Zur weitergehenden, reproduzierbaren Beschreibung und Bewertung alltäglicher Mobilität mittels assistierender Gesundheitstechnologien - Nina Löchte - E-Book

Zur weitergehenden, reproduzierbaren Beschreibung und Bewertung alltäglicher Mobilität mittels assistierender Gesundheitstechnologien E-Book

Nina Löchte

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Beschreibung

Diese Arbeit untersucht die Beschreibung und Bewertung alltäglicher Mobilität älterer Menschen mittels assistierender Gesundheitstechnologien. Vor dem Hintergrund einer älter werdenden Bevölkerung und eines gleichzeitig technologischen Fortschritts, stellt sich die Frage, inwiefern das mittels Sensotechnologie erfasste Mobilitätsverhalten älterer Menschen einen Beitrag zur Gesundheitsversorgung leisten kann. Da eine selbständige Mobilität als Voraussetzung für den Erhalt der Lebensqualität gesehen wird, wurde in dieser Arbeit die gesundheitsbezogene Lebensqualität als generelles Maß für Gesundheit gewählt. Ein Rahmen für die Umsetzung einer entsprechenden sensorerweiterten Informationssystem-Architektur wurde als MobiMate-Framework spezifiziert. Eine mögliche Informationssystem-Architektur wurde konzipiert, umgesetzt und in einer Studie (SIMBA-Sensing Studie) erprobt. Die SIMBA-Sensing Studie diente zudem der Untersuchung und Modellierung von Zusammenhängen zwischen dem alltäglichen Mobilitätsverhalten und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität älterer Menschen, um somit die Basis für eine gesundheitsrelevante Einschätzung und somit Bewertung des Mobilitätsverhaltens zu schaffen.

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Seitenzahl: 368

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Von derCarl-Friedrich-Gauß-Fakultätder Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig

zur Erlangung des Grades einerDoktorin der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)

genehmigte Dissertation

vonDipl.-Inform. Nina Löchte (geb. Reichwaldt)geboren am 19.04.1981in Berlin

Eingereicht am: 14. August 2015

Disputation am: 19. November 2015

1. Referent: Prof. Dr. Reinhold Haux

2. Referentin: Prof. Dr. Petra Knaup-Gregori

Danksagung

Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (PLRI). Während dieser Zeit war ich zudem am Braunschweiger Informatik- und Technologie-Zentrum (BITZ) GmbH tätig. Zum Gelingen dieser Arbeit haben eine Vielzahl von Personen beigetragen, bei denen ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte.

Mein Doktorvater Professor Dr. Reinhold Haux hat mir die Möglichkeit gegeben, mich mit einem hochspannenden Themenfeld zu beschäftigen. Er stand mir als Wegweiser zur Seite und fand die Zeit, mich in wissenschaftlichen Fragestellungen zu unterstützen. Hierfür möchte ich mich bedanken. Zudem möchte ich mich für den unkomplizierten Übergang vom BITZ zum PLRI bedanken. Ein herzlicher Dank geht zudem an Dr. Maik Plischke, der mich schon während meiner Studienzeit als studentische Hilfskraft und dann durch die Betreuung meiner Diplomarbeit an das Themenfeld der assistierenden Gesundheitstechnologien herangeführt hat. Während der Fertigstellung meiner Dissertation stand er mir mit Ratschlägen und konstruktiver Kritik zur Seite. Außerdem möchte ich mich bei Professorin Dr. Petra Knaup-Gregori für die Übernahme des Korreferats und Professor Dr.-Ing. Lars Wolf als Vorsitzender der Prüfungskommission bedanken.

Ebenso gilt mein Dank meinen Kolleginnen und Kollegen vom BITZ und vom PLRI für das offene und freundschaftliche Arbeitsverhältnis. Insbesondere möchte ich Annika Geue und Carsten Dräger für die zahlreichen fachlichen Gespräche, die tatkräftige Unterstützung bei der Sensing-Studie und die gute Zusammenarbeit im SIMBA-Projekt bedanken. Dr. Maike Rochon, Anna Maria Jankowski und Corinna Mielke hatten immer ein offenes Ohr für fachliche und persönliche Anliegen und haben mich stets in meinem Tun bestärkt. Ute Zeisberg stand mir bei jeglichen Fragen und Anliegen helfend zur Seite. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Zudem möchte ich Dr. Florian Henk für seine fachlichen Ratschläge und Hilfestellungen danken.

Ich danke allen Experten, die mir in interessanten Gesprächen ihr Wissen zur Verfügung gestellt haben. Außerdem gilt allen Probanden der Sensing-Studie mein Dank. Diese nahmen mit Eifer und Wissbegierde an der Studie teil.

Die Braunschweigische Stiftung hat meine Arbeit in den ersten drei Jahren finanziell unterstützt und war auch in den folgenden Jahren an meiner Tätigkeit interessiert. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

Meinen Freunden und meiner Familie sei an dieser Stelle ein Dank für die vielen aufmunternden und verständnisvollen Worte sowie die interessierten Nachfragen ausgesprochen. Stellvertretend für alle möchte ich mich speziell bei Ricarda, Daniel und Kirstin bedanken, die große Teile meiner Arbeit Korrektur gelesen haben. Ein besonderer Dank gilt meinen Mann Christian, der mich in allen Phasen dieser Arbeit unterstützt hat. Seine Zuversicht und unermüdliche Energie haben mir die Kraft gegeben, den Glauben an die eigenen Fähigkeiten nicht zu verlieren und somit wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen.

Braunschweig, August 2015

Nina Löchte

Kurzfassung

In dieser Arbeit wurde die Beschreibung und Bewertung alltäglicher Mobilität älterer Menschen mittels assistierender Gesundheitstechnologien untersucht. Vor dem Hintergrund einer älter werdenden Bevölkerung und eines gleichzeitigen technologischen Fortschritts, stellt sich die Frage, inwiefern das mittels Sensortechnologie erfasste Mobilitätsverhalten älterer Menschen einen Beitrag zur Gesundheitsversorgung leisten kann. Da eine selbständige Mobilität als Voraussetzung für den Erhalt der Lebensqualität gesehen wird, wurde in dieser Arbeit die gesundheitsbezogene Lebensqualität als generelles Maß für Gesundheit gewählt. Die Zusammenhänge zwischen Mobilitätsverhalten und gesundheitsbezogener Lebensqualität wurden untersucht, um die Basis für eine gesundheitsrelevante Einschätzung und somit Bewertung des Mobilitätsverhaltens zu schaffen.

In einem zweistufigen Verfahren aus Experteninterviews und der anschließenden Rückkopplung der Ergebnisse an die Experten wurde ein Framework spezifiziert, welches einen Rahmen für die Implementierung sensorerweiterter Informationssysteme zur weitergehenden, reproduzierbaren Beschreibung und Bewertung alltäglicher Mobilität älterer Menschen bietet. Das MobiMate -Framework umfasst 54 Anforderungen in acht Kategorien, welche je einer Relevanzkategorie zugeordnet wurden. Anhand einer Literaturstudie wurden zudem Mobilitätsparameter ermittelt, die im Gesundheitskontext eingesetzt werden. Eine mögliche sensorerweiterte Informationssystem-Architektur wurde konzipiert, umgesetzt und in der SIMBA-Sensing Studie erprobt. Die Umsetzung wurde aus Sicht der teilnehmenden Probanden bewertet. In die SIMBA-Sensing Studie wurden in zwei Messphasen von je zwei Monaten insgesamt 17 Probanden einbezogen, deren Mobilitätsverhalten mithilfe eines Smartphones kontinuierlich erfasst wurde. Zusätzlich wurden die Probanden zu ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität befragt. Die vorab identifizierten Mobilitätsparameter wurden, wenn möglich, aus den kontinuierlich erfassten Daten abgeleitet und das Mobilitätsverhalten der Probanden beschrieben. Zusätzlich konnte der Zusammenhang zwischen dem Mobilitätsverhalten und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und deren Veränderungen untersucht werden. Es konnten Korrelationen zwischen einzelnen Parametern und der gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie zwischen den Differenzwerten gezeigt werden. Dabei fielen die Korrelationen zwischen den Differenzwerten höher aus. Zudem wurden mögliche hierarchische Beziehungen untersucht. Für den psychischen Score der gesundheitsbezogenen Lebensqualität konnte ein entsprechendes Modell erstellt werden, wohingegen die Untersuchung für den körperlichen Score kein valides Ergebnis lieferte.

Abstract

This thesis is about the use of health-enabling technologies to describe and assess daily mobility patterns of the elderly. In an ageing society with growing technological advances, the question arises to what extent assessing mobility using sensor technologies has the potential to benefit healthcare. In order to answer this question, and because independent mobility is considered an important part of maintaining quality of life, health related quality of life (HRQOL) was used as an indicator of overall health. Correlations between mobility patterns and HRQOL were investigated, to be used as a starting point for new measures of health.

Using a two-phase method involving expert interviews and an online survey, a framework was developed for the design and implementation of sensor-enhanced information systems to provide continuous and reproducible description and assessment of mobility patterns of the elderly. This MobiMate -Framework includes 54 requirements in eight categories, which were ordered according to relevance. Mobility parameters were chosen based on a literature review of parameters previously used in health applications. A potential sensor-enhanced information system was then designed, implemented and tested in the SIMBA-Sensing survey. This information system was evaluated by the survey subject group. SIMBA-Sensing lasted for four months (two phases of two months) and involved 17 elderly subjects. Mobility was measured continuously by a smartphone and HRQOL was assessed using questionnaires at the beginning of the study and again every four weeks. The previously identified mobility parameters were, where possible, derived from the continuous data and used to describe the mobility patterns of the subjects. Correlations between mobility parameters and HRQOL, as well as changes to mobility parameters and changes to HRQOL, were investigated. Some mobility parameters correlated with HRQOL; however, correlations between changes to mobility parameters and changes to HRQOL were stronger. Possible hierarchical relationships were also examined; a model could be developed for a mental score of HRQOL but not for a physical score.

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Gegenstand und Motivation

1.2 Problemstellung

1.3 Zielsetzung und Fragestellung

1.4 Gliederung der Arbeit

2 Grundlagen

2.1 Mobilität

2.1.1 Definition Mobilität

2.1.2 Mobilitätsmessung

2.1.3 Mobilitätsmodelle

2.2 Gesundheitsbezogene Lebensqualität

2.2.1 Definition gesundheitsbezogene Lebensqualität

2.2.2 Der 36-Item Short Form Fragebogen (SF-36)

2.3 Ortung

2.3.1 Definition Ortung

2.3.2 Satellitenortungssyteme

2.3.3 Funknetze

2.4 Assistierende Gesundheitstechnologien

2.4.1 Definition assistierende Gesundheitstechnologien

2.4.2 Methoden zur Datenanalyse

2.5 Das SIMBA-Projekt

3 Das MobiMate -Framework: Spezifizierung einer Methode zur weitergehenden, reproduzierbaren Beschreibung und Bewertung alltäglicher Mobilität älterer Menschen

3.1 Anforderungserhebung durch Experteninterviews

3.1.1 Planung Experteninterviews

3.1.2 Durchführung Experteninterviews

3.1.3 Ergebnis Experteninterviews

3.2 Rückkopplung in Anlehnung an die Delphi-Methode

3.2.1 Planung Rückkopplung

3.2.2 Durchführung Rückkopplung

3.2.3 Ergebnis Rückkopplung

3.3 Diskussion Spezifizierung des MobiMate -Frameworks

4 Eine Literaturstudie zur Identifikation von Parametern zur Beschreibung alltäglicher Mobilität

4.1 Planung Literaturstudie

4.1.1 Zielsetzung und Fragestellung

4.1.2 Studienart

4.1.3 Suchstrategie

4.2 Durchführung Literaturstudie

4.3 Ergebnis Literaturstudie

4.3.1 Mobilitätsparameter

4.3.2 Eingesetzte Methoden zur Erfassung von Mobilitätsparametern

4.3.3 Untersuchungskollektive und gesundheitliche Einschränkungen

4.3.4 Zusammenhang Mobilitätsparameter und Gesundheit

4.4 Diskussion Literaturstudie

5 Konzeption und Umsetzung einer sensorerweiterten Informationssystem-Architektur zur weitergehenden, reproduzierbaren Beschreibung und Bewertung alltäglicher Mobilität älterer Menschen

5.1 Informationssystem-Architektur

5.2 Konfiguration, Datenerfassung und -übertragung

5.3 Datenauswertung

5.3.1 Vorverarbeitung

5.3.2 Validierung und Annotation

5.3.3 Berechnung der Parameter

5.4 Datenspeicherung und Pseudonymisierung

5.5 Diskussion

6 Die SIMBA-Sensing Studie: Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Mobilitätsverhalten und Lebensqualität

6.1 Planung SIMBA-Sensing Studie

6.1.1 Zielsetzung und Fragestellung

6.1.2 Studienart

6.1.3 Charakterisierung der Probanden

6.1.4 Studiendauer

6.1.5 Beabsichtigte Maßnahmen

6.1.6 Messungen, Befunde und Beobachtungen

6.1.7 Studienablauf

6.1.8 Zielgrößen

6.1.9 Störgrößen

6.1.10 Datenmanagement

6.1.11 Unerwünschte Ereignisse

6.1.12 Auswertung

6.2 Durchführung SIMBA-Sensing Studie

6.2.1 Erste Messphase

6.2.2 Zweite Messphase

6.2.3 Gesamt

6.3 Ergebnis SIMBA-Sensing Studie

6.3.1 Technikbereitschaft

6.3.2 Mobilitätsverhalten

6.3.3 Umsetzbarkeit

6.3.4 Mobilitätsverhalten und gesundheitsbezogene Lebensqualität

6.3.5 Hypothesen zum Zusammenhang von Mobilitätsverhalten und gesundheitsbezogener Lebensqualität

6.4 Diskussion SIMBA-Sensing Studie

7 Diskussion und Ausblick

7.1 Diskussion

7.1.1 Konzeption Methode

7.1.2 Umsetzung Informationssystem-Architektur

7.1.3 Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Mobilitätsverhalten und Lebensqualität

7.2 Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

A Spezifikation

A.1 Interviewleitfaden Experteninterviews

A.2 Transkribierte Experteninterviews

A.2.1 Interview AE-1

A.2.2 Interview DG-1

A.2.3 Interview DE-1

A.2.4 Interview MI-1

A.2.5 Interview MO-1

A.2.6 Interview DG-2

A.2.7 Interview MI-2

A.2.8 Interview MO-2

A.2.9 Interview DE-2

A.2.10 Interview AE-2

A.3 Fragebogen Rückkopplung

A.4 Ergebnis Spezifikation

B Informationssystem-Architektur

B.1 Interebenen-Beziehung des 3LGM

2

-Modells

B.2 Wegezweck

C SIMBA-Sensing Studie

C.1 Fragebogen zur Technikbereitschaft

C.2 Fragebogen SF-36

C.3 Eingangsfragebogen

C.4 Interviewleitfaden Abschlussbefragung

C.5 Einverständniserklärung zum Abschlussinterview

C.6 Probandeninformation

C.7 Anschreiben Studienteilnehmer

C.8 Stellungnahme Ethik und Datenschutz

C.9 Ergebnisse der SIMBA-Sensing Studie

C.9.1 Mobilitätsverhalten

C.9.2 Gesundheitsbezogene Lebensqualität

C.9.3 Wahrheitsmatrizen

Abbildungsverzeichnis

3.1 Ablaufmodell der zusammenfassenden Inhaltsanalyse

3.2 Skala zur Bewertung der Items des Fragebogens zur Rückkopplung der Anforderungen an die Experten

3.3 Fragebogen zur Rückkopplung der Anforderungen an die Experten, Frageblock

3.4 Fragebogen zur Rückkopplung der Anforderungen an die Experten, Einzelfrage

3.5 Mediane der Bewertung der Relevanz der Anforderungen

3.6 Bewertete Anforderungen je Relevanzkategorie

3.7 Bewertete Anforderungen nach Relevanzkategorie je Anforderungskategorie

3.8 Wichtige Anforderungen

4.1 Durchführung Literaturstudie

5.1 Fachliche Ebene des 3LGM2-Modells

5.2 Logische Werkzeugebene des 3LGM2-Modells

5.3 Physische Werkzeugebene des 3LGM2-Modells

5.4 Schritte der Datenauswertung

5.5 Beispielstrecke vor und nach der Vorverarbeitung und auf einer Karte dargestellt

5.6 Validierung und Annotation mit VIKING

5.7 Life-Space Level als konzentrische Kreise um das eigene Schlafzimmer

6.1 Geplanter Ablauf der SIMBA-Sensing Studie

6.2 Bewegungsradius, Histogramm mit Pareto-Verteilung

6.3 Wegstrecke, Histogramm mit Pareto-Verteilung

6.4 Wegstrecke Ausschnitt, Histogramm mit Pareto-Verteilung

6.5 Geschwindigkeit, Histogramm mit logarithmischer Normalverteilung

6.6 Durchgeführte Wege je Tageszeit mit maximaler Entfernung vom eigenen Zuhause

6.7 Orte - Funktion, Darstellung der Häufigkeiten je Klasse pro Monat

6.8 Entscheidungsbäume, Veränderungen in der Lebensqualität

A.1 Interviewleitfaden zur Durchführung von Experteninterviews, Seite 1

A.2 Interviewleitfaden zur Durchführung von Experteninterviews, Seite 2

A.3 Interviewleitfaden zur Durchführung von Experteninterviews, Seite 3

A.4 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 1

A.5 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 2

A.6 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 3

A.7 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 4

A.8 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 5

A.9 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 6

A.10 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 7, Teil a

A.11 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 7, Teil b

A.12 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 8

A.13 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 9

A.14 Rückkopplung der Anforderungen an die Experten zur Bewertung und Kommentierung, Fragebogen Seite 10 und letzte Seite

B.1 Interebenen-Beziehung des 3LGM2-Modells

B.2 Wegezweck

C.1 Fragebogen zur Erfassung von Technikbereitschaft, eingesetzt in der SIMBA-Sensing Studie

C.2 Selbstbeurteilungsbogen SF-36, eingesetzt in der SIMBA-Sensing Studie, Seite 1 (Deckblatt), Kopie des Fragebogens

C.3 Selbstbeurteilungsbogen SF-36, eingesetzt in der SIMBA-Sensing Studie, Seite 2, Kopie des Fragebogens

C.4 Selbstbeurteilungsbogen SF-36, eingesetzt in der SIMBA-Sensing Studie, Seite 3

C.5 Selbstbeurteilungsbogen SF-36, eingesetzt in der SIMBA-Sensing Studie, Seite 4

C.6 Eingangsfragebogen der SIMBA-Sensing Studie, Seite 1

C.7 Eingangsfragebogen der SIMBA-Sensing Studie, Seite 2

C.8 Interviewleitfaden der Abschlussbefragung der SIMBA-Sensing Studie, Seite 1

C.9 Interviewleitfaden der Abschlussbefragung der SIMBA-Sensing Studie, Seite 2

C.10 Interviewleitfaden der Abschlussbefragung der SIMBA-Sensing Studie, Seite 3

C.11 Einverständniserklärung zum Abschlussinterview

C.12 Probandeninformation zur SIMBA-Sensing Studie, Seite 1

C.13 Probandeninformation zur SIMBA-Sensing Studie, Seite 2

C.14 Probandeninformation zur SIMBA-Sensing Studie, Seite 3

C.15 Probandeninformation zur SIMBA-Sensing Studie, Seite 4

C.16 Probandeninformation zur SIMBA-Sensing Studie, Seite 5

C.17 Anschreiben zur Gewinnung von Studienteilnehmern für die SIMBA-Sensing Studie, Seite 1

C.18 Anschreiben zur Gewinnung von Studienteilnehmern für die SIMBA-Sensing Studie, Seite 2

C.19 Stellungnahme der Ethikkommission zur SIMBA-Sensing Studie

C.20 Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten zur SIMBA-Sensing Studie

Tabellenverzeichnis

2.1 Mobilitätskennwerte im MOP

2.2 Zentrale Mobilitätskenngrößen MiD

3.1 Übersicht Anforderungen, gruppiert nach Anforderungskategorie

3.2 Kodierung der Antwortkategorien

4.1 Terme Suchstring PubMed

4.2 Terme Suchstring IEEE Xplore

4.3 Mobilitätsparameter

4.4 Eingesetzte Methoden

5.1 Zustandsübergangstabelle

6.1 Messplan Befragungen der SIMBA-Sensing Studie

6.2 Subskalen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mit Normwerten von 1998

6.3 Zusammenhang zwischen Mobilitätsparamtern und den Summenscores des SF-36, Korrelationskoeffizienten

6.4 Ergebnis der Validierung des Entscheidungsbaums zum Summenscore PCS

6.5 Ergebnis der Validierung des Entscheidungsbaums zum Summenscore MCS

A.1 Übersicht Ergebnis Fragebogen

C.1 Life-Space, Bewegungsradius und Wegstrecke mit Anzahl (n), Mittelwert (M), Standardabweichung (SD), 1. Quartil, Median, 3. Quartil und Range

C.2 Dauer außer Haus und Anzahl zurückgelegter Wege mit Anzahl (n), Mittelwert (M), Standardabweichung (SD), 1. Quartil, Median, 3. Quartil und Range

C.3 Frequenz der außer-Haus-Ereignisse, Anteil Probanden

C.4 Tageszeit, Anteil der zurückgelegten Wege in Prozent

C.5 Wegezweck, Anteil der zurückgelegten Wege in Prozent

C.6 Mobilitätsparameter pro Proband mit den Werten, die für die Korrelation und Klassifikation genutzt wurden - Teil 1

C.7 Mobilitätsparameter pro Proband mit den Werten, die für die Korrelation und Klassifikation genutzt wurden - Teil 2

C.8 Mobilitätsparameter pro Proband mit den Werten, die für die Korrelation und Klassifikation genutzt wurden - Teil 3

C.9 Subskalen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu den drei Messzeitpunkten t0, t1 und t2

C.10 Summenscores der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu den drei Messzeitpunkten t0, t1 und t2

C.11 Subskalen und Summenscores der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu den drei Messzeitpunkten t0, t1 und t2 pro Proband

C.12 Wahrheitsmatrizen der Entscheidungsbäume zu PCS und MCS

Abkürzungsverzeichnis

 

3LGM

2

Drei-Ebenen-Meta-Modell

ADL

Aktivitäten des täglichen Lebens

A-GNSS

Assisted GNSS

A-GPS

Assisted GPS

AGT

Assistierende Gesundheitstechnologien

AUC

Area Under the Curve

BITKOM

Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.

BMBF

Bundesministerium für Bildung und Forschung

BMFSFJ

Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

BMI

Body-Mass-Index

BMVBS

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

BMVDI

Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur

BP

Bodily Pain (Schmerzen)

BTS

Base Transceiver Station

CF

Cystic Fibrosis

DOP

Dilusion of Precision

EAMQ

Environmental Aspects of Mobility Questionnaire

EITO

European Information Technology Observatory

EQ-5D

European Quality of Life Questionnaire

FB

Fragebogen

FN

False-Negative

FP

False-Positive

FWBP

Functioning and Well-Being Profile

GH

General Health (Allgemeine Gesundheitswahrnehmung)

GIS

Geografisches Informationssystem

GLONASS

Global’naya Navigatsioannaya Sputnikovaya Sistema

GNSS

Global Navigation Satellite System

GSM

Global System for Mobile Communication

GPS

Global Positioning System

GPX

GPS Exchange Format

HRQOL

Health Related Quality of Life

IADL

instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens

ICF

Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit

ICT

Informations- und Kommunikationstechnologie

IEEE

Institute of Electrical and Electronics Engineers

IQOLA

International Quality of Life Assessment

IV

Interview

JSON

JavaScript Object Notation

KIT

Karlsruher Institute of Technology

KONTIV

kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten

LOO

Leave-One-Out

LSA

Life Space Assessment

LSQ

Life Space Questionnaire

LTE

Long Term Evolution

MANET

Mobile Ad hoc Network

MAT

Miller Analogies Test

MCS

Mental Component Score (Psychischer Summenscore)

MeSH

Medical Subject Headings

MH

Mental Health (Psychisches Wohlbefinden)

MiD

Mobilität in Deutschlang

MMSE

Mini Mental State Examination

MOP

Deutsches Mobilitätspanel

MOSES

Mobilität, Selbstversorgung und Häusliches Leben

NHP

Nottingham Health Profile

NLM

U.S. National Library of Medicine

NPV

Negative-Prediction-Value

OSM

OpenStreetMap

PCS

Physical Component Score (Körperlicher Summenscore)

PDOP

Position Dilution of Precision

PDQ-39

Parkinson’s Disease Quality of Life Questionnaire

PF

Phyiscal Functioning (Körperliche Funktionsfähigkeit)

PH

Physical Health

PPV

Positive-Prediction-Value

RE

Role Emotional (Emotionale Rollenfunktion)

RF

Role Physical (Körperliche Rollenfunktion)

ROC

Receiver Operating Characteristic

POI

Point of Interest

SF

Social Functioning (Soziale Funktionsfähigkeit)

SF-12

12-Item Short Form

SF-36

36-Item Short Form

SIMBA

Sicher und mobil durch begleitende Assistenzsysteme

SPPB

Short Physical Performance Battery

TN

True-Negative

TP

True-Positive

UMTS

Universal Mobile Telecommunications System

V

Vitality (Vitalität)

WHO

World Health Organisation

WLAN

Wireless Local Area Network

XML

Extensible Markup Language

Kapitel 1

Einleitung

In a Garden of Eden in which life was so entertaining that we did not even feel the need for regular rest, with a continually pleasant climate, ubiquitous self-replacing fruits to consume, and no social responsibilities, the path could be a true time-space random walk.

Hagerstrand, 1970 ([1], S. 10–11)

1.1Gegenstand und Motivation

Mobilität als Möglichkeit der Überbrückung von Entfernungen, um an einen außerhalb der eigenen Wohnung gelegenen räumlich entfernten Ort zu gelangen, ist ein wesentlicher Faktor der gesellschaftlichen Teilhabe [2] und trägt somit zu einem selbstbestimmten Leben bei. Allerdings können verschiedene Faktoren, z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen, zu einer Veränderung der Mobilität führen [2]. Besonders im Alter spielen diese Beeinträchtigungen eine Rolle. Vor allem das gleichzeitige Auftreten mehrerer Krankheiten ist für den Gesundheitszustand älterer Menschen charakteristisch [3–5]. Eine Verminderung des Sehvermögens, eine Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates, die Abnahme der psychomotorischen Fähigkeiten oder Inkontinenz sind Beispiele für altersbedingte Einschränkungen, die sich auf die Selbständigkeit auswirken können. Der parallele Anstieg des Altenquotienten und eine Veränderung in der Siedlungsstruktur [3] reduzieren die Möglichkeit einer persönlichen Betreuung im gewohnten Wohnumfeld, über die die Funktionseinschränkungen teilweise kompensiert werden könnten. Gleichzeitig ist es ein Bedürfnis älterer Menschen die eigene Selbständigkeit so lange wie möglich zu erhalten und in ihrer gewohnten Umgebung wohnen bleiben zu können ohne auf fremde Hilfe angewiesen sein zu müssen. Dieses Bedürfnis bezieht sich zum einen auf die eigene Wohnung und das unmittelbare Wohnumfeld, muss zum anderen ebenso auf die Mobilität außerhalb der Wohnung erweitert werden. Denn auch wenn die Zeit, die ein Mensch zu Hause verbringt, sich mit dem Alter erhöht [6], behält die selbständige Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung einen hohen Stellenwert und trägt wesentlich zur Erhöhung der Teilhabe am sozialen Leben bei. So zeigt das Ergebnis einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dass „[…] die Möglichkeit und Fähigkeit zu Mobilität und damit zu gesellschaftlicher Teilhabe auch ein großes Bedürfnis älterer Menschen und infolgedessen eine wichtige Voraussetzung für Lebensqualität im Alter ist […]“ [7, S. 198].

Gleichzeitig hat sich das Mobilfunknetz von der Bereitstellung des ersten deutschen nationalen Mobilfunknetzes in den 50er Jahren über den Zugang für die breite Bevölkerung durch die Einführung der zweiten Generation des Mobilfunks (2G, GSM) in den 90er Jahren bis zur Einführung der dritten Generation (3G, UMTS) zu Beginn des 21. Jahrhunderts und der bis heute aktuell vierten Generation des Mobilfunks (4G, LTE) und dessen Ausbau enorm entwickelt [8]. Ebenso nahm die Anzahl der Mobilfunkteilnehmer rasant zu. Lag diese im Jahr 2001 in Deutschland schon bei rund 56 Mio., stieg die Anzahl bis zum dritten Quartal des Jahres 2011 auf rund 112 Mio. [9, 10]. Auch wenn die Teilnehmerzahl in den Jahren 2008 bis 2011 deutlich weniger gestiegen ist als in den Vorjahren [9] und sich von 2011 bis zum zweiten Quartal 2013 ein Sättigungstrend erkennen lässt [11], der auch aktuell noch zu verzeichnen ist [12], bieten datenbasierte Dienste und neue technische Entwicklungen wie Smartphones weitere Wachstumschancen. So zeigt sich ein kontinuierlicher Anstieg des übertragenden Datenvolumens. Waren es im Jahr 2008 noch 11,47 Mio. GB, stiegen diese im Jahre 2012 auf 155,64 Mio. GB mit weiterer Wachstumsprognose an [11].

Bei Smartphones stieg der Verkauf im Jahr 2011 um 31% im Vergleich zu 2010 auf 11,8 Mio. [13]. Ein vergleichbarer Trend zeigten die Prognosen für das Jahr 2012. Wie der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) auf Basis von Daten des European Information Technology Observatory (EITO) ankündigte, ist für 2012 mit einem Anstieg des Absatzes von Smartphones um 35% auf 15,9 Mio. Stück zu rechnen, womit Smartphones 55% aller in Deutschland verkauften Handys ausmachen [14]. Die Prognose lässt sich für das Jahr 2014 bestätigen, für das die BITKOM angab, dass 55% aller Bundesbürger zumindest gelegentlich ein Smartphone nutzen. Der Anstieg der Smartphone-Nutzer ist unabhängig von Altersklassen. Bei der Altersklasse der Senioren ab 65 Jahren ist ein Anstieg innerhalb eines Jahres von 7 auf 14% zu verzeichnen [15]. Unterstützend gibt die Bundesnetzagentur an, dass im Jahr 2013 über 36 Mio. Teilnehmer mit Smartphone oder Tablet die mobile Datenübertragung nutzten [11]. Mit der Einführung von Smartphones wurden Geräte in den Markt gebracht, die über eine erweiterte Rechenleistung und Speicherkapazität verfügen. Neben der Telefonnetzanbindung bieten sie außerdem weitere Schnittstellen wie WLAN (Wireless Local Area Network) und Bluetooth, haben die Möglichkeit GPS (Global Positioning System) zu nutzen und entsprechende Daten zu empfangen und weiterzuverarbeiten und stellen Sensorik wie z. B. Beschleunigungssensoren, Helligkeitssensoren oder Gyroskop zur Verfügung. Dank dieser Eigenschaften kann ein erweiterter Umfang an Funktionalität zur Verfügung gestellt werden. Dieser kann über sogenannte Apps nahezu beliebig erweitert und an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden [16].

Diese Entwicklung bietet die Grundlage für neue Ansätze auf dem Gebiet der assistierenden Gesundheitstechnologien, die das Ziel haben ein aktives, selbstbestimmtes und selbständiges Leben zu ermöglichen. Dabei bieten Smartphones neben den eingangs beschriebenen technischen Möglichkeiten die wesentlichen Vorteile der bei den Nutzern vorhandenen Integration in den Alltag und die Möglichkeit der mobilen, annähernd ständigen Begleitung einer Person. Es können ortsabhängige Dienstleistungen (Location Based Services) [17] umgesetzt werden, die die Mobilität einer Person unterstützen bzw. erhalten können. Die Thematik der Umsetzung von Assistenzsystemen zur Unterstützung der Mobilität älterer Menschen ist vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) aufgegriffen worden. Dieses förderte von 2011–2015 auf dem Gebiet „Mobil bis ins hohe Alter - nahtlose Mobilitätsketten zur Beseitigung, Umgehung und Überwindung von Barrieren“ in Umsetzung der Hightech-Strategie der Bundesregierung 14 Projekte, die sich mit der Unterstützung der Mobilität älterer Menschen in der bestehenden Infrastruktur beschäftigten [18].

1.2Problemstellung

Zur Erhebung des Verkehrs-/Mobilitätsverhaltens werden traditionell Interviews oder Fragebögen eingesetzt. In Deutschland wurden nach dieser Methode die Erhebungen „Mobilität in Deutschland“ (MiD) [19] oder das „Deutsche Mobilitätspanel“ (MOP) [20] durchgeführt. Technische Errungenschaften, die mit der eingangs beschriebenen Entwicklung des Mobilfunks und mobiler Endgeräte einhergehen, erlauben immer mehr auch den Einsatz von Sensorsystemen zur Erforschung des Mobilitätsverhaltens. So werden z.B. GPS-Systeme oder Mobilfunkdaten zur Beschreibung des Mobilitätsverhaltens verwendet [21–23]. Die Forscher sind zum einen bestrebt, das Verhalten zu beschreiben, zum anderen Mobilitätsmuster zu identifizieren, die zu Klassifikations- und Simulationsmodellen führen. Ausschlaggebend ist hier die Erkenntnis, dass menschliche Mobilität nicht zufälligen, sondern reproduzierbaren Mustern folgt [22, 24]. González et al. sehen die Möglichkeit, dass diese Erkenntnis auf alle mobilitätsbedingten Phänomene Auswirkung haben könnte.

„[…] humans follow simple reproducible patterns. This inherent similarity in travel patterns could impact all phenomena driven by human mobility, from epidemic prevention to emergency response, urban planning and agent-based modelling“ [22].

Nachdem von Altenburg et al. [2] und Mollenkopf et al. [7] die Möglichkeit und Fähigkeit zur Mobilität als wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der Lebensqualität gesehen wird, stellt sich, unter der Annahme reproduzierbarer Mobilitätsmuster, im Gegenzug die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, über ein sensorerweitertes Informationssystem Mobilitätsdaten zu erheben und so zu systematisieren, dass diese einen Rückschluss auf den Gesundheitszustand oder die gesundheitsbezogene Lebensqualität eines Individuums erlauben. Abgeleitet aus der Definition von Gesundheit der WHO „Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity“ [25, S. 1], bezieht sich gesundheitsbezogene Lebensqualität auf das körperliche, geistige und soziale Wohlergehen [26]. Dabei kann gesundheitsbezogene Lebensqualität mit generischen und krankheitsspezifischen Instrumenten erfasst werden (siehe hierzu weitere Ausführungen in Kapitel 2). Wenn nicht anders vermerkt, wird im Weiteren der Begriff Lebensqualität synonym zu gesundheitsbezogene Lebensqualität verwendet. Im Englischen findet sich hierfür der Begriff „Health Related Quality of Life“ (HRQOL) [27]. Gerade bei Menschen, bei denen sich gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht anhand einer einzelnen konkreten Einschränkung beschreiben lassen, könnten Veränderungen im Mobilitätsverhalten einen wertvollen Hinweis auf gesundheitliche Veränderungen liefern und deren Mobilitätsverhalten somit bewertbar machen. Ein Ansatz hierfür könnte mittelfristig dazu dienen mobilitätsbeeinflussende Maßnahmen zu vergleichen, langfristig bietet dieser möglicherweise auch Unterstützung für Diagnostik und Therapie. Allerdings ist derzeit keine Methode zur Erfassung und Bewertung des Mobilitätsverhaltens bekannt, welche im beschriebenen Kontext zum Einsatz kommt. Es stellen sich somit folgende Probleme dar.

Problem P1 Es ist derzeit nicht bekannt, wie eine Methode gestaltet werden kann, über die das alltägliche Mobilitätsverhalten älterer Menschen durch den Einsatz von Sensorsystemen erfasst und bewertet werden kann.

Problem P2 Es ist derzeit nicht bekannt, ob es möglich ist, durch den Einsatz von Sensorsystemen weitergehende, reproduzierbare Parameter zu erfassen, anhand derer die Mobilität älterer Menschen bewertet werden kann.

1.3Zielsetzung und Fragestellung

Aus der formulierten Problemstellung ergeben sich folgende Ziele mit jeweils entsprechenden Fragen. Diese werden im Folgenden dargestellt.

Zielsetzung zu P1

Ziel Z1 Konzeption einer Methode, über die die alltägliche Mobilität älterer Menschen über weitergehende, reproduzierbare Parameter erfasst und bewertet werden kann.

Frage F1 zu Z1 Welche Eigenschaften spezifizieren diese Methode?

Frage F2 zu Z1 Welche mobilitätsbezogenen Parameter eignen sich zur Beschreibung und Bewertung alltäglicher Mobilität?

Ziel Z2 Umsetzung einer sensorerweiterten Informationssystem-Architektur, über die die alltägliche Mobilität älterer Menschen über weitergehende, reproduzierbare Parameter erfasst und bewertet werden kann.

Frage F3 zu Z2 Wie lässt sich eine entsprechende Informationssystem-Architektur umsetzen?

Frage F4 zu Z2 Wie können die mobilitätsbezogenen Parameter durch den Einsatz von Sensorsystemen ermittelt werden?

Zielsetzung zu P2

Ziel Z3 Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Mobilitätsverhalten und Lebensqualität.

Frage F5 zu Z3 Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen den erhobenen Parametern und der Lebensqualität darstellen?

1.4Gliederung der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen Grundlagenteil (Kapitel 2), welcher auf den Begriff Mobilität eingeht und Methoden der Mobilitätsmessung sowie Mobilitätsmodelle beschreibt. Des Weiteren wird das Konzept der gesundheitsbezogenen Lebensqualität erläutert und auf Werkzeuge zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität eingegangen. Zudem werden Ortungstechnologien grundlegend dargestellt sowie assistierende Gesundheitstechnologien mit ausgewählten Methoden zur Datenanalyse beschrieben und das SIMBA-Projekt vorgestellt. Darauf folgt die Konzeption eines Ansatzes zur weitergehenden, reproduzierbaren Beschreibung und Bewertung alltäglicher Mobilität älterer Menschen. Hierfür werden in Kapitel 3 Anforderungen an diesen Ansatz spezifiziert und bewertet. In Kapitel 4 wird untersucht, anhand welcher Parameter sich die Mobilität einer Person im Gesundheitskontext beschreiben lässt. In den folgenden Kapiteln (Kapitel 5 und Kapitel 6) wird die Umsetzung einer sensorerweiterten Informationssystem-Architektur und deren Einsatz in einer Studie (SIMBA-Sensing Studie) beschrieben. In dieser wird die Einsetzbarkeit der umgesetzten Informationssystem-Architektur aus Sicht der Probanden sowie die technische Machbarkeit der Darstellung der Mobilität erprobt. Außerdem werden mögliche Zusammenhänge des Mobilitätverhaltens und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität untersucht. In der anschließenden Diskussion wird kritisch betrachtet inwieweit die vorgestellten Ziele erreicht werden konnten (Abschnitt 7.1), woraufhin abschließend ein Ausblick gegeben wird.

Kapitel 2

Grundlagen

2.1Mobilität

In diesem Kapitel wird auf den Begriff Mobiliät eingegangen und das Verständnis desselben in dieser Arbeit beschrieben. Anschließend folgen grundlegende Ausführungen zur Mobilitätsmessung und zu Mobilitätsmodellen.

2.1.1Definition Mobilität

Mobilität wird im Brockhaus vom lateinischen mobilitas „Beweglichkeit“ abgeleitet und wie folgt definiert:

„Begriff aus der sozialwiss. Fachsprache, der in einer breiteren Bedeutung Eingang in den allg. Sprachgebrauch sowie in andere Fachsprachen (z.B. Verkehrswiss., Städteplanung, Psychologie, Volkswirtschaftslehre, Touristik) gefunden hat. Insoweit M. neben der räuml. Bewegung des Menschen im Alltag […] auch zur Bezeichnung der Veränderung von Lagen und Stellungen im sozialen Raum genutzt wird, nimmt der Begriff nicht nur Bezug auf die anthropolog. Besonderheit des Menschen, sich räumlich verändern zu können, sich unterschiedlich zuzuordnen und einzurichten, sondern verweist auch auf einen sozialen Tatbestand von besonderer Bedeutung: Die Fähigkeit bzw. Bestimmtheit des Menschen, sich in sozialen Räumen (Siedlungen, Landschaften oder Regionen; Gruppen, Klassen, Schichten und Gesellschaften) zu konstituieren, zu orientieren, zu bewegen und zu verändern. Der Mensch kann sich also das „Gehäuse“, in dem er lebt und von dem er abhängig ist, in sozialer und räumlicher Hinsicht selbst gestalten und - in Maßen - verändern. […] Obwohl miteinander verschränkt, stellen räumliche und soziale M. doch auch zwei unterschiedl. Bezugsfelder und Arbeitsbereiche, damit auch Begriffsdimensionen dar“ [28, S. 611].

Anhand dieser Definition lässt sich die Vielschichtigkeit des Begriffs Mobilität und dessen Bedeutung für den Menschen erkennen. Die besondere Relevanz wird dadurch unterstrichen, dass seit der Einführung der Schlüsselbegriffe in der 19. Auflage des Brockhauses [29] der Begriff Mobilität in dieser und allen bis heute folgenden Auflagen als Schlüsselbegriff aufgenommen wurde. Schlüsselbegriffe sind Begriffe, die von den Autoren des Brockhauses als zentrale Themen unserer Zeit definiert wurden. Nach Angaben des Brockhauses spielt es bei der Auswahl eine besondere Rolle inwieweit diese den momentanen und zukünftigen gesellschaftlichen Diskurs prägen. Die sozialwissenschaftliche Betrachtung stellt Mobilität dar als „[…] die Bewegung von Menschen in sozialen Räumen (soziale Schichten, Siedlungsformen, Arbeitsbereiche, poli., soziale und kulturelle Gruppen) […]“ [28, S. 611]. Im Allgemeinen wird nach Sorokin [30] zwischen horizontaler und vertikaler Mobilität unterschieden. Dabei fallen unter horizontale Mobilität alle Bewegungen, die zwischen Ebenen mit dem gleichen Rang erfolgen. Von Schellhase [31] wird diese als Wanderungs-, Umzugs- und Migrationsmobilität, z.B. an einen anderen Wohnort ziehen, beschrieben. Die vertikale Mobilität hingegen zeichnet sich durch die Bewegung zwischen rangverschiedenen Positionen [32], z.B. zwischen sozialen oder beruflichen Schichten, aus. Da die Unterscheidung zwischen höher-, niedriger- oder gleichgestellten Ebenen systemabhängig ist, wird Mobilität auch als „Bewegung von Personen aus einer Position in eine andere Position innerhalb jeder möglichen Gliederung der Gesellschaft“ [33, S. 8] beschrieben. Um den jeweiligen Betrachtungsrahmen enger zu umschreiben, kann die betrachtete Mobilität mit Attributen wie individuell (Bewegung Einzelner), kollektiv (Bewegung Mehrerer), geistig, kulturell, regional, beruflich oder sozial differenziert werden, wobei die Begriffsdefinition je nach Standpunkt des Betrachters unterschiedlich ausfallen kann [28]. In dieser Arbeit wird auf eine weitere Ausführung der sozialwissenschaftlichen Betrachtung von Mobilität verzichtet.

Im Folgenden wird der Begriff Mobilität unter dem Aspekt der wiederkehrenden geographischen Ortsveränderung genauer beleuchtet, der sich in der eingangs aufgeführten Definition im Brockhaus als „[…] räuml. Bewegung des Menschen im Alltag […]“ [28, S. 611] wiederfindet. Dabei kann zwischen der Mobilität im engeren und im weiteren Sinne unterschieden werden [34, 35]. Beide Aspekte finden sich auch in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO [36]. Im engeren Sinne versteht sich Mobilität als die reine Kompetenz zur Ausübung von Bewegung, die durch die körperliche Funktion oder Disfunktion bestimmt wird. Diese wird z. B. in der Fähigkeit zu Gehen und das Gleichgewicht zu halten in Tests, wie dem „timed Up & Go test“ [37] oder dem „Tinetti-Test“ [38] quantifiziert. Unter Mobilität im weiteren Sinne ist die Fortbewegung gemeint, „[…] die zum Erreichen von Zielen außerhalb der Wohnung und der Durchführung außerhäuslicher Aktivitäten wie z.B. Einkaufen oder Spazierengehen erforderlich ist“ [34, S. 111]. Ebenso definieren Webber et al.: „[…] mobility has been defined as the ability to move oneself (either independently or by using assistive devices or transportation) within environments that expand from one’s home to the neighborhood and to regions beyond“ [35, S. 444] und Stalvey et al.: „[…] mobility refers to a person’s purposeful movement through the environment from one place to another. […] it also encompasses travel in, around, and outside the home as one conducts the business and social aspects of everyday life“ [39, S. 460–61]. Beckmann definiert Mobilität vereinfacht als „[…] Möglichkeit zum Wechsel von Orten […]“ [40, S. 229]. In dieser Definition kann Mobilität als Möglichkeit zur Fortbewegung gesehen werden. Auch Hautzinger definiert Mobilität als „[…] ein Maß für die Fähigkeit oder Befähigung, für die technische, wirtschaftliche und physische Potenz von Individuen und Gruppen, Bewegungen durchzuführen und Distanzen überwinden zu können“ [41, S. 6]. Die tatsächliche Realisierung wird auch als Verkehr bezeichnet [42]. Häufig jedoch findet sich keine klare Abgrenzung zwischen der hypothetisch möglichen Fortbewegung und der eigentlichen Durchführung, so dass die Bewegung an sich mit der Möglichkeit zur Bewegung gleichgesetzt oder mit ihr zusammengefasst wird [43, 44]. Hautzinger et al. [45] definieren den Unterschied zwischen Mobilität und Verkehr in der einzelnen Ortsveränderung einer Person (Mobilität) zu der Menge aller Ortsveränderungen von Personen innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens (Verkehr).

In dieser Arbeit wird Mobilität als die tatsächliche, transportmittelunspezifische Überwindung von Raum, um von einem Ort an einen anderen zu gelangen oder zur Durchführung außerhäuslicher Aktivitäten, verstanden. Dabei soll die alltägliche Mobilität betrachtet werden.

2.1.2Mobilitätsmessung

Wie schon aus der Definition des Begriffs Mobilität ersichtlich wird, ist dieser ein vielschichtiger Begriff und als ein „[…] komplexes Beziehungsgeflecht aufzufassen, das anhand einiger Zahlenwerte lediglich indikatorhaft charakterisiert werden kann“ [46, S. 24]. Für das Messen von Mobilität existiert darum keine eindeutige Maßeinheit, so dass nachfolgend die Mobilitätsmessung für die Disziplinen der Verkehrs-/Mobilitätsforschung sowie der Gesundheitsforschung näher beschrieben wird.

Verkehrs-/Mobilitätsforschung In der Verkehrs-/Mobilitätsforschung wird Mobilität anhand von Größen beschrieben, die auf der Basis von zurückgelegten Wegen ermittelt werden. Das Deutsche Mobilitätspanel (MOP) [20] sammelt seit 1994 im Auftrag des ehemaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), jetzt Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVDI), Daten zum alltäglichen Mobilitätsverhalten der deutschen Bevölkerung als Grundlage für zukünftige Verkehrspolitik und -gestaltung. Das Panel wird vom Institut für Verkehrswesen des Karlsruher Institute of Technology (KIT) und dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest durchgeführt. Neben den Eigenschaften der einzelnen Haushalte und deren Bewohner werden die zurückgelegten Wege mit Wochentag, Uhrzeit (Start- und Ankunftszeit und damit Dauer), Ziel/Zweck, Verkehrsmittel und Wegstrecke in km erfragt. Ein Weg wird durch seinen Start- und Zielpunkt definiert. Der Rückweg bzw. Weg zu einem neuen Ziel wird als neuer Weg definiert. Bei Ziel/Zweck stehen folgende Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung: Arbeitsplatz, Dienstlich/geschäftl., Ausbildung, Besorgung/Einkauf, Freizeit, Jemanden holen/bringen, Nach Hause und Anderes (mit der Möglichkeit den Zweck als Freitext anzugeben). Bei den Verkehrsmitteln wird zwischen zu Fuß, Fahrrad, Mofa/Moped/Motorrad, Pkw als Fahrer, Pkw als Mitfahrer, Bus, Straßenbahn, U- und/oder S-Bahn, Zug und Anderes (mit der Möglichkeit, das Verkehrsmittel als Freitext einzugeben) unterschieden. Hier ist eine Mehrfachauswahl möglich, da alle genutzten Verkehrsmittel angegeben werden sollen. Die Daten werden mithilfe von Tagebüchern über den Zeitraum von einer Woche in drei aufeinanderfolgenden Jahren erhoben. Aus den Daten werden Kenngrößen wie beispielsweise Verkehrsaufkommen (Anzahl Wege pro Person und Tag) oder Verkehrsleistung (km pro Person und Tag) errechnet. Darüber hinaus werden im MOP die Fahrleistungen mit Kraftfahrzeugen in Privathaushalten sowie die Kraftstoffverbrauchswerte in der sogenannten Tankbucherhebung erhoben. Hier werden die Mobilitätseckwerte Führerscheinbesitz und Pkw-Verfügbarkeit aufgenommen. Eine Auflistung der Kennwerte ist in Tabelle 2.1 zu finden.

MobilitätskennwertEinheitFührerscheinbesitzFührerscheinbesitzquote Erwachsener in%Pkw-VerfügbarkeitAnzahl Pkw pro EinwohnerVerkehrsbeteiligungAnteil mobiler Personen pro Tag in%VerkehrsaufkommenAnzahl Wege pro Person und TagVerkehrsleistungKilometer pro Person und Tag in kmMobilitätszeitZeit aller Wege pro Person und Tag in minWegelängemittlere Wegelänge in km

Tabelle 2.1: Mobilitätskennwerte im MOP [20].

Ebenso wird die Durchführung der Studie Mobilität in Deutschland (MiD) [47] vom ehemaligen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), jetzt Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVDI), beim Institut für angewandte Sozialwissenschaft (infas) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Institut für Verkehrsforschung beauftragt. Die MiD dient der Erfassung des alltäglichen Verkehrsverhaltens der Bundesbürger. Die Erhebung existiert seit dem Jahr 1976 als KONTIV (kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten), wurde als MiD in den Jahren 2002 und 2008 durchgeführt und soll wiederholt in einem Abstand von fünf bis zehn Jahren stattfinden. Sie wird in Form einer Haushaltsbefragung durchgeführt. In der MiD werden Eigenschaften der einzelnen Haushalte und deren Bewohner, Pkw-, Fahrrad-, Motorrad-, Mofa-, Moped-Besitz und Fahrleistung in einem Haushaltsfragebogen erfasst. Über das sogenannte Wegeblatt halten die Probanden ihre Wege an einem Stichtag fest. Diese werden dann per Telefon von einem Interviewer abgefragt. Wie schon bei der MOP werden Hin- und Rückweg als getrennte Wege betrachtet. Über das Wegeblatt werden folgende Daten erfasst: Abfahrts- und Ankunftszeit, Zweck (als Freitext, z.B. Arbeit, Einkaufen, Freizeit, private Erledigungen, Begleitung, Ausbildung), Ort (als Freitext, möglichst mit Postleitzahl, Ort, Straße und Hausnummer), Verkehrsmittel (als Freitext, z. B. zu Fuß, Bus, Auto), Begleitung (Anzahl Personen) sowie Strecke (in km). Anhand der erfassten Daten werden verschiedene Auswertungen durchgeführt, z. B. Verkehrsleistung pro Wochentag. Die zentralen Mobilitätskenngrößen sind hier Verkehrsaufkommen, Verkehrsleistung, Mobilitätszeit, Weglänge (jeweils für alle Personen und ausschließlich für mobile Personen) (siehe Tabelle 2.2). Diese Werte lassen sich ebenso beim MOP finden.

MobilitätskennwertEinheitVerkehrsaufkommenAnzahl Wege pro Person und TagVerkehrsleistungKilometer pro Person und Tag in kmMobilitätszeitZeit aller Wege pro Person und Tag in minWegelängemittlere Wegelänge in km

Tabelle 2.2: Zentrale Mobilitätskenngrößen MiD [47].

Diese beschriebenen Kenngrößen basieren auf den von Hautzinger et al. [45] beschriebenen Mobilitätsindikatoren, die aus den Kriterien Häufigkeit, Raum, Zeit, Verkehrsmittel und Anlass/Zweck abgeleitet werden.

Teilweise wird das Verkehrsaufkommen auch als Mobilitätsrate oder Mobilitätswegebudget, die Verkehrsleistung auch als Mobilitätsstreckenbudget und die Mobilitätszeit auch als Mobilitätszeitbudget bezeichnet [48]. Hier wird unter Verkehrsaufkommen die Gesamtheit aller Ortsveränderungen (Mio. Wege pro Jahr) verstanden. Diese Bezeichnungen werden im Weiteren allerdings nicht verwendet.

Gesundheitsforschung In der Gesundheitsforschung dient die Erfassung der Mobilität von Individuen der Erforschung des Zusammenhangs des Mobilitätsverhaltens mit aktuellen oder zukünftigen Lebenssituationen (z. B. Alter, Krankheiten). Dabei beziehen sich die Werkzeuge zur Erfassung der Mobilität zum einen auf Mobilität im engeren, zum anderen auf Mobilität im weiteren Sinne. Teilweise lassen sie sich nicht eindeutig zuordnen. Das ist z. B. der Fall, wenn wie bei Sayers et al. [49] nicht nur die reine Kompetenz zur Fortbewegung erfasst wird, sondern die Möglichkeit, diese Fähigkeit in einem definierten Rahmen einzusetzen. Ausgewählte Werkzeuge werden im Folgenden näher erläutert. Sayers et al. [49] erfassten die Mobilität von Individuen über 18 Items bzgl. Geh-Gewohnheiten und -Fähigkeiten. Anschließend prüften die Forscher inwieweit die Angaben als Prädiktor für das Überwinden einer 400m langen Strecke herangezogen werden konnten. Die drei folgenden Items wurden dabei identifiziert: Die Fähigkeit eine viertel Meile ohne Einlegen einer Pause zu gehen, Schwierigkeiten beim Gehen einer Meile aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen, die Fähigkeit jeden Gang eines Supermarkts ohne Pause abzugehen. Der Environmental Aspects of Mobility Questionnaire (EAMQ) [50, 51] stellt die außerhäusliche Mobilität über Selbstauskünfte der Probanden dar. Diese wird anhand von Angaben zum Bewältigen oder Vermeiden von 24 Items, die in acht Dimensionen gegliedert sind, erfasst. Dabei beziehen sich die Items auf das Verhalten in der räumlichen Umwelt, wie z. B. das Gehen von langen Strecken, das Aufsuchen von unbekannten Orten oder Orten mit Menschenmengen. Es sind auch Aspekte zu Tätigkeiten wie dem Tragen von schweren Gegenständen oder dem Heben des Arms über Schulterhöhe (z.B. im Supermarkt) enthalten. Aus den Antworten zu den Items werden zwei Summen gebildet (eine für das Bewältigen, eine für das Vermeiden). Shumway-Cook et al. [51] konnten eine mittlere Korrelation zu beobachtetem Mobilitätsverhalten in sechs der acht Dimensionen feststellen. Zudem eine signifikante Korrelation zu den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL), instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL) und zu Tests bzgl. der körperlichen Kompetenz wie der Short Physical Performance Battery (SPPB).

Ein weiteres Instrument ist der Fragebogen zu Mobilität, Selbstversorgung und Häuslichem Leben (MOSES-Fragebogen) [52, 53], welcher inhaltlich die in der Benennung wiederzufindenden Domänen der ICF [36] abbildet. Dieser existiert in Form einer Selbstbeurteilung (MOSES-Patient) [52, 53] und in Form einer, später auf Basis des MOSES-Patient entwickelten, Fremdbeurteilung (MOSESBehandler) [54]. Der MOSES-Patient Fragebogen besteht aus 58 Items, die in 12 Skalen eingeteilt sind. Zu denen für diese Arbeit relevanten Skalen gehören: Gehen (ohne Hilfsmittel), Fortbewegen (mit Hilfsmitteln) und Beschaffen von Lebensnotwendigkeiten. Die beiden zuerst erwähnten Skalen wurden aus der ICF Domäne Mobilität abgeleitet, die letztgenannte aus der Domäne Häusliches Leben. Der MOSES-Behandler Fragebogen enthält 47 Items, die ebenfalls in zwölf Skalen eingeteilt sind. Da beide Fragebögen inhaltlich dasselbe Ziel verfolgen, wird an dieser Stelle auf den MOSES-Behandler nicht weiter eingegangen.

May et al. [55] ließen Probanden ein Tagebuch ausfüllen, in welches diese über eine Zeitraum von einem Monat ihren täglichen Aktionsradius eintrugen. Dabei konnten die Probanden aus fünf konzentrischen Bereichen wählen, die um den eigenen Haushalt herum gelegt und nach ihrer Größe gestaffelt waren. Das Schlafzimmer stellte den Mittelpunkt und gleichzeitig den engsten Bereich dar. Die weiteren Bereiche schlossen den restlichen Wohnbereich, den Außenbereich/Garten, den Wohnblock und den Bereich außerhalb einer verkehrsfrequentierten Straße ein [39]. Es konnte eine hohe Korrelation zwischen den Tagebucheinträgen und Mobilitätskompetenzen wie Gehgeschwindigkeit und Balance festgestellt werden. May et al. [55] prägten dadurch den Begriff Life-Space, der später wie folgt definiert wurde: „[…] the concept of life space estimates the magnitude or extent of travel into the environment, regardless of how one gets there […]“ [39, S. 472]. Stalvey et al. [39] entwickelten den Life-Space Questionnaire (LSQ), mit dem auch räumlich weiter entfernte Bereiche erfasst wurden. „[…] the Life Space Questionnaire (LSQ) covering a broader range of environmental regions as a means to characterize the mobility of community-dwelling older adults“ [39, S. 463]. Der LSQ besteht aus neun Fragen, die sich auf den Aktionsradius der letzten drei Tage beziehen und wird als Interview durchgeführt. Baker et al. [56] wandelten den LSQ zu einem Assessment über die vergangenen vier Wochen ab. Mit dem entstandenen Life-Space Assessment (LSA) wurden neben räumlichen Bereichen auch die Häufigkeit der Bewegung und der Einsatz von Hilfsmitteln erfasst. „[…] which measures not only the extent of movement, but also the frequency of movement and any assistance needed“ [56, S. 1610]. Dabei wurden die folgenden Life-Space Level definiert: Level 1 - andere Räume im eigenen Zuhause als das Zimmer, das zum Schlafen genutzt wird („other rooms of your home besides the room where you sleep“ [56, S. 1610]), Level 2 - außerhalb des eigenen Zuhauses, aber in der unmittelbaren Nähe (z. B. die eigene Veranda, „to an area outside your home such as your porch deck or patio“ [56, S. 1610]), Level 3 - außerhalb des eigenen Zuhauses, innerhalb des eigenen Quartiers („places in your neighborhood, other than your own yards or appartment building“ [56, S. 1610]), Level 4 - außerhalb des eigenen Quartiers, aber innerhalb der eigenen Stadt („places outside your neighborhood but within your town“ [56, S. 1610]), Level 5 - außerhalb der eigenen Stadt („places outside your town“ [56, S. 1610]). Die Forscher erfassten in einer Studie mit älteren Probanden neben dem LSA deren physische Bewegungskompetenz und weitere Werte zur Gesundheit wie ADL, IADL, SF-12 und Geriatric Depression Scale. Sie stellen fest, dass Life-Space ein Maß für Mobilität und generelle Gesundheit sein kann. „In conclusion, this research validates life-space as a measure of mobility and general health“ [56, S. 1614]. Auch Peel et al. [57] berichten einen Zusammenhang zwischen dem LSA und traditionellen Gesundheitsmaßen: „This study demonstrated that the UAB Study of Aging LSA, a measure of mobility for community-dwelling older adults, reflects not only traditional assessments of physical function and physical performance (ADL, IADL, and SPPB), but also sociodemographic factors and, to a lesser extent, neuropsychological factors (MMSE and GDS)“ [57, S. 1016].

Webber et al. [35] entwickelten ein Framework zur Beschreibung der Mobilität älterer Menschen, das eine möglichst umfassende Darstellung ermöglichen sollte. Angelehnt an die oben beschriebenen Arbeiten zu Life-Space, nutzten auch Webber et al. sich erweiternde, konzentrisch um das Zuhause einer Person liegende Bereiche. Sie definierten sieben Life-Space-Bereiche in Form eines Kegels, wobei sie davon ausgingen, dass mit der Entfernung des Bereichs vom Mittelpunkt auch die Anforderungen an eine unabhängige Mobilität steigen. Zusätzlich unterteilten sie jeden Bereich in fünf Schlüssel-Determinanten (kognitive, psychosoziale, physische, umweltbedingte und finanzielle Faktoren) und bildeten indirekt wirkende Faktoren wie Geschlecht, Kultur und Biographie als umschließenden Ring ab.

2.1.3Mobilitätsmodelle