Zeitschiffe - Stephen Baxter - E-Book

Zeitschiffe E-Book

Stephen Baxter

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Beschreibung

Was passiert mit H. G. Wells‘ Zeitreisendem?

Nach seiner Rückkehr aus der Zukunft will der Zeitreisende zurückkehren, um die Eloi Weena zu retten, die in den Flammen umgekommen ist. Doch bei einem neuerlichen Vorstoß in die Zukunft muss er feststellen, dass er sie durch seine Zeitreisen verändert hat: Die Morlocks haben eine hochtechnisierte Zivilisation errichtet und sind zu den Sternen aufgebrochen. Um das zu verhindern, wagt der Zeitreisende ein gefährliches Manöver: Er reist abermals in der Zeit zurück, um sein früheres Ich vor den Folgen der Zeitreise zu warnen. Doch auch das bleibt nicht ohne Folge …

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Seitenzahl: 835

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STEPHEN BAXTER

ZEITSCHIFFE

Roman

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

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Titel der Originalausgabe
THE TIMESHIPS
Aus dem Englischen von Martin Gilbert
Überarbeitete NeuausgabeCopyright © 1995 by Stephen BaxterCopyright © 2014 der deutschsprachigen Ausgabe byWilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.Covergestaltung: Das IllustratSatz: Thomas Menne
ISBN 978-3-641-15578-0V002
www.heyne.de

www.diezukunft.de

INHALT

Inhalt

Anmerkung des Herausgebers

Widmung

Prolog

Erstes Buch – Dunkle Nacht

1. Zeitreise

2. Eine neue Vision

3. Im Schattenreich

4. In dunkler Nacht

5. Die Quelle

6. Meine Begegnung mit den Morlocks

7. Der Lichtkäfig

8. Ein Besucher

9. Offenbarungen und Einsprüche

10. Ein Dialog mit einem Morlock

11. Die Befreiung aus dem Käfig

12. Die Morlocks in der Sphäre

13. Das Leben der Morlocks

14. Konstruktionen und Divergenzen

15. Leben und Sterben der Morlocks

16. Entscheidung und Abschied

17. Im Inneren

18. Die Neuen Eloi

19. Wie ich den interplanetarischen Raum durchquerte

20. Meine Erlebnisse in der Ersten Zukunft

21. Richmond Hill

22. Rotationen und Täuschungen

23. Der zeitreisende Argonaut

Zweites Buch – Paradoxien

1. Zuhause

2. Moses

3. Das Experiment

4. Ehrlichkeit und Zweifel

5. Überzeugung und Skepsis

6. Der Leviathan Lord Raglan

7. Die Erneuerung einer alten Bekanntschaft

8. In die Zukunft

Drittes Buch – Der Krieg gegen die Deutschen

1. Eine neue Vision von Richmond

2. Eine Reise mit der Eisenbahn

3. London im Krieg

4. Das Haus auf der Queen's Gate Terrace

5. Die Viele-Welten-Interpretation

6. Hyde Park

7. Die Schwätzmaschine

8. Das Hochland der Zukunft

9. Imperial College

10. Professor Gödel

11. Die Neue Weltordnung

12. Der deutsche Angriff auf London

13. Die Beschießung

14. Die Rota-Mine

15. Das Zeit-Fahrzeug

16. Der Sturz durch die Zeit

17. Der Beobachter

Viertes Buch – Das Meer im Paläozän

1. Diatryma gigantica

2. Das Urmeer

3. Wie wir lebten

4. Krankheit und Genesung

5. Das Unwetter

6. Herz und Körper

7. Pristichampus

8. Das Feldlager

9. Das Zeit-Expeditionskorps

10. Die Erscheinung

11. Die Bombe

12. Nach dem Bombardement

13. Bonds Bericht

14. Überlebende

15. Eine neue Siedlung

16. Die Errichtung von Alt-London

17. Kinder und Nachkommen

18. Ein Fest und was danach geschah

19. Lichter am Himmel

20. Die Orbitalstadt

21. Instabilitäten

22. Aufbruch und Ankunft

Fünftes Buch – Weiße Erde

1. Gefangen

2. Experimente und Reflektionen

3. Der Konstrukteur

4. Das Billardzimmer

5. Weiße Erde

6. Der Multiplizitäten-Generator

7. Die mechanischen Erben der Menschheit

8. Eine Proposition

9. Optionen und Introspektionen

10. Vorbereitungen

11. In die Zukunft

12. Das Schiff

Sechstes Buch – Die Zeitschiffe

1. Abflug

2. Die Auferstehung der Erde

3. An der Grenze von Raum und Zeit

4. Die Nonlinearitäten-Maschinen

5. Die Finale Vision

6. Der Triumph des Geistes

7. Wiederauferstehung

8. Ein Kreis schließt sich

Siebtes Buch – Tag 292 495 940

1. Das Tal der Themse

2. Ein Spaziergang

3. In der Dunkelheit

Epilog

ANMERKUNGDES HERAUSGEBERS

Den beiliegenden Bericht erhielt ich vom Inhaber eines kleinen Antiquariats in unmittelbarer Nähe der Londoner Charing Cross Road. Wie er mir sagte, hatte er diese Seiten als Manuskript in einer unbeschrifteten Schachtel erhalten, die zu einer Bücherkollektion gehörte, welche ihm nach dem Tod eines Freundes vermacht worden war. Der Buchhändler gab dieses Manuskript als eine Kuriosität an mich weiter – ›Vielleicht können Sie etwas damit anfangen‹ –, denn er wusste von meinem Interesse an den spekulativen Romanen des neunzehnten Jahrhunderts.

Das Manuskript selbst war auf ganz normalem Papier getippt, aber aus einem handschriftlichen Vermerk ging hervor, dass es von einem Original abgetippt worden war, ›das mit der Hand auf einem derart alten Papier geschrieben war, dass es schon am Zerfallen war‹. Dieses Original, falls es jemals existiert haben sollte, war verschollen. Es gibt keinen Hinweis auf den Autor dieses Manuskripts oder seine Herkunft.

Ich habe mich bei der Durchsicht auf oberflächliche Revisionen beschränkt, nur um einige Fehler und Duplizitäten eines Manuskriptes zu korrigieren, das offensichtlich in Eile erstellt worden war.

Aber was fangen wir nun damit an? Im Jargon des Zeitreisenden müssen wir es ›als eine Lüge – oder eine Prophezeiung interpretieren … Es wäre ja auch denkbar, dass ich über das Schicksal unserer Rasse spekuliert und schließlich dieses Manuskript ausgebrütet hätte …‹ Ohne nähere Beweise müssen wir dieses Werk als Fantasy betrachten – oder als einen geschickten Schwindel – wenn aber auch nur ein Körnchen Wahrheit in diesen Seiten ist, dann eröffnen sich ungeahnte Perspektiven, nicht nur hinsichtlich eines unserer bekanntesten Romane (wenn es denn ein Roman war!), sondern auch in Bezug auf die Natur unseres Universums und unseren Platz darin.

Ich lege diesen Bericht jetzt ohne weiteren Kommentar vor.

STEPHEN BAXTER

Im Juli 1994

Für meine Frau Sandra

und in Angedenken an H. G.

Prolog

Am Freitagmorgen nach meiner Rückkehr aus der Zukunft erwachte ich lange nach Sonnenaufgang aus einem tiefen und traumlosen Schlaf.

Ich stieg aus dem Bett und riss die Vorhänge zurück. Die Sonne begab sich an ihren üblichen langsamen Aufstieg über den Himmel, und ich erinnerte mich, wie die Sonne aus der Perspektive eines Zeitreisenden schier über den Himmel gesprungen war! Aber jetzt, so schien es, war ich wieder in der dahintröpfelnden Zeit eingefangen, wie ein Insekt in zähflüssigem Bernstein.

Die Geräusche eines ganz normalen Morgens in Richmond sammelten sich unter meinem Fenster: die klappernden Hufe von Pferden, das Rattern von Rädern auf dem Kopfsteinpflaster, das Zuschlagen von Türen. Eine Dampfstraßenbahn fuhr rauchspeiend und funkensprühend die Petersham Road entlang, und die möwenartigen Schreie von Hausierern schnitten durch die Luft. Meine Gedanken schweiften von den spannenden Abenteuern in der Zeit ab und begaben sich auf ein prosaischeres Niveau: Ich rekapitulierte den Inhalt der letzten Pall Mall Gazette und die Aktienkurse und überlegte, dass mit der Morgenpost vielleicht das aktuelle American Journal of Science kommen würde, das einige meiner Kommentare zu den Untersuchungen von A. Michelson und E. Morley bezüglich gewisser Eigenschaften des Lichts abdrucken würde, die bereits vor vier Jahren in diesem Journal veröffentlicht worden waren, im Jahre 1887 …

Und so weiter! Die Alltagsdetails drängten sich in meinem Kopf, und im Kontrast hierzu erschienen mir meine Abenteuer in der Zukunft bald phantastisch – sogar absurd. Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, kam es mir vor, als ob all diese Erfahrungen die Qualität einer Halluzination, ja sogar eines Traumes hätten: da war dieser Eindruck gewesen, kopfüber zu fallen, eine völlig verschwommene Wahrnehmung, und schließlich der Sturz in die albtraumhafte Welt des Jahres 802 701 n. Chr. Es ist schon bemerkenswert, wie der Alltag unsere Vorstellungen dominiert – wie ich hier im Schlafanzug stand, überkam mich wieder etwas von der Unsicherheit, die mich bereits am letzten Abend ergriffen hatte, und ich begann sogar an der Existenz der Zeitmaschine zu zweifeln! – trotz der kristallklaren Erinnerung an die zwei Jahre meines Lebens, die ich in ihren Eingeweiden verbracht hatte, ganz zu schweigen von den davorliegenden zwei Jahrzehnten, in denen ich die Theorie der Zeitreise aus Anomalien entwickelt hatte, die mir an Forschungen zur optischen Physik aufgefallen waren.

Ich dachte an die Unterhaltung mit meinen Kollegen beim letzten Abendessen – irgendwie standen diese wenigen Stunden jetzt viel prägnanter in meiner Erinnerung als all die Tage, die ich in dieser Welt der Zukunft verbracht hatte – und ich erinnerte mich an die unterschiedlichen Kommentare zu meinem Bericht: man hatte allenthalben sein Wohlgefallen für eine gute Story kundgetan, das je nach individuellem Temperament von Sympathiebekundungen oder kaum verhohlenem Spott begleitet wurde – und, wie ich mich erinnere, mit einer fast grenzenlosen Skepsis. Nur ein guter Freund, den ich im folgenden als den Schriftsteller bezeichnen werde, schien meine Ausführungen mit einem Mindestmaß an Sympathie und Glauben verfolgt zu haben.

Ich stand am Fenster und reckte mich – und schlagartig verschwanden die Zweifel hinsichtlich meines Gedächtnisses! Die Rückenschmerzen waren real genug – heftig und stechend – wie das Brennen in den Arm- und Beinmuskeln: ein Protest der Muskulatur eines nicht mehr jungen Mannes, die im untrainierten Zustand zu sportlicher Aktivität gezwungen wurden. »Nun gut«, sagte ich zu mir selbst, »wenn unsere Reise in die Zukunft wirklich nur ein Traum gewesen war; alles, einschließlich jener düsteren Nacht, als ich die Morlocks im Wald fand – woher kommt dann dieser Muskelkater? Sind wir vielleicht als Schlafwandler im Garten herumgestolpert?«

Und dann sah ich in einer Ecke des Zimmers einen kleinen Haufen achtlos hingeschmissener Kleidung: es waren die Sachen, die ich auf meinem Flug in die Zukunft verschlissen hatte und die jetzt nur noch gut für den Reißwolf waren. Ich erkannte Grasflecken und Brandspuren; die Taschen waren zerrissen, und ich erinnerte mich, wie Weena diese Lumpen als Vase zweckentfremdet hatte, um die blässlichen Blumen der Zukunft darin unterzubringen. Meine Schuhe waren natürlich nicht mehr da – ich dachte mit einem merkwürdigen Anflug des Bedauerns an die bequemen, treuen alten Hausschuhe, die ich gedankenlos in die Zukunft mitgenommen hatte, bevor ich sie einem unvorstellbaren Schicksal überließ! – und dort, auf dem Teppich, lagen die schmutzigen, blutbefleckten Überreste meiner Socken.

Irgendwie waren es diese Socken – diese komischen, löchrigen alten Socken! – deren unästhetische Existenz mich davon überzeugte, dass ich noch nicht verrückt war, dass mein Flug in die Zukunft nicht nur ein Traum gewesen war.

Ich erkannte, dass ich wieder in die Zeit zurück musste; ich musste Beweismaterial dafür sammeln, dass mein Ausflug in die Zukunft genauso real gewesen war wie das Richmond des Jahres 1891, um sowohl meinen Freundeskreis als auch meine Wissenschaftlerkollegen zu überzeugen – und die letzten Spuren des Selbstzweifels zu beseitigen. Als ich diesen Entschluss fasste, sah ich plötzlich das liebliche, leere Gesicht von Weena, so lebendig, als ob sie direkt vor mir gestanden hätte. Traurigkeit und eine Woge des Schuldgefühls wegen meiner Unüberlegtheit fuhren durch mein Herz. Weena, die Kindfrau der Eloi, war mir zum Grünen Porzellanpalast gefolgt, durch die Tiefen des sich wieder ausbreitenden Waldes dieses weit in der Zukunft liegenden Themse-Tals, und galt seit der Verwirrung durch das anschließende Feuer und die hinterhältigen Angriffe der Morlocks als vermisst. Ich bin schon immer jemand gewesen, der erst handelt und dann den Verstand zuschaltet! In meiner Junggesellenzeit hatte diese Neigung niemanden in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht, außer mich selbst – aber jetzt, in meiner gedankenlosen und überstürzten Hetzjagd, hatte ich die arme und mir vertrauende Weena einem grässlichen Tod in den Schatten jener dunklen Nacht der Morlocks überantwortet.

Es klebte Blut an meinen Händen, und nicht nur der Lebenssaft dieser verrotteten, degenerierten Untermenschen, der Morlocks.

Ich war entschlossen, auf jede mir nur mögliche Art Wiedergutmachung zu leisten für die verabscheuungswürdige Behandlung der armen, auf mich vertrauenden Weena.

Ich war voller Entschlossenheit. Meine Abenteuer, körperlich und intellektuell, waren noch nicht vorbei!

Ich veranlasste Mrs. Watchets, mir ein Bad einzulassen, und kletterte in die Wanne. Trotz meiner inneren Unruhe nahm ich mir die Zeit, mich um meine armen, zerschlagenen Knochen zu kümmern; mit Interesse registrierte ich die Blasen und Narben an den Füßen sowie die leichten Verbrennungen, die ich mir an den Händen zugezogen hatte.

Ich kleidete mich schnell an. Mrs. Watchets bereitete mir ein Frühstück. Bei den Eiern, Pilzen und Tomaten langte ich kräftig zu, aber den Schinken und die Würstchen bekam ich kaum hinunter; als ich in das dicke Fleisch biss, ließ sein salziger und öliger Saft eine leichte Übelkeit in mir aufkommen.

Ich musste an die Morlocks denken und an das Fleisch, dessen Verzehr ich bei ihren widerwärtigen Mahlzeiten beobachtet hatte! Wie ich mich erinnerte, hatten diese Erfahrungen beim letzten Abendessen meinen Appetit auf Schaffleisch nicht beeinträchtigen können, aber da war mein Hunger auch viel größer gewesen. Konnte es sein, dass ein gewisser Schock und ein Unbehagen, das aus meinen unerfreulichen Erlebnissen herrührte, auch jetzt noch mein Bewusstsein beeinflusste?

Aber bei mir geht es nicht ohne ein handfestes Frühstück ab; ich glaube nämlich, dass eine ordentliche Dosis Pepton am Morgen in den Arterien sehr wichtig ist für das effiziente Funktionieren der menschlichen Maschinerie mit ihrem hohen Energieumsatz. Und heute könnte ein so anstrengender Tag wie noch kaum in meinem Leben werden. Deshalb schob ich mein Unbehagen beiseite und putzte die Platte, wobei ich mich resolut durch den Schinken kaute.

Nach dem Frühstück hüllte ich mich in einen leichten, aber praktischen Sommeranzug. Wie ich meinen Kollegen beim letzten Abendessen wohl erzählt hatte, war mir bei dem Sturz durch die Zeit aufgefallen, dass es in der Welt des Jahres 802 701 keinen Winter mehr gab – ob aufgrund der natürlichen Evolution, geogonischer Planung oder Eingriffe in die Sonne selbst, konnte ich nicht sagen –, und so brauchte ich auch keinen Wintermantel oder Schal. Ich setzte einen Hut auf, um die Sonne von meinem blassen englischen Teint fernzuhalten und kramte meine robustesten Wanderstiefel hervor.

Ich nahm einen kleinen Rucksack und machte mich an eine Hausbegehung, wobei ich Schränke und Schubladen nach Utensilien durchsuchte, die ich für meine zweite Reise zu benötigen glaubte – wie ich befürchte, zur großen Beunruhigung der armen und geduldigen Mrs. Watchets, die meine geistige Gesundheit sicher schon längst ins Reich der Legende verbannt hatte! Wie es eben meine Art ist, wollte ich schnell weg, und dennoch wollte ich nicht so überstürzt vorgehen wie beim ersten Mal, als ich achttausend Jahrhunderte mit nicht mehr als einem Paar Hausschuhen und einer einzigen Schachtel Streichhölzer bewältigt hatte.

Ich stopfte alle Streichholzschachteln, die ich im Haus finden konnte, in den Rucksack – und schickte Hillyer sogar zum Tabakwarenladen, um noch mehr zu besorgen. Ich packte Kampfer und Kerzen ein – und aufgrund einer Eingebung noch robuste Kordel, um mir neue Kerzen zu machen, falls ich irgendwo stranden sollte. (Ich hatte indessen wenig Ahnung von der Kerzenmanufaktur, aber im strahlenden Licht dieses optimistischen Morgens wollte ich mein Improvisationstalent nicht in Frage stellen.)

Ich packte Franzbranntwein ein, Salben, ein paar Chinintabletten und ein Verbandspäckchen. Eine Waffe hatte ich nicht – ich weiß auch nicht, ob ich eine hätte mitnehmen sollen, selbst wenn ich eine besessen hätte; denn was will ich mit einer Kanone, wenn mir die Munition ausgegangen ist? –, aber wenigstens steckte ich mir ein Taschenmesser ein. Ich packte einen Satz Werkzeuge ein – einen Schraubenzieher, unterschiedlich große Schraubenschlüssel, eine kleine Metallsäge mit Ersatzblatt – sowie ein Sortiment Schrauben und Nickel-, Messing- und Quarzstangen. Ich wollte vermeiden, dass ich bei einer trivialen Panne der Zeitmaschine in irgendeiner Zukunft liegenblieb, nur weil mir etwas Messing fehlte: trotz meines zeitweiligen Vorhabens, eine neue Zeitmaschine zu bauen, nachdem mir die erste im Jahre 802 701 von den Morlocks geklaut worden war, hatte ich in dieser verrotteten Zukunftswelt keinen Hinweis auf Materialien gefunden, mit denen ich auch nur eine abgescherte Schraube hätte reparieren können. Natürlich verfügten die Morlocks noch über gewisse handwerkliche Fertigkeiten, aber die Aussicht, mit diesen degenerierten Würmern wegen ein paar Schrauben in Verhandlungen treten zu müssen, sagte mir absolut nicht zu.

Dann fand ich noch meine Kodak und kramte die Blitzvorrichtung hervor. Die Kamera war neu geladen, mit hundert Negativrahmen auf einer Papierrolle. Ich weiß noch, wie verdammt teuer mir das Ding vorgekommen war, als ich es gekauft hatte – ich hatte es für nicht weniger als fünfundzwanzig Dollar auf einem Ausflug nach New York erworben –, wenn ich jedoch mit Aufnahmen aus der Zukunft zurückkehren sollte, würde jeder dieser Zwei-Zoll-Rahmen wertvoller sein als das renommierteste Gemälde.

Hatte ich jetzt alles? Ich fragte noch die arme Mrs. Watchets um Rat, obwohl ich ihr natürlich nicht verriet, wohin die Reise gehen sollte. Die gute Frau – unerschütterlich, mollig, erstaunlich matronenhaft und dennoch mit einem treuen und warmen Herzen – warf einen Blick in meinen vollgestopften Rucksack und hob eine buschige Augenbraue. Dann ging sie in mein Zimmer und kam mit Socken und Unterwäsche zurück, sowie – hier hätte ich ihr einen Kuss geben mögen! – mit meiner Pfeife, Reinigern und der Tabaksdose aus meinem Mantel.

So machte ich mich mit meiner üblichen Mischung aus fieberhafter Ungeduld – und einem grenzenlosen Vertrauen auf den guten Willen und gesunden Menschenverstand der anderen – auf den Weg zurück in die Zukunft.

Mit dem Rucksack unter dem einen Arm und der Kodak unter dem anderen ging ich in mein Laboratorium, wo die Zeitmaschine wartete. Als ich ins Raucherzimmer kam, stellte ich mit gewissem Unbehagen fest, dass ich einen Besucher hatte: einer meiner Gäste vom Vorabend und vielleicht mein bester Freund – es war der Schriftsteller, den ich schon erwähnt hatte. Er stand mitten im Raum, in einen schlecht sitzenden Anzug gekleidet und mit einer denkbar schlampig gebundenen Krawatte dekoriert; die Hände baumelten verlegen an seiner Seite. Ich erinnerte mich wieder, wie ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis eingeladen hatte, um ihm einen ersten Bericht meiner Erlebnisse zu geben und dass es dieser junge Mann gewesen war, der mit der größten Intensität zugehört hatte, wobei sein Schweigen Sympathie und Faszination ausstrahlte.

Der Schriftsteller gehörte quasi zur Familie und konnte ohne große Formalitäten bei mir ein- und ausgehen. Ich verspürte ungewohnte Freude bei seinem Anblick und war dankbar für sein Kommen – dass er mich nicht als Exzentriker links liegen ließ, was nach meinem Auftritt am Abend zuvor durchaus vorstellbar gewesen wäre. Ich lachte und streckte, beladen mit Rucksack und Kamera, einen Ellbogen aus; er ergriff das Gelenk und schüttelte es feierlich. »Ich bin bis über beide Ohren beschäftigt«, erklärte ich, »mit dem Ding hier drin.«

Er musterte mich; ich meinte, in seinen hellblauen Augen das verzweifelte Bemühen zu erkennen, mir zu glauben. »Aber ist das nicht nur ein Schwindel? Kannst du denn wirklich durch die Zeit reisen?«

»Ich kann das voll und ganz«, antwortete ich und hielt seinem Blick solange wie möglich stand, denn ich wollte, dass er überzeugt war.

Er war ein kleiner, vierschrötiger Mann mit vorspringender Unterlippe, breiter Stirn, gelockten Koteletten und ziemlich hässlichen Ohren. Er war jung – zirka fünfundzwanzig, glaube ich, und damit zwei Jahrzehnte jünger als ich – und doch fiel sein glattes Haar bereits aus. Sein Gang wirkte irgendwie sprunghaft, und er hatte etwas Energisches an sich – nervös, wie ein plumper Vogel –, aber er sah immer kränklich aus: wie ich weiß, litt er von Zeit zu Zeit an inneren Blutungen. Die hatte er sich während eines Fußballspiels durch einen Tritt in die Nieren zugezogen, als er noch Lehrer in irgendeiner gottvergessenen Privatschule in Wales gewesen war. Und heute stand in seinen blauen, obschon müden Augen wie immer Intelligenz und Sympathie für mich.

Mein Freund war Lehrer – zu dieser Zeit im Fernunterricht –, aber er war auch ein Träumer. Auf unseren geselligen Donnerstagabend-Dinnerparties in Richmond pflegte er immer mit Spekulationen über die Zukunft und die Vergangenheit aufzuwarten und uns seine neuesten Kommentare zur Bedeutung von Darwins nüchterner, gottloser Analytik und was sonst nicht noch allem zu präsentieren. Er träumte von der Perfektion der menschlichen Rasse – ich wusste, dass er genau der Typ war, der sich von ganzem Herzen wünschte, dass meine Geschichten über die Zeitreise der Wahrheit entsprachen!

Ich nenne ihn wohl aus altem Wohlwollen heraus ›Schriftsteller‹, denn soweit ich weiß, hatte er nur diverse unausgegorene Spekulationen in College-Journals und dergleichen veröffentlicht; aber ich hatte keine Zweifel, dass sein agiler Verstand ihm eine wie auch immer geartete Nische in der Welt des Wortes sichern würde – und, was noch wichtiger war, er hegte auch keine diesbezüglichen Zweifel.

Obwohl ich dringend weg wollte, blieb ich für einen Moment stehen. Vielleicht konnte der Schriftsteller auf dieser neuen Reise mein Zeuge sein – und tatsächlich, so überlegte ich, könnte er ja schon planen, meine früheren Abenteuer als Unterhaltungsroman zu veröffentlichen.

Na gut, meinen Segen hatte er!

»Ich brauche nur eine halbe Stunde«, sagte ich und machte mir dabei bewusst, dass ich durch eine bloße Bewegung der Hebel meiner Maschine exakt zu dieser Raumzeit zurückkehren konnte, egal, wie lange ich in der Zukunft oder Vergangenheit bleiben wollte. »Ich weiß, warum du gekommen bist, und du hast das absolut Richtige getan. Hier liegen ein paar Zeitschriften herum. Wenn du bis zum Mittagessen hierbleibst, werde ich dir den Nachweis der Zeitreise haarklein erbringen, mit Proben und so weiter. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest?«

Er akzeptierte. Ich nickte ihm zu und ging dann ohne weitere Worte den Korridor zu meinem Laboratorium entlang.

So nahm ich meinen Abschied von der Welt des Jahres 1891. Ich ließ keine Familie zurück und habe auch keinen Sinn für sentimentale Verabschiedungen; hätte ich jedoch gewusst, dass ich den Schriftsteller nie wiedersehen würde – zumindest nicht in körperlicher Gestalt – dann hätte ich meinen Abgang wohl doch etwas zeremonieller gestaltet!

Ich betrat mein Laboratorium. Es ähnelte irgendwie einer Mühle. An der Decke war eine Dampfmaschine angebracht, die über Lederriemen diverse Drehbänke antrieb; auf anderen Werkbänken waren kleinere Maschinen befestigt, eine Blechpresse, sonstige Pressen, Schweißgeräte, Schraubstöcke und dergleichen. Auf der Drehbank lagen Metallteile und Zeichnungen verstreut, und verworfene Ergebnisse meiner Bemühungen lagen im Staub des Fußbodens, denn im Grunde bin ich kein ordentlicher Mensch; so fand ich nun zum Beispiel zu meinen Füßen den Nickelbolzen, der mich vor meinem ersten Abstecher in die Zeit aufgehalten hatte – dieser Bolzen, von dem sich herausstellte, dass er eine Länge von genau einem Zoll aufwies und den ich daher nachfertigen musste.

Ich überlegte, dass ich zwei Jahrzehnte meines Lebens fast nur in diesem Raum verbracht hatte. Der Ort war ein ehemaliges Observatorium und hatte Zugang zu einem Garten. Das Laboratorium saß auf einem Gerüst aus schlanken, weiß angestrichenen Eisenstreben und hatte früher Aussicht auf den Fluss geboten; aber ich hatte schon vor langer Zeit die Fenster mit Brettern zugenagelt, um konstante Lichtverhältnisse zu haben und die neugierigen Blicke meiner Nachbarn fernzuhalten. Meine diversen Werkzeuge und Aggregate stachen trübe aus dieser öligen Dunkelheit hervor, und nun erinnerten sie mich an die großen Maschinen in den Kavernen der Morlocks. Ich fragte mich, ob ich nicht vielleicht selbst eine morbide Ader der Morlocks in mir hatte! Wenn ich zurückkehrte, so schwor ich mir, würde ich die Bretter abreißen, die Fenster putzen und den Ort zu einer Stätte des Lichts der Eloi machen, statt eines Platzes der Düsternis der Morlock.

Ich ging zur Zeitmaschine hinüber.

Dieses klobige, windschiefe Gerät saß in der nordwestlichen Ecke des Laboratoriums – wo die Morlocks es bei ihren Bemühungen hingeschleppt hatten, mich im Podest der Weißen Sphinx einzuschließen. Ich zerrte die Maschine in die südwestliche Ecke des Laboratoriums zurück, wo ich sie gebaut hatte. Nach getaner Arbeit beugte ich mich nach vorn und machte im Zwielicht die vier chronometrischen Rundinstrumente aus, welche die Reisedauer der Zeitmaschine in Tagen zählten; jetzt standen die Zeiger natürlich alle auf Null, denn die Maschine befand sich ja wieder in ihrer Ausgangszeit. Neben dieser Uhrenreihe waren zwei Hebel, welche die Maschine aktivierten, einer für die Zukunft, der andere für die Vergangenheit.

Ich streckte eine Hand aus und berührte aus einem Impuls heraus den Hebel für die Option ›Zukunft‹. Die klobige, aus einem Metall- und Elfenbeinkonglomerat bestehende Kiste erzitterte wie ein lebendiges Wesen. Ich lächelte. Die Maschine erinnerte mich daran, dass sie nicht mehr von dieser Welt, von dieser Raumzeit war! Von allen Objekten des Universums, abgesehen von denen, die ich am Leib getragen hatte, war diese Maschine das einzige, die acht Tage älter war als ihre Herkunftswelt: ich hatte nämlich eine Woche in der Epoche der Morlocks verbracht, war dann aber wieder in meine Ausgangszeit zurückgekehrt.

Ich setzte den Rucksack und die Kamera auf dem Boden des Laboratoriums ab und hängte den Hut an den Haken an der Tür. Eingedenk der Tatsache, dass die Morlocks an der Zeitmaschine herummanipuliert hatten, begab ich mich an eine Inspektion. Ich machte mir dabei nicht die Mühe, diverse braune Flecken sowie Gras- und Moosreste zu entfernen, die immer noch an den Kufen der Maschine klebten; bei mir muss nicht immer alles blitzeblank sein. Aber eine Kufe war verbogen, und das richtete ich. Dann überprüfte ich die Schrauben und ölte die Quarzstangen ein.

Bei der Arbeit erinnerte ich mich an die peinliche Panik, mit der ich das Verschwinden der Zeitmaschine bemerkt hatte, und mich durchlief eine Woge immenser Zuneigung für das hässliche Gerät. Die Maschine war ein offener Käfig aus Nickel, Messing und Quarz, Ebenholz und Elfenbein; recht komplex – vergleichbar dem Werk einer Kirchturmuhr – und mit einem Fahrradsattel, der unmotiviert irgendwo in der Mitte der Anordnung saß. Der mit Plattnerit dotierte Rahmen aus Quarz und Felskristall glitzerte und verlieh dem Ganzen eine unwirkliche und verzerrte Aura.

Natürlich wäre die Konstruktion dieser Zeitmaschine nicht möglich gewesen ohne die Eigenschaften der seltsamen Materie, die ich ›Plattnerit‹ genannt habe. Ich erinnerte mich daran, wie ich durch Zufall in den Besitz einer Probe dieses Materials gelangt war: in jener Nacht vor zwei Jahrzehnten, als ein Fremder die Treppe zu meiner Haustür hochkam und mir ein Paket mit dem Zeug überreichte. Er hatte sich selbst als ›Plattner‹ vorgestellt – ein massiger Kerl, einige Jahre älter als ich, mit einem komischen, breiten grauhaarigen Kopf, der in einem Tarnanzug steckte. Er wies mich an, das Wundermittel, das er mir gegeben hatte, in einem Reagenzglas zu untersuchen. Nun, das Zeug hatte dann über ein Jahr unbeachtet im Laboratorium auf einem Regal gestanden, während ich mit wichtigeren Arbeiten befasst war. Doch dann, an einem trüben Sonntagnachmittag, hatte ich das Glas vom Regal genommen …

Und was dann dabei herauskam, war – dieses!

Es war Plattnerit, in Quarzstäben eingeschlossen, das als Betriebsmittel für die Zeitmaschine diente und ihren Einsatz überhaupt erst ermöglichte. Aber ich will nicht verhehlen, dass es schon meiner Kombination von Analyse und Phantasie bedurfte, die Eigenschaften dieser bemerkenswerten Substanz zu erkennen und nutzbar zu machen, wo jemand mit geringerer Kompetenz vielleicht gescheitert wäre.

Ich nahm mir vor, gleich nachdem ich mit Proben und Photographien zurückgekehrt war, meine Forschungsergebnisse an die Philosophical Transactions weiterzuleiten; es würde einen würdigen Nachtrag zu den siebzehn Beiträgen darstellen, die ich bereits zur Physik des Lichts dort platziert hatte. In Anbetracht der esoterischen Materie hatte ich Bedenken, meine Arbeit ohne experimentelle Verifikation zu veröffentlichen. Ich dachte mir, dass es sicherlich amüsant wäre, meinen Beitrag mit einem dezidiert trockenen Titel wie »Einige Betrachtungen zu den Anomalen Chronologischen Eigenschaften des Minerals ›Plattnerit‹« zu versehen und dann im nachfolgenden Inhalt die Bombe der Existenz der Zeitreise zu zünden!

Schließlich hatte ich es geschafft. Ich stülpte mir wieder den Hut über den Kopf, hob den Rucksack und die Kamera auf und verstaute sie unter dem Sattel. Dann ging ich wie durch eine Eingebung zum Kamin des Laboratoriums und nahm den dort stehenden Schürhaken an mich. Ich wog seine beachtliche Masse in der Hand – vielleicht könnte er mir noch mal von Nutzen sein! – und klemmte ihn in den Rahmen der Maschine.

Dann setzte ich mich auf den Sattel und legte die Hände auf die weißen Starthebel. Die Maschine erzitterte, wie ein Tier der Zeit, zu dem es geworden war.

Ich schaute mich in meinem Laboratorium um, betrachtete seine irdische Realität und registrierte erstaunt, wie deplatziert wir beide hier jetzt wirkten – ich in meiner Outdoor-Kluft, und die Maschine mit ihrer Strangeness und den Flecken und Kratzern aus der Zukunft – obwohl wir dennoch irgendwie Kinder dieses Ortes waren. Ich war versucht, die Sache zu verschieben. Was könnte es schon schaden, noch einen Tag, eine Woche, ein Jahr hier zu verbringen, eingebettet in meinem eigenen, gemütlichen Jahrhundert? Ich konnte neue Energien tanken und meine Wunden heilen: stürzte ich mich schon wieder übereilt in dieses neue Abenteuer?

Ich hörte Schritte auf dem Korridor vom Haus, und eine Hand legte sich auf die Türklinke. Es musste der Schriftsteller sein, der ins Laboratorium wollte.

Urplötzlich war die Sache klar. Mein Mut würde durchaus nicht zunehmen, wenn ich mich noch länger in dieser düsteren, muffigen Zeit des neunzehnten Jahrhunderts aufhielt; und außerdem hatte ich mich schon von jedem verabschiedet, der mir am Herzen lag.

Ich schob den Hebel bis zum Anschlag vor. Ich hatte dieses seltsame, statische Gefühl der Rotation, das sich am Anfang einer Zeitreise immer einstellt und das dann noch durch dieses hilflose Gefühl des Kopfüberfallens ergänzt wird. Ich glaube, dass ich bei der Wiederkehr dieser unangenehmen Wahrnehmung einen Schrei ausgestoßen habe. Ich meinte, das Klirren von Glas zu hören: eine Fensterscheibe vielleicht, die durch das entstehende Vakuum eingedrückt wurde. Und für einen Sekundenbruchteil sah ich ihn auf dem Flur stehen: den Schriftsteller, eine geisterhafte, verschwommene Gestalt, mit einer auf mich zeigenden Hand – gefangen in der Zeit!

Dann war er verschwunden, durch meinen Abflug in die Unsichtbarkeit gestürzt. Die Wände des Laboratoriums verschwammen um mich herum, und erneut umfingen mich die großen Schwingen von Tag und Nacht.

ERSTES BUCH

Dunkle Nacht

1. KAPITEL

Zeitreise

Es gibt drei Dimensionen des Raumes, in denen man sich frei bewegen kann. Und die Zeit ist einfach eine Vierte Dimension: in jeder wichtigen Hinsicht identisch mit den anderen drei, bis auf die Tatsache, dass unser Bewusstsein dazu gezwungen ist, sich stetig in ihr weiterzubewegen, wie mein Stift über diese Seite.

Wenn man nur – so hatte ich bei meinen Studien zu den besonderen Eigenschaften des Lichts spekuliert – wenn man nur die vier Dimensionen von Raum und Zeit anders konfigurieren könnte – z.B. Länge durch Zeit ersetzen – dann könnte man so leicht durch die Korridore der Geschichte streifen wie mit einem Taxi in der Stadt herumfahren!

Das im Material der Zeitmaschine eingelagerte Plattnerit war der Schlüssel zu ihrer Funktionsfähigkeit; das Plattnerit ermöglichte es der Maschine, auf eine spezielle Art und Weise in eine neue Konfiguration der Raumzeit zu rotieren. Deshalb berichteten Augenzeugen, die den Start der Zeitmaschine verfolgt hatten – wie z.B. mein Schriftsteller –, dass sie gesehen hätten, wie das Gerät vor seinem Verschwinden aus der Jetztzeit erratisch rotiert hätte; und deshalb litt der Zeitreisende – also ich – an durch die Zentrifugal- und Corioliskraft induzierten Schwindelgefühlen, die mich glauben ließen, von der Maschine abgeworfen zu werden.

Aber trotz all dieser Effekte hatte der durch das Plattnerit verursachte Spin eine andere Qualität als ein normaler Wirbel oder die langsame Drehung der Erde. Die Wahrnehmung bei dieser Rotation unterschied sich grundlegend von den anderen Varianten, denn der Zeitreisende hatte die Illusion, absolut ruhig im Sattel zu sitzen, während die Zeit an der Maschine vorbeiraste – es war nämlich eine Rotation aus der Raumzeit heraus.

Als sich Dunkelheit über den Tag legte, fielen die verschwommenen Konturen des Laboratoriums von mir weg, so dass ich mich schließlich in der freien Luft befand. Ich reiste wieder durch diesen Abschnitt in der Zukunft, in dem das Laboratorium vermutlich zerstört worden war. Die Sonne schoss wie eine Kanonenkugel über den Himmel, viele Male in der Minute, und beleuchtete die schwache, skelettartige Suggestion eines Gerüstes um mich herum, das aber bald verschwand und mich am freien Hang zurückließ.

Meine Geschwindigkeit durch die Zeit erhöhte sich. Das Flackern von Tag und Nacht verschmolz zu einem tiefblauen Zwielicht, und ich konnte den Mond sehen, der seine Phasen durcheilte wie ein Kinderkreisel. Und als sich die Geschwindigkeit nochmals steigerte, verwandelte sich die Kanonenkugel-Sonne in einen Lichtbogen, der sich durch den Raum spannte, ein Bogen, der am Himmel auf und ab zuckte. Um mich herum spulten sich die Jahreszeiten ab, die durch sukzessives schneeweißes Gestöber und Frühlingsgrün markiert wurden. Schließlich erreichte die Beschleunigung ein Maximum, und ich trat in eine neue, tiefe Stille ein, in der nur die jährlichen Zyklen der Erde selbst – der Umlauf um die Sonne mit den Extremen der Sonnenwende – wie ein Herzschlag über der sich entwickelnden Landschaft pulsierten.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich in meinem ersten Bericht die außergewöhnliche Stille referiert habe, in die man bei einer Zeitreise eintaucht. Das Singen der Vögel, das entfernte Rattern des Verkehrs über das Kopfsteinpflaster, das Ticken der Uhren – sogar das schwache Atmen der Struktur eines Hauses selbst – all diese Dinge bilden einen komplexen und unbewussten Hintergrund unseres Lebens. Aber jetzt, herausgerissen aus der Zeit, wurde ich nur von meiner eigenen Atmung begleitet und von der Zeitmaschine, die unter meinem Gewicht wie ein Fahrrad leise quietschte. Das Gefühl der Isolation war überwältigend – es war, als ob ich in ein fremdes, unheimliches Universum gestürzt wäre, durch dessen Wände unsere eigene Welt nur wie durch verschmutzte Fensterscheiben zu sehen war – aber in diesem neuen Universum war ich das einzige lebende Wesen. Ein profundes Gefühl der Verwirrung ergriff Besitz von mir und erregte in Kombination mit der schwindelerregenden Wahrnehmung des freien Falls, die einen Sturz in die Zukunft immer begleitet, Gefühle tiefen Ekels und der Depression.

Aber jetzt wurde das Schweigen unterbrochen. Ein tiefes Murmeln, dessen Quelle ich nicht ausmachen konnte, schien meine Ohren anzufüllen; es war ein leises Rauschen, wie das Geräusch eines großen Flusses. Ich hatte das schon bei meinem ersten Flug bemerkt; ich konnte mir seinen Ursprung zwar nicht erklären, aber es schien mir so, als ob es sich hierbei um eine Begleiterscheinung meiner unziemlichen Reise durch den gemächlichen Lauf der Zeit handeln würde.

Aber wie sehr sollte ich mich da irren – wie schon so oft bei meinen hastig aufgestellten Hypothesen!

Ich schaute auf die vier chronometrischen Uhren und nahm eine Funktionsprüfung vor, indem ich mit dem Fingernagel auf jede tippte. Auch der Zeiger der zweiten Uhr, der die Tage in Tausender-Intervallen anzeigte, hatte sich schon aus seiner Ruhestellung wegbewegt.

Diese Uhren – treue, stumme Diener – waren denen von Dampfmaschinen entlehnt. Sie maßen eine bestimmte Scherspannung in einem mit Plattnerit dotierten Quarzbrocken, eine Spannung, die durch die Verzerrungseffekte der Zeitreise induziert wurde. Die Uhren zählten Tage – keine Jahre oder Monate oder Schaltjahre oder bewegliche Feiertage! – und das hatte auch seinen guten Grund.

Als ich meine Untersuchungen hinsichtlich der Durchführbarkeit von Zeitreisen begann und insbesondere der Notwendigkeit, dabei die Position der Maschine zu bestimmen, verbrachte ich eine beträchtliche Zeitspanne damit, eine brauchbare chronometrische Uhr anzufertigen, die gleichzeitig Jahrhunderte, Jahre, Monate und Tage darstellen konnte. Mir wurde bald klar, dass ich mit diesem Projekt wahrscheinlich länger zugange sein würde als mit der Konstruktion der Zeitmaschine selbst!

Ich entwickelte eine immense Aversion gegen die Eigenheiten unseres antiken kalendarischen Systems, die aus einer Reihe von fehlerhaften Anpassungen herrühren: von den Versuchen, die Zeit für die Aussaat und die Wintermitte zu fixieren, die bis zu den Anfängen der menschlichen Gesellschaft zurückreichen. Unser Kalender ist eine historische Absurdität, die nicht einmal den mildernden Umstand der Präzision verdient – zumindest nicht im Rahmen der kosmologischen Zeitspannen, die ich überbrücken wollte.

Ich schrieb empörte Briefe an die Philosophical Transactions und später noch an die Times, in denen ich mit Reformvorschlägen aufwartete, die es uns ermöglichen würden, präzise und eindeutig auch in solchen Messbereichen zu arbeiten, die für den modernen Wissenschaftler wirklich von Interesse sind. Zunächst einmal schlug ich vor, dieses unsinnige Hantieren mit den Schaltjahren zu vergessen. Das Jahr hat annähernd dreihundertfünfundsechzigeinviertel Tage; und dieses unglückliche Viertel ist der Grund für diese ganze lächerliche Scharade mit dem Schaltjahresausgleich. Ich bot zwei Alternativmodelle an, um mit dieser Absurdität aufzuräumen. Wir könnten z.B. den Tag als Basiseinheit festsetzen und dann den Monat und das Jahr als ein Vielfaches des Tages definieren: beispielsweise ein Dreihundert-Tage-Jahr mit zehn Monaten zu je dreißig Tagen. Natürlich würde dann bald die Synchronisierung des Jahreszeitenzyklus mit der Jahresstruktur auseinanderbrechen, aber in einer so entwickelten Zivilisation wie der unseren würde das wohl kaum ein größeres Problem darstellen. So könnte z.B. das Royal Observatory in Greenwich jedes Jahr einen Kalender mit den verschiedenen Sonnenständen herausgeben – Tag- und Nachtgleiche etc. – wie schon 1891 alle Kalender die beweglichen Feiertage der christlichen Kirchen aufgeführt hatten.

Wenn auf der anderen Seite der Jahreszeitenzyklus als Basiseinheit genommen würde, müssten wir einen Neuen Tag als den exakten Bruchteil – z.B. ein Hundertstel – des Jahres definieren. Das würde allerdings bedeuten, dass der Tagesrhythmus, unsere Hell-Dunkel-Perioden, an jedem Neuen Tag auf andere Zeiten fallen würde. Aber was würde das schon ausmachen? Wie ich schon sagte, arbeiteten viele Städte bereits auf einer Vierundzwanzig-Stunden-Basis. Und was den menschlichen Aspekt betrifft, so lässt sich das Führen eines schlichten Tagebuches leicht erlernen; mit Hilfe korrekter Aufzeichnungen bräuchte man seine Schlaf- und Wachphasen höchstens ein paar Tage im Voraus festzulegen, ohne den Lebensrhythmus an sich zu beeinträchtigen.

Schließlich regte ich noch an, dass wir einmal zu dem Tag schauen sollten, an dem sich das Bewusstsein der Menschen von seinem Neunzehntes-Jahrhundert-Blickwinkel auf das Hier und Jetzt erweitert hat, und überlegen, wie die Dinge aussehen könnten, wenn wir in Zeiträumen von zehntausenden Jahren denken. Ich stellte mir einen neuen Kosmologischen Kalender vor, der auf der Präzession der Tag- und Nachtgleiche beruht – dem langsamen Taumeln der Achse unseres Planeten unter dem schwankenden gravitationalen Einfluss von Sonne und Mond – ein Zyklus, der fünfundzwanzigtausend Jahre umfasst. Mit einem solchen ›Großen Jahr‹ könnten wir unser Schicksal eindeutig und präzise messen, jetzt und für alle Zeit.

Die symbolische Bedeutung einer derartigen Korrektur, so argumentierte ich, würde weit über ihren bloßen Nutzeffekt hinausgehen – sie wäre eine geeignete Maßnahme, das heraufziehende neue Jahrhundert zu markieren – denn sie würde der gesamten Menschheit signalisieren, dass das neue Zeitalter des Wissenschaftlichen Denkens begonnen hatte.

Es erübrigt sich zu sagen, dass meine Beiträge ohne Resonanz blieben, abgesehen von spöttischen Kommentaren in einigen Boulevardblättern, die ich jedoch ignorierte.

Nach all diesen Vorkommnissen gab ich meine Versuche auf, ein kalendarisch gestütztes Chronometer-Zählwerk zu konstruieren, und verlegte mich stattdessen auf die simple Zählung von Tagen. Ich hatte schon immer ein Faible für Zahlen, und daher war es nicht schwer für mich, die von den Uhren angezeigten Tage im Kopf in Jahre umzurechnen. Auf meiner ersten Fahrt war ich bis zum Tag 292 495 934 gekommen, was sich – unter Berücksichtigung der Schaltjahre – als das Jahr 802 701 n. Chr. herausstellte. Jetzt jedoch musste ich so lange reisen, bis die Uhren den Stand von 292 495 940 Tagen anzeigten – der exakte Tag, an dem ich Weena, und mit ihr einen großen Teil meiner Selbstachtung, verloren hatte, in den Flammen dieses Waldes.

Ich hatte in einer Reihenhaussiedlung in der Petersham Road gewohnt, in dem Abschnitt unterhalb von Hill Rise, ein Stück vom Fluss entfernt. Jetzt, da mein Haus schon lange zerstört war, saß ich auf einem freien Hang. Die Flanke von Richmond Hill erhob sich hinter mir, eine vor Urzeiten entstandene geologische Formation. Die Bäume erblühten und schrumpften erzitternd zu Stümpfen zusammen, wobei ihre jahrhundertelange Existenz zu einigen Herzschlägen komprimiert wurde. Die Themse war ein Band aus silbrigem Licht, geglättet durch meine Reise durch die Zeit, und sie grub sich ein neues Bett: der Fluss schien sich in Gestalt eines großen, trägen Wurmes durch die Landschaft zu winden. Neue Gebäude erhoben sich wie Rauchsäulen: manche stiegen sogar um mich herum auf, an der Stelle meines alten Hauses. Einige dieser Gebäude verblüfften mich durch ihre Größe und Eleganz. Die Richmond Bridge meiner Zeit war längst verschwunden, aber ich erblickte einen neuen Bogen, vielleicht eine Meile lang, der sich freischwebend durch die Luft und über die Themse spannte; und da stießen Türme in die flimmernde Luft, um deren schlanke Silhouetten sich enorme Massen legten. Ich wollte schon meine Kodak nehmen und versuchen, diese Phantasmen zu fotografieren, aber ich wusste, dass die durch die Zeitreise in Mitleidenschaft gezogenen Bildplatten zu lichtschwach waren, um irgendetwas abbilden zu können. Die architektonische Technologie, die ich hier sah, schien mir so weit von den Möglichkeiten des neunzehnten Jahrhunderts entfernt zu sein wie die großen gotischen Kathedralen von den Römern oder Griechen. Sicherlich, überlegte ich, hatten die Menschen dieser zukünftigen Zeit es vermocht, dem gnadenlosen Zug der Schwerkraft Fesseln anzulegen; denn wie sonst hätten sich diese großen Strukturen in den Himmel erstrecken können?

Doch nicht lange, und die große Themsebrücke setzte braune und grüne Flecken an, die Farben des vergänglichen, zerstörerischen Lebens, und – mit einem Blinzeln, so schien es mir – brach sie im Mittelpunkt ein und kollabierte zu zwei nackten Stümpfen an den Ufern. Wie alles Menschenwerk, so sah ich, waren auch diese großen Strukturen vergängliche Schimären, der Vergänglichkeit anheimgegeben, verglichen mit der äonenlangen Geduld des Landes.

Ich fühlte mich der Welt außerordentlich entrückt, ein erhabenes Gefühl, das durch die Zeitreise verursacht wurde. Ich erinnerte mich an die Neugier und den Überschwang, den ich verspürt hatte, als ich zum ersten Mal durch diese Träume der Zukunftsarchitektur gerast war; ich dachte zurück an die kurze, fieberhafte Spekulation über die Errungenschaften dieser zukünftigen Menschheit. Jetzt wusste ich es besser; jetzt wusste ich, dass ungeachtet dieser großen Leistungen die Menschheit unweigerlich zurückfallen würde, unter dem unerbittlichen Druck der Devolution, in die Dekadenz und den Niedergang der Eloi und Morlocks.

Ich war betroffen davon, wie unwissend wir Menschen sind – oder uns selbst machen –, was den Lauf der Zeit betrifft. Wie kurz unser Leben ist! – und wie bedeutungslos die Ereignisse, die unser kleines Selbst beschäftigen, wenn man sie aus der großen plastischen Perspektive der Geschichte betrachtet. Wir sind weniger als Eintagsfliegen, hilflos angesichts der permanenten Kräfte der Geologie und Evolution – Kräfte, die unerbittlich walten, und doch so langsam, dass wir uns im Alltagsleben ihrer Existenz nicht einmal bewusst sind.

2. KAPITEL

Eine neue Vision

Bald hatte ich das Zeitalter der Großen Architektur hinter mir gelassen. Neue Häuser und Hallen, groß und scheinbar für die Ewigkeit errichtet, tauchten leuchtend um mich herum auf, alle im Tal der Themse gelegen, und nahmen in meinen Augen eine gewisse Opazität an, die durch den Dopplereffekt bewirkt wurde. Es schien mir, als ob der Bogen der Sonne, die den tiefblauen Himmel zwischen ihren beiden Wendepunkten durchlief, heller würde, und eine grüne Decke legte sich über Richmond Hill und ergriff Besitz von dem Land, verbannte die winterlichen Braun- und Weißtöne. Wieder einmal war ich in jene Ära vorgedrungen, in der die Menschheit eine Klimakontrolle eingerichtet hatte.

Ich überblickte eine Landschaft, die durch meine Geschwindigkeit wie eingefroren wirkte; alle Bewegungsabläufe, wie z.B. die Aktivitäten von Mensch und Tier und sogar die Bewegungen der Wolken am Himmel waren derart verlangsamt, dass mein schweifendes Auge sie nicht wahrnahm. Ich war in einer unheimlichen Stille gefangen. Wenn da nicht das oszillierende Band der Sonne und das intensive, unnatürlich blaue Zwielicht gewesen wären, hätte ich auch allein im Spätsommer in einem Park sitzen können.

Meine Uhren sagten mir, dass ich noch nicht einmal ein Drittel der Distanz meiner großen Fahrt bewältigt hatte – obwohl ich bereits eine Viertelmillion Jahre von meiner eigenen Zeit entfernt war – und doch schien es, als ob die Phase, in der die Menschen die Erde gestaltet hatten, schon vergangen sei. Der Planet hatte sich in einen Garten verwandelt, in dem der Stamm der Eloi unbekümmert in den Tag hinein lebte; und ich wusste, dass Proto-Morlocks sich schon unter die Erdoberfläche verzogen haben mussten und jetzt ihre riesigen, mit Maschinen vollgestellten Kavernen ausschachteten. Es würde sich nur noch wenig tun in dem Abschnitt von einer halben Million Jahren, den ich noch zu bewältigen hatte, abgesehen vom weiteren Niedergang der Menschheit und der Identität der Opfer in den Millionen winziger und schrecklicher Tragödien, aus denen von nun an die Geschichte der Menschen bestehen würde …

Als ich mich jedoch aus diesen morbiden Betrachtungen löste, bemerkte ich, dass es doch eine Veränderung gab, die langsam mit der Landschaft vor sich ging. Ich verspürte ein Unbehagen, das diesmal nicht nur vom üblichen Schaukeln der Zeitmaschine herrührte. Etwas war anders – aber was? War vielleicht etwas mit dem Licht?

Vom Sattel aus überflog ich die geisterhaften Bäume, die ebenen Wiesen um Petersham und die Biegung der geduldigen Themse.

Dann sah ich hoch zu dem durch die Zeit geglätteten Himmel, und plötzlich registrierte ich, dass das Sonnenband stationär am Firmament stand. Die Erde rotierte noch immer so schnell um ihre Achse, dass die Bewegung unseres Sterns im All verschwamm und die Wandelsterne überhaupt nicht zu sehen waren, aber dieses Band aus Sonnenlicht oszillierte nicht mehr zwischen seinen Wendepunkten: es war statisch und unbewegt wie eine Konstruktion.

Mit einemmal meldeten sich die Übelkeit und das Schwindelgefühl zurück. Ich musste mich an den Streben der Maschine festhalten und schluckte, als ich mich bemühte, den Körper unter Kontrolle zu bekommen.

Es fällt mir schwer, den Eindruck zu vermitteln, den diese triviale Veränderung meiner Umgebung auf mich machte. Zunächst war ich von dem schieren technologischen Niveau geschockt, das die Suspendierung des Jahreszeitenzyklus ermöglicht hatte. Die Erdjahreszeiten wurden eigentlich durch die zur Bahnebene um die Sonne geneigte Planetenachse verursacht. Und jetzt schien es auf der Erde keine Jahreszeiten mehr zu geben. Das konnte nur bedeuten – schlagartig wurde mir das klar –, dass die Deklination des Planeten aufgehoben worden war.

Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie das geschafft hatten. Welch riesige Maschinen mussten an den Polen installiert worden sein? Welche Maßnahmen waren getroffen worden, um sicherzustellen, dass die Erdoberfläche während dieses Vorgangs nicht von tektonischen Verwerfungen in Mitleidenschaft gezogen wurde? – Vielleicht, so spekulierte ich, hatten sie irgendeinen riesigen Magneten verwendet, der den flüssigen und magnetischen Kern des Planeten manipuliert hatte.

Aber es war nicht nur der Umfang dieses ›Terraformens‹, der mich beunruhigte: noch erschreckender war die Tatsache, dass ich diese Regulierung der Jahreszeiten nicht auch bei meinem ersten Abstecher in die Zukunft bemerkt hatte. Wie war es möglich, dass mir eine solch enorme und profunde Veränderung entgangen war? Schließlich bin ich zum Wissenschaftler ausgebildet worden; meine Profession ist es, zu beobachten.

Ich rieb mir die Augen, starrte hoch zu dem am Himmel hängenden Sonnenband und weigerte mich einfach, seine Bewegungslosigkeit hinzunehmen. Aufgrund meiner Reise durch die Zeit wurde ich durch den Dilatationseffekt von der Realität der alternden Welt um mich herum abgeschirmt, so dass ich die Wärme der Sonnenstrahlen nicht spüren konnte. Aber ihre Helligkeit stach mir in die Augen, und es hatte den Anschein, als ob das Band noch heller würde. Zunächst fragte ich mich, ob mir die Phantasie einen Streich spielte oder ob ich etwas an den Augen hätte. Benebelt senkte ich den Kopf, wischte ein paar Tränen am Jackenärmel ab und blinzelte, um die Augen von Streifen verschwommener Lichtpunkte zu befreien.

Ich bin weder ein Primitiver noch ein Feigling – schließlich hatte ich eine Zeitmaschine konstruiert und war in eine unbekannte Zukunft aufgebrochen – und doch, als ich auf dem Sitz hockte und an die immensen Leistungen dieser zukünftigen Menschen dachte, kam ich mir wie ein nackter und bemalter Wilder vor, der vor diesem komischen Götterhimmel kniete. Aus den Tiefen des Bewusstseins fühlte ich eine tiefe Besorgnis um meine geistige Gesundheit emporsteigen; und dennoch klammerte ich mich an den Glauben, dass ich es – irgendwie – doch versäumt hatte, dieses verblüffende astronomische Phänomen auf meiner ersten Reise zu registrieren. Denn die einzige Alternativhypothese jagte mir eine unsägliche Angst ein: dass ich mich auf meiner ersten Reise eben nicht vertan hatte; dass die Erdachse damals eben nicht verschoben war – sondern dass sich der Ablauf der Geschichte selbst geändert hatte.

Die fast unvergänglichen Konturen der Hügelkette waren unverändert – die Morphologie des uralten Landes wurde von diesem aufkommenden Licht am Himmel nicht beeinträchtigt – aber ich konnte erkennen, dass sich das weite Grün, von dem das Land bedeckt gewesen war, nun unter der stetigen Glut der intensivierten Sonne zurückgezogen hatte.

Jetzt bemerkte ich ein entferntes Flackern über dem Kopf und schaute mit vorgehaltener Hand nach oben. Das Flackern ging von dem Sonnenband am Himmel aus – oder von dem, was einmal das Sonnenband gewesen war, denn ich registrierte, dass ich jetzt irgendwie wieder in der Lage war, den kanonenkugelartigen Flug der Sonne zu beobachten, wie sie auf ihrer täglichen Bahn über den Himmel schoss; ihre Bewegung war jetzt nicht mehr so rapide, dass ich sie nicht mehr hätte verfolgen können, und es war der Tag-Nacht-Rhythmus, der das von mir wahrgenommene Flackern hervorrief.

Zuerst dachte ich, dass meine Maschine langsamer werden würde. Als ich dann aber auf die Instrumente niederblickte, sah ich, dass die Zeiger mit der gleichen Geschwindigkeit wie bisher über die Skalen huschten.

Die perlgraue Uniformität des Lichts löste sich auf, und die Übergange zwischen Tag und Nacht wurden prononcierter. Die Sonne glitt über den Himmel und wurde mit jedem Durchlauf langsamer, heiß und hell und gelb; und bald erkannte ich, dass der flammende Stern viele Jahrhunderte benötigte, um einen Umlauf um die Himmelssphäre zu vollenden.

Schließlich kam die Sonne ganz zum Stillstand; sie verhielt am westlichen Horizont, heiß und gnadenlos und stetig. Die Eigenrotation der Erde hatte aufgehört; nun wandte sie ständig dieselbe Seite der Sonne zu!

Die Wissenschaftler des neunzehnten Jahrhunderts hatten vorhergesagt, die Gezeiteneffekte der Sonne und des Mondes würden irgendwann dazu führen, dass die Eigendrehung der Erde zum Erliegen käme und sie der Sonne dann immer dieselbe Seite zuwenden würde, genauso wie der Mond der Erde nur eine Seite zukehrte. Ich hatte das auf meiner ersten Reise in die Zukunft selbst beobachtet: aber dies war ein Ereignis, das eigentlich erst in vielen Millionen Jahren eintreten sollte. Und doch fand ich schon jetzt, kaum mehr als eine halbe Million Jahre in der Zukunft, eine zum Stillstand gebrachte Erde vor!

Ich realisierte, dass ich erneut die Hand der Menschheit am Werk gesehen hatte – vom Affen abstammende Finger, die mit der Attitüde von Göttern über die Jahrhunderte griffen. Nicht damit zufrieden, die Position seiner Welt verändert zu haben, hatte der Mensch die Rotation der Erde selbst aufgehoben und damit den uralten Zyklus von Tag und Nacht verbannt.

Ich ließ den Blick über Englands neue Wüste schweifen. Hier und da ortete ich die Konturen zäher Büsche – deren Form ein wenig an Oliven erinnerte –, die in dieser öden Landschaft um das Überleben kämpften. In diesem Land waren alles Gras und alle Pflanzen abgestorben und hatten nur einen ausgetrockneten Lehmboden zurückgelassen. Von der majestätischen Themse, die sich auf einer Breite von vielleicht einer Meile durch diese Ebene gezogen hatte, war am Schluss nur noch ein trockenes Flussbett zu sehen. Ich war kaum der Ansicht, dass diese jüngsten Veränderungen dem Ort zum Besseren gereicht hätten: wenigstens hatte die Welt der Morlocks und Eloi den Niedergang des urtümlichen Charakters der englischen Landschaft miterlebt, mit ihrem Reichtum an Vegetation und Wasser; wenn man die Britischen Inseln irgendwohin in die Tropen geschleppt hätte, wäre sicherlich der gleiche Effekt eingetreten.

Jetzt war die in den letzten paar Jahrtausenden eingetretene Wüstenbildung durch das Anhalten der Erdrotation indessen noch verstärkt worden. Ich stellte mir den armen Planeten vor, die eine Seite für immer auf die Sonne geheftet, die andere von ihr abgewandt. Ich überlegte mir, dass es am Äquator im Zentrum der Tagseite wohl so heiß sein musste, dass man bei lebendigem Leibe geröstet wurde. Und die Luft musste in Gestalt von Hurrikanen von der überhitzten Sonnenseite zu der kühleren Hemisphäre rasen, um sich dort als ein Schauer aus Sauerstoff und Stickstoff über den zugefrorenen Ozeanen niederzuschlagen. Wenn ich die Maschine jetzt anhielte, würde ich vielleicht von einem dieser Orkane mitgerissen werden, den letzten Atemstößen der Lunge eines Planeten! Der Prozess würde erst dann abgeschlossen sein, wenn die Tagseite absolut verdorrt, ohne Atmosphäre und bar jeglichen Lebens und die Nachtseite unter einer dünnen Schicht gefrorener Atmosphäre begraben wäre.

Ich erkannte mit zunehmendem Schrecken, dass mir der Weg nach Hause abgeschnitten war! – denn um den Rückflug anzutreten, musste ich die Maschine anhalten, und wenn ich das täte, würde ich wahlweise in ein Land des Vakuums oder der sengenden Hitze stürzen, so tot wie die Oberfläche des Mondes. Aber sollte ich weiterfliegen, in eine ungewisse Zukunft, und hoffen, dass ich in den Tiefen der Zeit eine Welt finden würde, auf der ich überleben konnte?

Jetzt war ich mir sicher, dass die Wahrnehmungen während der Zeitreise bzw. die Erinnerungen daran ziemlich verzerrt sein mussten. Es war nämlich kaum vorstellbar, dass ich auf meinem ersten Flug in die Zukunft die Aufhebung der Neigung der Erdachse und die Eliminierung der Jahreszeiten übersehen haben konnte – obwohl ich es kaum glauben konnte –, indes hielt ich es für völlig unwahrscheinlich, die Verlangsamung der Erdrotation nicht bemerkt zu haben.

Es konnte kein Zweifel bestehen: Ich bewegte mich durch Ereignisse, die massiv von jenen abwichen, die ich auf meiner ersten Reise erlebt hatte.

Ich neige von Natur aus zu Spekulationen und bin im Grunde auch nie um eine oder zwei originelle Hypothesen verlegen; aber in jenem Moment saß der Schock so tief, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Es war, als ob mein Körper noch immer durch die Zeit stürzte, das Gehirn jedoch zurückgelassen hätte, irgendwo in der klebrigen Vergangenheit. Ich glaube, dass ich vorher lediglich einen Pseudomut kultiviert hatte, eine Fassade, die von der selbstgefälligen Erwägung gestützt wurde, dass ich mich zwar in Gefahr begab, aber zumindest in eine solche, mit der ich schon einmal konfrontiert gewesen war. Jetzt hatte ich allerdings nicht die geringste Ahnung, was mich in den Korridoren der Zeit erwartete!

Während ich diesen morbiden Gedanken nachhing, registrierte ich fortdauernde Veränderungen am Himmel – als ob die Demontage der natürlichen Ordnung der Dinge noch nicht weit genug gediehen gewesen wäre! Die Lichtstärke der Sonne erhöhte sich weiter. Und – man konnte sich kaum sicher sein, bei der enormen Helligkeit – ich meinte wahrzunehmen, dass sich jetzt auch die Form des Sterns veränderte. Seine Konturen verschwammen am Himmel und verzerrten sich zu einem elliptischen Lichtfleck. Ich fragte mich, ob die Sonne sich jetzt schon so schnell drehte, dass sie durch die Rotationsgeschwindigkeit abgeplattet wurde.

Und dann – aus heiterem Himmel – explodierte die Sonne.

3. KAPITEL

Im Schattenreich

Ich schrie auf und vergrub das Gesicht in den Händen; aber ich konnte dennoch das Licht der stärker gewordenen Sonne sehen, das sogar durch die Finger drang und grell vom Nickel und Messing der Zeitmaschine reflektiert wurde.

Lichtblitze eruptierten mit einem immensen Flackern an den Polen des Sterns. Innerhalb weniger Herzschläge hatte sich die Sonne in einen glühenden Mantel aus Licht gehüllt. Hitze und Licht stachen erneut auf die geschundene Erde herab.

Dann ließ der Lichtsturm wieder so schnell nach, wie er begonnen hatte, und eine Art Schale legte sich um die Sonne, als ob ein riesiges Maul das Gestirn verschlucken würde – und dann stürzte ich in die Dunkelheit!

Ich ließ die Hände sinken und fand mich in pechschwarzer Finsternis wieder, unfähig, etwas zu sehen, obwohl mir immer noch Sterne vor den Augen tanzten. Ich spürte den harten Sattel der Zeitmaschine unter mir, und als ich die Hände ausstreckte, ertastete ich die Gläser der kleinen Uhren; und die Maschine schaukelte noch immer, als ob sie ihren Flug durch die Zeit weiter fortsetzen würde. Ich begann mich zu fragen – angsterfüllt! –, ob ich mein Sehvermögen verloren hätte.

Verzweiflung wallte in mir auf, schwärzer als die mich umgebende Dunkelheit. Sollte mein zweites Abenteuer schon so früh und so ruhmlos enden? Ich streckte die Hände aus, tastete nach den Steuerhebeln, und mein auf Hochtouren arbeitendes Gehirn begann Szenarien zu entwerfen, wonach ich die Gläser von den Chronometern abnahm und mich womöglich durch das Zurückdrehen der Zeiger nach Hause durchschlug.

… Und dann merkte ich, dass ich doch nicht blind war: ich sah tatsächlich etwas.

In mancherlei Hinsicht war dies der bisher merkwürdigste Aspekt der ganzen Reise – so merkwürdig, dass ich zunächst überhaupt keine Angst verspürte.

Zuerst machte ich ein Licht in der Finsternis aus. Es war eine vage, verschwommene Helligkeit, einem Sonnenaufgang vergleichbar, und so schwach, dass ich nicht wusste, ob mir meine trüben Augen nur etwas vorgaukelten. Ich glaubte, überall um mich herum Sterne sehen zu können; aber sie waren schwach, ihr Licht gedämpft, als ob man sie durch eine Milchglasscheibe betrachten würde.

Und jetzt, in dem trüben Glühen, begann ich zu realisieren, dass ich nicht allein war.

Das Wesen stand ein paar Yards vor der Zeitmaschine – oder vielmehr hing es frei in der Luft. Es war eine Fleischkugel: etwas, das wie ein schwebender Kopf aussah, mit vier Extremitäten rundum und zwei Tentakelbüscheln, die wie groteske Finger herabbaumelten. Sein Mund war als fleischiger Schnabel ausgeformt, und es hatte keine Nase, zumindest keine, die ich als solche identifizieren konnte. Ich bemerkte jetzt, dass die Augen des Wesens – zwei an der Zahl, groß und dunkel – menschlich waren. Es schien Laute auszustoßen – ein leises, murmelndes Blubbern, wie ein Fluss – und ich realisierte mit einem Anflug von Angst, dass dies genau der Laut war, den ich schon früher auf dieser Expedition vernommen hatte, und auch schon auf meinem ersten Ausflug in die Zeit.

Hatte dieses Wesen – dieser Beobachter, wie ich es nannte – mich etwa unerkannt begleitet, auf beiden Expeditionen durch die Zeit?

Mit einemmal raste es auf mich zu. Dann schaute es zu mir hoch, keine drei Fuß von meinem Gesicht entfernt!

Jetzt gingen die Nerven mit mir durch. Ich schrie auf und riss unter Missachtung der Konsequenzen an dem Hebel.

Die Zeitmaschine schmierte ab – der Beobachter verschwand – und ich wurde in die Luft geschleudert!

Ich versank in Bewusstlosigkeit – wie lange, weiß ich nicht. Langsam kam ich wieder zu mir, wobei ich mit dem Gesicht nach unten auf einer harten, sandigen Oberfläche lag. Ich glaubte, heißen Atem im Genick zu spüren – ein Flüstern, weiches Haar, das über meine Wange strich – als ich aber aufstöhnte und wieder auf die Füße kam, verschwanden diese Wahrnehmungen.

Ich war von tintenfarbener Dunkelheit umgeben. Ich verspürte weder Wärme noch Kälte. Ich saß auf einer harten, sandigen Fläche. Es ging kein Wind, und ein schaler Geruch hing in der Luft. Mein Kopf schmerzte durch den Stoß, den er erhalten hatte, und außerdem hatte ich meinen Hut verloren.

Ich streckte die Arme aus und tastete in meiner Umgebung herum. Zu meiner großen Erleichterung wurde ich fast sofort durch eine sanfte Kollision mit einem Gewirr aus Elfenbein und Messing belohnt: es war die Zeitmaschine, die wie ich in dieser dunklen Wüste gestrandet war. Ich streckte beide Hände aus und berührte die Verstrebungen und Vorsprünge der Maschine. Sie war zwar umgestürzt, aber in der Dunkelheit konnte ich nicht erkennen, ob sie vielleicht beschädigt war.

Natürlich musste ich Licht haben. Ich suchte in der Tasche nach Streichhölzern – nur um dann keine zu finden; ich Narr hatte sie ganz tief im Rucksack unter den gesamten sonstigen Vorräten verpackt! Für einen Moment ergriff mich Panik; aber es gelang mir, sie zu unterdrücken, und ich stand zitternd auf und ging zur Zeitmaschine. Ich überprüfte sie durch Abtasten auf Schäden und suchte die gekrümmten Verstrebungen ab, bis ich den Rucksack fand, der noch immer sicher unter dem Sattel verstaut war. Ungeduldig fummelte ich den Beutel auf und durchstöberte ihn. Ich fand zwei Streichholzschachteln und steckte sie in die Jackentasche; dann nahm ich ein Streichholz heraus und riss es an der Schachtel an.

… Da war ein Gesicht, unmittelbar vor mir, gerade eineinhalb Fuß entfernt, und glühte im Lichtkreis des Streichholzes: Ich sah stumpfe weiße Haut, einen von flachsblondem Haar eingerahmten Schädel und große, graurote Augen.

Das Wesen artikulierte einen seltsamen, gurgelnden Schrei und verschwand in der außerhalb der Streichholzglut liegenden Dunkelheit.

Es war ein Morlock!

Das Streichholz brannte bis auf die Finger herunter, und ich warf es weg; als ich nach einem neuen kramte, hätte ich vor lauter Panik fast die wertvolle Schachtel fallen lassen.

4. KAPITEL

In dunkler Nacht

Der stechende Schwefelgeruch der Streichhölzer stieg mir in die Nase, und ich bewegte mich über die sandige Fläche zurück, bis ich mit dem Rücken an die Messingrohre der umgestürzten Zeitmaschine stieß. Nachdem ich einige Minuten lang diesem Schrecken ausgesetzt gewesen war, kam mir endlich der Gedanke, eine Kerze aus dem Rucksack zu holen. Ich hielt die Kerze dicht vor das Gesicht und starrte in die gelbe Flamme, ohne das warme Wachs zu beachten, das mir über die Finger tröpfelte.

Allmählich gelang es mir, Strukturen in der Welt um mich herum zu erkennen. Ich konnte das Messinggewirr und das Quarz der umgestürzten Zeitmaschine erkennen, das im Kerzenlicht funkelte, und eine Form – wie eine große Statue oder ein großes Gebäude –, die sich bleich und massig nicht weit von meinem Standort in die Höhe reckte. Das Land war nicht völlig ohne Licht. Die Sonne mochte wohl verschwunden sein, aber abschnittsweise schienen die Sterne über mir noch, obwohl ihre Konstellation sich durch den Zeitablauf seit meiner Kindheit verändert hatte. Von unserem freundlichen Mond war indessen nichts zu sehen.

In einem Sektor des Himmels leuchteten überhaupt keine Sterne: Im Westen, auf den schwarzen Horizont zu, war eine flache Ellipse, die, ohne von Sternen unterbrochen zu werden, ein ganzes Viertel des Himmels einnahm. Das war die Sonne, verpackt in dieser erstaunlichen Schale!