Zoomed - Frank Habbe - E-Book

Zoomed E-Book

Frank Habbe

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Beschreibung

Robert, #40 Jahre #alleinstehend und #soziophob ist schwerVERLIEBT in Reeva; die Kleine, die seit kurzem drüben bei RUGGED arbeitet, dem hipsterverseuchten Modeladen gegenüber von 2C. 2C? Ja, Roberts Appartement in der Mercer Ecke Prince, NYC. Genau von dem aus zoomt er sich an Reeva heran, Tag für Tag, wann immer er will. Und, eigentlich will er immer... Er hat halt viel Zeit, geht nicht gern aus. Unter Leute, und so. Robert kann gar nicht genug von ihr bekommen, schießt mit seiner Canon Foto über Foto von dem Mädchen. Dabei ist er aber beileibe kein Spanner; meint er jedenfalls. Als Robert sein Appartement verkaufen muss, hat er einen riesen Batzen Geld - :::ABER::: auch ein Problem: seine gemeinsamen Tage mit Reeva scheinen gezählt. Um sein Verlangen weiter stillen zu können, mietet er sich gegenüber ihrer Wohnung ein. Also alles gut? Leider nicht so ganz. Warum? Weil, Benji. Benji? Eben der: zwergiger Popstar, bei dem Reeva immer ganz wuschig wird. Und dann ist da auch noch Clint. Ein böser, böser Junge, der Reeva brutal an die Wäsche will. Logisch, dass Robert nicht still danebensteht und dem Treiben aus der Ferne tatenlos zusieht...

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Frank Habbe

Zoomed

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorspiel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

Impressum

Impressum

Vorspiel

Unglaublich, was das für eine Schweinerei gibt, wenn man mit einem ungezielten Stich die Vena cava superior perforiert.

Ich sage das, weil ich direkt vor Benji stehe, dem das Blut nur so aus der Brust schießt, ihm dabei sein schönes Leinenhemd versaut.

Wohin es spritzt?

Na klar, auf mich natürlich.

Aufden mit dem Messer.

Dieses, genauer ein Yoshikin Ausbeinmesser mit sechzehn Zentimeter-Klinge, das ich eben achtlos aus der Auslage gegriffen hatte, als ich durch die Lobby gerannt bin, ziehe ich Benji jetzt aus der Brust.

So, als könnte ich den Stich damit ungeschehen machen.

Was ein Fehler ist, weil sich so eine Aktion halt :::NICHT::: rückgängig machen lässt.

Und weil es nun nur um so mehr spritzt.

Und weil Benji, jetzt nicht mehr durch den Messergriff mit mir verbunden, sang und klanglos zu Boden sinkt.

Ich blicke erst zu ihm, dann auf mein besprenkeltes Shirt und schließlich auf meine Hand, die leicht zittert. Ich weiß nicht, ob aus Angst, Wut oder Verwirrung.

Mir geht ein Spruch aus demPatendurch den Kopf, die Szene bevor Michael das korrupte Schwein McCluskey erschießt.

Sie sagen irgendwas in der Art vonlass die Waffe fallen, sobald Du auf den Cop geschossen hast. Denn dahin, auf die Pistole, würden die Leute blicken. Nicht auf ihn, Michael, den Mörder.

Also lasse ich das Messer los, das klirrend auf den Marmorboden schlägt.

Um es kurz zu machen - der Spruch istMIST.

Keiner schaut auf das Messer.

Alle schauen auf mich.

Und ich?

Ich

#GEHE

#LAUFE

#RENNE

quer durch die Lobby.

Weg vom Haupteingang, weg von Portiers, Wachen und Cops.

Hin zu den Pools, Bikini-Babes und Schirmchendrinks. Davon gibt es hier eine ganze Menge; weltweit bestimmt die höchste Dichte derlei süßer Verlockungen an diesem schönen, sonnigen Julinachmittag.

Hey, wir befinden uns schließlich in Miami Beach.

Wenn nur all das klebrige, stinkende Blut an mir nicht wäre.

Was für ein scheiß Tag!

Wahrscheinlich möchtet Ihr wissen, was mich und den armen Benji so hat aneinandergeraten lassen?

Lieber die schnelle Version oder den Director’s Cut?

In Ordnung, ich fasse mich kurz.

1. Kapitel

Diese elende Hitze bringt mich noch um!

Schweißgebadet liege ich in meinem Bett, wälze mich auf dem klammen Laken und verfluche - mich selbst.

Dafür, dass ich noch immer in diesem stickigen Loch inmitten der Asphaltwüste Lower Manhattans hause.

Dafür, dass ich mich noch immer nicht habe aufraffen können, in eine Klimaanlage oder wenigstens einen funktionierenden Ventilator zu investieren.

Selbst schuld, darf ich mich doch dafür jetzt wie ein in der Schwüle verendender Wurm auf meinem Laken kringeln.

Wie bitte, ich könnte ja die Fenster öffnen?!

Damitnoch MEEEEHRHitze, Staub und Gestank hereindringen?

Ganz zu schweigen von dem :::LÄRM:::

- Lieferantenverkehr

- Touristenhorden

- Polizeisirenen

- Müllabfuhr

- Bauwagen

Und all das 24/7/365 - hey, wir sind schließlich in NYf***ingC!

Und deshalb bleiben die Fenster :::ZU:::!

Dabei haben wir erst Anfang Juni. Schöne Aussichten für einen prächtig schweißigen Sommer. Ich, allein mit mir in meinem baufälligen Appartement in einem Beinahe-Abbruchhaus, Mercer Street, New York City 10012, Vereinigte Staaten von was-weiß-ich.

Außerdem, wozu braucht man Klimaanlagen, wenn es auch ein feuchter Schwamm tut?

Mit geschlossenen Augen taste ichtapp, tapp tappnach dem irgendwo neben mir das Laken einfeuchtenden Waschlappen. Ich lege ihn mir aufs Gesicht, presse ihn mit den Fingern auf die überhitzte Haut, bis ich keine Luft mehr kriege. Die Frage, ob die Gauner unten in Guantanamo fürs Waterboarden wenigstens kaltes Wasser verwenden, schießt mir in den Kopf, als ich den Lappen entnervt gegen die Wand pfeffere und mich am Hintern kratze.

Und dann, unter all dem Krawall, der ungeachtet der verrammelten Scheiben natürlich trotzdem aus der bösen, lauten Welt an mein Ohr dringt, höre ich das beständige

:::PLOPP:::

des Wasserhahns.

Erst :::PLOPP::: gleichmäßig :::PLOPP:::, dann wieder in kurzen Schüben spuckt die poröse Leitung ihr Quantum Wasser :::PLOPP:::PLOPP:::PLOPP::: in das Emaillebecken meiner Küche und beschallt damit die gesamte Wohnung. Ein unterdrücktes Stöhnen begleitet mich, als ich mich zur Seite drehe, den Arm übers Ohr lege und an die fleckige, vielleicht fünfzehn Zentimeter von meinem Auge entfernte Wand starre, auf der der feuchte Lappen eine dunkle, nach unten schleimende Spur hinterlassen hat. :::PLOPP:::PLOPP:::

Ohne auf den Wecker schauen zu müssen weiß ich, dass er mich im Stich gelassen, nicht um neun Uhr fünfundfünfzig wachgeklingelt hat. Nicht, dass ich zu dieser Zeit zwingend aufstehen müsste, mein pünktliches Erscheinen an irgendeinem Ort unbedingt erforderlich gewesen wäre. Ich bin nur der Meinung, dass ein wenig Struktur jedem Leben guttut. Wenigstens hat redet mein Bruder immer so daher.

Jeff, mein so schlauer, effektiver Bruder.

Der mich just in diesem Moment aus meiner Lethargie zu reißen beschlossen hat,

indem

er

einfach

so

anruft.

Vielleicht gerade rechtzeitig. Denn nachdem ich, die Wand fest im Blick und verzweifelt versucht, aus ihren fleckigen Strukturen die Anatomie einer Vulva zu kreieren, mehrere Minuten lang erfolglos gewichst habe, kommt mir ein Anlass zur Beendigung der erbärmlichen Fummlerei nur zu gelegen.

Youporn läuft dir nicht weg, muntere ich mich auf, während ich vom Bett herunterkugele und auf dem pekigen Teppich aufschlage. Einen plötzlichen Schwindel aus dem Kopf schüttelnd, richte ich mich auf und mache mich auf die Suche nach dem verdammten Telefon. Erfolglos hoffend, das der Anrufer entnervt aufgibt, bevor ich das Ding zu Tage fördere.

„R-O-H-O-B-E-R-T-O!“,flötet es mir ins Ohr, was mich einen unterdrückten Fluch ausstoßen lässt. Jeff, der sich anhört, wie eine Tunte.

Ist er aber nicht. Wohnt mit Frau, Kindern und Doppelgarage in einem von

Fair-Trade-KaffeeSchokoladeAnanasKlopapier, biodynamischen Erzeuger-Märkten, trendigen und dabei abgrundtief spießigen Einwohnern gebeutelten Hipster-Nest, irgendwo in Upstate New York.

„Was willst du?“

„Dich an den Termin am kommenden Donnerstag erinnern.“

Der TERMIN - als ob ich DEN vergessen könnte!

Vielleicht sollte ich dafür kurz ausholen: Als unsere Mum vor fünf Jahren starb, hinterließ sie uns neben vier Katzen und einer gigantischen, unsortierten Sammlung von Filmplakaten aus den Fünfzigern zwei Dinge, die überraschend nützlich waren: Ein Sparbuch mit immerhin zweihundertfünfzigtausend Dollar und eben diese damals schon arg ramponierte Wohnung.

Jeff in seiner stringenten Lebensplanung war damals

- frisch von der Uni

- frisch in Debbie verliebt

- frisch gewordener Zwillings-Vater

- frischer Besitzer eines ramponierten Altbaus

- und eben aus all diesen Gründen: frisch verschuldet.

Also machten wir einen Deal: Er bekam 200K, ich die restlichen 50 und unbeschränktes Wohnrecht in dem auf hundertvierzig Quadratmetern, im zweiten Stock gelegenen und sich wie ein krummer Knochen durch die gesamte Ebene des Wohn- und Geschäftskomplexes schlängelnden Appartement 2C. Von dem ich seit Jahren nur den vorderen, lauten und staubigen, zur Mercer gelegenen Teil bewohne. Hinten, imOstflügellagern all die Plakate und unter ihnen wohl auch Muschis mumifizierte Überreste. Muschi, die letzte, den chaotischen Übergang damals überlebende Katze. Natürlich hatte ich die Viecher als Erstes rausgeworfen, dabei aber eben nicht alle vier erwischt. Irgendwann hatte ich genug von der Jagd, die Tür zu den hinteren Räumen zugesperrt und nicht mehr weiter über ihr Schicksal nachgedacht. Seit Jahren bin ich nicht mehr dort gewesen.

Wozu auch? Die sechzig Quadratmeter vorne reichen mir vollkommen, obwohl die Aufteilung nicht unbedingt optimal zu nennen ist. Da wäre zuerst das erwähnte Schlafzimmer, ein muffiges Kabuff von neun Quadratmetern, das mit dem französischen Doppelbett, einem klotzigen Holzschrank für meine Klamotten und dem auf einem wackligen Plexiglastisch thronenden Zenith-Uraltfernseher recht karg daherkommt. Daneben, wie das Schlafzimmer abgehend von dem breiten, dunklen und die ganze Wohnung durchlaufenden Flur, liegt Zimmer Nummer zwei. Fenster ebenfalls zur Mercer, Lärm und Staub von daher identisch. Statt Bett und Schrank aber Couch, Sessel und ein alter Apothekertisch, bis auf Letzteren alles über und über beladen mit

- alten Zeitungen

- gebrauchten Klamotten

- leeren Pizzakartons und ähnlichem

kurz - es handelt sich um mein Arbeitszimmer.

Das brauche ich, um ab und an das Geld für Zeitungen, Kleidung und Pizza zu verdienen.

Wie, der arbeitet von zu Hause?

Leute, das hat Gründe, auf die ich noch zurückkommen werde.

Und bitte wo arbeitet ein Mann mittleren Alters, mit Bart, Bauchansatz, Brille und geringer Sozialkompetenz?

Genau, in der IT...

Gestatten, Robert Welsh, freiberuflicher Softwareentwickler.

Meine Arbeiten liefere ich per Mail oder FTP ab, das Geld wird mir überwiesen. Keinerlei persönlicher Kontakt zu Auftraggebern, Buchhaltern oder Bittstellern nötig. Besser für alle Parteien, denke ich.

Ob ich an der Uni war?

Selbstverständlich nicht! Ich bin Autodidakt, habe mir mein Wissen mit den Jahren zusammengegoogelt. Was prächtig funktioniert.

Die seltenen Besucher von 2C würden bei all der Unordnung befremdet auf den fast schon klinisch reinen Apothekertisch starren, auf, neben und unter dem ein breitgefächertes Arsenal an Motherboards, Monitoren und Laptops blinkend und sauber nebeneinander aufgereiht steht.

Versteht mich nicht falsch. Ich bin kein programmiergeiler Nerd, der sich auf seine Künste einen abwichst. Ich mag’s nicht mal und setze mich so selten wie möglich vor die Rechner, aber für Drinks und Pizza muss ich halt manchmal doch ran.

Wenn 2C allerdings bald anthe donaldfällt...

Und genau da kommt derTERMINins Spiel. Dazu müsst ihr wissen, dass ich mein Geld quasi im Schlaf verdiene. Leider nicht das Geld, das ich alltäglich zum Leben brauche, sondern das Geldim Sinn.

Geld im Sinn?

Gut, ich versuche, es euch zu erklären: es hängt alles mit Investment-Boni, verwöhnten Central Park West-Kids, Börsen-Rallyes, reichen Russen, Chinesen, Arabern, Irokesen oder Mongolen zusammen.

Was?

Na, der unstillbare Drang in Manhattans Süden. Der Wunsch, dort zu wohnen, abzuhängen, dabei zu sein, zuinvestieren.

Seit Jahren geht das so. Und deswegen steigt der Wert des Hauses und so auch vom gammligen 2C kontinuierlich an - auf zuletzt 18K pro Quadratmeter. So lautet jedenfalls das Angebot des raffsüchtigenthe donaldim Kleinstformat, der das ganze Gebäude niederreißen und an der Stelle Townhouses zu je sieben Mio bauen will.

Inzwischen hat er fast das ganze Haus zusammen.

Mit:::AUSNAHME:::von 2C...

Daher dieser irrsinnige Preis, der jeden von uns um eine gute Million schwerer machen würde. Im Schlaf verdient, aber noch nicht auf dem Konto.

Ergoim Sinn. Verstanden?

Aber wie es aktuell aussieht, naht die Transformation des Sinns zu einem :::FETTEN::: Plus auf unseren Konten in atemberaubenden Tempo.

Kein Wunder, dass Jeff da sichergehen will. Erinnert er sich doch sicher mit Schrecken an einen Termin im letzten Jahr, bei dem ich seinen Makler mit gezücktem Brotmesser aus der Wohnung vertrieben hatte. Gut, in der Nacht zuvor war es bei mir etwas länger gegangen, meine Laune von daher nicht die Beste gewesen. Außerdem war ich noch nicht so weit gewesen, 2C so einfach dem schnöden Mammon zu opfern. Immerhin hatte ich Jeff danach Besserung gelobt. Somit sind keine Probleme beim jetzigen TERMIN zu erwarten. Außerdem, bis auf :::EIN::: Detail wird mir dieses Loch nicht fehlen. Aber dazu später mehr.

„Ich weiß Jeff, Donnerstag. Was haben wir heute?“

Ein Grunzen, das wohl ein Lachen sein soll, schnaubt mir aus dem Hudson Valley entgegen. „Montag, Bruderherz.“

Vielen Dank für die Belehrung, Arsch!

Ich lege auf, gehe in die Küche und brühe mir einen Filterkaffee. Die Küche ist neben einem verwinkelten, innenliegenden Bad der einzige weitere Raum, den ich in 2C betrete.

2. Kapitel

So, jetzt zumDetailvon eben: Reeva

Ist wohl am besten, wenn ich sie kurz beschreibe. Zuerst muss ich allerdings betonen, dass sie vom Äußerlichen her eigentlich sorein gar nichtmein Typ ist! Das fängt schon den gelockten Haaren an.

Warum?

Na, ich :::HASSE::: Locken. Und bei Reeve reichen ihr die dunklen, fast schwarzen Korkenzieher bis über die Schulter. Bei ihrer gertenschlanken Figur misst sie vielleicht eins sechzig, und da kommen wir zum zweiten Maluspunkt: Sie ist so was von schmal gebaut, Busen und Po quasi inexistent. Ich tippe auf 65AA,Size 0.

Perfekt, um ein Kleid dran zu hängen, ich hingegen bevorzuge mehr den Rubenstyp ab Kleidergröße 42.

Und bitte was fasziniert ihn dann an ihr?

Ganz einfach, der Rest.

Sprich, vor allem ihr Gesicht.

Unter feingeschwungenen Brauen schauen zwei braune, kindchenschemagroße Augen, die dazwischen liegende Nase läuft über einen leichten Höcker auf ihre wohlgeformte Spitze zu. Darunter ein Mund mit an den Seiten schmalen, sich zur Mitte hin weitenden Lippen, die stets von einem Lächeln umspielt werden, das ihre weißen Zahnreihen nur so blitzen lässt. Dazu die nordwest- und -östlich von ihren Mundwinkeln auftretenden Grübchen, die einen Dauerplatz auf ihren Wangen einnehmen.

- Haut: alabasterhaft, wie Porzellan

- Ohren und Kinn: klein und zierlich

- Finger: feingliederig, wie Saibashi-Stäbchen

- ein schlanker, Sonnenrallengleicher Hals

- sanft hervorstehende Schlüsselbeine

- schmale, wohltrainierte Fesseln

- und und und und

Alles in allem allemal ausreichend, die Defizite bei Haaren, Brust und Hintern auszugleichen.

Ach so, sie ist geschätzte fünfundzwanzig, und damit fünfzehn Jahre jünger als ich...

Der Gedanke an Reeva treibt mich zurück ins Arbeitszimmer. Mit meinem heißen, ungesüßten Kaffee stelle ich mich an die Jalousie. Durch ihre nach unten geklappten Lamellen gelangt nur ein diffuses, mattes Licht in den Raum. Rechts unten, kurz über dem Fensterbrett habe ich eine kleine Aussparung in die Jalousie geschnitten, gerade groß genug für das 300er Canon-Tele. Das habe ich mit einer EOS C100 verbunden, die auf ein uraltes Stativ aus Stahlblech geschraubt ist. Mit der freien rechten Hand aktiviere ich das Display der Kamera, beuge mich ein wenig vor und starre auf das gestochen scharfe Kamerabild.

Was ich sehe?

Eine kupfern schimmernde Tür, links und rechts umrahmt von zwei riesigen, bodentiefen Glasfenstern.

Und dahinter?

RUGGED

Bloß ein weiterer Soho-Style Fashion Store voller Bohos, Hippos, NoNos und ein paar blasierten Shop-Assistants, mag man denken...

Ich gehöre definitiv zuman, allerdings mit einer Einschränkung: Reeva ist definitiv :::NICHT::: blasiert...!

3. Kapitel

Zugegeben, anfangs habe ich dem Laden keinerlei Beachtung geschenkt. Ich war nur froh, dass der Baulärm gegenüber endlich vorbei war.

Das da so ein Modeladen reinging?

War abzusehen, mir aber auch egal.

In den Jahren zuvor hatte ein asiatischer Gimmickshop dringesessen. Schon allein dessen knallbunte Auslage mit all seinen batteriebetriebenen, permanent fiependen und heulenden Sirenen hatte mir den Zahn gezogen. So war ich zutiefst beglückt, als Mr. Wong mitsamt seinem Plastikschrott endlich verschwunden und die Arbeiten an Madame Richs Luxus-Shöppchen beendet waren.

Wie, genau :::DIE:::bitte-nennen-Sie-mich-Gladis-Rich?

Genau, eben die

1. geldadlige Eigentümerin

2. Upper-West-Side-Penthouse-Bewohnerin

3. gelangweilte Brunch-Lunch-Tea-Dinnerparty-Ausrichterin

4. die sich mitRUGGEDendlich selbst verwirklichen kann blablabla

Woher ich das weiß?

1 bis 3 habe ich mir ausNY Post-Artikeln zusammengereimt, 4 als Zitat von ihr im Gesellschaftsteil derTimesgelesen. Madame Rich hat es selbstverständlich selten nötig,RUGGEDmit ihrer Anwesenheit zu beglücken. Dafür hat sie die erwähnten Shop-Assistants.

Und seit kurzem gehört dazu eben auch Reeva.

Vielleicht sollte ich erst einmal erzählen, wie ich mich in sie verliebt habe.

Liebe auf den ersten Blick?

Eher was für minderjährige Zahnspangenträgerinnen?

Nein, scheinbar auch etwas für mich.

Ich war gerade auf dem Rückweg von meiner monatlichen Einkaufstour durch denSunrise Martin der Broome. Nicht, dass ich Wert auf deren Entenfüße oder Glückskekse lege. Ich gehe nur ungern aus, geschweige denn einkaufen. Einmalmonatlichmuss von daher reichen, und das ganze verdoste oder eingeschweißte Zeug aus diesen Asia-Märkten hält bekanntlich ewig. Ich hatte mir also in dem Shop sechs Tüten voll mit

- Reis

- Ingwer

- Rippchen

- Sojasauce

- Currypulver

- Wasabi-Erbsen

- Dosen-Litschis

und zwei Dutzend 35 Cent-PäckchenSpicy-Shrimp-oder-was-auch-immerInstant Nudeln gepackt und auf den schnellsten Weg zurück nach 2C gemacht, als ich das Mädchen aus dem Shop treten sah. Voller Elan sprang sie die drei Stufen hinab, drehte sich in meine Richtung und marschierte schnurstracks auf mich zu. Dann zögerte sie einen Moment, in dem sich von ihren Lippen ausgehend ein strahlendes Lächeln über ihrem ganzen Gesicht ausbreitete. Sie hüpfte aufgeregt ein paar Schritte auf und ab, die Arme dabei einladend weit ausgebreitet.

Und das mir!

Wie :::ANGEWURZELT::: blieb ich auf dem Fußweg stehen, warf einen raschen Blick auf die an meinen Händen baumelnden grünweißen Plastikbeutel. Trotz ihres Gewichts winkelte ich die Arme leicht an, um sie in wenigen Sekunden um diese wunderschöne Frau legen zu können. Etwas, das eigentlich ein Lächeln sein sollte, verzog mein Gesicht zu einer Grimasse und ein hohes, kieksendes Giggeln verließ meine Kehle.

:::STOP:::,meineKehle?

Gerade noch wunderte ich mich, woher ich auf einmal derartige Sopranisten-Töne traf, als eben dieses Giggeln

blond bezopft

kurz berockt und

hoch bestiefelt an mir vorbeiflitze und sich kreischend in die ausgebreiteten Arme warf. Langsam ließ ich die Tüten sinken, meine Mundwinkel schnurrten nach unten und ich setzte vorsichtig einen Fuß vor den nächsten. Dabei glotzte ich fasziniert in das ausgelassene Gesicht des Mädchens, das mit seinem geschlossenen Mund grinste wie ein Erdmännchen und den Rücken ihrer Bekannten zärtlich liebkoste. Wie elektrisiert ging ich an den beiden vorbei, als just in dem Moment die so selten anwesende Madame Rich ihren Kopf zur Tür herausstreckte und mit einem „Reeva, die beiden Lattes NUR mit SOJA“die Mädchen aus ihrer Trance riss.

Reevaalso, dachte ich, als ich vor meiner Tür stand und zerstreut die Taschen nach dem Hausschlüssel absuchte. In meiner Wohnung bezog ich sogleich hinter den Jalousien Position und starrte auf dasRUGGED-Geschäft.

Keine zehn Minuten später hetzte Reeva mit zwei übergroßento-go-Bechern zurück und verschwand durch die Tür im Laden. Nachdem Gladis sie ihr mit einem kurzen Nicken abgenommen hatte, machte Reeva sich an einem der Tresen an das Zusammenfalten eines Stapels winzig kleiner T-Shirts. Zum ersten Mal fiel mir dabei auf, was für einen wunderbaren Einblick ich von meinem Fenster aus in das Geschäft hatte. Um den zu optimieren, machte ich mich sogleich auf die erfolglose Suche nach einem Fernglas.

Am nächsten Morgen bin ich deshalb unplanmäßig raus und zuJ&R Electronicsam City Hall Park. Statt eines Fernglases legte ich mir die Canon samt Monster-Tele zu. Das Ding schießt porentiefe 25 MB-Fotos, kann dazu Videos aufzeichnen, angeblich sogar per Websteuerung. Gut, als passionierter Stubenhocker brauche ich diese Funktion eher nicht. Sei’s drum.

Seitdem ich das Ding vor drei Wochen gekauft und aufgebaut habe, zoome ich mich,wann-immer-ich-willan Reeva ran.

Und eigentlich will ichIMMER.

4. Kapitel

Wenn aber 2C verkauft wird und ich das Appartement räumen muss, bedeutet das neben einem Batzen Geld eben auch

:::NO MORE:::

Reeva...

Schon war ich versucht, Jeff zurückzupfeifen und die ganze Transaktion abzublasen, als mir eine grandiose Idee kam: Wenn ich sie schon nicht in ihrem Laden beobachten kann, dann vielleicht bei ihr zu Hause.

Was mich zu einem kleinen Problem führte: Wo istbei ihr zu Hause?

Ich würde es selbst herausfinden müssen. Fragen kann ich ja schlecht.

Und wie?

Leute, ich hab auchZero Dark Thirtyund Mayas Jagd nach Osamas Kurier gesehen, kenne ich mich also ein wenig aus. Nur, dass ich nicht wie sie auf eine Armee von Spitzeln bauen kann. Nein, ich muss jede Position selbst besetzen. Immerhin weiß ich, dass die Kleine den Laden meist gen Süden verlässt.

So beziehe ich an einem schwülen Montagabend um kurz vor acht auf an der Spring, Ecke Mercer vor einem Deli Stellung. Wo ich es etwa drei Minuten aushalte, dann habe ich genug von all den gaffenden, schlendernden und den Weg blockierenden Touristen und hetze beklemmt zurück ins beruhigend schummrige 2C. Auf halbem Weg sehe ich noch, wie mir Reeva auf dem Fahrrad entgegenrast. Ich drehe mich um und schaue ihr nach, bis sie hinter einem Laster auf der Spring nach links abbiegt. Immerhin weiß ich jetzt, wo ich mich am nächsten Tag postieren muss, denke ich erleichtert, als ich mir in der Küche ein Bier aus dem Kühlschrank ziehe.

Bitte? Ich soll ihr einfach mit dem eigenen Rad hinterherfahren?

:::NEVER EVER:::

... und woher die Scheu?

1) ich besitze kein Fahrrad

2) schon mal versucht, jemanden quer durch Manhattanhinterherzufahren? Bei dem Verkehr?

Deshalb finde ich mich vierundzwanzig Stunden später in derBalthazar Auster-Barwieder, wohin ich vor der Fülle auf dem überquellenden Broadway geflüchtet bin. Ich habe einen schönen Platz hinter der Scheibe mit prächtigem Blickfeld auf die sich vor mir vorbeischiebenden Touristenärsche. Bei dem Gemenge an Leibern hoffe ich inständig, Reeva überhaupt durchflitzen zu sehen.

Nur, sie kommt nicht.

Nervös wandert mein Blick auf die Uhr - zwanzig nach acht. Ich will gerade aufstehen, als ein Kellner an meinen Tisch schleicht und ein halbes Dutzend auf einem Eisbett lagerndenWellfleets Finestsmitsamt einem Glas Chardonnay vor mir ablädt. Ich, bereits halb im Aufstehen begriffen, bemerke seinen irritierten Blick und sinke als Reaktion sofort mit einem schlechten Gewissen in den Stuhl zurück.

Bestellt ist bestellt.

Um es kurz zu machen - eine dreiviertel Stunde und zwei Chardonnays später erhebe ich mich, lege sechs Zehner für die Wahnwitz-Rechnung auf den Tisch und verlasse schwankend das Lokal.

NOReeva, dafür ein immerhin benebelter Weg zurück in die anheimelnde Geborgenheit 2Cs.Immerhinbenebelt, weil es den Weg durch den Menschenstrom um einiges erträglicher macht.

- ein Tag später

- selbe Zeit

aus Kostengründen VOR der Auster-Bar, habe ich Glück und werde mit dem Anblick der wie ein Blitz an mir die Einbahnstraße vorbeirasenden Reeva belohnt.

Und so, auf den Spuren Mayas geht es die nächsten Tage mühsam weiter, Block für Block in Richtung East River. Zwei Tage verschenke ich an der Williamsburg-Bridge, wo ich mich die Abende erfolglos auf den zugigen Gehwegen herumdrücke.

In Brooklyn wohnt mein Mädchen also nicht. Also zurück zur Delancey, Ecke Essex, wo ich sie dreiundzwanzig Stunden später prompt erwische. Und das führt dazu, dass ich im Gegensatz zu meiner CIA-Kollegin bereits

- NACH 7 TAGEN

- unzähligen Fußweg-Remplern

- diversen Warte-Drinks und Coffee-to-Go

- exponiertem Genuss Manhattans schweißiger Ausdünstungen

unverhofft rasch vermelden kann: :::MISSION ACCOMPLISHED!:::

Vielleicht sollte ich mich später bei der CIA...

Jedenfalls verschwindet das Mädel an diesem Abend in einem Wohnhaus in der Essex, Höhe Seward-Park. Ein unscheinbarer, etwas abgeschrabbelter roter Backsteinbau, fünf Etagen, mit den üblichen, sich vor dem Treppenhaus emporstreckenden Feuerleitern. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht eine steinerne Bank. Auf die setze ich mich, betrachte das Gebäude und warte. Leider haben wir Sommer und ich könnte lange hocken, bis hinter einem der Fenster das Licht angeht. Also schlendere ich rüber und werfe einen Blick auf das verkratzte Klingelschild. Die Hälfte der Namen fehlt, ansonsten Abkürzungen, Akronyme und asiatisch klingende Chengs und Wongs.

Ratlos schaue ich die Essex rauf und wieder runter und wundere mich, warum sie die Ecke nicht gleichChinatown IInennen. Denn auch über all den ansässigen Schneidern, Textilreinigungen und Imbissbuden kleben lauter Mr. Monks und Madame Hus. Gut, dazu ein paar koschere Delis und Halal-Märkte.Wieso verstehen die sich hier und drüben in AfrikAsien nicht, wundere ich mich. Was mir bei der Suche nach Reeves Wohnung allerdings nicht weiterhilft. Also drehe ich mich wieder um und schaue über den eingezäunten, baumumstandenen Sportplatz auf den dahinterliegenden

#MASSIVEN

Wohnblock. Sieht auf den ersten Blick wie eins der typischen vertikalen Slums aus, die ich eher in der South Bronx verortet hätte. Auf den zweiten Blick erscheint es mir jedoch perfekt. Viele, anonyme Wohnungen mit :::BESTER AUSSICHT:::

auf die Essex und ihre Wohnhäuser.Perfekt, um in einem der oberen Stockwerken die Kamera aufzubauen, überlege ich, als ich nachdenklich zurück in Richtung Heimat gehe.

Warum nicht einfach eine Wohnung mieten?

Geld ist ja bald zur Genüge vorhanden.

Erst einmal aber habe ich Hunger. Auf der Suche nach etwas Nahrhaftem scanne ich die Geschäfte der Umgebung. Mein Blick bleibt bei einem Laden mit unsmiligem Kürbiskopf-Logo hängen:Café Grumpy- passt doch zu mir...