfläche des Moors. Mit letzter Kraft versuchte er sich ans rettende Ufer zu bringen. Nie gekannter Ekel übermannte ihn, als die verwesten Hände die Oberfläche durchbrachen, ihn am Kopf packten und versuchten ihn auf den Grund des Moores zu zerren. Der Wanderer wusste, wäre er erst auf dem Grunde des verfluchten Moors, so würden er und seine Taten der ewigen Vergessenheit anheimfallen. Doch nichts in der Welt konnte den Wanderer vor diesem Schicksal bewahren. Er verschwand im Moor und geriet in Vergessenheit. Verdammt wie die anderen, würde er jeden ins Moor zerren und ihn sein eigenes qualvolles Dasein aufzwingen.
STORY 2: Der schwarze Turm
Corgos stand vor der mittelalterlichen Stadt. Sein irres Lächeln entblößten mehrere Reihen haifischartiger Reißzähne. Über seinem Haupt, dessen Haare wie wilde Flammen wirbelten, schwebte ein Wirbelsturm aus schwarzen Federn. Die Raben, die über ihm seine Bahnen zogen wussten, solange sie in seiner Nähe blieben, würden sie niemals Hunger leiden. Seine hagere, leichenblasse Gestalt mit ihren schwarzen Lumpen täuschte über seine wahre Kraft hinweg. Er hielt sein gewaltiges Breitschwert Caedes locker in der, mit schwarzen Krallen bewehrte, Hand. Im Schwert waren Runen alter Macht geschmiedet worden, die zu jeder Zeit Blut absonderten. Die Blutspur, die dieses Schwert hinter sich herzog, war beachtlich und machte jede verdeckte Aktion oder Flucht unmöglich, aber Corgos machte sich eh nichts aus Versteckspielchen. Seine blutrot glühenden Augen mit ihren geschlitzten Pupillen überflogen die Stadt. Das was bei den Menschen weiß war, war in seinen Augen tiefschwarz. Von der Stadt, die vor wenigen Tagen noch hier gestanden hatte, war nichts übrig geblieben. Jetzt waren es nur noch brennende Ruinen, in denen unmenschliche Schatten hin und her huschten. Ein schwarzer Turm ragte in den Nachthimmel und wurde von der brennenden Stadt beleuchtet. Das prasseln der Flammen mischte sich mit den unmenschlichen Lauten der Wesen in den Ruinen und ergab eine Melodie, die Corgos zugespitzten Ohren freudig hörten und ihn magisch anzog. Seine Befehle waren eindeutig. Die Anführer der Dämonen finden und töten. Sollte sich ihm irgend jemand oder etwas in den Weg stellen, würde er es vernichten. Er allein war geschickt worden, um diese blutige Tat zu vollbringen. Keiner der ihn je begleitet hatte, hielt es lange genug mit ihm aus. Entweder machten sie sich aus Angst vor Corgos in die Hose oder seine eigene Grausamkeit trieb sie in den Wahnsinn. Er ging gemessenen Schrittes durch das brennende Inferno. Seine Füße hinterließen abdrücke in den mit Asche bedeckten Boden. Nicht nur die Flammen mieden seine Gegenwart, sondern auch die Wesen in den Ruinen. Corgos spürte, wie seine von ihm ausgehende Angst ihre Kehlen zuschnürten. Obwohl in ihm eine gewaltige Mordlust brodelte, dachte er nicht daran, die Wesen zu töten. Sie würden nur fliehen und das wollte Corgos nicht. Er wollte einen Kampf. Jemand der ihm die Stirn bot, statt zu fliehen. Ein mutiger Schritt aus den Ruinen. Es war ein hünenhaftes Wesen, mit Bergen aus Muskeln. Seine Haut war rotbraun. Die Hauer leicht gelblich verfärbt. Aus seinen Handgelenken wuchsen keilartige Knochen. „Ich habe viel von dir gehört, Todesengel.“, wisperte das Ungeheuer, ohne die Lippen zu bewegen. Ein bedrohliches Knurren war das Einzige was seiner Kehle entstieg. „Telepathie, wie interessant.“, bemerkte Corgos. Das Lächeln wich nicht aus seinem Gesicht. Das Ungeheuer schien die anderen Wesen dazu zu motivieren sich ebenfalls zu zeigen. Im Schatten der Flammen und flimmern der Luft waren jedoch keine Details von ihnen zu erkennen. Der mutige verlor keine weiteren Worte und preschte mit geballter Macht vor. Den keilartigen Auswuchs hoch erhoben. Corgos bewegte sich keinen Millimeter, selbst als der Keil seinen Rumpf durchbohrte, bewegte er sich kein Stückchen, stattdessen lachte er nur. „Warum lachst du? Nicht einmal du würdest über deinen eigenen Tod lachen.“, zischte die Stimme in seinem Kopf. „Ich habe schon lange keinen solchen Spaß mehr gehabt.“, mit diesen Worten zog er an der Klingenkette, welche um seinem Arm gewickelt war und die am Knauf seines Schwertes befestigt war. Fast selbstständig fand sie den Weg in Corgos' Hand. In einer schnellen Bewegung schlug er dem Dämon die Hand ab. Schreiend fiel er nach hinten. Die kleineren Dämonen ergriffen panisch die Flucht, selbst der Große wollte vor Corgos fliehen, doch so leicht ließ der ihn nicht gehen. Seine Klingenkette schlang sich um den kurzen Hals des hünenhaften Dämons und drohte ihn zu erwürgen. Corgos zog so fest, dass der Kopf sich gelb färbte. Schließlich konnte der Körper dem Druck nicht mehr standhalten. Der Kopf löste sich vom Körper und flog trudelnd in ein brennendes Haus hinein. Asche aufwirbelnd brach der tote Körper des großen Dämons zusammen. Corgos unterbrach sein Lachen, um ein paar der schmackhaften Bluttropfen mit dem Mund aufzufangen. Nur so konnte er hören, dass noch jemand mit in seine Heiterkeit gefallen war. Er wandte sich dem Gekicher zu. Es war ein Mädchen von ungefähr acht Jahren. „Das war lustig.“, kicherte sie weiter. Doch Corgos hatte nur noch Augen für sie. Sein Lächeln war einem verwunderten Gesichtsausdruck gewichen. Etwas umgab das Mädchen. Etwas Mächtiges. Nur eines war klar, es war nichts Menschliches. Corgos warf sein Schwert nach ihr. Das Schwert fuhr durch ihren Körper, ohne auf Widerstand zutreffen. Die Kleine war verschwunden. „Es war nur eine Illusion.“, stellte Corgos fest. Er drehte sich zu der nächsten Illusion um, die auf einem brennenden Dach stand. „Komm zu mir. Ich lebe in dem Turm dahinten.“, sie zeigte auf den gewaltigen, schwarzen Turm, der aus dem Flammenmeer ragte. „Ich lebe in den Tiefen, aber um dorthin zu gelangen, musst du ihn erst einmal erklimmen. Vielleicht lebst du lange genug, um mich persönlich kennenzulernen.“ Das Mädchen verschwand wieder. Corgos starrte Gedankenversunken zum Turm. Mit einem Ruck zog er den Keil und den damit verwachsenen Arm aus seinem Rumpf. Das dadurch entstandene Loch wurde von einer zähen, schwarzen Flüssigkeit aufgefüllt. Dann färbte sich die Flüssigkeit leichenweiß und nahm die Konsistenz von Corgos' Haut an. Zum Schluss, schloss sich das Loch in der Kleidung, wie lebendes Gewebe. Ruhig ging er zum Turm. Welche Grauen mochten ihm im Turm begegnen?
Vor dem Turm angelangt fiel Corgos' Blick auf zwei steinerne Statuen, die den Eingang bewachten. Sie erinnerten an Affen, die sich als Menschen ausgaben. Sie standen aufrecht und trugen Äxte und Rüstungen. Mit ihren gekreuzten Waffen versperrten sie Corgos den Weg. Obwohl sie sich keinen Millimeter bewegt hatten, wusste er, dass es Steindämonen waren. Ein lautes stöhnen entrang seiner Kehle. Die Steindämonen, hielten sich selbst wahrscheinlich für wichtig. „Deinesgleichen ist in dem Turm nicht willkommen.“, sagten die Statuen, wie aus einem Munde. „Mir einerlei. Ich will da rein.“ Seine Augen glühten noch intensiver. „Dann musst du uns erst vernichten.“, erwiderten die Statuen. „Das sollte kein Problem darstellen.“, gab der Todesengel kühl zurück. Die Dämonen sprangen von ihren Sockeln und griffen das Monster an. Corgos parierte jeden Schlag mit Leichtigkeit. Diese niederen Wächter waren ihn nicht gewachsen. Er wich den nächsten Angriff des Steinwächters aus, und schlang die Klingenkette seines Schwertes, um seine Brust. Mit seinen übermenschlichen Kräften schleuderte Corgos den Wächter gegen seinen Artgenossen. Krachend zersprangen die beiden Dämonen zu einem wertlosen Steinhaufen. Corgos ging ohne sein berühmtes Lächeln in den Turm. Wenn das die Wächter waren, würden die Insassen des Turmes eine noch kleinere Herausforderung darstellen. Er war diese Schwächlinge leid. Sein Herz schrie nach jemandem, der ihm ebenbürtig war.
Die Atmosphäre des Turms war eine bedrückende. Alles war still. Nur das prasseln der Fackeln war zu hören. Trotz ihres spendenden Lichtes war der Turm düster. Man hatte ihn aus den verbrannten Steinen der Stadt und den Knochen seiner Bewohner erbaut und gestaltet. Eine steinerne Wendeltreppe schlängelte sich in die Höhe. Wie war das noch gleich? Erklimme zuerst den Turm, um dann in die Tiefe vorzustoßen? Corgos schüttelte den Kopf. Was für ein Unsinn, dachte er. Aber ihm kam gerade eine glänzende Idee. „Kommt her, ihr Dämonen des Turmes oder muss ich euch erst in den Ecken dieses Gebäudes suchen?“ Die Schatten erwachten zum Leben und griffen Corgos von allen Seiten. Der wirkte erleichtert. „Und ich dachte schon, es würde langweilig werden.“ Mit tödlicher Präsenz beschrieb Caedes einen Kreis in der Luft und teilte alle Gegner in der Mitte. Die Schatten lösten sich in eine schwarze Flüssigkeit auf. Corgos wusste, dass er noch mehr aus seinen vermeidlich besiegten Gegnern kitzeln konnte. „War das schon alles?“, fragte er Provozierend in die Runde. Die Pfützen flossen zusammen zu einem kleinen See. Ihm entstieg ein gewaltiger Schattendämon. Er ließ nicht durchblicken, ob Corgos' vorfreudige Miene ihn schockierte oder verärgerte. Corgos zögerte nicht lange. Er versuchte den Gegner das Bein abzuhacken, doch dieser Dämon besaß eine härtere Haut als die kleineren Exemplare vor ihm. Caedes konnte trotz ihrer schärfe nicht die Gliedmaßen dieses Kolosses durchtrennen. Corgos war nun nicht mehr die Spur gelangweilt. Er begann jetzt erst richtig warm zu werden. Sein Blut kochte und die Bestie, die in ihm geschlummert hatte, war erwacht. Mit einem unmenschlichen Schrei stürzte er sich erneut auf den Koloss, aber diesmal setzte er die Hälfte seiner Kraft frei. Wie ein Pfeil drückte er sich immer wieder von den Wänden ab und zerstückelte seinen Gegner. Das schwarze Blut des Kolosses hatte bereits eine beachtliche Pfütze gebildet. Corgos hatte es vor allem auf seine Beine abgesehen, um ihn zu Fall zu bringen. Von vielen, tiefen Schnitten gepeinigt, sank er zu Boden. Der Todesengel kam vor dem Schattendämon auf die Knie. Der verletzte Koloss griff nach ihm, um ihn in seiner geballten Faust zu zerquetschen. Corgos ließ sich von ihm packen und in die gewaltige Hand einsperren, doch mit seinen gewaltigen Kräften befreite er sich. Der Mund des Kolosses war vor Verblüffung weit geöffnet, was Corgos zu seinem Vorteil ausnutzte. Er sprang selbstmörderisch in den Schlund. In seinem Mund gefangen, versuchte der Koloss ihn zu Kauen. Die Kauleisten begannen zu arbeiteten. Davon unbeeindruckt versenkte Corgos sein Schwert immer wieder in den Oberkiefer. Er zerstörte ihn und arbeitete sich durch den Knochen. Dann sprang er mit einer kleinen Kraftanstrengung aus der Stirn des Koloss. Der Schädel explodierte. Überall spritzte es schwarzes Hirn, Knochen und Blut. Corgos' Haut sog das schmackhafte schwarze Blut wie ein Schwamm auf. Die Haut konnte das Blut selbst aus der Kleidung herausfiltern. Selbstzufrieden betrachtete Corgos sein Werk. Alles oberhalb der Nase war entweder übel in Mitleidenschaft gezogen oder ganz zerstört worden. Der Koloss brach in sich zusammen es gab nichts zwischen Himmel und Hölle, was ihn noch am Leben gehalten hätte. Corgos schritt auf die Spitze des Turmes zu. Viele niedere Dämonen stellten sich ihm in den Weg, aber keiner konnte es mit ihm aufnehmen. Fast war es, als hätte er schon alle Dämonen, die es wert waren, getötet. Oben angekommen stand ein seltsamer Klotz aus Metall da. Der Mond war voll und keine Wolke versperrte das silberne Licht, dass direkt auf den Klotz fiel. Überall auf der Spitze lagen Knochen von Menschen und anderen Rassen. Corgos betrachtete den Klotz genauer. Er konnte kaum erwarten, was passieren würde, wenn er sich dem Klotz näherte. Neugierig machte er ein paar Schritte darauf zu. Plötzlich stand der Klotz auf und baute sich vor Corgos auf. Er war nicht so groß wie der Koloss, aber dennoch doppelt so groß wie Corgos. Das Klacken von tausend Zahnrädern kam aus seinem Körper. Er schien durch und durch eine Maschine zu sein. „Bist du der Meister oder das Mädchen?“, fragte Corgos bedrohlich. Seine wirbelnden Haare umrahmten sein Gesicht. ,,Wächter.“, kam es einsilbig von der Maschine. In ihrer Stimme lag ein metallischer Klang. ,,Mir auch egal. Ich hätte dich so oder so getötet.“ Die Maschine versuchte den Todesengel mit seinen Armen zu zerquetschen, denn Hände hatte sie nicht. Corgos sah den Schlag im Voraus. Flink wie eine Wildkatze machte er einen Schritt zur Seite. Der Schlag des Klotzes hinterließ einen ansehnlichen Krater. Corgos nutzte seine Chance. Er sprang auf den Arm. Caedes durchtrennte das Gelenk, das zwischen Ober- und Unterarm war. Krachend fiel der abgetrennte Unterarm auf den Boden. Der Klotz bewegte den nutzlosen Stumpf hin und her. ,,Wie? Wie?“, sagte er immer wieder. Eine graue Flüssigkeit kam aus dem Armstumpf. Zufrieden grinsend schlug Corgos auch noch das rechte Bein des Klotzes ab. Mit dem Armen trudelnd fiel er zu Boden. Der Todesengel stand überheblich auf seiner Brust und fühlte sich, wenn auch gelangweilt, unbesiegbar. Er stieß sein Schwert tief in die Brust des Klotzes. Funken sprühten. Das Metall kreischte, wie Fingernägel auf einer Schiefertafel, als er mit dem Schwert den gesamten Brustkorb aufschlitzte. „Wie? Wie? Wie?“, die Stimme des Klotzes wurde immer schneller und schriller, dann knallte etwas in ihm und er wurde schlagartig still. Im Inneren der Maschine knisterte es und kleine Blitze waren zu sehen. Wieder sprudelte die graue Flüssigkeit aus der Wunde. Hungrig machte Corgos sein Maul auf, um etwas von der Flüssigkeit zu haben. Die Flüssigkeit ausspuckend trat er von der Brust des reglosen Klotzes. Egal, was diese Flüssigkeit war, sie schmeckte scheußlich. Sie brannte im Mund und war dick wie abgestandene Milch. „Zum Glück werden sich Maschinen niemals durchsetzen.“, meinte Corgos überzeugt. Ein Beben ging durch die Turmspitze. Der Tod des Wächters schien etwas ausgelöst zu haben. Der Boden fuhr in die Tiefe. Corgos wusste nicht wohin ihn diese Höllenmaschine bringen würde, aber er würde es bald herausfinden. Die Plattform hielt in einer Kammer, welche tief im Inneren der Erde lag, an. Flammen tobten um die runde Plattform auf der sich der Todesengel befand. Er musste sehr Tief im Erdinneren sein. Von hier aus konnte er noch nicht einmal den Nachthimmel sehen. Die Decke war nichts weiter als ein großer, dunkler Fleck. Aus den Tiefen erhob sich eine Gestalt aus purer Dunkelheit. Sie war viermal so groß wie der Schattenkoloss. Aufgrund ihrer Rundungen wusste Corgos, dass es sich um einen weiblichen Dämon handelte. „Weit bist du gekommen. Ich hätte nicht gedacht, dass du es wirklich bis hierher schaffen würdest.“ Jetzt fiel Corgos die Ähnlichkeit zwischen der Dämonin und dem Mädchen auf, das ihn hierher gelockt hatte. Diese Dämonin hatte eine Illusion erschaffen, die sie als harmlosen Menschen zeigte. Warum sie solche Tricks angewandt hatte, war Corgos egal. Er wollte Blut sehen. „Du hast meine Soldaten vertrieben und meine treusten Diener getötet. Wer bist du eigentlich, dass du glaubst, dass du damit ungeschoren davonkommst?“ Corgos ließ seine Stimme durch den hohen Raum hallen. Die Kälte ihres Klangs ließ die Flammen schrumpfen. Seine Stimme, die nur dem Tod gehören konnte, ließ sogar die Dämonin frösteln. „Ich bin Corgos, der Unsterbliche. Engel des Todes. Sohn von Vlad Drăculea III. Bester Kämpfer eurer ehemaligen Sklaven. Ich bin ein Mischwesen. Halb Vampir und halb dunkler Teufelstitan. Meine Kräfte können es mit den Legionen der Hölle aufnehmen. Niemand kann mich aufhalten.“, den letzten Satz sprach er voller Häme. „Ich habe viel von dir gehört Engel des Todes. Geschaffen von unseren rebellierenden Dienern, den Vampiren, sollst du ein Monster unter den Monstern sein. Deine Gräueltaten lassen sogar deinen Schöpfern das Blut in den Adern gefrieren. Du hast noch nie irgendjemanden verschont. Aber weder dein Ruf, noch deine Macht haben hier an diesen Ort Bedeutung.“ Damit war der Kampf eröffnet. Corgos gefiel die Courage der Dämonin. Sie schien selbst dann Kampfbereit zu sein, wenn sie ihn als Gegner hatte und über seine Taten Bescheid wusste. Corgos' Gefühle fanden einen Höhepunkt. Der Kampf würde wenigstens dreiviertel seiner Kraft erfordern, was noch nie zufuhr vorgekommen war. Die Dämonin zeigte gebieterisch mit ihrer Hand auf den Todesengel. Die Finger dehnten sich ins Unendliche und fuhren wie Speere durch Corgos' Körper. Der lachte bloß. Er genoss die Schmerzen, welche in seinen Körper wüteten, in vollen Zügen. So köstlichen und aufregenden Schmerz hatte er noch nie gefühlt. Für ihn waren Schmerzen nichts schlimmes, sondern ein Rausch, der ihn wie das Töten in eine unvergleichliche Ekstase versetzte. Der Rausch ließ ihn aufleben und sein ewiges, untotes Dasein lebendiger erscheinen. Genauso schnell, wie die Finger seinen Körper durchstoßen hatten, zogen sie sich zurück. Corgos war von den Schmerzen so berauscht, dass er nicht anders konnte, als auf die Knie zu gehen und schweigsam ins Leere zu starren. „Ich sagte doch, dass deine Macht hier keine Bedeutung hat.“ Die Dämonin schien sein Verhalten falsch zu interpretieren und sich selbst schon als Siegerin zu wähnen. „Bitte hör nicht auf.“, sagte Corgos sehnsüchtig, als die Dämonin ihn bereits den Rücken zugedreht hatte. ,,Was?! Du lebst noch?!“ Ihre Siegessicherheit war wie weggewischt. Nun begann der Samen der Furcht auch in ihren Herzen zu keimen. Es war jene Angst, die alle vor Corgos hatten. Doch diese Angst hielt nur für einen kurzen Moment an, dann kehrte wieder die Selbstsicherheit der Dämonin zurück. Sie stieß ihre Hand in die Plattform. Überall bohrten sich schwarze Speere aus dem Boden. Sie spießten Corgos auf und hoben ihn in die Höhe. Die Dämonin zog ihre Hand zurück. Parallel dazu verschwanden auch die Speere wieder. Corgos fiel wie ein lebloser Stein zur Erde. „Ich lebe immer noch.“, sagte er böse. Vor Wut schreiend versuchte sie den Halbdämon mit ihrer Faust zu zerquetschen. Corgos' Blutdurst wurde immer größer und vertrieb die berauschenden Schmerzen. Die Faust der Dämonin wurde von einem gewaltigen, schwarzen Etwas gebremst. Sie neigte ihren Oberkörper zur Seite, um besser sehen zu könne, was sie da aufhielt. Vor Schreck erstarrt, konnte sie nicht den Anblick von dem Abwenden, was sie da sah. Corgos' Arm hatte sich in eine große schwarze Masse verwandelt. Ihr Schlag war von einem gewaltigen Maul gebremst worden. Auf der Oberfläche der schwarzen Masse waren hunderte blutrot glühende Augen mit geschlitzten Pupillen. Das Blut der Dämonin wurde gierig von hunderten Mäulern, die mehrere Reihen messerscharfer Reißzähne besaßen, aufgeleckt. Kaum hatte sie das alles in sich aufgesogen, als die Faust weiter in das riesige Maul gezogen wurde. Verzweifelt versuchte die Dämonin ihre Faust herauszuziehen, aber ihre Kraft reichte dafür nicht aus. Mit einem widerlichen Knacken biss das Maul zu und brach ihr die Hand. Die Dämonin schrie vor Schmerz. Das Maul öffnete sich leicht und zog etwas von ihrem Arm in sich hinein. Doch damit gab es sich nicht zufrieden. Es verschlang ihren Arm, ihre Schulter und den restlichen Leib. Wenn etwas nicht verschlungen werden konnte, vergrößerte sich das Maul. Und die ganze Zeit über grinste Corgos und labte sich an der Angst, den Schmerzen und der Verzweiflung der Dämonin. Er genoss die Schreie, wie andere Leute Wein genossen. In ihren Augen, sah Corgos es. Sie erkannte endlich seine wahre Macht. Die Macht der dunklen Teufelstitanen, der Dämonen, die selbst über den zehn Höllenfürsten standen. Die Flammen wurden mit der Dämonin immer kleiner. Als die Schreie verstummten und die Dämonin von Corgos gefressen worden war, ging ein großes Beben durch den Turm. Gewaltige Gesteinsbrocken fielen von der Decke und zermalmten die Skelette zu Staub. Corgos starrte zur Decke. Er machte keine Anstalten sich zu bewegen. Sein Blick blieb störrisch an der Decke und den fallenden Gesteinsbrocken haften. Er würde das alles überleben, ohne einen einzigen Kratzer abzubekommen, das wusste er.
Die Vampire, die die Dämonen töteten, welche vor Corgos geflohen waren, sahen schon vom weiten, wie der eindrucksvolle, schwarze Turm in sich zusammenfiel. Sein Einsturz beschwor eine große Staubwolke herauf, welche das Licht des Aufgehenden Tages verschluckte. Die Vampire mussten bald ins Dunkel zurückkehren, wenn ihnen ihr Leben lieb war. Aber eins wussten sie alle, Corgos hatte, wie immer, auf ganzer Linie gesiegt.
Der Todesengel war dem Krater, den der Turm hinterlassen hatte, wie ein Gespenst, entstiegen. Lautlos wie der Schnitter ging er durch die ausgebrannten Ruinen. Jeder Schritt ließ die Asche unter seinen Sohlen aufwirbeln. Die Flammen waren niedergebrannt. Obwohl unter der Asche keine Glut mehr vorhanden war, schwitzte Corgos. Ihm war ungewöhnlich heiß. Wieder etwas, was noch nie zuvor vorgekommen war. Die Kälte seiner schwarzen Seele ließ selbst die größten Flammen erkalten. Aber diese Hitze schien von ihm unbeeindruckt zu sein. Am Dorfrand fand er die Ursache der ungewöhnlichen Hitze. Im Gras saß im Schneidersitz ein junger Mann, mit langen rotblonden Haaren, die sacht vom Wind umspielt wurden. Die Flammen, die um ihn herum tobten, schienen ihn nicht zu stören. Ihr Flimmern verzerrte leicht seine Züge. Er kaute gelangweilt auf einem Halm rum. „Du hast Allicidia getötet. Schade eigentlich. Ich mochte sie.“ Die gleichgültige Ruhe die er ausstrahlte, machte Corgos wütend. Er kannte es nicht, so behandelt zu werden. Furcht und Abscheu waren ihm bekannt. Aber Desinteresse und Gleichgültigkeit waren ihm Fremd und versetzten ihn in Rage. „Damit hast du einen weiteren meiner Offiziere getötet. Gratuliere.“ Jetzt wusste Corgos, wen er da vor sich hatte. Es war der mächtige Höllenfürst Amon, Herr des Feuers. Der Sohn Satans. Besser bekannt als, der Antichrist. Der Feind und die Herausforderung, nach der Corgos sich schon so lange verzehrte. Er blickte auf das Schwert des großen Dämons. Es war ein zweischneidiger Bihänder. Zwischen Griff und Klinge war ein schmerzverzerrter Teufelskopf, mit brennenden Augen, eingeschmiedet worden. Die Runen auf der Klinge brannten ununterbrochen. Amon legte sich ins Gras und starrte gedankenversunken in den blauen Himmel. „Ich hasse dieses Blau. Rot oder Schwarz würden da viel besser passen.“, murmelte er vor sich hin. Die Fingerknöchel von Corgos' Schwertarm traten weiß hervor. Seine Gesichtszüge verzerrten sich vor Wut. Noch nie war jemand so mit ihm umgesprungen. Er schleuderte Caedes auf den im Gras liegenden Höllenfürsten. Doch die Klinge fraß sich nur in Gras und Erde. Amon war verschwunden und diesmal war es ganz sicherlich keine Illusion gewesen. Die seltsame Hitze war verschwunden und die eisige Kälte, die Corgos immer gegenwärtig gewesen war, kehrte zurück. Noch lange starrte Corgos auf den Flecken, wo der Höllenfürst gelegen hatte. Das Brennen, welche die aufgehende Sonne verursachte, interessierte ihn nicht. Er hing seinen eigenen Gedanken nach. Ihm war noch nie bewusst gewesen, wie sehr er sich doch langweilte. Jeder Dämon, jedes Monster, das er getötet hatte war kein Gegner für ihn gewesen. Selbst der Dämonin im schwarzen Turm, war ihm haushoch unterlegen gewesen. Doch dann war der Höllenfürst aufgetaucht und zeigte den Todesengel, dass er mit ihm gleichzog. Jetzt erkannte Corgos, dass jeder Gegner, vor dem Auftauchen Amons, die reinste Zeitverschwendung gewesen war. Von nun an, würde er nur noch Gegner bekämpfen, von denen er dachte, dass sie es wert waren. So machte Corgos sich auf den Weg zu seinem Meister. Verändert, durch die Begegnung mit Amon. Niemand sah, wie die Räder des Schicksals begannen zu mahlen. Oder, wie viele Generationen die beiden beeinflussen würden. Niemand hätte ahnen können, dass die nächste Begegnung zwischen Amon und dem Todesengel so aussehen würde. Noch unter welchen Umständen sie sich wiedersahen.
STORY 3: Menschenfleisch
Er wusste nicht, wie lange er schon der Straße durch den australischen Busch folgte. Das einzige was er wusste war, dass er ein Schiff finden musste. Man hatte beschlossen Australien am Ende der Woche von der Landkarte zu putzen. Jeder der nicht wusste, was in der letzten Woche passiert war, würde sich wahrscheinlich fragen, warum jemand so etwas tun sollte. Der Fußmarsch durch den Busch dauerte an, denn dem Wagen war der Sprit ausgegangen. So ließ er das, was er in der letzten Woche gesehen oder gehört hatte, noch einmal Revue passieren.
Vor einer Woche: ,,Hast du die Ratte gesehen?“, fragte einer der Forscher, mit einem leeren Käfig in der Hand. „Nein, tut mir Leid.“, verneinte der zweite. „Hoffentlich ist sie nicht entkommen. Das wäre eine Katastrophe.“
*
Vor dem Genetik-Labor hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Sie waren Tierschützer und fanden es falsch, Tiere für Versuchszwecke zu missbrauchen. Die Rädelsführerin hielt sich ein Megafon vor dem Mund, um auch die letzten Reihen mit ihrer Botschaft zu erreichen. ,,… Es kann nicht sein, dass man Tiere in Käfigen hält. Sie mit Elektroschocks und Psychopharmaka zu dröhnt, an ihrer Genetik Gott spielt und damit ungeschoren davonkommt. Ich sage: „Nein. Das dürfen wir nicht zulassen.“ Wir werden hier so lange ausharren, bis diese Unmenschen einsehen, dass ihre Vorgehensweise falsch ist.“ Die Rädelsführerin entdeckte eine Ratte, die um ihre Füße lief. Sie hob sie hoch und zeigte sie der Menge. „Seht her! Durch unsere Proteste sind sie unaufmerksam geworden. Dieses kleine, mutige Kerlchen hier, ist ihren Klauen und somit ihren Machenschaften entkommen, durch unser Zutun. Ihr seht, wir können etwas bewirken.“ Plötzlich durchzuckte die Rädelsführerin ein brennender Schmerz. Vor Schreck ließ sie die Ratte los. Sie sah auf ihre Fingerspitzen. Die Ratte hatte sie gebissen. In ihr kam etwas hoch, was sie noch nie gespürt hatte. Etwas das alles verdrängte. Ihre Erinnerungen. Ihre Menschlichkeit. Ihre Emotionen. Sie konnte an nichts anderes denken, als daran Menschenfleisch zu fressen. Selbst ihre Rede war vergessen. Die Rädelsführerin stürzte sich auf den ersten Menschen, der vor ihr stand. Der Mann kippte um und sah noch, wie man begann in seinen Eingeweiden zu wühlen. Die Menschenmenge spürte, dass etwas nicht stimmte. Sie ließen alles stehen und liegen. Panisch flohen sie nach allen Seiten. Als vom Mann nur noch die letzten Überreste geblieben waren, sah die ehemalige Rädelsführerin, dass in der Panik einige Menschen zu Tode getrampelt worden waren. Genüsslich machte sie sich über die Leichen her. Ihr erstes Opfer aber stand wieder auf und machte sich an den anderen Leichen zu schaffen.
Vor sechs Tagen: ,,Warum muss ich meine Ferien ausgerechnet mit dir schwanzlutschenden Weichei verbringen?“, fragte Sahra zum hundertsten Mal. „Weil du noch zu jung bist, um alleine durchs Land zu touren.“, sagte Stephen genervt zum hundertundeinsten Mal. „Ich wünschte Mom und Dad wären nicht so beschissen vorsichtig.“, sagte sie, während sie mithilfe des Seitenspiegels ihre Frisur richtete. „Da bist du nicht die einzige.“, sagte Stephen. Beide waren so mit ihren Problemen beschäftigt, dass sie nicht auf die Radionachrichten achteten.
Gestern würde aus einer friedlichen Demonstration eine wahre Massenpanik. Mehrere hundert Demonstranten, die vor einem Forschungsinstitut namens …
„Warum musste es ausgerechnet mich treffen? Kann ich nicht wenigstens wie Ember vor einem Jahr eine Weltreise machen?“ Stephen machte einen schockierten Gesichtsausdruck, sein Blick war aber immer noch auf die Fahrbahn gerichtet. ,,Ember? Reden wir hier von deiner Freundin Ember, die während ihrer Weltreise auf China in einer dunklen Gasse vergewaltigt wurde?“ Sahra schwieg.
… wurden von einem Rudel wilder Hunde angegriffen. In der Panik wurden dabei einige der Demonstranten niedergetrampelt. Woher die Hunde kamen oder warum sie Menschen anfielen ist noch nicht bekannt. Und nun zum Wetter …
Stephen schob eine CD rein und versuchte mit der Musik seine Schwester zu übertönen. Niemand achtete auf die Ratte, die es sich auf den Rücksitz bequem gemacht hatte.
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„Im Auftrag unserer Firma möchte ich, dass Sie eine Lösung für diesen kleinen Zwischenfall finden.“ Der Beauftragte stand steif wie ein Brett. Seine Miene zeigte keine Regung. Professor Stinmertz deutete eine leichte Verbeugung an. „Es wäre mir eine Ehre. Aber zuallererst brauche ich ein paar Versuchsobjekte.“ „Ich schätze, dass das kein Problem darstellen dürfte.“, sagte der Beauftragte und zog eines der weißen Segeltücher, mit denen das ganze Labor verdeckt war, herunter. Unter dem Segeltuch kam ein stählerner Käfig mit einem dicken Vorhängeschloss hervor, in dem mehrere, ungewöhnlich blasse Menschen waren. Sie rüttelten am Käfig und steckten die Finger zwischen die Löcher im Gitter. „Was sind sie?“, fragte der Professor. Er beugte sich nach vorn und hob seine Brille an. „Nun, ein Horrorfilm-Fan würde sie vielleicht als Zombies bezeichnen.“ „Und wie bezeichnen Sie sie?“, fragte der immer noch nach vorn gebeugte Professor. Neugierig auf die Antwort drehte er seinen Kopf zu dem Beauftragten um. „Das ist egal. Hauptsache Sie lösen diese … Unannehmlichkeit.“ „Geht Ansteckungsgefahr von ihnen aus?“, fragte der Professor den Blick wieder auf die Infizierten gerichtet. „Solange Sie nicht von ihnen gebissen werden oder auf eine andere Weise mit ihren Körperflüssigkeiten in Kontakt kommen, geht keine Ansteckungsgefahr von ihnen aus.“ „Wie ist der Virus entstanden?“, fragte der Professor. „Wir haben nach einer Formel gesucht, die die Lebenserwartungen der Menschen erhöhen sollte. Wir waren noch in der Testphase, in der wir mit Ratten experimentierten, mit einigen Erfolgen.“ Der Professor sah nicht, wie der Beauftragte die Augen leicht nach oben verdrehte. „Dabei scheint eine Ratte einen Sicherheitsmann infiziert zu haben.“ Der Professor ließ die Informationen sacken. Er hielt vorsichtig seinen Zeigefinger in den Käfig. Sofort griffen die Zombies danach. Hastig zog er sich zurück. Im Kopf legte er schon mal eine Vorgehensweise zurecht. Dass die Leute mal Tierschützer gewesen waren oder der Beauftragte log, merkte er nicht. Er war zu sehr in Gedanken. „Sind das alle, die sich infiziert haben?“ „Es sind alle, die wir gefunden haben.“, sagte der Beauftragte sachlich. „Dann ist ja gut. Gar nicht auszudenken, was passiert, wenn auch nur einer entkommen wäre.“
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Hungrig auf Menschenfleisch durchzog die ehemalige Rädelsführerin den australischen Busch. Irgendwann würde sie wieder was zum Fressen bekommen. Kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, als sie den Geruch von frischen, lebendigen Fleisch wahrnahm. Er war schwach. Der Geruch führte sie zu einem Haus. Gierig auf das schmackhafte Fleisch rannte sie los.
Vor fünf Tagen: ,,Stephen?! Hey Stephen lass den Scheiß. Du machst mir Angst.“ Sahra erkannte ihren Bruder nicht wieder. Seine Augen waren glasig. Die blasse Farbe, die seine Haut angenommen hatte, schien auch nicht gesund zu sein. Das Pflaster, das er sich wegen eines Rattenbisses an den Finger geklebt hatte, fiel langsam ab. Die Wunde darunter blutete immer noch. Sie schien sogar stärker zu bluten, als vor ein paar Minuten. Dicke Blutstropfen fielen auf den Boden. Sahra blieb nichts anderes übrig, als von ihrem Zeltplatz mitten im Nirgendwo aus, in den australischen Busch zu fliehen. Stephen folgte ihr auf Schritt und Tritt. Obwohl er nicht so schnell wie Sahra war, schienen seine Kräfte ihn nie zu verlassen. Irgendwann, Sahra war vollkommen erschöpft, sprang etwas auf ihren Rücken. Es war Stephen, der die Gunst der Stunde genutzt hatte. Sahra stürzte zu Boden. Sie hatte sich bereits mit ihrem Schicksal abgegeben, als ein Schuss fiel. Die Wucht des Schusses hatte Stephen nach hinten geschleudert. Mit der Kraft der Angst stand Sahra auf und rannte weiter. Sie sah vor sich einen PKW, der mit hoher Geschwindigkeit auf sie zufuhr. Er wurde nicht langsamer, als er auf Sahra zuraste. Mit einem lauten Hupen versuchte man Sahra zu verscheuchen. Doch die dachte nicht daran, ihren Kurs zu ändern. Wenn sie auch nur ein bisschen langsamer wurde oder die Richtung änderte, würde Stephen oder das, was aus ihm geworden war, sofort über sie herfallen. Was dann passierte, wollte sie gar nicht erst wissen. Kurz bevor Sahra die Motorhaube mit ihrer Leiche geziert hätte, machte das Auto eine Halbdrehung und kam zum Stehen. Sahra dachte nicht weiter nach und stieg auf den Rücksitz ein. Auf den Fahrersitz saß ein beleibter, bärtiger Mann in einem Flanellhemd, der damit beschäftigt war Stephen zu überfahren. Man musste es ihr angesehen haben, denn als der Fahrer in den Rückspiegel blickte, fragte er knapp: ,,Ein Verwandter?“ Sahra nickte nur, zu etwas anderen war sie nicht fähig. Auf den Beifahrer saß ein dreizehnjähriger Junge. „Mach dir nichts draus. Meine Mutter hat auch versucht mich zu fressen.“, sagte er bevor er einen gezielten Kopfschuss auf Stephen feuerte. ,,Pah! Und du sagtest, dass Ego-Shooter die reinste Zeitverschwendung seien.“, sagte der Junge zum Fahrer. Nachdem sie Stephen mehrfach überfahren hatten und es für die beiden Kerle so langsam langweilig wurde, setzten sie ihre Fahrt fort. Sahra wusste nicht, wohin es ging, aber sie würde es bald erfahren. Sie blickte zurück und sah, wie Stephen trotz seiner Verletzungen ihnen immer noch folgte. Er wurde immer kleiner und kleiner. Sie hatten ihn abgehängt.
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„Es kommen immer mehr Berichte von Zombie-Attacken. Niemand weiß, woher sie kommen. Viele berichten, dass sie von Ratten gebissen wurden, bevor sie damit begannen Menschen anzufallen. Hunderte von Menschen verlassen das Land. Sollten sie einem Zombie begegnen zerstören sie das Herz oder den Kopf um …“
Der Professor schaltete aus. Er musste sich diesen Mist nicht antun. Die Zombies verbreiteten sich, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, wenn nicht diese Verunsicherung um sich gegriffen hätte. Es gab kein Mittel, um die Infizierten aufzuhalten. Selbst ohne Kopf oder Herz konnten sie noch weiterleben. Wiedermal eine Fehlinformation der Medien. Der Professor arbeitete Tag und Nacht, um ein Gegenmittel gegen diesen Zustand zu finden. Doch er fand nichts. Es wäre einfacher gewesen, wenn er diese Ratten gehabt hätte. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig, als weiter zu forschen.
Vor vier Tagen: Auf den Straßen herrschte das blanke Chaos. Jeder Mensch versuchte den Zombies zu entkommen. Die Polizei hatte schon längst die Flucht, vor diesen unmenschlichen Kreaturen, ergriffen. Nichts konnte sie aufhalten, nicht einmal Handfeuerwaffen. In der ganzen Panik schienen die Zombies, beabsichtigt oder nicht, die Hauptstromzufuhr zerstört zu haben. Keine Ampel funktionierte, selbst wenn, hätte sich jeder Fahrer über sie hinweggesetzt. Dadurch kam es zu zahlreichen Unfällen, die die Straße blockierten. Zwischen den brennenden Autos bewegten sich die Schatten der Zombies. Sie zerrten die Menschen aus den Fahrzeugen und fraßen sie. Alle versuchten die eigene Haut zu retten. Jeder war sich selbst der nächste.
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„Endlich habe ich den Virus lokalisiert.“, sagte der Professor. „Jetzt brauch ich nur noch ein Gegenmittel herstellen. Bald ist es soweit. Dann wird dieser Albtraum endlich vorbei sein.“ Der Professor verstand selbst nicht, warum er noch auf den Beinen stand. Er hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen. Nur sein Ehrgeiz hielt ihn noch aufrecht.
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„Also wer seid ihr?“ Sahra hatte seit der schrecklichen Nacht kein Wort mehr sagen können. Das war das erste Mal, dass sie die beiden direkt ansprach. „Ich bin Mike und das ist mein Dad.“, sagte der Junge grinsend. „Warum habt ihr mir geholfen?“ „Wir haben dir nicht geholfen. Wir hatten unsere Gründe für das, was wir taten.“, sagte Dad, während er auf das prasselnde Lagerfeuer starrte, dass sie in einem verlassenen Tankstellenrestaurant gemacht hatten. Der Strom war ausgefallen und draußen war es bereits dunkel. „Hoffentlich gibt es hier keine Zombies.“, sagte Mike während er sich umblickte. Die Flinte fest in der Hand. „Mach dich nicht lächerlich. Sowas wie Zombies gibt es nicht“ Die beiden sahen Sahra mit einer erhobenen Augenbraue an. „Was meinst du, was dich da angegriffen hat?“, fragte Dad. „Mein durchgeknallter Bruder.“, kam die Antwort. „Das war nicht dein Bruder, sondern ein Zombie.“, sagte Mike ernst. „Das war nicht der erste, den wir gesehen haben.“ „Gehört ihr etwa einem alten Kult an, der Zombies jagt?“, fragte Sahra sarkastisch. „Das eher weniger, aber …“ Mike unterbrach sich selbst, als er den drohenden Blick seines Vaters sah. „Was ist?“, fragte Sahra neugierig. Da sprang etwas aus dem Dunkel auf die Theke. Sofort waren die Männer kampfbereit. Mike schoss ihn mit seiner Schrotflinte in die Brust. Die Wucht der Kugel ließ ihn nach hinten fliegen. „Lauft, bevor er wieder aufsteht.“, sagte Dad. ,,Wieder aufsteht? Der muss doch tot sein. Mike hat ihn mitten ins Herz getroffen.“ Da stand der Untote auch schon wieder auf den Beinen, mit einem riesigen Loch, das in der Brust klaffte. ,,Oh, Scheiße! Was hält diese Dinger denn überhaupt auf?“ Die drei rannten zum bereiten PKW. Sahra drehte sich um. Sie sah, wie einer der Zombies versuchte das Auto einzuholen. Unwillkürlich musste sie an Stephen denken. Es sah aus, als würde der Zombie panisch mit den Armen rudern. Nach einem kurzen Sprint wurde er langsamer. Aus den Büschen sprangen Zombies und fielen über ihn her. „Hey, das war ein Mensch! Wir müssen unbedingt zurück und ihn retten!“ Dad sah in den Rückspiegel. „Vergiss es. Der Arme ist eh schon tot.“ Sahra drehte sich wieder um und sah, wie die Zombies mit den Körperteilen des Mannes in den Büschen verschwanden.
Vor drei Tagen: ,,Soldaten, ihr kennt eure Befehle.“, sagte der General, während er zwischen die Reihen der fünfhundert Soldaten ging. Mit einem rührseligen Lächeln, sah James sich das Bild seiner Familie an. „Ihr werdet jeden Zombie, der euch vors Visier rennt kalt machen. Ihr habt genügend Munition, um ganz Australien zu erschießen. Somit solltet ihr nicht zu geizig sein.“ James meldete sich. „Ja, Soldat.“, gab der General ihm das Wort ,,Haben sie irgendwelche Kampftipps für uns?“, fragte James. „Nur das, was wir über Zombies wissen, zielt auf Herz und Kopf, um sie zu töten. Solltet ihr zu blöd dafür sein, zielt auf die Beine, um sie zu verlangsamen.“ Der General stand jetzt genau vor den Soldaten. „Zu guter Letzt, möchte ich euch noch viel Glück wünschen und möge Gott euch segnen.“ Der alte Soldat zu James linken mit der Augenklappe und den vielen Narben spuckte aus. „Wir werden alle drauf gehen.“, sagte er finster. Ihm fiel James fragender Blick auf und antwortete: ,,Alle Einsätze, bei denen ich ,,möge Gott euch segnen“ gehört habe, waren das reinste Himmelfahrtskommando, manche von diesen Einsätzen waren sogar noch draufgängerischer. Nettes Foto übrigens. Deine Familie?“, fragte er, während er auf das Foto starrte. „Ja. Das bin ich mit meiner Frau und meiner Tochter.“ „Süßer Fratz.“, meinte der Einäugige bloß. Das Schiff lichtete den Anker und ließ die Soldaten von Bord. James verstaute das Foto in seiner Brusttasche. Der Soldat mit der Augenklappe setzte ein verwegenes Lächeln auf. „Bereit zu sterben, Frischling?“ Er schielte zu James rüber, der sich fragte, wo man diesen Irren aufgegabelt hatte. James hoffte, dass er überleben würde, um seine Frau und seine kleine Tochter wiederzusehen. Das Schiff auf dem die Soldaten waren, setzte sie an der Küste ab. Von dort stand ihnen einZwanzig-Meilen-Marsch bevor.
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