Zu E. T. A. Hoffmanns "Die Automate" - Die Erzählung und eine unheimliche Gegenwelt zur Ars Musica - Karl Bellenberg - E-Book

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Karl Bellenberg

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1.0, Universität zu Köln (Institut für Deutsche Sprache und Literatur I), Sprache: Deutsch, Abstract: "Die Automate" ist eine Binnenerzählung der Erzählungs- und Aufsatzsammlung "Die Serapions-Brüder", die als sein umfangreichstes Werk von E.T.A.Hoffmann zwischen den Jahren 1819-1821 veröffentlicht wurde. Die Entstehung einzelner Erzählungen daraus reichen zum Teil bis ins Jahr 1813 zurück. "Die Automate" entstanden 1814. Die vorliegende Arbeit ordnet zunächst "Die Automate" und ihrer Rahmenerzählung "Die Serapions-Brüder" ein in den geistigen und gesellschaftshistorischen Kontext ihrer Entstehung. Sodann werden die zentralen Begriffe der Erzählung, Maschinenmensch und Musik, erschlossen und angekoppelt an einerseits bei E.T.A.Hoffmann mitschwingende Vorstellungen mittelalterlicher Musik-Philosophie und andererseits an seine psychologische Betrachtungsweisen von Wahnsinn, Grauen und der Schau des Scheiterns, die durchaus auch autobiografische Züge offenbaren. Ein weiterer Zentralbegriff Hoffmanns, das serapiontische Prinzip, wird erläutert und die Erzählung daran gespiegelt. Schließlich ist der "Musikexkurs" Gegenstand differenzierter Erörterung.

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Inhaltsverzeichnis
1. Historie, Rahmen und Einbindung
1.1 Entstehung der Erzählung und zeitliche Einordnung
1.2 Thematische Anbindungen der Erzählung
1.3 Die Rahmenerzählung Die Serapionsbrüder und ihre Rezeption
1.4 Einwirkung pathologischer Momente Hoffmanns auf die Erzählung
2. Die Erzählung, Betrachtung einiger Aspekte
2.1 Das serapiontische Prinzip
2.2 Serapiontische Momente und Brüche in der Erzählung
2.3 Die innere Schau
2.5 Das Phantastische, Unheimliche und Grauenhafte
2.6 Sphärenmusik und Harmonie der Welt
3. Anhang
4. Literaturverzeichnis

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E.T.A. Hoffmann: Die Automate Entstehung der Erzählung und zeitliche Einordnung | 3

1. Historie, Rahmen und Einbindung

1.1 Entstehung der Erzählung und zeitliche Einordnung

Die Erzählung Die Automate wurde von Hoffmann sehr zügig in den ersten Tagen des Januar 1814 verfertigt.1Bereits am 16. Januar bietet er dem Mitbegründer der Allgemeinen musikalischen Zeitung, Friedrich Rochlitz diese zum Druck an, erhält jedoch schon am Folgetag das Manuskript wieder zurück mit der Maßgabe, man wolle lediglich einen Teil dort übernehmen. Dieser erscheint dann auch in bearbeiteter Form am 9. Februar. Einen kompletten Abdruck erfuhren Die Automate dann zwei Monate später in der Zeitung für die elegante Welt in mehreren Fortsetzungen zwischen dem 7. und 16.4.1814.2Die Erzählung fällt also in die letzten Monate von Hoffmanns beruflich eher glückloser Phase seiner sehr kurzen Rollen als Musikdirektor, Theaterkomponist ohne Erfolg, Hilfskraft der Theaterdirektion, wenig beachteter Privatmusiklehrer und schließlich Mitte 1813 als Kapellmeister mit neunmonatiger Festanstellung, ehe er - nochmals gekündigt - im September 1814 wieder festbesoldet in den Staatsdienst zurückkehrt.3

Erst mit Herausgabe derSerapionsbrüderwird die Erzählung im dritten Abschnitt des zweiten Bandes 1819 unter gleichem Titel wie im Erstdruck erneut veröffentlicht, nun aber eingebettet in die Rahmenerzählung und dort vorgetragen von Theodor, einem der sechs Erzähler des Erzähl-Zyklus, hinter dem der Autor selbst vermutet wird.4Die Erzählung ist geschichtlich eingebettet in die Zeit der von England ausgehenden industriellen Revolution und des Maschinenzeitalters. Wesentliches Element dieser Revolution war die insbesondere in der Textilindustrie weit vorangeschrittene Feinmechanik, also die Substitution von Handarbeit, wie auch die Dampfmaschinen-Technik als Ersatz menschlicher Energie, die um die Jahrhundertwende um 1900 bereits einen hohen technischen Stand besaß. Politisch gesehen war die Französische Revolution keine zwanzig Jahre her. Sie spielt inDie Automatejedoch keine Rolle; E. T. A. Hoffmann zählt nicht zu den jakobinischen Autoren oder denen der klassischen Literaturauffassung, sondern ist den Romantikern zuzuordnen mit dem ihnen eigenen Autonomieanspruch von Dichtung und der Ausgestaltung des Reiches der Fantasie.5

1Vgl. zur Entstehung Keil 2009a, S. 332.

2Vgl. Die Automate. Kommentar, 2001, S. 1377-1379, sowie 1390. Hans v. Müller vermerkt als Herausgeber der Briefwechsel von Hoffmann 1912 in zwei Fußnoten: »Wir kennen von diesen ›Abtheilungen‹ außer dem ›Dichter und Componisten‹ nur die ›Automate‹. Eine Probe davon - etwa die zweite Hälfte - erscheint drei Wochen nach unserem Brief [an seinen Bamberger Verleger Kunz vom 16.1.1814], am 9. Februar, in der Allg. Mus. Ztg.«, sowie: »Von den drei anderen [Erzählungen] wurden die Automate nunmehr der ›Zeitung für die elegante Welt‹ gegeben, wo sie vom 7.-16. April [1814] erschienen...«. Hoffmann 1912, S. 189 u. 198.

3Vgl. auch Steinecke 2009, S. 6-11.

4Vgl. Hoffmann 1963a, sowie http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Serapionsbrüder.

5Vgl. Beutin 2008, S. 185-187.

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E.T.A. Hoffmann: Die Automate Thematische Anbindungen der Erzählung | 4

1.2 Thematische Anbindungen der Erzählung

Auf dem Hintergrund der naturwissenschaftlich-technischen Situation ist in dieser Zeit die Beschäftigung mit Automaten, insbesondere der Bau künstlicher Menschen, sogenannter Androiden, en vogue und findet auch in Philosophie und Literatur ihren deutlichen gedanklichen Niederschlag.

So wird berichtet, dass der Mechaniker Joh. Gottfr. Kaufmann von 1810-1812 einen Trompetenautomaten baute, der heute noch existiert.6Der Automat, ein künstlicher Mensch, wie es hieß, führte eine Trompete an den Mund und blies darauf ein Lied. Hoffmann besichtigte diesen und eine Gruppe anderer »musikalischer Maschinen« 1813 in Dresden.7Auch der Komponist Carl Maria von Weber war fasziniert von diesen Gebilden. Vorläufer dieses Automaten war derjenige von Johann Nepomuk Mälzl,8Lehrmeister von Kaufmann. Da es sich bei der Trompete um die Tonerzeugung mittels einer Zungenvorrichtung vergleichbar der von Zungenregistern der Orgel oder auch dem Blatt einer Oboe oder Klarinette -- handelte, konnte die Tonerzeugung mit einfachem Luftstrom erfolgen. Kaufmann und sein an den Automaten seines Vaters mitwirkender Sohn Friedrich Theodor bauten etliche Musik-Automaten, von denen auch Hoffmann berichtet. Mälzl und Gurk bauten ebenfalls mehrfach ganze Orchester, sog. Panharmonicon.9Es mag sein, dass Kaufmann oder Mälzl Pate für denProfessor XinDie Automategestanden hat. Im Vordergrund der Erzählung stehen neben den Protagonisten Ferdinand, Ludwig, später auch der Professor X. die Automate, im Besonderen der redende Türke, dann die automatischen Musiker des Automaten-Kabinetts des Professor X.

Es fällt auf, dass es sich ausschließlich um Klang erzeugende Automate handelt, den redenden Türken eingeschlossen als »Vertreter« oder Substitut der menschlichen Stimme. Ferdinand als Literat und Ludwig als Musiker gehören dem Stand der Künstler an. Beide Gruppen stehen in deutlicher Opposition zueinander. Der Professor X. als Vertreter der Naturwissenschaften nimmt als Schöpfer der Automate eine Zwitterstellung ein: er wirkt, solange er nicht musiziert, als unangenehmer, grenzüberschreitender Mensch auf seine Umwelt. Wenn er jedoch mit seinen Automaten musiziert, wirkt er wie diese selbst als Automat. Hoffmann lässt Ludwig sagen: »... ich bin von all der Maschinen-Musik, wozu ich auch des Professors Spiel auf dem Flügel rechne, ordentlich durchgewalkt...«10Der Professor X. hat also keine vermittelnde Position zwischen den Parteien, sondern ist ambivalent. Eine weitere thematische Anbindung ist mithin die an die Musik.

Zwar werden die antiken-mittelalterlichen Begriffe der septem artes liberales, der freien Künste, die Propädeutika des Studiums waren, mit dem quadrivium und der ars musica als einer ihrer Teildisziplinen nicht explizit in unserer Erzählung genannt, jedoch sind die gedanklichen Anknüpfungen und Verweise meines Erachtens deutlich sichtbar, wie zu zeigen sein

6Eine recht interessante Beschreibung darüber mit Fotos findet sich unter http://www.deutsches-museum.de/en/sammlungen/ausgewaehlte-objekte/meisterwerke-ii/trompeter/.

7Vgl. Kremer 2009, S. 26, Lieb 2009, S. 181 und Keil 2009a, S. 333.