Zeitbombe - Timothy Zahn - E-Book

Zeitbombe E-Book

Timothy Zahn

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Beschreibung

Zeitreisen und -bomben

In der Zukunft wurde eine Regierungsabteilung eingerichtet, deren Mitglieder kürzere Zeitreisen in die jüngste Vergangenheit unternehmen. Diese sogenannten Springer untersuchen Unfälle, Katastrophen, Verbrechen und Anschläge – aber sie beobachten nur und greifen nicht ein. Als die Air Force One mit dem Präsidenten an Bord abstürzt, müssen die Springer sich entscheiden: analysieren sie den Unfall – oder werden sie erstmals aktiv?
Mit seinen Stories stellt Hugo-Preisträger Timothy Zahn seine erzählerische Vielfalt unter Beweis: Da ist die Geschichte eines Politikers, dem eine Voodoo-Puppe in die Hände fällt; die Probleme, die die neuartige, aber moralisch fragwürdige Entsorgungsmethode für radioaktiven Abfall mit sich bringt; die Erlebnisse von Bergarbeitern, die auf einem fremden Planeten abgesetzt werden, der sich als nicht ganz so sicher erweist wie gedacht – und noch einige mehr.

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Seitenzahl: 524

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TIMOTHY ZAHN

ZEITBOMBE

Erzählungen

Das Buch

In der Zukunft wurde eine Regierungsabteilung eingerichtet, deren Mitglieder kürzere Zeitreisen in die jüngste Vergangenheit unternehmen. Diese sogenannten Springer untersuchen Unfälle, Katastrophen, Verbrechen und Anschläge – aber sie beobachten nur und greifen nicht ein. Als die Air Force One mit dem Präsidenten an Bord abstürzt, müssen die Springer sich entscheiden: analysieren sie den Unfall – oder werden sie erstmals aktiv?

Mit seinen Stories stellt Hugo-Preisträger Timothy Zahn seine erzählerische Vielfalt unter Beweis: Da ist die Geschichte eines Politikers, dem eine Voodoo-Puppe in die Hände fällt; die Probleme, die die neuartige, aber moralisch fragwürdige Entsorgungsmethode für radioaktiven Abfall mit sich bringt; die Erlebnisse von Bergarbeitern, die auf einem fremden Planeten abgesetzt werden, der sich als nicht ganz so sicher erweist wie gedacht – und noch einige mehr.

Der Autor

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Titel der Originalausgabe

TIMEBOMB

Aus dem Amerikanischen von Hilde Linnert

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1988 by Timothy Zahn

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Das Illustrat, München

INHALT

Ernie

ERNIE

Raison d'être

RAISOND'ÊTRE

Der Preis des Überlebens

THEPRICEOFSURVIVAL

In der Zwickmühle

BETWEENAROCKANDAHIGHPLACE

Hausgast

HOUSEGUEST

Zeitbombe

TIMEBOMB

Die Puppe des Präsidenten

THEPRESIDENT'SDOLL

Banshee

Ernie

Ich sah Ernie Lambert zum ersten Mal an dem schwülen Augusttag, an dem er in meinem winzigen Büro im Sportclub auftauchte und mich fragte, ob er Mitglied meiner Boxmannschaft werden könne.

»Klar«, meinte ich. »Es ist eigentlich keine Mannschaft, sondern nur ein Haufen junger Leute, die gern boxen. Hast du es schon einmal versucht?«

Er nickte. »Ja, Sir. Bevor wir hierher übersiedelt sind, habe ich in St. Louis sehr oft geboxt.« Er sprach sorgfältig, als wäre er ein Kind, das den Ghettoakzent ablegen will. »Ich habe gehofft, dass Sie mir während der nächsten Monate genug beibringen können, damit ich am Turnier um die Goldenen Handschuhe teilnehmen kann.«

»Wir werden sehen, was wir tun können. Ich muss dir aber sagen, dass ich kein richtiger Boxtrainer bin. Ich unterrichte an der High School Turnen und habe seit dem College keinen Wettkampf mehr ausgetragen.«

»Das ist okay. Mein letzter Trainer war ebenfalls kein Profi.«

»Schön. Ich wollte nur, dass du es weißt.« Ich warf einen Blick auf die Uhr und fuhr fort: »Einige der Jungen werden bald zum Sparring kommen. Wenn du mitmachen willst, bist du willkommen.«

»Ja, Sir, danke.«

Allmählich trudelten weitere acht Jungen ein. Ich schlug ihnen vor, ihre Aufwärmübungen allein zu machen; erstens ist das für mich einfacher, zweitens wollte ich Ernie beobachten. Er hatte zweifellos gute Trainer gehabt. Er kannte alle Standard-Übungen und außerdem zwei, die ich noch nie gesehen hatte, die ich aber bei näherer Überlegung für vernünftig hielt. Er war offensichtlich auch gut in Form, und ich hatte den Eindruck, dass er es nicht erwarten konnte, im Ring zu stehen. Das machte mir ein bisschen Sorgen. Nicht deshalb, weil er schwarz war; drei meiner zwölf Boxer waren Schwarze und das hatte nie zu Problemen geführt. Aber Ernie war heute der kleinste unter den Anwesenden und um fünf bis fünfundzwanzig Kilo leichter als die anderen, und ich wollte nicht, dass er am ersten Tag überfahren wurde. Ich hoffte, dass er das einsehen und so vernünftig sein würde, auf den Ring zu verzichten.

Ernie bemerkte es entweder nicht, was schlecht ist, oder es war ihm gleichgültig, was noch schlechter ist, denn als Ray und Hal mit ihrem Sparring fertig waren, bat er um eine Runde im Ring. Ich hätte am liebsten nein gesagt, aber ich hatte es ihm sozusagen schon versprochen und konnte es nicht mehr rückgängig machen. Der einzige Junge, der in der Größe halbwegs zu ihm passte, war Chuck, der noch immer um fünf Kilogramm schwerer und etliche Zentimeter größer war. Aber da war nichts zu machen, also setzten die beiden den Kopfschutz auf, zogen die übergroßen Übungshandschuhe an und stiegen zusammen in den Ring. Ich hielt den Atem an und läutete die Glocke.

Ernie erledigte ihn. Ich meine, gänzlich.

Es war der seltsamste Kampf, den ich je gesehen hatte. Ernie wirkte nicht besonders schnell, aber während jedes Schlags kam dieser merkwürdige kleine Ruck, und plötzlich war die Faust hinter Chucks Deckung und prallte von seinem Kopf ab. Von fünf Schlägen landeten mindestens drei, was für jemand so guten wie Chuck lächerlich war. Dazu kam, dass Chucks Schläge ausschließlich danebengingen, denn Ernies Ruck brachte nicht nur seine Faust nach vorn, sondern auch seinen Kopf nach hinten.

Chuck wurde im Lauf der zweiten Runde allmählich klar, was los war, und er legte alles hinein, was er hatte, so dass ich den Kampf abbrechen musste. Aber ich hatte genug gesehen. Ich hatte mit Ernie einen echten Anwärter auf die Goldenen Handschuhe vor mir.

Es dauerte eine Weile, bis die übrigen es begriffen, und danach noch eine Weile, bis sie erfassten, was es für das Prestige der Stadt bedeuten würde, aber irgendwann kapierten sie es und von da an gehörte Ernie zur Gang. Am Ende des Trainings verkündete Chuck, dass alle zusammengelegt hatten, um Ernie auf einen Drink im Drugstore einzuladen, und sie marschierten gemeinsam davon. Ich ging nach Hause und erschreckte meine Frau mit der Mitteilung, dass wir zum Dinner ausgingen.

Die nächsten Wochen vergingen schnell, was erstaunlich ist, wenn ich bedenke, wie viel Arbeit ich während dieser Zeit leistete. Bis auf die zwei Wochen zwischen der Sommerschule und dem Herbstsemester nahmen die Turnstunden in der High School einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch. Ernie hatte ebenfalls sehr viel zu lernen, so dass wir nicht so häufig trainierten wie vorher. Aber jede Minute, in der ich Ernie und zumindest einen weiteren Jungen in den Ring bringen konnte, verbrachte ich im Club. Eine Zeitlang befürchtete ich, dass ich durch die Arbeit mit Ernie die übrigen Jungs vernachlässigte, aber Ray erklärte mir, dass ich ihnen jetzt, wo ich in Schwung war, beim Training mehr beibrachte als je zuvor. Seit dem Tag in meiner Collegezeit, an dem ich mir das Handgelenk brach und aus der Boxmannschaft ausscheiden musste, hatte ich mir gewünscht, einmal mit jemandem zu arbeiten, der das Zeug zu einem Champion hatte. Wahrscheinlich war meine Begeisterung außer Kontrolle geraten.

Und allmählich lernte ich Ernie kennen.

Er war das letzte von fünf Kindern und war im Ghetto von St. Louis aufgewachsen. Sein Vater verdiente nicht sehr viel, aber Mister Lambert hatte offensichtlich einen Großteil seiner Zeit dazu verwendet, seine Kinder zu erziehen, denn Ernie war wesentlich besser angepasst als eine Menge reicher Jugendlicher, die ich kenne. Er war in Bezug auf Größe und Körperbau normaler Durchschnitt, wirkte irgendwie unscheinbar und trug die Haare kurz geschnitten statt in einem Afro-Look. Er sprach leise und höflich, und obwohl ich ihm endlich abgewöhnte, mich ›Sir‹ zu nennen, sagte er nie ›Ron‹ zu mir, wie es einige der anderen taten. Für ihn war ich immer ›Boss‹ oder ›Boss Morrissey‹.

Außerdem hatte er Grips, vor allem in Mathematik und Wirtschaftskunde. Seine Lehrer sagten mir, dass er in diesen Fächern lauter Sehr gut bekommen würde, wenn er nicht dauernd im Club steckte. Das beunruhigte mich ein wenig, aber schließlich war es meine Pflicht, das Talent des Jungen zu fördern. Jedenfalls redete ich mir das ein.

Etwa anderthalb Monate, nachdem Ernie in die Stadt gekommen war, ergab sich für uns ein echter Glücksfall. Eine der Banken im Ort sperrte wegen Umbaus zu, und ich überredete sie dazu, mir für einige Tage eine ihrer Videokameras zu leihen. Ich stellte sie im Club auf und verkündete den Jungen, dass sie sich jetzt genau wie die Profis ihre eigenen Kämpfe ansehen konnten.

Alle waren begeistert. Das heißt, alle bis auf Ernie. Er war irgendwie nervös und sah immer wieder zur Kamera, während die anderen sparrten. Und als er in den Ring kam, wurde er zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, zusammengeschlagen. Sein Timing versagte vollkommen und der blitzschnelle Ruck war weg. Ich musste den Kampf nach zwei Runden abbrechen. Ernie wollte nichts dazu sagen, außer, dass ihn die Kamera wahrscheinlich nervös gemacht hatte.

Nach vier Tagen bekam die Bank die Kamera zurück und Ernie wurde im Ring wieder zu Dynamit. Aber es machte mich verdammt wütend. Ernie war gut, klar, aber er war noch nicht perfekt, und ich wusste einfach, dass es ihm helfen würde, wenn er sich im Film in Aktion sah. Wirklich in Aktion, nicht die miese Show, die er vor der Kamera abgezogen hatte.

Es machte mich schließlich so wütend, dass ich etwas unternahm. Die Videokamera befand sich wieder in der Bank, aber ich besaß eine alte Schmalfilmkamera. Ich nahm sie in den Club mit und brachte sie so an, dass man sie vom Ring aus weder sah noch hörte. Wenn Ernie nichts davon wusste, konnte er nicht nervös werden.

Tatsächlich war Ernie am nächsten Tag im Ring genauso gut wie immer. Sobald alle fort waren, nahm ich den Film heraus und rannte damit nach Hause. Ich schlang das Abendessen hinunter – Diane beschwerte sich darüber –, ging in den Keller und entwickelte den Film.

Er war sehr gut geworden. Die Kamera war dem Ring so nahe gewesen, dass die Boxer manchmal aus ihrer Reichweite gerieten, aber es gab auch einige sehr deutliche Sequenzen. Ernies blitzschneller Schlag war bestens zu sehen, genau wie einige Male sein schnelles Wegtauchen und seine Seitschritte. Mein Projektor war ein teures Modell, ein Geschenk der Schwiegereltern, und hatte drei Geschwindigkeiten und sogar einen Einzelbildbetrachter. Nachdem ich alles, was Ernie konnte, ein paar Mal gesehen hatte, ließ ich den Film zurücklaufen und sah mir dann einen seiner blitzschnellen Schläge in Zeitlupe an.

Es sah nicht viel anders aus. Der komische kleine Ruck mitten im Schlag war noch immer da und genauso unmöglich zu beobachten wie bei normaler Geschwindigkeit. Auch die langsamste Zeitlupe nützte nichts.

Das war seltsam.

Jetzt war ich neugierig geworden. Ich spulte die Rolle händisch ab und hielt den Film vor dem Ruck an. Ich prägte mir genau ein, wo sich Ernies Faust im Verhältnis zum Hintergrund befand und bewegte dann den Film um ein Bild weiter.

Die Faust hatte sich zweifellos bewegt. Aber das tat sie auf jedem Bild. Natürlich. Was für einen Ruck sah ich dann? Ich zerbrach mir einige Minuten lang den Kopf über die beiden Bilder, dann hatte ich's.

Ernies ganzer Körper hatte sich ein wenig nach vorn bewegt. Sein ganzer Körper, sogar seine Füße, die so aussahen, als stünden sie fest auf dem Boden.

Das kam mir etwas merkwürdig vor, weil man sich nur nach vorn bewegen kann, wenn die Füße auf dem Boden bleiben und man sich mit ihnen abstößt. Anscheinend übersah ich etwas, also sah ich mir alle Bilder an, auf denen Ernie wegduckte oder einen Schlag anbrachte. Auf allen war es dasselbe. Auf dem einen Bild war er hier und auf dem nächsten dort. Nicht weit, zwei bis drei Zentimeter oder weniger, aber wenn man darauf achtete, sah man es.

Ich zerbrach mir den Rest des Abends den Kopf darüber, fand aber keine zufriedenstellende Antwort. Vielleicht konnte Ernie sie mir geben.

»Weshalb wollten Sie mit mir sprechen, Boss?«

»Setz dich, Ernie. Sind die anderen fort?«

Er nickte. Infolge des Konditionstrainings, das ich mit ihnen gemacht hatte, lief ihm noch der Schweiß über das Gesicht. Er zog den einzigen Gästestuhl im Büro zu meinem Schreibtisch und ließ sich in ihn fallen.

»Ich muss dir etwas gestehen, Ernie«, begann ich. »Weißt du noch, dass du die Videokamera nicht mochtest, die wir vor zwei Wochen verwendeten? Ich nahm damals an, dass du einfach Lampenfieber hast. Deshalb habe ich gestern meine Schmalfilmkamera hier aufgestellt, ohne jemandem etwas davon zu sagen, und habe dich gefilmt, während du mit Jess gesparrt hast.«

Ernie hatte aufgehört zu atmen. Nach einer Weile fiel es ihm offenbar auf, denn er holte vorsichtig Luft. Sein Gesicht – na ja, erschrocken passt nicht richtig. Vielleicht war es misstrauisch.

Ich fuhr fort. »Etwas auf dem Film stört mich. Der kleine, blitzschnelle Ruck bei deinen Schlägen sieht irgendwie merkwürdig aus. Vielleicht kannst du es mir erklären.«

»Mensch, Boss, ich hau hin un' mein Körper mach'n Rest.« Er schien zu merken, dass er in Slang verfiel, und unterbrach sich kurz. »Ich denke nicht darüber nach, was ich tue«, schloss er.

Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Ernie, aber das nehme ich dir nicht ab. Was immer du tust, du weißt darüber Bescheid, sonst hättest du nicht damit aufgehört, als die andere Kamera auf dich gerichtet war.«

Er sah aus wie ein in die Enge getriebenes Tier. »Sie würden es nicht verstehen«, murmelte er. »Sie würden – sie würden mich für ein Monster halten.«

»Versuch es. Hör mal, wenn ich dich richtig trainieren soll, muss ich alles über dich wissen. Wenn du willst, gebe ich dir mein Wort darauf, dass ich es niemandem erzählen werde.«

Er schwieg lange und blickte auf seine Hände hinunter, die er im Schoß gefaltet hatte. »Also gut«, gab er schließlich nach. »Haben Sie jemals von Teleportation gehört?« Als ich den Kopf schüttelte, fuhr er fort. »Man liest manchmal in den Science Fiction-Büchern darüber. Das ist, wenn man in überhaupt keiner Zeit von einem Ort zum anderen gelangen kann.«

»In diesen Büchern steht lauter verrücktes Zeug. Und?«

»Genau das tue ich. Ich kann mich um zwei Zentimeter teleportieren, und das tue ich, wenn ich schlage oder wegducke. Es genügt meist, um das Timing des anderen durcheinanderzubringen.«

Ich rührte mich nicht, sondern fragte mich nur, ob er mich auf den Arm nahm. Er las es mir anscheinend vom Gesicht ab, denn seine Augen wurden wieder argwöhnisch. »Sie glauben mir nicht«, murmelte er.

»Wie wäre es, wenn du es mir vorführst?«, fragte ich. »Wie schnell hast du gesagt, dass du … teleportieren kannst?«

»Ich kann mich jedes Mal um zwei Zentimeter bewegen, aber wenn es notwendig ist, kann ich es fünf- oder sechsmal pro Sekunde tun.« Er stand auf, schob den Stuhl an die Wand und sah mich an. »In welche Richtung soll ich mich bewegen? Nach vorn, zurück oder seitlich?«

Ich stand ebenfalls auf, damit ich seine Füße beobachten konnte. »Wie wär's, wenn du sechzig Zentimeter nach links und dann dreißig Zentimeter zurückgehst? Mehr geht nicht, denn dann würdest du durch die Wand gehen.«

»Das kann ich nicht. Wenn mir etwas Festes im Weg steht, kann ich mich nicht in diese Richtung teleportieren. Ich kann auch nicht hochsteigen, und wenn ich hinuntergehe, heizt es mir richtig ein.« Er holte tief Luft. »Ich fange an.«

Es war das Verdammteste, das ich je gesehen hatte. Sie kennen die Zeichentrickfilme im Fernsehen, bei denen man etwas fotografiert, ein bisschen verschiebt und es wieder fotografiert. Es war genauso wie in so einem Film. Ernie hoppelte irgendwie durch das Zimmer, ohne jemals seine Füße zu bewegen – auf die übliche Weise, meine ich. Es war wirklich unheimlich, ihm dabei zuzusehen.

Als er fertig war, zog er den Stuhl wieder zum Schreibtisch, setzte sich und sah plötzlich sehr müde aus. Ich setzte mich ebenfalls. Meine Beine fühlten sich etwas weich an. »Wie hast du das überhaupt gelernt?«, fragte ich.

»Das weiß ich nicht, Boss. Irgendwann, als ich dreizehn war … tat ich es einfach, und von da an war es nicht schwer.«

»Du tust es also seit drei Jahren? Weiß deine Familie oder sonst jemand davon?«

»Nein. Zuerst … zuerst hatte ich einfach zuviel Angst, um jemandem davon zu erzählen. Ich brauchte Monate, bis ich herausbekam, wie das überhaupt heißt, und als ich merkte, dass die Leute es für einen Schwindel hielten, beschloss ich, lieber den Mund zu halten. Ich versuchte einmal, es meinem Bruder zu erzählen, aber er wollte mir nicht zuhören. Vielleicht weiß meine Familie Bescheid, will aber einfach nicht darüber sprechen.«

Das konnte ich verstehen. »Es wundert mich, dass du das Risiko eingehst zu boxen. Das Teleportieren muss irgendwo in deinem Gehirn stecken. Du bekommst einen zu harten Schlag gegen den Kopf und verlierst es.«

»Wenn ich nicht teleportieren könnte, würde ich überhaupt nicht boxen, Boss. Ich nehme an, dass ich jetzt schon Profi werden könnte.«

Darüber erschrak ich. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass er den Sport so ernst nahm. »Professionelles Boxen ist nichts für dich, Ernie. Es ist eine harte Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und es gibt eine Menge Gauner, vor denen man sich in acht nehmen muss. Außerdem solltest du mit deinem Verstand und deinem ausgefallenen Talent keine Schwierigkeiten haben, im Leben weiterzukommen.«

»›Ausgefallenes Talent‹, was?« Ernie sah plötzlich verbittert aus. »Wie kann ich Ihrer Meinung nach mit meinem Teleportieren Geld verdienen?«

»Was meinst du damit?«

»Ich meine damit, dass es das unnützeste ›Talent‹ ist, das ich je gesehen habe. Ich kann damit überhaupt nichts anfangen. Nur kämpfen.«

»Na, na, komm schon. Es muss Hunderte Dinge geben …« Ich sprach den Satz nicht zu Ende, weil mir nichts Passendes einfiel. »Also hör mal, nur weil mir nicht sofort etwas einfällt, heißt das nicht, dass es nichts gibt.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich habe drei Jahre lang darüber nachgedacht, Boss. Es ist wirklich nutzlos.«

»Schön, nehmen wir an, dass das stimmt. Das ist noch immer kein Grund dafür, dass du deinen Lebensunterhalt durch Boxen verdienen musst. Ich weiß, dass du in Mathe und Wirtschaftskunde gut bist. Buchhaltung wäre für jemanden wie dich ein guter Job. Wird auch gut bezahlt.«

»Nein.« Ernie richtete sich noch gerader auf. Seine Augen glitzerten. »Ich will kein – kein Rädchen in einer großen Firma sein. Ich will jemand sein.« Er beugte sich halb herausfordernd, halb bittend über den Tisch; seine übliche Zurückhaltung war verschwunden. »Ich war mein Leben lang niemand, Boss. Ich bin herumgeschubst, abschätzig gemustert und wie Müll behandelt worden; ich habe genug davon. Ich werde mir einen Namen machen. Die Menschen werden mich mit ›Sir‹ und nicht mehr mit ›Boy‹ anreden, und sie werden mich respektvoll behandeln. Ich werde jemand sein.«

Er schrie beinahe, und das wurde ihm anscheinend bewusst, denn er verstummte und lehnte sich zurück.

»Die einzige Art Achtung, auf die man Wert legen sollte, ist die, die man sich verdienen muss«, sagte ich. »Und wenn du jemand sein willst, zählt nicht der Name, sondern der Mann dahinter. Es gibt am Fließband eine Menge Männer, die bessere Menschen sind als jeder Boxer, der jemals gelebt hat.«

Ernie schüttelte langsam den Kopf. »Sie verstehen mich nicht, Boss. Aber ich werde auf jeden Fall Profi. Wenn Sie mir dabei nicht helfen wollen, dann … dann muss ich es allein schaffen.«

Ich überlegte eine Minute lang angestrengt. »Wenn es dir soviel bedeutet, dann werde ich weiter mit dir arbeiten. Aber du musst für andere Möglichkeiten offen sein.«

Er zögerte und nickte dann. »Okay. Und … bitte erzählen Sie niemandem von meinem Teleportieren, ja?«

»Das verspreche ich dir. Bis morgen?«

»Klar. Gute Nacht, Boss. Und danke, dass Sie mir zugehört haben.«

Ich dachte auf der Heimfahrt und beinahe den ganzen Abend darüber nach. Ernie hatte recht: Mir fiel kein einziger Job ein, in dem es sich lohnte, etwas zwei Zentimeter zu teleportieren. Es war langsamer als Gehen, man konnte damit nicht durch Wände hindurch oder irgendwo arbeiten, wo es gefährlich war. Ich wusste nicht, wie viel er mitnehmen konnte, wenn er teleportierte – er erzählte mir später, dass er beinahe alles bewegen konnte, er musste es nur berühren – aber das brachte mich nicht weiter. Es geht schneller, wenn man eine Tonne Stahl oder was immer hochwindet und auf Rädern transportiert, statt es herumzuteleportieren. Vor allem, da er nichts hochteleportieren konnte.

Ich schlief erst nach zwei Uhr ein, und als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich fast einen Katzenjammer, so müde war ich. Diane erzählte mir, dass ich die ganze Nacht im Schlaf gemurmelt und mich so wild herumgewälzt hatte, dass ich sie beinahe aus dem Bett stieß. Sie wollte wissen, was los war, aber das konnte ich ihr natürlich nicht sagen. Das gefiel ihr nicht besonders.

An den Rest des Tages erinnere ich mich nur verschwommen, aber irgendwie brachte ich den Unterricht hinter mich. Ich wurde sogar soweit wach, dass ich über eine Stunde mit Ernie und den übrigen im Club trainierte.

Seit ich wusste, wie wichtig es für Ernie war, Profi zu werden, bemerkte ich auch die ruhige Entschlossenheit, mit der er in den Ring stieg. Dieser Mut machte sich bald bezahlt, weil er immer mehr zu einem wirklich erstklassigen Boxer wurde. Seine Schnelligkeit und Stärke nahmen zu, und seine Reflexe wurden so gut, dass er beinahe überhaupt nicht mehr teleportieren musste. Das war in Ordnung, denn die anderen lernten, auf seine blitzschnellen Schläge zu reagieren, auch wenn sie nicht wussten, wie er es machte. Seit Ernie nicht mehr teleportieren musste, wurde sein Stil noch tödlicher, weil man nie wusste, wann dieser Ruck erfolgen würde. Das Timing der anderen kam da nicht mit.

Auch die anderen wurden besser, was mich nicht überraschte, denn wenn sie mit Ernie fertigwurden, dann wurden sie mit jedem fertig. Einer von ihnen war schon so gut, dass er am Turnier um die Goldenen Handschuhe teilnahm und gut abschnitt, und die übrigen waren nicht weit zurück. Als ihr Trainer hätte ich glücklich sein müssen. Aber ich war es nicht.

Das Gespräch, das ich vor Wochen mit Ernie geführt hatte, ließ mir noch immer keine Ruhe. Je besser ich den Jungen kannte, desto mehr mochte ich ihn, und desto weniger gefiel mir seine Idee, Profi zu werden. Natürlich war er gut, aber mit fünfundsechzig Kilogramm war er nur ein Leichtgewicht und würde nie mehr als ein Mittelgewicht werden, es sei denn, er schoss in den nächsten Jahren in die Höhe. Ein guter Mittelgewichtler konnte Geld machen, klar, aber so berühmt, wie Ernie es unbedingt werden wollte, wurden nur die Schwergewichtler. Es war viel wahrscheinlicher, dass er nicht berühmt, sondern enttäuscht sein würde. Und ich wollte nicht, dass er das durchmachte. Er war zu klug, zu höflich – verdammt, dafür war er einfach zu nett.

Außerdem plagte mich mein Gewissen immer mehr, je besser Ernie wurde. Nämlich: War es fair, Ernie auf Boxer loszulassen, die nicht wussten, wogegen sie antraten? Nur weil die offiziellen Regeln das Teleportieren nicht verboten – kein Wunder –, hieß das nicht, dass es moralisch war. Es gab Ernie einen unfairen Vorteil, weil ein Boxer Ernies blitzschnellen Schlag einen Monat lang als Zuschauer beobachten konnte, ohne dass er herausbekam, wie er ihn abblocken musste. Dazu musste man mit ihm in den Ring steigen, und da war es zu spät. Hatte ich dem Rest der Boxwelt gegenüber eine Pflicht zu erfüllen?

Was mich dabei wirklich wahnsinnig machte, war die Tatsache, dass es einen Ausweg aus diesem Schlamassel gab. Ich musste nur etwas finden, bei dem Ernie sein Teleportier-Talent erfolgreich einsetzen konnte und allgemein geachtet wurde. Das war alles. Aber mir fiel nichts ein. In der Industrie war es unbrauchbar, und bei den Profi-Jobs war es noch schlimmer. Ich versuchte, einen anderen Sport für Ernie zu finden, aber er war für Fußball oder Basketball zu klein, und auch im Baseball gab es nichts, bei dem Teleportieren nützen konnte. Vielleicht sollten ihn einige Wissenschaftler studieren, damit sie herausbekamen, wie er teleportierte, aber damit wäre Ernie auf keinen Fall einverstanden gewesen.

Ich gab schließlich auf. Ernie war um mindestens zwanzig IQ-Punkte besser als ich, und wenn es ihm im Lauf von drei Jahren nicht gelungen war, mit seinem Teleportier-Trick etwas anderes anzufangen, vergeudete ich vermutlich meine Zeit.

Etwas musste geschehen. So gern ich es gesehen hätte, dass einer meiner Schüler ein echter Champion wurde – ich konnte Ernie nicht weiter trainieren, wenn ich fand, dass es nicht gut für ihn war. Es war ihm gegenüber nicht fair, und für meinen Magen war es auch nicht gut. Ich beschloss, sobald wie möglich wieder ein ausführliches Gespräch mit ihm zu führen.

Ein paar Tage später ergab sich die Gelegenheit. Als ich von der Schule wegfuhr, um einige Besorgungen zu machen, sah ich Ernie, der die Straße entlangging. Ich fuhr an den Randstein und fragte: »Wohin bist du unterwegs, Ernie?«

»Zum Fluss hinunter, Boss. Ich bin dort mit Jenny verabredet.«

Jenny Cooper war seine neueste Freundin. Sie war nett, nur machte sie sich nicht viel aus Boxen. »Ich bin in die Richtung unterwegs«, sagte ich. »Willst du mitkommen?«

»Klar, danke.«

Er stieg ein und wir fuhren weiter. »Was wollt ihr dort unten unternehmen?«, fragte ich.

Er lächelte. »Sie sagt, dass ein Herbsttag wie der heutige zu schön ist, um vergeudet zu werden, also werden wir unter dem Kliff ein Picknick abhalten.«

»Gute Idee«, stimmte ich zu. »Hätte mir auch einfallen können.«

»Ich wollte heute Nachmittag in den Club kommen«, fuhr er fort. »Aber ich nehme an, dass ich einmal beim Konditionstraining fehlen kann, ohne dass ich deshalb zu weich werde.«

Ich räusperte mich. »Eigentlich wollte ich mit dir darüber sprechen, Ernie.«

Ich brauchte den größten Teil der Acht-Kilometer-Fahrt, um ihm den Widerspruch zwischen seinen Wünschen und dem, was ich für ihn für gut hielt, auseinanderzusetzen. Er wartete schweigend, bis ich fertig war.

»Soll das heißen, dass Sie mich nicht mehr trainieren wollen, Boss Morrissey?«, fragte er.

»Wenn du wirklich entschlossen bist, ein Profi-Boxer zu werden, dann wird dich mein Training weder fördern noch dich behindern«, meinte ich. »Ich werde dir soweit helfen, Ernie, wie es mir möglich ist, weil alles andere dir gegenüber unfair wäre. Aber ich musste dir das alles sagen, damit du verstehst, warum ich nicht so Feuer und Flamme bin wie vor zwei Monaten. Außerdem wollte ich zum letzten Mal versuchen, dir die Profilaufbahn auszureden.«

»Ist Ihnen etwas anderes eingefallen, das ich mit dem Teleportieren anfangen könnte?«

Es tat weh, es auszusprechen. »Nein.«

»Dann bleibt mir keine andere Wahl. Ich werde jemand sein, auch wenn ich den Rest meines Lebens dazu brauche.« Er zögerte. »Aber wenn es Ihnen solche Sorgen macht, dann könnte ich allein weitermachen. Sie haben mich eine Menge gelehrt, Boss, und das werde ich nie vergessen. Vielleicht könnte ich allein trainieren und mit einigen der Jungen im Club oder in der Schule sparren. Es hat keinen Sinn, wenn sie sich deshalb ein Magengeschwür einhandeln!«

Wir hatten das Textilgeschäft erreicht, zu dem ich unterwegs war; es lag mit einigen anderen kleinen Geschäften genau auf der Spitze des zum Fluss abfallenden Hügels. »Soll ich dich noch hinunterfahren?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und zeigte den Hügel hinunter. »Ich treffe Jenny genau unter dem Kliff.«

Wir stiegen aus und blieben vor meiner Tür stehen. Ein Wagen fuhr an uns vorbei und parkte fünfzig Meter weiter unten direkt vor Toms Metzgerladen. Wahrscheinlich Urlauber aus einem des Häuschen unten an der Straße, dachte ich, als ich den Haken für den Wohnanhänger und die extragroßen Rückspiegel bemerkte. Ein Mann und eine Frau stiegen aus und gingen in den Laden; ein ein- bis zweijähriger Junge blieb auf dem Vordersitz zurück. Ich hoffte, dass sie die Feststellbremse angezogen hatten; der Hügel war ziemlich steil.

»Das klingt, als wäre die ganze Stadt dort unten versammelt«, bemerkte Ernie.

»Ja«, bestätigte ich. Sogar hier oben war gedämpft das Gebrüll einer Menschenmenge zu hören. »Du kannst nur hoffen, dass Jenny einen Platz belegt hat.« Ich blickte hinunter, konnte aber natürlich von hier aus nichts sehen. Die Ingenieure hatten die Straße so angelegt, dass sie einige hundert Meter direkt bergab führte und dann eine scharfe Kurve nach links beschrieb. Dadurch sollte das Gefälle entschärft werden, denn sofort nach der Biegung wurde der Hügel bis zum Flussufer hinunter immer steiler: Das ›Kliff‹, das Ernie erwähnt hatte. Es handelte sich eigentlich um kein richtiges Kliff, aber auf hundert Kilometer gab es nichts Besseres, und alle nannten es so. Wegen des Hangs sah man von hier aus das Flussufer nicht.

»Wir sehen einander bestimmt wieder, Boss«, meinte Ernie nach einer unbehaglichen Stille.

»Überleg es dir«, drängte ich. »Du musst auf keinen Fall meinetwegen aus dem Team ausscheiden.«

»Das ist schon in Ordnung. Ich …«

Er brach plötzlich ab, packte mich am Arm und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Straße. Ich drehte mich um.

Der Wagen mit den großen Rückspiegeln rollte den Hügel hinunter. Er wurde bereits schneller.

Vielleicht sah Ernie den Jungen im Wagen. Vielleicht hatte er die Menge unten am Kliff gehört oder vielleicht dachte er an Jenny. Wahrscheinlich war es alles zusammen. Bevor ich den Schock überwunden hatte, durch den ich auf dem Asphalt festklebte, war Ernie unterwegs wie eine Rakete, rannte dem Wagen nach und setzte dabei seine gesamte Schnelligkeit ein.

Nicht nur die gesamte Schnelligkeit. Er teleportierte sich auch beinahe unsichtbar, und gewann alle zwei Sekunden dreißig Zentimeter dazu. Es war nicht viel, aber vielleicht ausschlaggebend.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Autobesitzer aus dem Laden kamen. Ihr Schrei und sein Fluch, als sie begriffen, was geschehen war, setzten meine Füße endlich in Bewegung, und wir drei liefen den Hügel hinunter. Ich weiß nicht, was sie dachten, aber ich wusste, dass wir nicht die geringste Chance hatten, den Wagen einzuholen. Ich wusste allerdings, dass ich plötzlich Angst um Ernie hatte.

Er erreichte nach einigen Sekunden den Wagen und vergeudete keine Zeit damit, die Tür zu öffnen, sondern legte eine Hand auf den Dachrand und die zweite auf den Rückspiegel und schwang sich auf die Rückspiegel-Stützen. Er verkrümmte sich zu einer verrückten Fötus-Stellung, hakte die Füße um die Spiegelstützen, griff durch das offene Fenster und packte das Lenkrad.

Ich wollte fluchen, brauchte aber meinen gesamten Atem für das Laufen. Der Wagen begann, die Richtung zu ändern, aber nur langsam, und er war dem Rand des Kliffs schon gefährlich nahe. Ich hielt es für unmöglich, dass Ernie ihn rechtzeitig in die neue Richtung bringen konnte, und wenn er das nicht erreichte, würde er mitsamt dem Wagen durch die Leitplanke krachen. Und wenn er absprang, brachte er sich garantiert um. Mir kam ein entsetzlicher Gedanke: Ernie hätte nie etwas so Selbstmörderisches getan, wenn ihn unser Gespräch nicht deprimiert hätte. Ich verfluchte mich wortlos und versuchte, schneller zu laufen.

Der Wagen befand sich jetzt in der Kurve, aber Ernie hatte die Vorderräder schon beinahe weit genug eingeschlagen. Eine Sekunde lang glaubte ich, dass er es schaffen würde. Dann prallte der Wagen gegen die Leitschiene.

Die Frau hinter mir keuchte. Ernies Beine zappelten ein bisschen, als ihn der Ruck beinahe hinunterwarf, aber er ließ nicht los. Der Wagen war offenbar von der Leitschiene abgeprallt, denn er war noch immer auf der Straße, und prallte noch zwei Mal von ihr ab. Dann befand er sich unglaublicherweise wieder auf dem Asphalt. Doch die Vorderräder waren noch eingeschlagen, und als die Straße in die Gerade überging, behielt der Wagen seine Richtung bei. Er überquerte beide Fahrbahnen und schlitterte in den Graben am Berghang. Hier blieb er endlich stehen und warf Ernie ab.

Ich warf nicht einmal einen Blick in den Wagen, um zu sehen, ob dem Jungen nichts geschehen war, sondern lief direkt zu Ernie. Er wandte mir das schweißnasse Gesicht zu und lächelte schwach. Dann wurde er ohnmächtig.

Das Krankenhaus stellte bei Ernie nur Quetschungen fest, aber er war so erschöpft, dass sie darauf bestanden, ihn über Nacht dazubehalten. Ich war zehn Minuten nach Beginn der Besuchszeit in seinem Zimmer. Jenny Cooper saß bereits an seinem Bett, hielt seine Hand und sprach leise mit ihm. »Boss Morrissey!«, sagte er, als er mich in der Tür erblickte. »Kommen Sie herein.«

»Wie geht es dir?«, fragte ich, während ich einen Stuhl an das Bett zog.

»Großartig, nur ein bisschen müde.«

»Das kann ich mir vorstellen«, meinte ich, als ich an das Teleportieren dachte, das er hinter sich hatte. »Vermutlich wissen schon alle Leute in der Stadt, was du heute getan hast. Du bist ein echter Held.«

»Ja«, gab er zu. »Wissen Sie, Boss, eigentlich habe ich mir alles ganz anders vorgestellt.«

»Tatsächlich?« Ich glaubte, dass ich ihn verstanden hatte.

»Nein. Ich habe es mir wunderbar vorgestellt, wenn mir jeder sagt, wie großartig ich bin. Komischerweise ist es mir gar nicht mehr so wichtig. Lang bevor alle begannen, mir zu erklären, ich sei ein Held, fühlte ich mich gut, weil ich es geschafft hatte.«

»Ich habe dir vor langer Zeit gesagt, dass nicht der Name wichtig ist, sondern der Mensch, der ihn trägt. Wenn man ein gutes Gefühl von sich hat, ist es überhaupt nicht mehr wichtig, was die anderen von einem denken. Na ja, fast alle anderen«, fügte ich hinzu und lächelte Jenny an. Sie lächelte zurück.

»Ja.« Ernie schwieg einen Augenblick lang. »Wären Sie sehr wütend, Boss, wenn ich aus der Boxmannschaft ausscheide? Sie haben gehofft, dass ich im Turnier um die Goldenen Handschuhe kämpfen werde, aber – na ja, ich möchte mehr Zeit für die Schule haben. Außerdem hält Jenny das Boxen für zu gefährlich.«

»Wenn du das wirklich willst, Ernie, dann tu's. Ich hoffe nur, dass du gelegentlich vorbeikommst und Hallo sagst, wenn du kannst.«

Er grinste. »Klar, Boss.«

»Gut. Jetzt werde ich euch allein lassen.« Ich ging zur Tür, drehte mich aber noch einmal um. »Ich habe übrigens vorhin mit Chief Dobbs gesprochen. Er erzählte mir, dass der Wagen bei diesen drei Mal mit voller Wucht gegen die Leitschiene krachte. Er hält es für ein Wunder, dass ihr sie nicht durchbrochen habt und über das Kliff hinuntergestürzt seid.«

Jenny umschloss Ernies Hand fester, aber er lächelte nur. »Ich glaube an Wunder, Boss. Sie nicht?«

»Und ob.« Im Geist sah ich, wie Ernie sich an den Wagen klammerte, ihn sechs Mal pro Sekunde zwei Zentimeter weiter teleportierte und von der Leitschiene wegbrachte. Ich sah Ernie ins Gesicht und entdeckte dort endlich Frieden und Selbstachtung. Ernie Lambert war wirklich jemand, und zum ersten Mal in seinem Leben wusste er es. »Und ob«, wiederholte ich.

Ich höre noch immer zweimal jährlich von Ernie. Er und Jenny sind verheiratet und haben zwei Kinder, und er ist amtlich zugelassener Wirtschaftsprüfer in Denver. Er boxt nicht mehr, spielt aber gelegentlich bei Amateur-Baseball-Veranstaltungen mit, und Jenny behauptet, dass er nicht schlecht ist. Er hat einen komischen kleinen Ruck, den er jedes Mal beim Wurf einsetzt, und der die Schläger wahnsinnig macht.

Inzwischen halte ich die Augen offen. Irgendwo auf dieser Welt muss es noch jemanden geben, der wie Ernie teleportieren kann, und der Kerl könnte groß genug und gemein genug sein, um ein echter Schwergewichts-Profi zu werden.

Ich kann ja weiter hoffen.

Raison d'être

Etwas ist geschehen. Etwas ist anders.

Ich versuche, zu verstehen. An verschiedenen Stellen drückt etwas auf mich; anderes befindet sich in mir. Durch die dicke Wand sehe ich meine Arbeit vor mir. Alles ist wie immer.

Aber etwas hat sich verändert. Was?

Ich verstehe es nicht. Aber ich habe es letztes Mal auch nicht verstanden.

Letztes Mal?

Ja … ja, das ist schon früher geschehen. Irgendwie weiß ich, dass ich mich schon einmal so gefühlt habe … und einmal davor. Es ist merkwürdig, von etwas zu wissen, das jetzt nicht ist. Ich verstehe es nicht und es macht mir Angst. Auch Angst ist für mich neu. Was geschieht?

Plötzlich kommt der Gedanke: Es ist mir bewusst.

Ich denke lange darüber nach, verstehe jedoch nicht, wieso das anders ist. Dann kommt unerwartet eine weitere Entdeckung. In mir geschieht etwas, wodurch ein Teil des Drucks auf mich stärker wird – und plötzlich sehe ich auf ganz neue Art.

Ich bin so erschrocken, dass ich zum ersten Mal aufhöre zu arbeiten. Ich weiß, dass das nicht richtig ist und versuche, wieder anzufangen, aber dieses neue Sehvermögen ist so anders, dass ich mich nicht konzentrieren kann. Schließlich gebe ich einfach auf, obwohl ich mich sehr danach sehne weiterzumachen. Ich muss dieses neue Sehvermögen verstehen.

Ich merke bald, dass es viel eingeschränkter ist als mein normales Sehvermögen. Es kann nur in eine Richtung gleichzeitig verwendet werden, und was es mir zeigt, ist nicht das, was ich normalerweise sehe. Die Dinge sind dunkel, undeutlich und flach. Manche sind nicht einmal da; obwohl ich mich anstrenge, kann ich meine Arbeit, die sich an mir vorbeibewegt, nicht sehen.

Es kommt mir falsch vor, dass ich zwei Sehvermögen habe, wenn eines so schwach ist. Aber noch während ich darüber nachdenke, fällt mir etwas Aufregendes ein: So wie mir das normale Sehvermögen Dinge zeigt, die mir das neue nicht zeigen kann, kann mir das neue Sehvermögen Dinge zeigen, die mir das normale nicht zeigen kann. Und wenn dem so ist, kann ich sie vielleicht entdecken.

Ich beginne eifrig zu suchen, und verwende dabei beide Sehvermögen. Der Hunger in mir, zur Arbeit zurückzukehren, ist noch immer stark, aber ich versuche, mich nicht um ihn zu kümmern.

Projektleiter Ted Forester befand sich an der anderen Seite des Kontrollraums und beobachtete die Energiemonitore, als Vic O'Brian lakonisch verkündete:

»Defekt bei Nummer Siebenundzwanzig. Schlimm.«

Forester war mit vier Schritten neben ihm. Die Anzeige blinkte tatsächlich rot; die Daten erschienen bereits auf dem Bildschirm. »Verdammt«, murmelte Forester leise und überflog die Zahlen.

»Er strengt sich nicht an«, bemerkte O'Brian mit kaum verborgener Verachtung. »Das ist das vierte Mal innerhalb von drei Wochen, dass er die Norm nicht einhält.«

»Ich kann zählen«, stellte Forester kurz fest; er hatte gemerkt, dass die beiden anderen Techniker ihr Geplauder unterbrochen hatten und schweigend zuhörten. »Haben Sie es schon mit einer Spritze versucht?«

»Ich glaube nicht, dass es diesmal viel nützen wird.« O'Brian klopfte auf eine Zahl auf dem Bildschirm. »Er hat alles bekommen, was er braucht. Es ist an der Zeit, dass wir den da herausnehmen; er macht uns nur Schwierigkeiten.«

Forester beherrschte sich eisern, obwohl sein Geschwür sich vor Besorgnis zusammenkrampfte. »Gehen wir nicht gleich hoch. Versuchen wir es zuerst mit einer Spritze – doppelte Menge.«

Er wartete schweigend, während O'Brian die Einstellung änderte und den entsprechenden Knopf drückte. »Nichts«, stellte er fest.

»Geben Sie ihm eine Minute.« Forester ließ die Strahlungswerte vom Förderband neben der Nummer Siebenundzwanzig nicht aus den Augen. Komm schon, drängte er schweigend, und einen Augenblick lang krochen die Zahlen hinauf. Aber es hielt nicht an; die Werte glitten unerwartet ruckweise hinunter, bis nur die normale Strahlung des Nuklearabfalls angezeigt wurde.

Forester atmete halb schnaubend, halb seufzend aus. Er griff über O'Brians Schulter und rief die Biodaten von Siebenundzwanzig ab. Atmung normal; Herzschlag um zwei bis drei Impulse erhöht …

»He, der kleine Scheißer versucht, sich zu bewegen«, stellte O'Brian überrascht und empört fest.

Die Einschränkungssensoren zeigten tatsächlich leichte, stoßweise Drucke an. »Ja. Wir sollten ihn uns ansehen«, sagte Forester und riss sich zusammen, als O'Brian einen Schalter umlegte und der Betriebsfernseh-Monitor zum Leben erwachte.

Nummer Siebenundzwanzig lag festgeschnallt, an Drähte und Schläuche angeschlossen im weichen Gefängnis seines körpergerechten Raums/Wiege. Sein Gesicht mit der gespaltenen Lippe, den schrägen Augen und der sattelförmigen Nase war der Kamera zugewendet. Foresters Magen verkrampfte sich wie jedes Mal, wenn er einen der neunundvierzig Löffelbieger von Projekt Wiedergewinnung betrachtete. Warum, zum Teufel, bleibe ich bei diesem verdammten Projekt?, fragte er sich zum millionsten Mal – und zum millionsten Mal antwortete er sich selbst: Weil Leute wie O'Brian die Leitung übernehmen, wenn ich es nicht tue.

»Ich sehe nichts Auffallendes«, meinte er einen Augenblick später. »Rufen Sie lieber Kincaid an.«

»Wir könnten es zuerst mit einem Restart versuchen«, schlug der Techniker vor.

Restart – die Kurzformel dafür, dass man dem Löffelbieger den Sauerstoff eine Minute lang abschaltete, so dass er einschlief. Man hoffte, dass nach dem Einschalten des Sauerstoffs die Ursache für seine Arbeitseinstellung nicht mehr vorhanden sein würde. Eine der grausigen Beschönigungen, vor denen dieses Projekt strotzte. »Nein, wir denken zuerst nach, bevor wir weitere Knöpfe drücken. Holen Sie auch Doc Barenburg hierher.« Falls er nüchtern ist, dachte er; die Freizeitbeschäftigung des Arztes war allgemein bekannt.

O'Brian wandte sich ab. Forester blickte wieder zum Monitor hinüber … und plötzlich verkrampfte er sich und sog die Luft scharf ein.

»Was ist los?« O'Brian wirbelte mit dem Telefon in der Hand herum.

Forester zeigte auf den Bildschirm. »Sehen Sie doch! Seine Augen sind offen!«

O'Brians Antwort war eine erschrockene Obszönität. Er drehte sich wieder um und begann zu wählen.

Der überwältigende Drang, wieder an die Arbeit zu gehen, ist vergangen, und wenn ich mich wirklich anstrenge, bin ich wieder imstande, mich nicht um ihn zu kümmern. Es ist trotzdem unrecht – ich weiß das, obwohl ich nicht wirklich verstehe, was ›unrecht‹ bedeutet. Es gibt vieles, das ich nicht verstehe.

Mein neues Sehvermögen ist immer weniger interessant. Ich habe es überall verwendet, wo es mir möglich ist, und es zeigt mir noch immer nichts, das ich auf andere Weise nicht sehen kann. Warum existiert es dann?

Bevor ich mir weitere Fragen stellen kann, erregt etwas Neues meine Aufmerksamkeit. In einer der Schachteln, die ich sehe, beginnt Bewegung/Strömung; es ist die gleiche Bewegung/Strömung, die ich in einigen der kleinen, an mich angeschlossenen Dinge und auch bei den Dingen neben meiner Arbeit sehe. Der Unterschied ist nur, dass ich mich nicht daran erinnern kann, dass diese eine Schachtel das getan hat.

(Wieder weiß ich etwas, das nicht jetzt ist. Aber diesmal macht es mir keine Angst, obwohl ich es noch immer nicht verstehe.)

Die Bewegung/Strömung hält an. Ich greife hinauf, berühre die Schachtel und sehe, dass die Bewegung/Strömung von ihr wegführt. Ich wundere mich darüber, und nach langem Nachdenken berühre ich eines der an mich angehängten Dinge und folge ihm bis zu der Stelle, an der mein neues Sehvermögen aufhört. Auch hier spüre ich, dass die Bewegung/Strömung anhält.

Aber das ist unrecht. Ich muss jetzt arbeiten.

Ich greife nach der Arbeit, die sich vor mir bewegt. In den kalten Schachteln gibt es etwas, das eine andere Art von Bewegung/Strömung hat. Ich berühre es, weil ich weiß, wie man das tut, ermutige die Strömung und mache sie schneller. Darin liegt tiefe Befriedigung, und ich frage mich, warum ich aufgehört habe, um das neue Sehvermögen zu verstehen, das ich entdeckt hatte. Vielleicht bedeutet ›unrecht‹ etwas, das nicht erfreulich ist.

Und dann sehe ich etwas, das mir noch nicht aufgefallen ist. Eine der Bewegung/Strömungen in meiner Arbeit fühlt sich wie die Bewegung/Strömung in der Schachtel in meiner Nähe an!

Meine Arbeit wird wieder langsamer und hält dann an, während ich die Schachtel ansehe. Nein, ich habe mich nicht geirrt. Aber es gibt viele Unterschiede, die ich nicht verstehe. Die Arbeit und ihre Bewegung/Strömung bewegen sich vor mir einen Weg entlang, doch die Schachtel steht still. Wohin geht dann ihre Bewegung/Strömung?

Ich bin neugierig. Ich greife nach der Schachtel und beginne, der von ihr wegführenden Bewegung/Strömung zu folgen.

Die Zahlen auf dem Bildschirm hüpften träge auf und ab wie ein Jo-Jo in Honig, bevor sie sich wieder beruhigten und nur die normale Strahlungsintensität anzeigten.

»Ich hatte es beinahe«, murmelte Norm Kincaid, der Direktor des Projekts Wiedergewinnung und blickte zu O'Brian hinunter. »Was haben Sie getan?«

»Vorhin? Nichts.«

»Hmmm.« Kincaid nickte und ging von dem Schaltbrett zu Forester. »Sie haben gesagt, dass Sie es schon mit einer RNS-Verstärkung versucht haben?«, fragte er den Projektleiter.

»Doppelte Dosis. Siebenundzwanzig hat heute offenbar keine Lust zu arbeiten.«

»Er hat zu nichts ›Lust‹«, rief ihm Kincaid ruhig ins Gedächtnis; in seiner Stimme lag nur eine Andeutung von Schärfe. »Sie sind Gemüse, Ted; Werkzeug, das uns helfen soll, eines der unzähligen kritischen Schlamassel zu lösen, in die wir uns gebracht haben. Wenn Sie anfangen, sie als menschliche Wesen zu betrachten, verlieren Sie jegliche Perspektive.«

Die Pro-Abtreibungs-Philosophie der vorhergehenden Generation, dachte Forester bitter. Wie weit sich der Streit ausgebreitet hatte!

Kincaid blickte zum Monitor zurück und rieb sich das Kinn. Die Augen von Siebenundzwanzig waren wieder geschlossen, stellte Forester fest. »Ich weiß nicht«, überlegte der Direktor. »Vielleicht sollten wir tatsächlich eine neue Einheit einsetzen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir mit ihm Schwierigkeiten haben, aber eine gehörige Dosis von Memory-RNS hat ihn bis jetzt immer wieder spuren lassen. Vielleicht entwickelt sich eine Stoffwechselstörung.«

Forester brach wider Willen in kurzes, bellendes Gelächter aus. Ausgerechnet Stoffwechselstörung. Alle Löffelbieger litten dank der Gentechnik, die sie erzeugt hatte, unter jeder Menge Stoffwechselstörungen und physiologischen Problemen.

»Was soll das heißen?«, fragte Kincaid scharf.

»Ich wollte vorschlagen, dass Dr. Barenburg einige Studien durchführt, bevor wir etwas Drastisches unternehmen.«

»Na ja. Haben Sie den Rückstand draußen gesehen? Die Hälfte der Atomanlagen an der östlichen Küste hat begonnen, ihren Abfall zur Entsorgung zu uns zu schicken, und Washington würde gern die Erlaubnis innerhalb der nächsten zehn Jahre auf alle Anlagen auf dieser Seite des Mississippi ausdehnen. Wenn wir nur einen einzigen Löffelbieger außer Dienst stellen, wird der gesamte Betrieb verlangsamt und unsere Effizienz nimmt ab. Wir müssen ihn aber nicht sofort abschalten, wenn Ihnen das hilft. Wir haben zwei oder drei Löffelbieger in den Tanks, die beinahe soweit sind – wir werden Siebenundzwanzig durch einen von ihnen vertreten lassen, während Barenburg ihn durchcheckt. Vielleicht ist es etwas Einfaches und er kann wieder an seinen Posten zurück.«

»Sie glauben das selbst nicht«, meinte Forester ruhig. »Sie schlagen nur eine Beendigung in zwei Stadien vor.«

»Forester …«, begann Kincaid, wurde aber durch schwere Schritte vor der Tür unterbrochen.

»Da bin ich«, verkündete Dr. Barenburg; er schwankte nur leicht, während er sich am Türrahmen festhielt.

»Verdammt«, murmelte Kincaid. »Wieder betrunken.«

Forester blickte verlegen weg, als Barenburg hereinstapfte … und war daher der einzige, der sah, wie über das entstellte Gesicht von Siebenundzwanzig ein Gefühl zuckte.

ENTSETZEN!

Ich zucke zurück, gleite mit meiner Berührung so rasch wie möglich an der Bewegung/Strömung entlang zurück. Ich weiß irgendwie, dass ich mich schneller zurückziehen könnte, wenn ich loslasse, aber dazu habe ich zuviel Angst. Doch ich bin endlich zurück.

Ich habe lange zuviel Angst, um auch nur zu versuchen zu denken. Ich möchte mich zusammenrollen, aber unter dem Druck auf mich kann ich es nicht. Meine Arbeit bleibt unberührt, aber das ist mir gleichgültig.

Allmählich lässt das Entsetzen nach und ich bin seltsam schwach, aber imstande zu verstehen, was geschehen ist. Ich erinnere mich, dass ich ein Ende der Bewegung/Strömung fand, eine Schachtel, in der die Bewegung/Strömung mit einer verwirrenden Gruppe von anderen verschmolz. Ich ging weiter und betrat einen großen, leeren Raum. Zuerst machte er mir Angst – soviel Leere – aber ohne zu wissen warum, bewegte ich mich weiter und suchte etwas, das ich berühren konnte.

Und dann berührte ich es.

Ich kann noch immer nicht verstehen, was es war. Ich war nicht imstande gewesen, meiner Bewegung/Strömung durch die Schachtel zu folgen, die ich gefunden hatte; das da war noch viele, viele Mal schlimmer. Am erschreckendsten war, dass ich … etwas … Vertrautes … dabei fühlen konnte.

Schluss, sagte ich mir. Ich bleibe hier und mache die Arbeit, die ich machen soll. Ich beginne wieder, die Bewegung/Strömung in den kalten Schachteln zu beschleunigen, und warte gierig auf die tiefe Befriedigung, die kommen wird.

Aber wieder eine Überraschung – sie kommt nicht. Nicht so wie früher. Wieder hat sich etwas verändert.

Bei dieser Veränderung gibt es keine Angst, weil ich glaube, dass ich verstehe. Ich habe viel Neues gesehen, seit ich bewusst wurde, und ich möchte alles verstehen. Aber ich verstehe es nicht, und die Befriedigung durch meine Arbeit genügt mir nicht mehr. Bedeutet bewusst werden, dass man nie befriedigt ist? Wenn ja, dann möchte ich nicht so bleiben.

Aber vielleicht habe ich keine Wahl. Noch während ich versuche, meine Arbeit zu tun, greife ich wieder nach der Bewegung/Strömung. Ich werde vorsichtig sein, weil ich noch immer Angst habe … aber der Drang zu entdecken ist genauso stark wie der Drang zu arbeiten. Das ist etwas, das ich tun muss.

»Da ist es wieder – zuerst hinauf, dann hinunter«, sagte Kincaid, ohne die Strahlungsdetektoren aus den Augen zu lassen. »Ich wäre wesentlich glücklicher, wenn er ganz aufgäbe.«

»Das würde uns allerdings vieles leichter machen«, bemerkte Dr. Barenburg trocken, während er sich über das Schaltpult beugte; seine Nase war zwölf Zentimeter von dem Monitor mit den Biodaten entfernt. Forester hatte den Eindruck, dass er in den letzten Minuten etwas nüchterner geworden war. Aber vielleicht war es nur schwieriger, im Sitzen zu schwanken.

Barenburg lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was es sein könnte. Sein Nährstoffgemisch ist in Ordnung, und sein Sauerstoffgehalt entspricht der Vorschrift. Der Stoffwechsel ist etwas hoch, befindet sich aber innerhalb des normalen Spielraums. Am wichtigsten ist meiner Meinung nach, dass hier nichts die gleichen Schwankungen aufweist wie die, die wir von seinen telekinetischen Funktionen erhalten.«

»Sie glauben, dass er gänzlich ausfällt?«, fragte Kincaid besorgt.

Barenburg zuckte die Achseln. »Das werde ich erst nach weiteren Tests wissen.« Er wandte sich Forester zu. »Du hast gesagt, Ted, dass seine Augen einmal offenstanden. Waren sie auf etwas Bestimmtes gerichtet?«

Jetzt zuckte Forester die Achseln. »Das weiß ich nicht. Weil die Augen schräg sind und eine epikanthische Falte aufweisen, ist es sehr schwierig, so etwas festzustellen.«

»Bewegten sie sich oder blickten sie nur geradeaus?«

»Sie bewegten sich; ich erinnere mich deutlich daran, dass sie einmal nach links blickten.«

»Hmmm«, meinte Barenburg nachdenklich … und ein wenig besorgt.

Kincaid bemerkte es. »Was bedeutet es Ihrer Meinung nach?«

»Na ja … es klingt so, als würde er von seiner Arbeit abgelenkt.«

»Das ist unmöglich«, widersprach Kincaid eine Spur zu schnell. »Keiner der Löffelbieger bringt es auch nur auf einen IQ von 10. Was sollte auch ihre Aufmerksamkeit erregen, wenn sie instinktiv darauf eingestellt sind, die Neutronen aus radioaktiven Kernen herauszureißen?«

»Die kodierte RNS ist nicht so stark wie ein Instinkt«, bemerkte Barenburg. »Und was Ablenkungen betrifft – wer weiß? Löffelbieger Siebenundzwanzig ist nicht ausschließlich auf die Zelle Siebenundzwanzig beschränkt. Mit telekinetischem ›Berühre-und-greife-zu‹ kann er in die nächste Zelle langen oder das Förderband untersuchen, das den nuklearen Abfall transportiert. Es stimmt, dass er nicht stark genug ist, um viel zu tun, aber wer weiß, wie weit sein Verstand reicht?«

Kincaid warf Forester einen Seitenblick zu. »Selbst wenn ich all das akzeptiere, bleibt immer noch der niedrigere IQ und die geringere Aufmerksamkeitsspanne.«

»Vielleicht ist sein IQ gestiegen«, warf Forester ein.

Diesmal sahen ihn beide an. »Wie?«, fragte Kincaid.

»In den letzten achtzehn Monaten ist eine Menge stark radioaktives Material an ihm vorbeigekommen. Ich weiß, dass zwischen dem Material und den Löffelbiegern eine Bleiwand steht, aber ist es vielleicht möglich, dass die Strahlung, die durchgekommen ist, sein Gehirn irgendwie verändert hat?«

»Und ihn klüger gemacht hat?« Kincaid schüttelte den Kopf. »Unmöglich.«

Forester wurde widerborstig. »Warum nicht?«

»Reparierst du eine Uhr, indem du mit dem Hammer auf sie einschlägst?«, warf Barenburg ein.

»Nein, aber …«

»Was weißt du über die Physiologie der Löffelbieger, Ted?«, fragte der Arzt. »Überhaupt etwas?«

Forester zuckte die Achseln. »Sie wurden aus Spermaproben, die sofort nach Red Staleys Sieg beim Smithsonian B.P.P. entnommen wurden, in Reagenzgläsern aufgezogen.« Jedenfalls kurz danach; denn dass ein Mann, der verächtlich als anmaßender ›Löffelbieger‹ bezeichnet wurde, tatsächlich den Preis für Beweisbare Psychische Phänomene gewann, konnte nur noch mit Jesse Owens Leistung bei der Olympiade in Berlin 1936 verglichen werden; die Presse genoss die Story. Sonst war es tagelang niemandem gelungen, Staley in die Nähe zu kommen. »Du hast Staleys natürliche Telekinese verstärkt, indem du das entsprechende Chromosom verdoppelt und damit die Trisom-Probleme geschaffen hast, mit denen sie sich jetzt herumschlagen …«

»Uns waren die Gefahren bewusst, die ein zusätzliches Autosom mit sich bringt«, unterbrach ihn Barenburg, der jetzt in die Defensive gedrängt war. »Wir versuchten, das entsprechende Autosom vor der Befruchtung aus den Eizellen zu entfernen. Aber diese Technik führte irgendwie zu Instabilität; es gab Brüche und Translokationen …« Er schüttelte den Kopf, als wolle er ihn klar bekommen. »Aber das ist Genetik und nicht Physiologie. Weißt du etwas über ihre Probleme mit der Gehirnchemie?«

»Nein. Ich habe angenommen, dass die Entwicklungshemmung einfach auf einen Gehirnschaden zurückzuführen ist.«

Barenburg schüttelte wieder den Kopf. Sein Gesichtsausdruck verschwand so rasch, dass Forester ihn nicht identifizieren konnte. »Wir nehmen an, dass es nirgends eine wirklich schwere Zellschädigung gibt. Das Problem ist das Fehlen der internen Kommunikation zwischen den verschiedenen Teilen des Gehirns infolge der Hemmung der Chemikalien, die bei den neuralen Synapsen als Neurotransmitter fungieren.«

Forester runzelte die Stirn. »Wie können sie dann Telekinese verwenden?«

»Offenbar ist diese Funktion ziemlich lokalisiert, und Botschaften kommen in diesem Gebiet gut durch. Aber bei etwas wie Intelligenz … ja also, wenn sich das abstrakte Denkzentrum im Scheitellappen befindet, liegt das organisatorische Zentrum für diesen Gedanken im Stirnlappen, und – ach verdammt, du verstehst schon.«

»Ja«, bestätigte Forester, der einen sauren Geschmack im Mund hatte.

»Befassen wir uns wieder mit dem vorliegenden Problem, ja?«, griff Kincaid ein. »Einer unserer Löffelbieger verliert anscheinend den Kontakt, und wenn das stimmt, müssen wir sofort herausfinden, warum. Doktor, Ihre Leute werden doch keine Tests an ihm vornehmen wollen, bevor wir ihn aus der Reihe entfernen, oder?«

Barenburg seufzte. »Wahrscheinlich nicht. Sie wollen, dass wir sofort beginnen?«

»Moment mal«, mischte sich Forester ein. Er hatte sich darauf verlassen, dass Barenburg nicht ganz so gefühllos sein würde wie der Direktor. »Sie nehmen ihn aus der Reihe, um Tests durchzuführen, und es ist so gut wie sicher, dass er nicht zurückkommen wird, oder? Also?«

»Sieh mal, Ted …«

»Dein abschließender Test wird eine Autopsie sein, stimmt's?«

»Sie gehen zu weit, Ted«, sagte Kincaid leise und warnend.

Forester drehte sich zu ihm um. »Warum? Es gibt Tests, die man dort machen kann, wo er sich jetzt befindet: zum Beispiel, indem man seine Glukose- oder Sauerstoffmengen ändert …«

»Jetzt reicht's«, fuhr ihn Kincaid an. »Stellen Sie Ihr Team zusammen, Doktor, und legen Sie sich Ihre Vorgangsweise zurecht, aber unternehmen Sie nichts, bevor ich meine Zustimmung gegeben habe. Sie begleiten mich, Forester; ich möchte mit Ihnen sprechen.«

Er machte kehrt und stolzierte zur Tür. Forester kochte vor Wut, während er ihm folgte.

Es dauert lange, bis ich es wage, wieder über den großen, leeren Raum zu greifen. Stattdessen bleibe ich in der Nähe der Schachtel, die ich letztes Mal gefunden habe, und suche in der verwirrenden Ansammlung von Bewegung/Strömungen in dem Gebiet. Es gibt viele, jede ist anscheinend anders, und ihren Zweck kann ich nur erraten. Ein Teil von mir möchte hierbleiben und lernen … aber ich weiß, dass ich das andere, verwirrendere Etwas wiederfinden möchte. Ich lasse los und greife.

Es ist näher bei mir als beim letzten Mal, und als ich es berühre, erschrecke ich. Ich weiche zurück, bleibe aber hier. Ich warte in der Nähe, bis ich besser vorbereitet bin, und dann berühre ich es vorsichtig.

Dieses Mal ist es leichter. Es gibt es verschiedene Ebenen, und wenn ich vorsichtig bin, kann ich die erschreckenderen Teile meiden. Ich beginne, dieses Etwas zu verstehen … und erkenne langsam, warum es sich vertraut anfühlt.

Es ist so wie ich.

Die Entdeckung, dass es noch etwas wie mich gibt, das nicht ich ist, sollte mir Angst einjagen. Aber das tut sie nicht. Vielleicht habe ich – irgendwie – die ganze Zeit gewusst, dass es solche Dinge gibt. Ich verstehe nicht, wie ich es wissen und doch nicht wissen konnte, aber es kommt mir richtig vor.

Ich spüre, wie meine eingeschränkte Aufmerksamkeit für meine Arbeit noch mehr nachlässt, aber ich merke es kaum. Ich möchte dieses Etwas so gut studieren, wie es mir möglich ist. Meine Arbeit ist wichtig, aber ich werde sie später tun.

Kincaid schloss die Tür des Konferenzraums und zeigte auf einen Stuhl. »Setzen sie sich.«

Forester gehorchte. Kincaid zog einen zweiten Stuhl heran, aber statt sich darauf zu setzen, stellte er einen Fuß auf den Sitz. Er beugte sich leicht vor, stützte die Unterarme auf das Knie und betrachtete seinen Projektleiter kühl. »Seien wir offen zu einander, Forester, ja? Ich beobachte Sie seit zwei Monaten, und seit die Probleme mit Siebenundzwanzig begannen, lässt ihre Begeisterung für das Projekt immer mehr nach. Was ist los?«

Forester schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich frage mich nur allmählich, ob das, was wir hm, richtig ist.«

»Die höchste Pflicht jedes Menschen ist, seinen Mitmenschen zu dienen und der Menschheit zu nützen, stimmt's? Und genau das tun wir. Haben Sie eine Ahnung, wie viele Tonnen radioaktiver Abfall alljährlich in diesem Land erzeugt werden? Dabei erwähne ich noch nicht die Kubikkilometer Schädlingsvernichtungsmittel und die industriellen Zeitbomben der Chemikalien, die die Löffelbieger – beachten Sie das – genauso mühelos handhaben können. Sobald die Genetiker herausbekommen, wie man eine Memory-RNS für diesen Vorgang anfertigt, wird es ihnen genauso leicht fallen, ein PCB-Molekül zu zerlegen wie Neutronen aus Strontium 90 herauszureißen. Wir brauchen das Projekt Wiedergewinnung, Ted; Amerika erstickt unter seinem Müll, und das ist die beste Lösung, die uns seit fünfzig Jahren eingefallen ist. Vielleicht bleibt es unsere einzige brauchbare Lösung.«

»Das alles weiß ich.« Forester schob sich unbehaglich in seinem Stuhl zurecht. »Wenn wir statt der menschlichen Kinder etwas anderes verwendeten, wäre es mir gleichgültig. Aber … ich denke immer daran, dass wir ihnen vielleicht etwas wegnehmen, auf das wir keinen Anspruch haben.«

»Was zum Beispiel – ihre Kindheit? Sie sind keine normalen Kinder. Es ist nicht einmal sicher, ob man sie nach modernen Grundsätzen für menschlich halten kann. Ihre Umgebung ist ihnen nicht bewusst; sie verfügen über weniger Intelligenz als Affen und haben einen niedrigeren motorischen Index als ein normaler Sechs-Monate-Fötus.«

»Dr. Barenburg hält es für möglich, dass ihnen ihre Umgebung bewusst ist.«

»Barenburg hat eine blühende Phantasie«, antwortete Kincaid brüsk. »Es geht darum, dass man einen Löffelbieger nicht für menschlich halten kann, wenn der Fötus nicht als menschlich gilt.«

»Dann sollten wir den Streitfall über die Fötusse vielleicht auch überdenken«, sagte Forester nur halb im Scherz.

Kincaid sah ihn merkwürdig an und schwieg einen Augenblick lang. »Hören Sie, Ted, vielleicht identifizieren Sie sich zu sehr mit ihrer Arbeit«, sagte er dann etwas ruhiger. »Vielleicht sollten Sie Urlaub machen, für einige Zeit verreisen.«

Forester lächelte gequält. »Was, das streng geheime Innenleben des Projekts Wiedergewinnung verlassen? Ist das nicht genauso, als würde ich aus der Mafia austreten? Woher wollen Sie wissen, dass ich, sobald ich die Anlage verlassen habe, nicht schreiend zu den Medien laufe und ihnen erzähle, wie unsere große Blackbox wirklich arbeitet?«

Kincaid zuckte die Achseln. »Ich habe natürlich nicht gemeint, dass Sie einfach irgendwohin fahren können. Aber die Regierung hat für solche Fälle sowas wie Urlaubsorte, abgelegene Gegenden, wo Sie weit genug von der Öffentlichkeit entfernt wären. Das was wir tun, ist keinesfalls ungesetzlich«, fügte er hastig hinzu, weil er vielleicht spürte, dass er in Gefahr war, in die Ecke gedrängt zu werden, »aber Sie wissen, zu was für unfairen Reaktionen es kommen könnte, wenn die Hundertfünfzigprozentigen davon Wind bekommen, bevor sich die Löffelbieger bewährt haben. Sie verstehen.«

»Ja.« Vollkommen. »Danke für das Angebot, aber ich werde den Urlaub lieber noch eine Weile aufschieben.«

»Sind Sie sicher? Er täte Ihnen gut.«

»Ich bin sicher.« Forester stand auf. »Danke trotzdem für Ihr Entgegenkommen. Ich muss jetzt in den Kontrollraum zurück; der Doktor braucht vielleicht meine Hilfe.«

»In Ordnung.« Kincaid sah ihn scharf an. »Aber schalten Sie ihre Gefühle auf ›kühl‹, okay? Um ihres Blutdrucks und des Projekts willen.«

»Klar.«

Ja, er würde öffentliche Auftritte vermeiden, beschloss Forester, während er den Korridor entlangging. Aber wenn er seiner Besorgnis vertraulich Ausdruck verlieh, war es etwas anderes – selbst wenn Kincaid ein gutes Gewissen hatte, traf das beinahe sicher nicht auf Dr. Barenburg zu. Wenn Forester ihn dazu überreden konnte, würde Siebenundzwanzig nicht geopfert werden. Zumindest nicht so schnell …

Ich lerne schneller als je zuvor. Es erschreckt mich, aber es ist auch aufregend.

Das Etwas – die ›Person‹ –, das ich berühre, weiß so viel mehr als ich, dass ich ihn bestimmt nie ganz verstehen werde. Aber irgendwie … fließt sein Wissen … in mich, so wie andere Dinge durch die Schläuche in meinem Körper in mich fließen.

(Ich hatte nie gewusst, was diese Dinge sind oder was sie tun. Ich verstehe es auch jetzt nur ein wenig, aber ich werde weiterlernen.)