Zwei Bücher über die Liturgie - Giovanni Bona - E-Book

Zwei Bücher über die Liturgie E-Book

Giovanni Bona

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Beschreibung

In einer Hinwendung an den Leser in seinen Rerum Liturgicarum Libri duo sagte Giovanni Bona: »Die Wahrheit über die frühen Riten liegt im Verborgenen, und zwischen den Ruinen der alten Zeit begraben ist sie schwer zu entdecken. [Sie muss] aus den Trümmern der alten Zeit ans Licht gebracht [und] aus dem Schutt ausgegraben werden.« Giovanni Bona (1609–1674), Zisterzienser, Kardinal und geistlicher Schriftsteller, gilt vielen als Mitbegründer der neuzeitlichen Liturgiewissenschaft. Er dokumentierte die Geschichte des römischen Messritus mit enzyklopädischer Gelehrsamkeit: Etymologie, verschiedene liturgische Riten, Kleidung, Geräte, Gebäude u.v.m. Dadurch ist er zum Bewahrer der Liturgie aller Zeiten geworden. Im Zuge der Wiederentdeckung und -verbreitung des römischen Ritus in den letzten Jahren erweist sich Bonas Werk somit als Schatzkiste von fast schon verloren Geglaubtem.

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Seitenzahl: 945

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Impressum

 

© 2015

Patrimonium-Verlag

In der Verlagsgruppe Mainz

Alle Rechte vorbehalten

 

Erschienen in der Edition »Patrimonium Cisterciense«

 

Patrimonium-Verlag

Abtei Mariawald

52396 Heimbach/Eifel

www.patrimonium-verlag.de

 

Gestaltung, Druck und Herstellung:

Druck & Verlagshaus Mainz GmbH

Süsterfeldstraße 83

52072 Aachen

www.verlag-mainz.de

 

Abbildungsnachweise:

Cover: „Portrait of Martin Luther as an Augustinian Monk“ by Workshop of Lucas Cranach the Elder - 1./2. The Bridgeman Art Library, Object 2922803. Germanisches Nationalmuseum4. Unknown. Licensed under Public Domain via Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portrait_of_Martin_Luther_as_an_Augustinian_Monk.jpg#/media/File:Portrait_of_Martin_Luther_as_an_Augustinian_Monk.jpg

 

 

ISBN: 978-3-86417-062-1

 

 

 

GIOVANNI BONA

Zwei Bücher über die Liturgie

RERUM LITURGICARUM LIBRI DUO

EDITIO NOVA

ANTVERPIAE MDCCXXXIX

 

 

Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Heinz Piesik

Mit einer Einleitung von Jürgen Bärsch

 

Texte der Zisterzienserväter, Band 1

VORWORT

Sieben Jahre arbeitete Giovanni Bona an der Vollendung der Rerum Liturgicarum libri duo. Geschuldet war die lange Zeit Erkrankung und der zwischenzeitlichen Erhebung zum Kardinal, vor allem aber dem wissenschaftlichen Ethos des Zisterziensermönchs bei der Suche nach Wahrheit.

Die Wahrheit über die frühen Riten liegt im Verborgenen, und zwischen den Ruinen der alten Zeit begraben ist sie schwer zu entdecken, bekennt er am Beginn des Buches in einer Hinwendung an den Leser und auch noch später. Sie muss aus den Trümmern der alten Zeit ans Licht gebracht … aus dem Schutt ausgegraben werden … Tief versunken liegt die Wahrheit im Dunkel, und kaum leuchtet irgendein Lichtstrahl daraus hervor, durch dessen Glanz die verhüllende Dunkelheit durchbrochen werden könnte. Vehement und drastisch kritisiert er einschlägige Versuche: Sollte aber jemand glauben, er könne sie – die Wahrheit – allein durch Vermutungen packen, wird er einem Mann gleichen, der sich daran macht, eine weit entfernte Stadt, die er niemals gesehen hat, und von der er außer dem Namen nichts gehört hat, mit ihren Mauern, Gebäuden, Kirchen, Verteidigungswerken, Sitten und Verhaltensweisen der Bürger zu beschreiben.

Dass dies kein Problem allein seiner Zeit sei, hat er, ein ausgewiesener Kenner der antiken Literatur, mit Sicherheit gewusst. Gut anderthalb Jahrtausende vor ihm hatte sich ja auch schon Cicero über einen gravierenden Mangel bei der wissenschaftlichen Betätigung beklagt: Diese leide darunter, dass animis offusa caligo est, quod tam longe retro respicere non possunt – über ihren Geist hat sich Finsternis ausgebreitet, weil sie nicht in die Vergangenheit zurückzuschauen vermögen.

Wer Bonas Ausführungen hier liest, wird überall, angefangen bei der etymo­logischen Herleitung des Begriffs »Messe«, weiter in der Frage nach dem Aufkommen der Kirchenglocken bis hin zur historisch konfliktträchtigen Klärung, welche Brotsorte Jesus seinen Jüngern beim Abendmahl gereicht hat, unschwer das minutiöse Recherchieren überkommener Fakten, das besonnene Abwägen, Bewerten und Entscheiden, insgesamt also die beispielhafte wissenschaftliche Verfahrensweise Giovannis erkennen.

 

Die Schrift von Giovanni Bona nur in Übersetzung zu präsentieren ergab sich aus dem Konzept der Verlagsreihe Patrimonium.

Ein Rückgriff auf den originalen lateinischen Text ist mit Hilfe von Faksimile Ausgaben im Internet leicht möglich. Die Übertragung des Liber II Rerum Liturgicarum befindet sich in statu nascendi und wird Deo bene volente in absehbarer Zeit vorgelegt werden können.

 

Es ist mir ein Anliegen, Helfer bei diesem Projekt mit Dank zu erwähnen:

 

Herr PD Dr. Wolfgang Steck, München, hat zu Beginn und noch längere Zeit meine Übersetzungsvorlagen ebenso in kritischer wie wohlwollender Sicht überprüft. Er konnte auch einen – damals noch studentischen – Mitarbeiter, Herrn Marius Kneip, bewegen, die Fülle der von Giovanni Bona heran­gezogenen Textzeugen aus anderthalbtausend Jahren bibliographisch zu dokumentieren. Dass der Leser hier mit Sicherheit auf manche Unstimmigkeit stoßen wird, ist unvermeidlich. In den letzten Monaten hat Herr Martin Raffelt neben seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer den ganzen Text auf formale Korrekturen hin durchgearbeitet, ihm sei besonders gedankt.

Insbesondere dem Verlag Mainz ist für die Aufnahme diese Edition in ­seine Reihe Patrimonium zu danken. Sie ist eine auf den ersten Blick möglicherweise spröde, dennoch hilfreiche Quelle für die aktuelle Diskussion in liturgicis.

 

 

 

 

 

 

 

EINLEITUNG

Jürgen Bärsch

Giovanni Bona und die Erforschung des Gottesdienstes

Zu Leben und Werk eines Liturgiewissenschaftlers im 17. Jahrhundert

 

»Als Koryphäus unter den Erklärern der Liturgie im 17. Jahrhundert und als Muster in der Art der Behandlung für die Späteren erscheint der große Cardinal Bona.«1 Mit diesen rühmenden Worten eröffnet Valentin ­Thalhofer (1825-1891), selbst einer der bedeutendsten Liturgiewissenschaftler des 19. Jahrhunderts,2 in seinem Maßstäbe setzenden »Handbuch der Liturgiewissenschaft«3 die Ausführungen über den großen Gelehrten aus dem Zisterzienserorden. Tatsächlich nimmt Giovanni Bona einen besonderen Platz in den zahlreichen Bemühungen um die Erforschung des Gottesdienstes in der frühen Neuzeit ein. Denn sein Werk hat wesentlich zu einem neuen, aus historisch-kritischem Denken erwachsenen Zugang zur Liturgie bei­getragen und die Kenntnis von deren Entwicklung und Wandlung im Laufe der Jahrhunderte gefördert. Speziell sein hier neu zugänglich gemachtes Hauptwerk Rerum liturgicarum libri duo war für die weitere wissenschaft­liche Erforschung des Gottesdienstes von maßgeblichem Wert. Spiegelt es doch nicht nur das Wissen von der Geschichte der Messe im 17. Jahrhundert wider, es hat – wie schon Thalhofer hervorhob – in seiner Art exemplarischen Charakter für viele nachfolgende historische Studien zum Gottesdienst der Kirche. Es ist deshalb berechtigt, dieses für die Geschichte der Liturgiewissenschaft bedeutende Werk hiermit wieder leicht verfügbar zu machen.

Um das liturgiewissenschaftliche Kompendium des Giovanni Bona recht einordnen zu können, mag es hilfreich sein, einen Blick auf dessen Biographie und Persönlichkeit zu werfen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Situation des barockzeitlichen Gottesdienstes nach dem Konzil von Trient (1545-1563) zu skizzieren. Denn Bona hat seine Geschichte der Messe wohl kaum verfassen können ohne von der ihm zur täglichen Erfahrung gewordenen Feier der Messe seiner Zeit abzusehen. Aber auch die für die meisten Gläubigen bedeutend näher liegenden Formen der Frömmigkeit wie Prozessionen, Wallfahrten, Segnungen und Heiligendevotionen bilden den geistlich-frömmigkeitsgeschichtlichen Hintergrund für die wissenschaftlichen Bemühungen um die Erforschung des Gottesdienstes im 16. und 17. Jahrhundert, an der der gelehrte Zisterzienser maßgeblichen Anteil haben sollte.

 

I. Giovanni Bona – eine biographische Skizze

Giovanni Bona4 wurde am 10. Oktober 1609 in Mondovì (Piemont) geboren.5Er entstammte einem vornehmen Geschlecht, einer Seitenlinie des Hauses Bonne-Lesdignières du Dauphiné und gehörte damit zu einer begüterten und angesehenen piemontesisch-französischen Familie. Seine Eltern, Giovanni Battista Bona und Laura, geborene Zugano6, sorgten offenbar für eine umfassende geistige und geistliche Bildung des begabten Jungen, denn schon früh zeigte er Interesse an Literatur und Philosophie, ließ sich von seinem geistlichen Onkel, Antonio Bona unterrichten und lernte in der Schule der Jesuiten von Mondovì Philosophie und Rhetorik.7

Sein Vater, selbst Obrist im savoyischen Heer, sah für seinen ältesten Sohn die Militärlaufbahn vor und suchte ihn darauf vorzubereiten. Der Wunsch des Vaters entsprach allerdings der Neigung des sensiblen und feinfühligen Jungen keineswegs. Zunächst entgegen dem Willen der Eltern trat er am 19. Juli 1625 in das etwa eine Stunde von Mondovì entfernt gelegene Kloster S. Maria de Pignerol ein.8 Diese Kommunität gehörte zu einer Reformkongregation der Zisterzienser, die nach dem französischen Stammkloster Les Feuillants (Haute Garonne) Feuillanten (Ordo Florensis, Fulienser) genannt wurde. Hier legte er nach dem Noviziat am 2. August des Folgejahres die feierlichen Gelübde ab und nahm den Ordensnamen Giovanni da S. Caterina an.

Es schloss sich nun eine Zeit des Studiums der Philosophie und Theologie an, die ihn nach Montegrosso (bei Asti), Turin und schließlich Rom führte. Neben der scholastischen Theologie, wie sie vor allem nach der Summa theologiae des Thomas von Aquin gelehrt wurde, widmete er sich dem Studium der Bücher des Alten und Neuen Testamentes, deren Ursprachen Hebräisch und Griechisch er kundig beherrschte und vertiefte sich in die Schriften der griechischen und lateinischen Kirchenväter. Seine weitgespannten Interessen ließen ihn aber auch die Grenzen der Theologie überschreiten. Bona war in der Mathematik und den Naturwissenschaften, in der Religionsgeschichte und der klassischen Literatur gleichermaßen bewandert. Mit dem aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges nach Rom geflohenen deutschen Jesuiten und Universalgelehrten Athanasius Kircher (1602-1680) verband ihn eine lebenslange Freundschaft.9 Und wie aus seinen Briefen hervorgeht, waren ihm die Werke des humanistischen Denkers Marsilio Ficino (1433-1499) ebenso wie die des Francesco Petrarca (1304-1374) bestens vertraut.10 Bereits zu jener Zeit deutete sich die Entwicklung Bonas zu einem hoch gebildeten, schöngeistigen und an den Werten des Humanismus orientierten Barockgelehrten an.11

Am 17. Dezember 1633 empfing er die Priesterweihe und feierte zwei Tage später am Petrusaltar von S. Pudenziana, einer über einem antiken Wohnhaus in eine private Thermenanlage hineingebauten Kirche, seine Primiz.12 Wohl im zeitlichen Kontext von Priesterweihe und Primiz schrieb er für sich bereits eine geistliche Anleitung zur Feier der Messe, De sacrificio missae ­tractatus asceticus.13 Wie umfassend sich der junge Mönch qualifiziert hatte, belegt die Tatsache, dass er bereits wenige Jahre später, wohl ab 1636 in seinem Heimatkloster bei Mondovì Philosophie und Theologie lehrte.14 Sicher dürfte Bona die Professorentätigkeit seinen Fähigkeiten und Neigungen besonders entgegen gekommen sein. Aber schon 1639 musste er das Amt des Priors in Asti übernehmen. Dass er diese Aufgabe nur acht Monate wahrnahm, lässt vermuten, er habe solche administrativen Leitungsaufgaben keineswegs leidenschaftlich ausgeübt. Deshalb wird er sich wie von einer Last befreit empfunden haben, sich noch im gleichen Jahr in das Feuillantenkloster von Turin zurückziehen zu können. Hier durfte er sich wieder seinen Studien hingeben. In diesen Jahren bereitete er eine Reihe geistlicher Werke vor und sammelte zugleich Material für seine erste große liturgiewissenschaftliche Schrift Psallentis Ecclesiae harmonia. Obgleich ihn Krankheiten in seiner Schaffenskraft immer wieder behinderten, muss ihm diese Zeit wie ein Segen erschienen sein.15 Aber schon 1644 rief man ihn wieder nach Asti, um erneut als Prior dem Kloster vorzustehen. Da er zum Ende seines Priorats wiederum erkrankte, verfasste er in dieser Zeit sein sogenanntes Testamentum sive praeparatio ad mortem.16 Offenbar erholte Bona sich recht bald, denn wenig später 1647 bestellte man ihn zum Abt des Klosters S. Maria de Vicoforte.17 Man kann annehmen, dass Bona wohl nicht allein wegen seiner Gelehrsamkeit diese Ämter übertragen bekam, es dürfte auch seine Persönlichkeit gewesen sein, in der sich persönliche Bescheidenheit, Eifer im monastischen Leben, aber auch Weitsicht und Menschenkenntnis miteinander verbanden, Fähigkeiten, die ihn als einen für solche Führungsaufgaben geeigneten Mönch empfahlen.

Diese Gaben sollte Bona bald schon in den Dienst seiner Ordenskongregation stellen. Denn 1651 wurde er vom Generalkapitel zum Generalabt der italienischen Feuillanten-Kongregation18 gewählt.19 Er verließ seine heimatliche Region und siedelte nach Rom, das nach dem Konzil von Trient nun wieder eine ausgeprägtere Rolle als religiöses und administratives Zentrum der Kirche zu spielen begann.20 Unter Sixtus V. (1585-1590) war die römische Kurie zu einer effizienten und modernen Behörde ausgebaut und 1588 durch ein umfassendes System von 15 Kongregationen mit abgegrenzten Geschäfts­bereichen gegliedert worden, das die laufenden Regierungsgeschäfte erledigte.21 Die Neuordnung der Nuntiaturen22 wie die Einrichtung der regelmäßigen, verpflichtenden Besuche der Ortsbischöfe in Rom zur Berichterstattung (Visitatio ad liminia Apostolorum)23 festigten die Bedeutung Roms als Zentrum der Gesamtkirche. Dazu trugen nicht zuletzt auch die Orden bei, die nun möglichst in der Ewigen Stadt präsent sein wollten, damit ihre Leitungsgremien eng mit den kurialen Organen zusammenwirken konnten.24 Diese Entwicklungen wirkten sich schließlich auf Italien selbst aus, dessen nicht zu überwindende politische Zersplitterung durch die einheitsstiftende Funktion der Kirche gewissermaßen kompensiert wurde, auf diesem Wege aber auch zu einer fast totalen Italienisierung der römischen Kurie führte.25

So fand sich der Generalabt Giovanni Bona in einer ganz vom italienischen Barockkatholizismus geprägten Stadt wieder, die als neu erstarktes Zentrum der römischen Kirche zunehmende politische und kulturelle Bedeutung erhielt. Aus den Zeiten seines Studiums war ihm nicht nur die Stadt Rom vertraut, er traf zudem auf Persönlichkeiten wie den bereits genannten Athanasius Kircher, von denen er in jenen Jahren vielfältige geistige und geistliche Anregungen erhalten hatte. Darüber hinaus knüpfte der gelehrte Zisterzienser eine Reihe weiterer wichtiger Kontakte. Darunter sollte die Freundschaft mit Kardinal Fabio Chigi (1599-1667)26 eine besondere Rolle spielen. Der aus einer alten toskanischen Bankiersfamilie stammende Chigi strebte früh eine kuriale Karriere an. Er trat in den diplomatischen Dienst als Vizedelegat in Ferrara (1629) und Delegat auf Malta (1635).27 Als Nuntius in Köln (1639) übernahm er beim Friedenskongress in Münster die Rolle des »mediator pacis«.28 Seine kluge Vermittlungstätigkeit führte ihn im gleichen Jahr wie Bona nach Rom zurück, um 1651 das Amt des Kardinalsstaatssekretärs Innozenz´ X. (1644-1655) zu übernehmen. Dessen Nachfolger als Papst sollte Chigi 1655 unter dem Namen Alexander VII. werden. Fabio Chigi war in gewisser Hinsicht geistesverwandt mit Bona. Wie dieser interessierte er sich für antike Literatur, für Kunstgeschichte, Architektur, sammelte Münzen, Handschriften und alte Bücher, eignete sich Kenntnisse im Archivwesen an und schrieb Gedichte.29 Seine persönliche geistliche Prägung durch die Spiritualität des heiligen Franz von Sales (1567-1622)30 verband ihn ebenfalls mit Generalabt der Zisterzienser.31 Weil sich Chigis theologische Ausbildung auf relativ schmalem Fundament bewegte, blieb er Zeit seines Lebens in theologischen Fragen unsicher. Da er sich dessen selbst bewusst war, suchte er sich mit Freunden und Beratern zu umgeben, die diesen Mangel auszugleichen wussten. Zu diesem engen Kreis zählte auch Giovanni Bona, der seinerseits über Chigi mit dem bedeutenden Geschichtsschreibers des Trienter Konzils, Pietro Sforza Pallavicino (1607-1667),32 aber auch Gelehrten wie dem zum Katholizismus konvertierten Altertumsforscher Lukas Holstenius (1596-1661)33 befreundet war.

Zwar fühlte sich Bona in der Gesellschaft solcher Gelehrtenkreise sichtlich wohl und genoss die reichen Möglichkeiten zu Gespräch und Austausch, gleichwohl war er in seinem Amt als Generalabt lediglich für eine Periode von drei Jahren gewählt und gewillt, wie es die Regeln vorschreiben, dann wieder in sein Kloster zurückzukehren. Fabio Chigi aber wollte Bona gerne weiterhin in seiner Nähe wissen. Er hoffte darum, den Orden bewegen zu können, Bona ein weiteres Mal zum Generalabt zu wählen. Bona widersetzte sich diesem Ansinnen. Als auf die strenge Beachtung der Ordensregeln bedachter Mönch befürchtete er, ein solcher Eingriff in die Wahlfreiheit des Generalkapitels könne zu einem Präzedenzfall für künftige Wahlen werden. Deshalb verlegte er kurzerhand das Generalkapitel nach Genua, wo Bona sein Amt niederlegte und sich wieder in das Kloster Vico zurückzog.34

Inzwischen war Innozenz X. gestorben und Fabio Chigi hatte als Alexander VII. den Stuhl Petri bestiegen.35 Als wegen Auseinandersetzungen und drohenden Spaltungen innerhalb der italienischen Feuillanten-Kongregation der Orden den Papst bat, er möge mit päpstlicher Autorität einen Generalabt ernennen, um die Konflikte zu befrieden, erkannte Alexander einen »Königsweg«, Giovanni Bona wieder nach Rom zu holen. Der päpstlichen Ernennung 1657 mochte sich Bona nicht entziehen. Er siedelte erneut nach Rom und versah – wiederholt gewählt – bis 1665 das Amt des Generalabtes der Kongregation.36

Aber nicht nur innerhalb des Ordens war Bona tätig. Alexander VII. und dessen engster Berater und späterer Biograph, Kardinal Pallavicino, wünschten die Kenntnisse des Zisterziensers auch in der römischen Kurie zu sehen. 1660 berief der Papst Bona zum Konsultor der Kongregation für den Index der verbotenen Bücher (Index-Kongregation), sodann auf Grund seiner umfassenden liturgiegeschichtlichen Kenntnisse auch zum Konsultor der Ritenkongregation. Bald darauf nahm er diese Aufgabe auch in der Kongregation für die Verbreitung des Glaubens (Propaganda-Kongregation) und im Heiligen Offizium wahr.37

1665 gewährte ihm Papst Alexander die Erlaubnis, endgültig auf das Amt des Generalabtes zu verzichten, verknüpfte damit aber die Bedingung, weiterhin in Rom zu bleiben. Um ihm den Aufenthalt in der Ewigen Stadt zu erleichtern, ließ ihm Alexander alte Kodices und Handschriften bringen, mit denen sich Bona bekanntermaßen gerne beschäftigte und die er in ihrer ganzen Breite für seine Werke auswertete. Speziell seine liturgiegeschichtlichen Arbeiten profitierten von der reichen Aufnahme der Quellen, die Bona zu Verfügung standen. Seine Kontakte ermöglichten ihm etwa die ungemein reiche Bibliothek der zum Katholizismus konvertierten und seit 1662 in Rom lebenden Christina von Schweden zu nutzen.38 Freien Zugang hatte er auch zur Vatikanischen Bibliothek und der Bibliothek Kardinal Barberinis. In jenen Jahren intensivierte Bona seine Studientätigkeit, die ihn mit fast allen bedeutenden Gelehrten seiner Zeit in Verbindung treten ließ. Neben den genannten Kircher und Holstenius korrespondierte er mit den Maurinergelehrten Luc d´Achéry (1609-1684)39 und Jean Mabillion (1632-1707),40 den Jesuiten Gottfried Henschenius (1601-1681)41 und Daniel Papebroch (1628-1714)42, aber auch mit Enrico Noris (1631-1704) und Étienne Baluze (1630-1718),43 um nur einige zu nennen. Mit nicht wenigen von ihnen verband Bona über die Wissenschaft hinaus auch persönliche Freundschaft.

Als im Oktober 1665 der Bischof von Asti starb, wollte Karl Emmanuel II. Bona zum Bischof von Asti ernennen.44 Dies lehnte Bona aber ebenso ab, wie das kurze Zeit später ihm angetragene Bistum Assisi. Zu jener Zeit arbeitete er bereits intensiv an seiner Geschichte der Messliturgie, aber auch seine instabile Gesundheit machte ihm zu schaffen. In seinen letzten Lebensmonaten ließ Alexander VII. Bona fast jeden Tag zu sich kommen, schließlich seit März 1667 musste er gar fünf- bis sechsmal täglich zum Sterbebett des Papstes eilen, um als Beichtvater den Sterbenden auf seinen Tod am 22. Mai 1667 vorzubereiten.45 Der Nachfolger Clemens IX. (1667-1669)46 schätzte Bona ebenfalls und ernannte ihn zum Konsultor der Kongregation für das Ablass- und Reliquienwesen, die im Zuge der neuen römischen Reliquienfrömmigkeit eine nicht unbedeutende Rolle für das historische Selbstverständnis Roms und des katholischen Glaubens einnahm. Der Neuaufbruch der christlichen Archäologie in der Ewigen Stadt und das erwachte Interesse an den historischen Wissenschaften47 ließ Papst Clemens Michelangelo ­Ricci und Bona beauftragen, eine eigene Akademie zum Studium der Kirchen­geschichte einzurichten.48

Im Konsistorium vom 29. November 1669 wurde Giovanni Bona schließlich, zusammen mit sieben weiteren Männern, zum Kardinal kreiert.49 Er erhielt zunächst S. Salvatore in Lauro als Titelkirche zugewiesen. Nachdem aber die neuerbaute Kirche seines Ordens S. Bernardo alle Terme errichtet war, erhob der Papst diese zur Titelkirche und wies sie am 19. März 1670 als erstem Kardinal Bona zu.50 Der Pontifikat Clemens IX. währte nur zwei Jahre. Bereits am 20. Dezember 1669 trat das Konklave erneut zusammen. Unter den Papstwählern befand sich auch Kardinal Bona, der gar als einer der Papabili galt.51 Aus dem langwierigen Konklave ging aber schließlich Emilio Altieri als Clemens X. (1670-1676)52 hervor. Nur noch vier Jahre lebte Giovanni Bona. In dieser Zeit war es ihm nicht nur vergönnt, sein liturgiegeschichtliches Hauptwerk zu vollenden, sondern auch noch den Erfolg zu erleben, der sich in den Auflagen von 1671 bis 1674 dokumentiert.

Am 28. Oktober 1674 starb Giovanni Bona im Ruf der Heiligkeit. Seine letzte Ruhestätte fand er in seiner Titelkirche, die zugleich das Zentrum seiner monastischen Gemeinschaft in Rom war. Der schon genannte Étienne Baluze, selbst ein hervorragender Kirchenhistoriker, bezeugte die große Anerkennung, die Bona als geistlicher Schriftsteller wie vor allem als Wissenschaftler genoss, der sich intensiv mit dem Gottesdienst der Kirche beschäftigt hatte. Baluze selbst betrauerte ihn, »qui et me diligebat et meos qualescumque labores humanissimo suo suffragio comprobavit«.53

II. Giovanni Bona – der Gottesdienst seiner Zeit

Giovanni Bona lebte in einer Epoche, in der der Gottesdienst der römischen Kirche in verschiedener Hinsicht in eine neue Phase seiner Erneuerung eingetreten war. Denn im Anschluss an das Konzil von Trient (1545-1563) wurde erstmals in der Geschichte eine zentralkirchlich initiierte Reform der Liturgie in Gang gesetzt. Zugleich verbanden sich nach dem (Nordwest-)Europa verwüstenden Dreißigjährigen Krieg neue Kräfte in Architektur, bildender Kunst, Musik und ästhetischer Gestaltung mit dem liturgischen Reformprogramm und beförderten eine gewandelte qualitative Wahrnehmung des Gottesdienstes in der Barockzeit. Daran partizipierten aber nur teilweise die reichen Spielarten der Frömmigkeitspraxis der Gläubigen. Vor allem in den südeuropäischen Ländern wie Spanien und Italien standen allerdings weiterhin überkommene, vielfach aus dem Mittelalter ererbte Formen im Zentrum wie Wallfahrten, Segnungen und Heiligendevotion. Diese durchaus disparaten Entwicklungen des 17. Jahrhunderts bildeten den zeitgenössischen liturgiegeschichtlichen Hintergrund, vor dem das wissenschaftliche Werk Bonas zu sehen ist. Deshalb mag es hilfreich sein, einige markante Züge des gottesdienstlichen Lebens seiner Zeit zu skizzieren.

 

1. Römische Liturgie als Garant katholischer Einheit

Nachdem die Reformation in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts die angestauten kirchlich-religiösen Erneuerungskräfte impulsiv zum Durchbruch gebracht hatte, mit der zugleich die bestürzende Erfahrung der Kirchentrennung verbunden war, wollte das Konzil von Trient einerseits dogmatisch-theologisch die katholische Identität gegenüber den reformatorischen Lehren verteidigen, andererseits zu einer Erneuerung des kirchlichen Lebens beitragen.54 Da zudem vor allem im gottesdienstlichen Bereich unübersehbare Missbräuche zu beseitigen waren, verbanden sich auch hinsichtlich der Liturgie lehrmäßige Klärung und konkrete Reformmaßnahmen.55 Beides gehörte zwar sachlich zusammen, stand aber aus verschiedenen Gründen zumeist recht unverbunden nebeneinander.56

Vor seinem Abschluss vermochte das Konzil selbst nicht mehr eine umfassende, systematische Reform der Liturgie einschließlich der Revision der liturgischen Bücher zu leisten. So konnte es angesichts der geschwächten Ortskirchen57 nur eine einheitliche, gesamtkirchlich verbindliche Lösung geben: Niemand anderem als dem Papst wurde der Auftrag zur Reform der liturgischen Bücher übertragen. Wie sehr der Gedanke einer einheitlichen Gestalt des Gottesdienstes über den Weg einheitlicher Liturgiebücher präsent war, lässt eine Notiz im Tagebuch des Bischofs von Salamanca vom 26./27. Oktober 1563 erkennen. Er schreibt: »Man hat jetzt Deputierte ernannt, um ein reformiertes Missale und Brevier zu schaffen, was kein kleiner Vorteil wäre, angesichts der großen Verschiedenheit, die auf diesem Gebiet besteht, wo doch mehr Einheit herrschen müsste als in allen anderen Dingen...«58 Denn tatsächlich sah man einen wesentlichen Grund für die bedenklichen Fehlentwicklungen und Missbräuche in den örtlich unterschiedlichen Gepflogenheiten des spätmittelalterlichen Gottesdienstes.

Zunächst erschienen 1568 das Breviarium Romanum für die Feier der Stundenliturgie und 1570 das Missale Romanum für die Feier der Eucharistie.59 Zwar war den Diözesen und Orden mit einer wenigstens zweihundertjährigen liturgischen Eigentradition die Übernahme dieser Bücher nicht verpflichtend vorgeschrieben, dennoch verband sich mit den römischen Ausgaben der grundsätzliche Anspruch, die Feier des Gottesdienstes in der lateinischen Kirche weltweit einheitlich zu regeln. Tatsächlich hat sich die Übernahme der mit den römischen Büchern verbundenen Form der Liturgie in einem zeitlich und lokal höchst unterschiedlichen Prozess gestaltet.60 Dabei übernahm die 1588 neu geschaffene römische Ritenkongregation die Aufgabe, die Einhaltung der vorgeschriebenen liturgischen Ordnungen und damit die Geltung der römischen Bücher zu überwachen.61

Auch im Zisterzienserorden musste um den Fortbestand der ordenseigenen, weitgehend seit dem Ende des 12. Jahrhunderts kodifizierten Liturgie gerungen werden.62 In diese Auseinandersetzungen war Giovanni Bona nicht zuletzt als Konsultor der Ritenkongregation involviert. Vor allem die Klöster, die in der Seelsorge tätig waren, das galt insbesondere für die Klöster der italienischen Feuillanten-Kongregation, empfanden einen großen Druck, die nachtridentinischen Liturgiebücher zu übernehmen. Sie galten nicht nur als besser geordnet und in buchtechnischer Hinsicht geradezu als »modern«, in ihnen dokumentierte sich vor allem der Wille, mittels einer einheitlich geregelten Liturgie die Einheit der römischen, unter der Leitung des Papstes stehenden Kirche zum Ausdruck zu bringen. Dem Vorbild der vereinheitlichenden römischen Liturgie mochten deshalb gerade die Mönche in Italien folgen. Insofern kam der Feuillanten-Kongregation eine gewisse Vorreiterrolle zu. Sie übernahm bereits 1611 das von Papst Paul V. (1605-1621) für die Benediktiner approbierte Breviarum Romanum Monasticum. Um jegliche subjektive Überwucherungen in der Messliturgie zu überwinden, bestimmte das Generalkapitel dann wenig später, 1618, nun auch anstelle des Zisterzienserritus sich nach der römischen Messordnung zu richten.63

Auf Verlangen des Generalkapitels sollte dann unter Generalabt Claude Vaussin (1645-1670) die ordenseigene Liturgie einer umfassenden Reform unterzogen werden. Dabei standen Vertreter der überlieferten ordenseigenen Gepflogenheiten jenen gegenüber, die sich für die Annahme der nachtridentinischen Liturgie stark machten. Vor allem als 1656 das erneuerte Zisterzienserbrevier erschien, rief es lautstarken Protest der Verfechter der römischen Liturgie hervor. Und diese fanden in Giovanni Bona einen machtvollen Verbündeten. Denn auch Bona war, inzwischen längst in die römische Gesellschaft und Kultur integriert, zutiefst davon überzeugt, dass die nach den neuen römischen Büchern geregelte Liturgie am wirkungsvollsten zu einer Konsolidierung und Vereinheitlichung des kirchlichen Lebens unter der Führung des römischen Papstes beitragen würde. Tatsächlich führten die persönliche Autorität und der große Einfluss Bonas zu einem Dekret der Ritenkongregation, das die Reform Vaussins außer Kraft setzte und dem ganzen Orden den Gebrauch des auf der Grundlage des römischen Breviers erstellten Breviarium Romanum Monasticum vorschrieb. Es ist wohl dem Druck des Ordensprokurators in Rom, Hilarius Rancati, wie der Klugheit des Generalabtes Vaussin zu verdanken, dass dieses Dekret stillschweigend in der Schublade versank und der Orden seine Eigenliturgie nicht aufgeben musste, sondern nach langem Ringen zu einer Kompromisslösung fand. So bestätigte Papst Alexander VII. 1666 in seiner Bulle In suprema das erneuerte Zisterzienserbrevier, das seinen Kompromisscharakter bereits in seinem Titel anzeigt: Breviarium cisterciense juxta Romanum (1656). Es enthielt zwar Elemente des römischen Breviers, konnte aber dennoch Vieles aus der ordenseigenen Tradition des Stundengebets bewahren.64 Ähnliches gilt für die Ausgabe des Missale cisterciense juxta novissimam Romani recognitam correctionem (1657).65 Allerdings blieben die Feuillanten-Kongregation und die italienischen Zisterzienser bei den bereits eingeführten römischen Büchern.

 

2. Barockliturgie und katholische Alltagsfrömmigkeit

Mit der Sorge um eine einheitliche Liturgie ging allerdings auch die Tendenz einher, bis in die äußere zeremonielle Gestalt alles genau festzulegen. Die kleinteiligen Beschreibungen der gottesdienstlichen Ordnungen und ihre detaillierten Rubriken bestimmten fortan das liturgische Leben – und zwar dessen konkrete Feiergestalt ebenso wie seine Ausdeutung und seine Vermittlung an den Klerus. Dass der genannten Ritenkongregation die Aufgabe zugewiesen war, in Zweifelsfällen über die rechte Auslegung der Rubriken zu entscheiden,66 zeigt bereits an, welche Rolle nun mehr und mehr dem äußeren Handlungsablauf zugemessen wurde. Dabei kann allerdings nicht übersehen werden, dass der Zug zu einer sich verfestigenden, schließlich weithin juridisch-rubrikalen Sicht der Liturgie in einem größeren Horizont stand. Denn der Wunsch nach einheitlichen und verbindlich festgelegten Zeremonien verband sich mit einem Lebensgefühl des 17. Jahrhunderts, das von »Zeremoniell« und »Etikette« bestimmt war,67 aber eben genau in der darin festgelegten Formen- und Zeichensprache seine je eigene Gestimmtheit, die sich oftmals in schroffen Gegensätzen äußern konnte, unterzubringen wusste.68 Denn als Repräsentation der göttlichen Weltordnung vermochte gerade das Zeremoniell die Widersprüchlichkeit menschlicher Empfindungen zu kanalisieren und lebbar zu machen.69

Es wäre deshalb zu kurz gegriffen, die Liturgie jener Epoche fast ausschließlich von der in den nachtridentinischen römischen Liturgiebüchern fixierten Gestalt des Gottesdienstes und seines zumindest intentionalen universalkirchlichen Anspruchs bestimmt sehen zu wollen. Dass Liturgie nicht verkürzend mit dem liturgischen Textgut und dem in den Büchern Niedergelegten identifiziert werden darf, belegt vor allem die Entwicklung in der Zeit des Barocks. Gerade diese Epoche lässt erkennen, weshalb die Liturgiegeschichte nach Trient nicht mehr summarisch als eine Zeit der Rubrizistik und der ehernen Einheitsliturgie beschrieben werden kann.70 Denn die Barockzeit verstand es nicht nur, der nachtridentinischen römisch-katholischen Liturgie ein phänotypisch eigenes Gesicht zu geben, sie hat auch mit ihrem umfassenden Gestaltungswillen höchst innovativ auf die sinnenbezogenen Dimensionen der Liturgie eingewirkt und deren materiellen Elemente nachhaltig geformt.71

Dies zeigt sich neben der barocken Kirchenmusik72 vor allem im barocken Kirchenraum. Er bot die angemessene Bühne für die Inszenierung des Gottesdienstes der katholischen Reform. Wie kunsthistorische Studien erwiesen haben, kann das Raum- und Ausstattungsprogramm der Barockkirche vornehmlich von ihrer Funktion als Ort szenisch-dramatischer Liturgie beschrieben werden.73 Die Anlage mit »Bühne« und »Zuschauerraum«, getrennt durch den mit Vorhangdraperien ausgestatteten Chorbogen, das Kulissenprinzip der Wandpfeilerkirche, die Ranglogenanordnung (Parterre, Logenränge), all dies sollte die Kirche als ein »der Christlichen Andacht [...] wolverordnetes Amphi-Theatrum«74 erscheinen lassen, bei dem das »Publikum« das Spiel Gottes und der Heiligen in Fresken und Altären, aber auch im zeremoniellen Vollzug betrachteten.

Im Mittelpunkt stand nunmehr der frei sichtbare Hochaltar. Er diente als Schaubühne für das erhabenste, vom Tridentinum nachdrücklich gegen die reformatorischen Ansichten verteidigte Glaubensgeheimnis, die reale Gegenwart Christi in der Gestalt des Eucharistischen Brotes.75 Der Tabernakel als dauernder Aufbewahrungsort für das Eucharistische Brot rückte nun architektonisch in den Mittelpunkt des ganzen, ins Monumentale gesteigerten, mit dreidimensionalen kulissenhaften Architekturen aus Marmor, farbig gefasstem Holz oder Stuckmarmor gestalteten Altaraufbaus und wurde mit einem Thron zur Aussetzung des Altarssakrament verbunden.76 Mittels Hebebühnen und Kulissen sowie durch ausgefeilte Formen der Ver- und Enthüllung und einer diffizilen Lichtregie wurde, gleich dem profanen Theater, die Epiphanie des Sakralen über technisch reproduzierbare Effekte für die Zuschauer erlebbar.77 Wechselnde Retabelbilder, Figuren, Gewölbeöffnungen und -ausmalungen sprachen die Sinne der Menschen jener Zeit ebenso an wie die prachtvollen liturgischen Gewänder, Gefäße und Geräte. Die den ganzen Raum einbeziehende Choreographie der Prozessionen und Züge durch den Klerus, der Duft des Weihrauchs und der Kerzen verbanden sich mit dem Gesang der Chöre und der Musik von Orgel und Orchester. Neben der Ausrichtung der am Hochaltar zelebrierten Messe und der Eucharistischen Anbetung boten auch die Seitenaltäre, die Kanzel und der Beichtstuhl Orte gottesdienstlicher Inszenierung.78 Selbst die Emporen und das Gewölbe waren einbezogen in die dramatischen Darstellungsformen gottesdienstlicher Feiern im Kirchenjahr.79

Auf diese Weise diente die barocke Inszenierung des katholischen Gottesdienstes und der darin stattfindenden Liturgie der Wiederherstellung des kirchlich-katholischen Glaubens. Sie wollte durch ihre Gestalt aber nicht nur die Überlegenheit der römischen Kirche gegenüber den Reformatoren und ihren Ideen demonstrieren und die katholischen Glaubenswahrheiten sinnenreich erfahrbar machen, sie reagierte auch in beeindruckender Weise auf das barocke Lebensgefühl und stand damit durchaus überzeugend auf der Höhe der Zeit und ihrer künstlerischen Ausdrucksformen.80 All dies zeigt bereits das Bemühen zur Zeit Giovanni Bonas an, den Gottesdienst in seiner von den nachtridentinischen römischen Liturgiebüchern beschriebenen Gestalt mit einer hoch artifiziellen, äußerst kreativen Inszenierungskraft zu durchdringen, die dem Zeitgeist zutiefst entsprach. Wenngleich manche liturgie- und kirchenhistorischen Entwicklungen in Italien eigene Wege gingen, darf für das päpstliche Rom des 17. Jahrhunderts gelten, dass der barockzeitliche Gottesdienst wesentlich die religiöse Kunst und Kultur bestimmte und mit seiner dramatisch-ekstatischen Sinnenhaftigkeit auf das Verständnis und die Wahrnehmung der Liturgie vornehmlich im Klerus Einfluss nahm.

Dies darf freilich nicht zu der Annahme verleiten, die meisten Kleriker und erst recht die Masse der Gläubigen habe beständig mit diesen Hochformen der Barockliturgie gelebt. Die tägliche Messzelebration diente vielen Priestern in Italien vorrangig als Lebensverdienst, sie im Sinne der seelsorglichen Pflicht und als Anzeichen für eine klerikale »devotio« zu verstehen, dürfte sich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts allmählich durchgesetzt haben.81 Darüber hinaus blieb es in der Alltagsreligiosität weithin – auch in Folge der in Italien nur halbherzig durchgeführten Reformmaßnahmen nach Trient82 – bei den aus dem Mittelalter ererbten Vorstellungen, die nun freilich im Signum konfessionellen Bekenntnisses erschienen.83 Die Messe diente weiterhin vor allem dem Seelenheil der Verstorbenen und wurde meist in kurzer Zeit persolviert,84 gegenüber der jährlichen Pflichtkommunion stand die weitaus populärere Verehrung der Eucharistie in Anbetung (vierzigstündiges Gebet) und Sakramentsprozessionen,85 das religiöse Leben war durch die Bruderschaften und Kongregationen reglementiert und geordnet,86 eine Vielzahl materieller Sakramentalien kam dem ungebrochenen Segensverlangen entgegen,87 die Heiligen- und Reliquienverehrung,88 Wallfahrten und Prozessionen,89 Andachten und Rosenkranzgebet90 beherrschten auf weite Strecken die allgemeine Frömmigkeitspraxis.91

 

Diese »gelebte« Religiosität von Laien und Klerus dürfte entscheidend das Bild der Frömmigkeit im Barockzeitalter mitbestimmt haben. Sie zeigt die spannungsreiche Situation des gottesdienstlichen Lebens zur Zeit Giovanni Bonas auf. Zwischen päpstlicher Hochliturgie in barocker Repräsentations- und Inszenierungskunst und volksreligiösen Praktiken peripherer Frömmigkeitsmotive entfaltete sich der zeitgenössische Horizont, auf dem Bona sich in seinen Werken mit der Stundengebet und Messe auseinandersetzte und mittels seines wissenschaftlichen Zugangs einen neuen, tragfähigen Grund für des Gottesdienst der Kirche suchte.

III. Giovanni Bona – sein Beitrag zur Liturgiewissenschaft

Zwar ist die »Liturgik«,92 lange Zeit zunächst noch im Sinne einer »Hilfswissenschaft« verstanden,93 oder besser die »Liturgiewissenschaft«94 als eine eigenständige Disziplin erst durch die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zu einem Hauptfach ( »disciplina principalis«) an den Theologischen Fakultäten erhoben worden,95 um den Gottesdienst der Kirche umfassend, das heißt »unter theologischem und historischem wie auch unter geistlichem, seelsorglichem und rechtlichem Gesichtspunkt zu behandeln«.96 Dieser Aufwertung des Faches entsprach die lehramtliche Neugewichtung der Liturgie als »der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt«.97 Dennoch ist die Geschichte der Liturgiewissenschaft und erst recht die Geschichte der Reflexion des christlichen Gottesdienstes bedeutend älter.98 In der langen, in ersten Spuren der Auseinandersetzung um Gebet, Kult und Gottesdienst schon auf die Schriften des Alten und Neuen Testamentes zurückreichenden Wissenschaftsgeschichte nimmt Giovanni Bona einen eigenen Platz ein. Dabei führte er in seiner Zeit produktiv fort, was an Grundlagen des Nachdenkens über die Liturgie vor ihm geschaffen worden war, und vermittelte damit einen wichtigen Impuls für die spätere Fortentwicklung der Disziplin »Liturgiewissenschaft«.

 

1. Giovanni Bona in der Geschichte der Liturgiewissenschaft

Neben den genannten frühen Ansätzen in biblisch-apostolischer Zeit setzte eine explizite Reflexion der Liturgie dort ein, wo diese verstärkt als Objekt theologischer Durchdringung in Erscheinung trat. Dies geschah in den ersten christlichen Jahrhunderten etwa mittels Katechesen und Predigten im Umfeld der christlichen Initiation. Vor allem in den postbaptismalen Katechesen wurden den Neuinitiierten die Feier von Taufe und Eucharistie symbolisch gedeutet und mystagogisch erschlossen, um das Erlebte zur gottesdienstlich-spirituellen Erfahrung werden zu lassen.99 Hier stand also eine ganz auf die gefeierte Liturgie bezogene theologische Deutung und geistliche Erschließung im Mittelpunkt der Reflexion und verband Theologie und Doxologie eng miteinander.100

Als aber die aus der Kultur des Mittelmeerraums erwachsene Liturgie in völlig anders verfasste Kulturräume trat, stellte sich mit Dringlichkeit die Aufgabe, die fremdartig empfundene Liturgie ausführlich zu erklären. Im abendländischen Mittelalter griff man dazu auf eine hermeneutische Methode zurück, die bislang für die Bibelauslegung angewandt wurde, die Allegorese. Amalar von Metz (775-850/853) machte mit seinem Hauptwerk Liber officialis diese Form der Liturgieerklärung im Westen heimisch.101 Dabei unterlegte man den Worten und rituellen Handlungen, dem Kirchenraum mit seiner Ausstattung, den handelnden Klerikern samt den gottesdienstlichen Gewändern und Geräten einen tieferen Sinn, indem jedes Detail mit Szenen aus dem Leben und der Passion Christi in Verbindung gebracht wurde.102 So konnte etwa der Kelch das Grab Christi bedeuten, die Patene den Stein vor dem Grab, das Korporale das Leichentuch Christi, das fünffache Kreuzzeichen des Priesters über Brot und Wein hinweisen auf die fünf Wunden des Gekreuzigten; die Kommunion durch den Priester konnte als Grablegung Christi und der Segen am Ende der Messe als Segen des Auferstandenen vor seiner Himmelfahrt interpretiert werden. Diese Methode der allegorischen Liturgieerklärung ermöglichte zwar der vor allem visuell wahrnehmbaren Außensteite des Gottesdienstes eine vertiefte christologische Deutung zu verleihen. Aber dabei ging es nicht eigentlich um die Liturgie als heilschaffende Vergegenwärtigung des Christusmysteriums, vielmehr bot die Liturgie in ihren Einzelheiten und »Medien« jeweils Anlässe, um sich in das Leben und Sterben Jesu zu versenken und daraus Konsequenzen für das eigene Leben zu ziehen.103 Trotz kritischer Stimmen machte diese Form der Liturgiedeutung in den folgenden Jahrhunderten Schule. Auf Amalar aufbauend entwickelten etwa Rupert von Deutz (1075/76-1129), Honorius Augustodunensis (vor 1080-1150/60),104 Johannes Beleth (um 1108-1183)105 und Sicard von Cremona (1150/55-1215)106 die Methode der Allegorese weiter und suchten alle Bereiche des liturgischen Lebens in dieser Weise zu erfassen. Bleibende, weil wirkungsgeschichtlich weitreichende Bedeutung hatte schließlich das wie eine Synthese zusammenfassende Handbuch des Wilhelm Durandus d.Ä. (1230/31-1296), das Rationale divinorum officiorum,107 das für die Sicht und Deutung des Gottesdienstes faktisch bis in das 19./ 20. Jahrhundert bestimmend bleiben sollte.108 Auch zu Bonas Zeit war es weithin selbstverständlich, Kleriker gemäß der allegorischen Erklärung mit dem Gottesdienst vertraut zu machen und auf diese Weise den Gläubigen – wenn dies überhaupt geschah – die Messe oder besser deren sinnlich wahrnehmbare Personen und Handlungen zu erklären.

Ein neuer Ansatz wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Gottesdienst der Kirche verband sich dann mit dem Humanismus als Erneuerung der antiken Bildung und den Bestrebungen der katholischen Reform und Gegenreformation. Beiden Bewegungen lagen allerdings unterschiedliche Motive für ihre Beschäftigung mit der Liturgie zugrunde, auch wenn diese sich dann miteinander verbinden sollten. So fand der Humanismus durch die Wiederentdeckung der Antike auch theologisch zurück zu den antiken Quellen des Glaubens, zur Bibel und zu den Schriften der Kirchenväter. Zugleich schärfte die neue Hinwendung zur Geschichte das historische Bewusstsein und schuf erste wissenschaftstheoretische Grundlagen, um auf der Basis philologischer Methoden kritische Textausgaben zu erarbeiten, die durch die neuen Möglichkeiten des Buchdrucks relativ leicht publiziert werden konnten und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Quellen beförderten.109 Andererseits waren katholische Reform und Gegenreformation zur sachgerechten Verteidigung des alten Glaubens auf objektiv-wissenschaftliche Argumente angewiesen. Deshalb war das Bestreben verständlich, durch eine verbesserte Erklärung der Liturgie kontroverstheologisch an Überzeugungskraft zu gewinnen. Außerdem wollte man die Autorität der eigenen Liturgie durch den Hinweis auf historische Zeugnisse unterstreichen und sichern.

Aus dem Bildungsimpuls des Humanismus mit seinem Interesse an alten Quellen, an Sprache und Textkritik entwickelte sich auch eine für die Liturgiewissenschaft bedeutende philologische Tradition, die eine Vielzahl von Quelleneditionen und Kommentaren zur Liturgie herausbrachte, die zum Teil bis in die Gegenwart Bedeutung besitzen. Große editorische Werke wurden in Angriff genommen. Melchior Hittorp (1525-1584) stellte mit De catholicae ecclesiae divinis officiis ac ministeriis (1568) ein reichhaltiges Korpus von liturgischen Quellen und Traktaten aus kölnischen Handschriften und Drucken zusammen,110 und Jacobus Pamelius (1536-1587) veröffentlichte eine Vielzahl patristischer und liturgischer Werke, darunter u.a. den Micrologus des Bernold von Konstanz.111 Vor allem die Vertreter der französischen Benediktiner-Kongregation von Saint-Maur widmeten sich intensiv der Wissenschaft. Hier sind vor allem Nicolas-Hugues Ménard (1585-1644)112 und der bereits erwähnten Jean Mabillon zu nennen, die umfangreiche Editionen von Sakramentaren, römischen Ordines und Quellen der altgallischen Liturgie erstellten, auf die, soweit sie schon erschienen waren, auch Bona zurückgriff. Ähnliches hat Edmond Martène (1654-1739) geschaffen, dessen ordens- und liturgiegeschichtlichen Quellensammlungen, vor allem De antiquis monachorum ritibus (Lyon 1690) und De antiquis Ecclesiae ritibus (Rouen 1700-1702, Antwerpen 1736-1738) bis in die Gegenwart Bedeutung besitzen.113 Auf der damit geschaffenen breiteren Quellenbasis konnten nun auch weitere Werke zur Liturgiegeschichte entstehen. So publizierte Jean-Étienne Duranti (1534-1589) seine Liturgieerklärung mit dem Titel De ritibus Ecclesiae catholicae libri tres (Rom 1591, Köln 1592 u.ö.), die für das 16. und 17. Jahrhundert bestimmend blieb.114

In diese Tradition liturgiewissenschaftlicher, an den Quellen orientierter, historisch-kritischer Arbeit, eine Zeit der »Blüte der Liturgiewissenschaft«,115 gehört auch Giovanni Bona. Er war bestens mit den ihm zu seiner Zeit zugänglichen liturgischen Quellen in Form von Handschriften und ersten Editionen vertraut, kannte aber ebenso die Kirchenväter und wusste um die aus der Patristik gespeiste Theologie seines Ordensbruders Bernhard von Clairvaux. Insofern brachte er eine zu seiner Zeit kaum anzutreffende Breite historischen und theologischen Wissens mit, das ihm wiederum ein nüchternes wie kritisches Urteil ermöglichte. Somit standen Bona Mittel zu Gebote, die ihn prädestinierten, sich mit der Geschichte und Theologie des Gottesdienstes in einer wissenschaftlich tragfähigen Weise auseinanderzusetzen, die nicht bei allegorischen Deutungen und scholastischen Beweisführungen stehen bleiben sollte. Denn im Gegensatz zu vielen Schriftstellern seiner Zeit, die über die Messe und andere Formen von Gebet und Gottesdienst publizierten und sich dabei mit aszetischen Gedanken begnügten, ging es Bona um eine breite Durchdringung der Liturgie. Dabei verbanden sich historische Entwicklung, theologische Reflexion und spirituelle Anregung so miteinander, dass die Liturgie eine große synthetische Darstellung erfuhr. Bonas Anliegen galt dabei keineswegs der Befriedigung wissenschaftlicher Neugier. Seine Arbeit sah er vielmehr als einen Dienst an der Kirche und ihrer Liturgie, deren Ursprünge wieder neu zum Leuchten gebracht werden sollten.116 Auch wenn Bona damit nicht einfach hin einer Reform der Liturgie das Wort reden wollte, so war es ihm doch darum zu tun, zwischen den kunstvollen bis gekünstelten Formen der Barockliturgie und der an den Rändern der Frömmigkeit sich aufhaltenden Alltagsreligiösität zu einer Erneuerung des kirchlichen Lebens aus dem Gottesdienst beizutragen.

Mit seinem historisch-theologischen Ansatz, zum Verstehen der Liturgie beizutragen, hat Bona sicher keinen völlig neuen Weg eröffnet. Aber er hat ihn in einer Konsequenz beschritten, die für die folgenden Jahrhunderte wissenschaftlicher Bemühungen um den Gottesdienst der Kirche vorbildlich werden sollte. Hinter den von ihm gesetzten Maßstab, freilich gemäß den Bedingungen des 17. Jahrhunderts, konnte die Liturgiewissenschaft nicht mehr zurückfallen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es darum durchaus berechtigt, in Giovanni Bona einen »Pionier der Liturgiewissenschaft«117 zu sehen oder in ihm gar einen der »Begründer der modernen Liturgiewissenschaft«118 zu erblicken.

 

2. Das liturgiewissenschaftliche Werk Giovanni Bonas

Bona war, wie erwähnt, nicht ein allein auf die Liturgie spezialisierter Schriftsteller. Er hat eine Vielzahl von Schriften geistlich-aszetischen Inhalts verfasst, unter denen neben den schon genannten Werken besonders hervorzuheben sind die Manuductio ad coelum (Rom 1658), die in vielen Auflagen bis ins 20. Jahrhundert erschien und oft mit der Nachfolge Christi des Thomas a Kempis verglichen wurde,119 die Principia et documenta vitae christianae (Rom 1674), in der Bona vor allem augustinisches Gedankengut verarbeitet hat,120 das Horologium asceticum (Paris 1676), in dem Bona Ratschläge zur christlichen Tagesgestaltung erteilt,121 der De discretione spirituum liber unus (Rom 1672), eine reiche Quellensammlung für die Hand der Beichtväter und geistlichen Begleiter, um die spirituellen Erfahrungen der Menschen einordnen zu können122, und schließlich der Hortus caelestium deliciarum, der erstmals 1918 veröffentlicht wurde.123

Trotz der großen Wirkungsgeschichte seiner aszetischen Schriften dürften aber sicher vornehmlich die liturgiewissenschaftlichen Werke den Ruhm Bonas begründet haben.124 Dabei handelt es sich in erster Linie um die beiden großen Studien zum Stundengebet und zur Messe. Zwar gehört seine schon erwähnte Schrift über das Messopfer zu den geistlichen Traktaten, weil es aber in der Sache die Liturgie berührt, sei es hier kurz vorgestellt.

 

De sacrificio missae tractatus asceticus, continens praxim attente, devote et reverenter celebrandi125

Die kleine Schrift ist wie erwähnt im Umkreis der Priesterweihe und Primiz von Giovanni Bona entstanden und richtet sich gemäß dem Vorwort an die Priester. Ihnen will der Traktat dienen und sie, wie der Untertitel zu erkennen gibt, zu einer aufmerksamen, andächtigen und ehrfürchtigen Praxis der Messfeier anleiten. Angesichts der zeitgenössischen Praxis nicht weniger Priester, die tägliche Messe in einer Viertelstunde abzuspulen, warb Bona mit seinem Traktat für eine vorbildliche, im Sinn der Katholischen Reform angezielte, würdige Messzelebration.126 Inhaltlich verbleibt die Schrift dabei weitgehend in der zu jener Zeit üblichen Darstellung. Bona gliedert sie in sieben Kapitel:

Kapitel I handelt vom Wert und von den geistlichen Früchten des Messopfers,

Kapitel II nennt die notwendigen inneren Erfordernisse für eine fruchtbare Messzelebration,

Kapitel III spricht von der weiteren Vorbereitung,

Kapitel IV von der näheren Vorbereitung auf die Feier der Messe, einschließlich verschiedener Formulare für die Vorbereitungsgebete,

Kapitel V nimmt den Verlauf der Messfeier auf und erläutert den Dienst des Priesters bei den einzelnen Elementen der Feier,

Kapitel VI spricht über die der Messe folgenden Handlungen,

Kapitel VII rechnet realistisch damit, dass nicht jeder Priester immer genügend Zeit zur Vorbereitung und Danksagung aufbringen kann, weshalb hier eine knappe Zusammenfassung des Werkes gegeben wird.

Beigegeben sind im Anhang weitere Gebete und Betrachtungstexte.

 

Psallentis Ecclesiae harmonia, Tractatus historicus, symbolicus, asceticus de divina psalmodia eiusque causis, mysteriis et disciplina, deque variis ritibus omnium Ecclesiarum in psallendis divinis officiis

 

Dieses Werk, während Bonas Zeit in Turin Anfang der 1640er Jahre entstanden, erschien erstmals in Rom 1653.127 Wie Bona in einem Brief an den Generalabt der Mauriner-Kongregation vom 12. Juni 1662 erklärt, habe er die Schrift erweitert und ihr den Titel De divina psalmodia gegeben.128 Unter diesem Titel ist denn auch das Buch bekannt geworden und in verschiedenen Auflagen (Paris 1663, 1672, Köln 1676) herausgekommen. Wiederum gibt der Untertitel Hinweise auf den Inhalt des Werkes, das das Stundengebet unter sehr unterschiedlichen Aspekten behandeln will. Recht unverbunden stehen historische Darlegungen, traditionell allegorische Deutungen und geistlich-aszetische Erwägungen nebeneinander. Darüber hinaus werden verschiedene Riten des Stundengebets in Ost- und Westkirche behandelt.

In zwanzig Kapiteln stellt Bona sein Material dar:

Kapitel I: Alter und Erhabenheit des Psalmengebets

Kapitel II: Gründe für die Entstehung fester Gebetszeiten zum Gotteslob

Kapitel III: Einteilung des Tages- und Nachtoffiziums

Kapitel IV-XI: Die kleinen Horen

Kapitel XII: Das Marienoffizium

Kapitel XIII: Das Totenoffizium

Kapitel XIV: Die Bußpsalmen und Litaneien

Kapitel XV: Die Gradualpsalmen

Kapitel XVI: Zwanzig Paragraphen über die Teile des Breviers

Kapitel XVII: Der Gesang

Kapitel XVIII: Das Stundengebet in den verschiedenen Riten

Kapitel XIX: Der Vollzug des Stundengebets: Vorbereitung, Riten, geistliche Haltungen während des Offiziums

Kapitel XX: Die Heiligen, die das Breviergebet besonders geschätzt haben.

Mit diesem Werk hat Giovanni Bona erstmals eine umfang- und materialreiche Studie zum Stundengebet vorgelegt, die schon allein aus diesem Grund weite Beachtung gefunden hat.129 Als zentrales Anliegen war es Bona darum zu tun, den Betern im Chor, er dachte dabei vorrangig an seine Ordensbrüder, wie dem Einzelbeter des »Breviers«130 eine Hilfe an die Hand zu geben, um das Officium (divinum), wie das Stundengebet zu seiner Zeit üblicherweise genannt wurde, mit Verstand, Aufmerksamkeit und Ehrfrucht vollziehen zu können. Das mag erklären, weshalb die Darlegungen stärker von symbolisch-allegorischen Deutungen und geistlichen Betrachtungen beherrscht sind, wogegen die historischen Anmerkungen eher in den Hintergrund treten. Der damit verbundene, etwas weitschweifige Stil und die mangelnde Stringenz in Anlage und Durchführung der Kapitel konnten darum den an der Geschichte interessierten Wissenschaftler Dumaine nicht recht befriedigen.131 Gleichwohl ist das Buch auf positive Resonanz gestoßen. Kein Geringerer als Edmond Martène rühmt Bonas Werk als einen »singularis et aureus tractatus.«132 Tatsächlich baute Martène auf Bonas Studie auf und führte sie in seinem Tractatus de antiqua Ecclesiae disciplina in divinis celebrandis officiis (Lyon 1706) weiter. Damit sollten die Arbeiten Bonas und Martènes bis in das 18. und 19. Jahrhundert die »klassischen« Werke zum Stundengebet der Kirche bleiben.133

 

Rerum liturgicarum libri duo

Mit Psallentis Ecclesiae harmonia hatte Bona eine erste monographische Studie zu einem zentralen Bereich des liturgischen Lebens vorgelegt. Trotz der genannten Mängel im Einzelnen stieß das Buch insgesamt auf vielfaches Interesse und breite Zustimmung. Den Erfolg nahm kein Geringerer als Kardinal Pietro Sforza Pallavicino, der enge Vertraute Papst Alexanders VII., zum Anlass, seinen Freund zu bitten, ein vergleichbares Werk nun auch über die Messliturgie zu verfassen. Es spricht für den Realismus und die Sachkenntnis Bonas, dass er vor einem solchen Unterfangen zunächst zurückschreckte. Er wusste nur zu genau, welche umfangreichen und zeitraubenden Studien nötig sein würden, um die äußerst diffizile Materie zu durchdringen und sachgemäß darzulegen. Zudem fürchtete Bona auch die Kritik seitens jener Gelehrten seiner Zeit, die sich ebenfalls historischen und liturgischen Studien hingaben. Aber offenbar müssen Pallavicino wie weitere Freunde Bona derart bedrängt haben, dass dieser sich nicht mehr verweigern konnte und wollte. 1664 begann er mit der Arbeit an seinem Werk über die Messe. Nach sieben Jahren, unterbrochen durch Krankheit und die Erhebung zum Kardinal, konnten die Rerum liturgicarum libri duo 1671 in Rom gedruckt erscheinen.134 Wie bei anderen Büchern Bonas folgten auch hier schnell weitere Auflagen, so 1672 in Paris und 1674 in Köln; eine erweitere Ausgabe erschien schließlich 1677 zeitgleich in Paris und Brüssel und 1678 abermals in Paris.135 Bonas Ordensbruder Roberto Sala hat schließlich im 18. Jahrhundert eine dreibändige, ausführlich kommentierte Neuausgabe vorgelegt, die deutlich ergänzt und um die seither gewachsenen neuen Kenntnisse erweitert wurde (Turin 1747-1753).136

Das erste Buch enthält in 25 Kapiteln die allgemeinen Grundlagen zur Geschichte der Messe.

Kapitel I-III: Entstehung und Bedeutung des Begriffs »missa« sowie weitere Bezeichnungen für die Messfeier

Kapitel IV-VII: Ursprung der Messe und frühe Zeugnisse

Kapitel VIII-XII: Übersicht über die verschiedenen Riten der Messe in Ost (v.a. Basilius- und Chrysostomusliturgie) und West (ambrosianischer, altspanischer und altgallischer Messritus)

Kapitel XIII-XVIII: Übersicht über die verschiedenen Formen der Messe (missa solemnis, missa privata, missa votiva, missa praesanctificatorum u.a.)

Kapitel XIX-XX: Die Kirchen und Altäre

Kapitel XXI-XXII: Eucharistische Nüchternheit, Glocken

Kapitel XXIII: Das für die Messfeier gebrauchte Brot

Kapitel XXIV: Die liturgische Gewandung

Kapitel XXV: Die Zurüstung des Altars, die Aufgaben von Diakon, Subdiakon und niederen Diensten, der Gesang in der Messe.

Das zweite Buch bietet dann eine minutiöse historische Darlegung der einzelnen Elemente der Messe, von den Vorbereitungsakten (Akzess) des Priesters bis zur Danksagung nach der Messe (Rezess). Im Anhang beigefügt ist die sogenannte »Missa Illyrica«, eine um 1030 in Minden entstandene, 1557 von dem Lutheraner Flacius Illyricus 1557 publizierte Sammlung von Apologie-Gebeten, die den Gang der Messe begleiten bzw. unterbrechen.137

Aus der Vorrede geht nicht nur hervor, welche Mühe Bona dieses Werkes gekosten haben muss, sie belegt auch, wie gewissenhaft und genau der Autor bei der Arbeit vorgegangen ist. Denn im Gegensatz zu seinem Buch über das Stundengebet konzentrierte sich Bona hier ganz auf die geschichtliche Entwicklung der Messe. Ausdrücklich erklärt er: »Einen Teil über das Streben nach Vollkommenheit habe ich [schon] früher in einem gesondert erschienenen Werk vorgelegt.138 Eine Erklärung der Glaubenswahrheiten kann man von mehreren erhalten, die sehr ausführlich darüber geschrieben haben. Von scholastischen Erörterungen voll sind gewaltige Bände der Theologen. Zu streiten überlasse ich denen, die die Messe vor den Ränken der Irrlehrer schützen.«139 Deshalb ist es sein erklärtes Anliegen, nicht über die Grenzen der historischen Quellen hinauszugehen, um darzustellen, »mit welchen Worten, mit welchem Ritus, an welchem Platz, zu welcher Stunde, mit welchen Gegenständen, in welcher Sprache die Messe einst gefeiert wurde, ob es einen gemeinsamen oder unterschiedlichen Brauch für alle Kirchen gegeben hat, wann, auf welche Weise und von wem einige Dinge hinzugefügt und verändert worden sind«.140

Tatsächlich kann man sagen, dass Bona damit ein Werk vorgelegt hat, das erstmals in historisch-kritischer Weise die Geschichte der Messe darstellt. Jegliche dogmatisch-systematische Erläuterung, jegliche allegorische Deutung und – zu seiner Zeit keineswegs selbstverständlich – jegliche polemische Auseinandersetzung mit häretischen Ansichten vermeidet Bona zugunsten einer wissenschaftlich-objektiven Darlegung. Durch seine immense Kenntnis liturgischer Handschriften und Inkunabeln, die er, wie geschildert, über die großen Bibliotheken Roms erreichen konnte, war es ihm möglich, ein ganz aus den Quellen schöpfendes Werk zu schaffen. Diese Leistung ist umso erstaunlicher, da Bona, im Gegensatz zu vielen seiner Gelehrtenfreunde, wegen seiner Verpflichtungen in Rom kaum einmal eine Bibliotheksreise unternehmen konnte. Auf diese Weise schuf er eine wesentliche, wissenschaftstheoretische Voraussetzung, die Gestalt der Messliturgie nicht mehr als ein sakrosanktes Gebilde zu betrachten, an dem sich seit den Zeiten der Apostel nichts Wesentliches verändert hätte. Ohne die Kenntnis der historischen Entwicklungen und Wandlungen wären Ansätze von Reformen, wie sie nachweislich etwa unter dem ebenfalls als Liturgiewissenschaftler ausgewiesenen Papst Benedikt XIV. (1740-1758) initiiert wurden, wohl kaum möglich gewesen.141 Diese Entwicklung, aus wissenschaftlich-historischer Arbeit Impulse zur Erneuerung des Gottesdienstes zu gewinnen, sollte sich dann umfassend erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils realisieren.142

Die Rerum liturgicarum libri duo fanden nach ihrem Erscheinen große Beachtung und ihr Autor Bewunderung. Allgemein ist das Werk sehr begrüßt und auch von Kennern der Materie gelobt worden. Allerdings hat das 23. Kapitel des ersten Buches eine Kontroverse ausgelöst. Der Ansicht Bonas, erst ab der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert sei in der Westkirche ausschließlich ungesäuertes Brot für die Feier der Eucharistie benutzt worden,143 traten Theologen entgegen, die sich für eine bedeutend frühere Übernahme dieses Brauchs aussprachen.144 Auch Jean Mabillon griff in die Diskussion ein und war gegen Bona der Meinung, die Praxis ungesäuerten Brotes habe in der lateinischen Kirche seit apostolischer Zeit bestanden.145 Es spricht für die völlig uneitle und ganz an der historischen Wahrheit interessierte Haltung Bonas, wenn er in einem Brief Mabillon ermunterte, unbesorgt das Resultat seiner Forschungen zu veröffentlichen, »damit die Wahrheit, nach der allein sie ja beide strebten, immer mehr ans Licht käme«.146 Wenn heute die liturgiehistorische Forschung davon ausgeht, dass sich der westkirchliche Gebrauch ungesäuerten Brotes für die Eucharistie in einem längeren Prozess zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert vollzogen hat, dann bestätigt sie weitgehend die Darstellung Bonas.147

 

Nicht zuletzt mit seinen Rerum liturgicarum libri duo hat Giovanni Bona für lange Zeit das gültige Standardwerk über die Geschichte der Messe geschaffen. Spätere Liturgiewissenschaftler sollten sich davon inspirieren lassen. Die große vierbändige Studie etwa, mit der der gelehrte Oratorianer Pierre Lebrun (1661-1729) versuchte, die Identität der Messe von der Urkirche bis zum 18. Jahrhundert nachzuweisen,148 hätte ohne Bonas Werk nicht geschrieben werden können. Und auch das bis heute unüberholte Standardwerk Josef Andreas Jungmanns (1889-1975), Missarum Sollemnia (Wien 1948, 5. Auflage 1962, Nachdruck Bonn 2003),149 greift verschiedentlich auf Bonas Geschichte der Messe zurück.150 Schließlich haben die Res liturgicae des Giovanni Bona maßgeblich dazu beigetragen, dass der erst seit dem 17. Jahrhundert im Abendland benutzte Begriff »Liturgie« für die Feier des Gottesdienstes sich allgemein durchgesetzt hat und heute als gängiger Fachterminus geläufig ist.151

Auch insofern braucht die eingangs zitierte Einschätzung Valentin Thalhofers, der Bona als »Koryphäus unter den Erklärern der Liturgie im 17. Jahrhundert« bezeichnet hat, keineswegs als Übertreibung abgetan werden. In der Tat hat dieser gelehrte Ordensmann, Priester und Kardinal Wesentliches für die Kenntnis des Gottesdienstes der Kirche geleistet. Bei allem wissenschaftlichen Interesse im frühneuzeitlichen Sinne, das Bona zweifellos geleitet hat, stand für ihn nie allein der Aufweis von Fakten und Entwicklungen im Vordergrund. Vielmehr ging es ihm um den würdigen, weil sachgemäßen und bewussten Vollzug der Liturgie und damit um einen Dienst an der Kirche.

(Das Manuskript wurde im Mai 2010 abgeschlossen)

1 Valentin Thalhofer, Handbuch der katholischen Liturgik. 1-2, Freiburg 1883/1890, hier 1, 99. Ähnlich skizziert Ludwig Eisenhofer in der Nachfolge des Thalhoferschen Handbuchs Bona als einen »der hervorragendsten Liturgiker«. Ludwig Eisenhofer, Handbuch der katholischen Liturgik. 1-2, Freiburg 1932, hier 1, 138.

2 Thalhofer war nach einer Professur in Dillingen 1863-1876 Professor für Pastoraltheologie an der Universität München und zugleich Direktor des Herzoglichen Georgianums, wechselte aber 1876 als Domdekan nach Eichstätt, wo er von 1877-1891 Professor für Liturgik am dortigen Bischöflichen Lyzeum lehrte. Hier verfasste er auch das angesehenste Handbuch der Liturgik des 19. Jahrhunderts. Zu Person und Werk vgl. Walter Dürig, Valentin Thalhofer (1825-1891), in: Katholische Theologen Deutschlands im 19. Jahrhundert, hg. von Heinrich Fries und Georg Schwaiger, München 1975, 106-124; Theodor Maas-Ewerd, Lehrer vieler Priester. Valentin Thalhofer als Liturgiker in Eichstätt, in: Erbe und Auftrag 68 (1992) 34-47; Winfried Haunerland, Liturgiewissenschaft in Forschung und Lehre. Zur Geschichte einer theologischen Disziplin an der LMU, in: Münchener Theologische Zeitschrift 61 (2010) [im Druck].

3 Speziell mit Thalhofers Handbuch befasst sich die Monographie von Reinhold Malcherek, Liturgiewissenschaft im 19. Jahrhundert. Valentin Thalhofer (1825-1891) und sein »Handbuch der Liturgik« (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 86) Münster 2001.

4 Vita und Werkübersicht finden sich in den einschlägigen Lexika. Wir verweisen hier exemplarisch auf: Janauschek, Art. Bona, Johannes, in: Wetzer und Welte 2 (1883) 1002f.; H. Dumaine, Art. Bona (Jean), in: DACL 2 (1907) 992-1002; Ludwig Eisenhofer, Art. Bona, Giovanni, in: LThK 2 (21931) 443; J.-M. Canivez, Art. Bona (Jean), in: DSp 1 (1936) 1762-1766; E. Manders, Art. Bona, Giovanni, in: LitWo 305; DACist 2 (1979) 124f.; Alberich Martin Altermatt, Art. Bona, Giovanni, in: LThK 2 (31994) 568. Biographische Darstellungen finden sich neben der in Anm. 5 genannten Lit. bei A. Ighina, Il cardinal Giovanni Bona. Vita e opere, Mondovì 1874; H. Dumaine, Le Cardinal Bona, in: Revue liturgique et bénédictine 1911, 37-44. 147-156; Augustin Steiger, Kardinal Johannes Bona, in: Cistercienser-Chronik 26 (1914) 225-233; Die Cistercienser. Geschichte – Geist – Kunst, hg. von Ambrosius Schneider u.a., Köln 31986, 139; für unseren Zusammenhang von Interesse ist M. Gulielmus, Het liturgisch werk van Kardinal Bona, in: Tijdschrift voor Liturgie 23 (1938) 3-15. – Soeben erschien die umfangreiche Darstellung von Pius Maurer, Kardinal Giovanni Bona. Cistercienser, geistlicher Schriftsteller und Pionier der Liturgiewissenschaft, in: Analecta Cisterciensia 59 (2009) 3-166; dieser Beitrag ist mir allerdings erst nach Abschluss des Manuskripts zugänglich gewesen.

5 In der Literatur werden unterschiedliche Geburtsdaten angegeben, so vielfach der 12. Oktober, gelegentlich auch der 19. Oktober. Wie Marco Vattasso in der Einleitung zu seiner Edition des Bonaschen Werkes Hortus caelestium deliciarum nachgewiesen hat, muss aber wohl der 10. Oktober angenommen werden, der im »Testament« Bonas genannt wird und auch im Taufbuch der Pfarrkirche S. Maria Maggiore in Mondovì bezeugt ist. Vgl. Marco Vattasso, Il Cardinale Giovanni Bona da Mondovì. Cenni sulla sua vita e sulla sue opere, in: Hortus caelestium deliciarum [...] a S. Ioanne Bona e Monte Regali […] ed. Marco Vattasso (Studi e testi 32) Roma 1918, XXIX, Anm. 2.

6 Weitere Schreibweisen wie Zugana, Zugania oder Zuchena sind bei Vattasso (wie Anm. 5) XXIX, Anm. 5 belegt.

7 Vgl. Vattasso (wie Anm. 5) XXXI.

8 Auch bezüglich des Eintrittsdatums differieren die Angaben in den Biographien Bonas. Neben dem 11. Juni wird auch der 19. Juni 1625 genannt. Vgl. Vattasso (wie Anm. 5) XXXIII, Anm. 1. – Zur Geschichte des Klosters vgl. ebd., XXXII-XXXIII, bes. Anm. 3-4.

9 Kircher beherrschte um die Mitte des 17. Jahrhunderts das wissenschaftliche Denken der Jesuiten, der mit seinen 40 Büchern ein außerordentlich breites Themenspektrum abdeckte, das Medizin, Astronomie und Mathematik ebenso umfasste wie Akustik, Geologie, Ägyptologie, Linguistik und Studien über den Fernen Osten. In Rom gründete Kircher später auch eine Art Wunderkammer voller Antiquitäten und naturkundlicher Kuriositäten, deren Überreste heute noch im Collegium Romanum aufbewahrt werden. Vgl. Charles H. Lohr, Art. Kircher, Athanasius, in: LThK 6 (31997) 85 (Lit.); vgl. darüber hinaus I. Rowland, The Ecstatic Journey: Athanasius Kircher in Baroque Rome, Chicago 2000; Athanasius Kircher: il museo del mondo, hg. von E. Lo Sardo, Rom 2001; The Great Art of Knowing: The Baroque Encyclopedia of Athanasius Kircher, Stanford 2001.

10 Vgl. Vattasso (wie Anm. 5) XXXVI, Anm. 1.

11 Vgl. Jens Häseler, Art. Polyhistor, in: Enzyklopädie der Neuzeit 10 (2009) 187-190.

12 Im seinem Diarium asceticum ist für den 17. Dezember notiert: »Hac die sacerdos ordinatus fui, an. 1633.« Am 19. Dezember findet sich Eintragung: »Hac die primam Missam Romae ad altare St. Petri in ecclesia S. Pudentianae celebravi.« Hier zit. nach Vattasso (wie Anm. 5) XXXVI, Anm. 2.

13 Das kleine Werk erschien allerdings erstmals 1658 in Rom; weitere Auflagen: Rouen 1663; Paris 1676, 1678; München 1674, Rom 1687. Es spricht für die Bedeutung der Schrift, dass sie bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine weitere Vielzahl von Auflagen und Übersetzungen (eine deutsche Ausgabe erschien 1909 in Regensburg) erlebt hat.

14 Vgl. Steiger (wie Anm. 4) 227.

15 Vgl. Steiger (wie Anm. 4) 227; Vattasso (wie Anm. 5) XXXVIII.

16 Die Schrift ist datiert vom 10. Oktober 1646; sie erschien posthum erstmals 1675 in Florenz, sodann zeitgleich, 1676, in Lyon und München. Vgl. Dumaine, Le Cardinal Bona (wie Anm.4) 39; Canivez (wie Anm. 4) 1765 und Vattasso (wie Anm. 5) LXIII-LXIV.

17 Vgl. Vattasso (wie Anm. 5) XXXIX.

18 Papst Urban VIII. teilte die Zisterzienserkongregation der Feuillanten in einen italienischen (auch reformierte Benediktiner genannten) und einen französischen Zweig (Notre-Dame des Feuillants). Vgl. Dumaine, Le Cardinal Bona (wie Anm. 4) 38f.

19 Vgl Vattasso (wie Anm. 5) XL-XLI.

20 Vgl. Klaus Ganzer, Rom als religiöses Zentrum, in: Barock im Vatikan. Kunst und Kultur der Päpste II. 1572-1676. Ausstellungskatalog hg. von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn-Leipzig 2005, 33-42, hier 34f.

21 Vgl. Ludwig von Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. 10, Freiburg 1923, 180-192.

22 Vgl. Knut Walf, Art. Gesandtschaftswesen, kirchliches. I. Geschichtliche Entwicklung, in: LThK 4 (31995) 545-547.

23 Vgl. von Pastor, 10 (wie Anm. 21) 100-103; Johann Hirnsperger, Art. Visitatio liminum (Apostolorum), in: LThK 10 (32001 ) 815f.

24 Wesentliche Impulse für diese Entwicklung gingen vor allem vom Jesuitenorden aus. Allerdings lag es im Zug der Zeit, die zentralen Kräfte in Rom zu stärken angesichts der nicht mehr erreichbaren gesamtkirchlichen Einheit wie des Ausgreifens der europäischen Welt auf die neu entdeckten Kontinente. Vgl. Ganzer (wie Anm. 20) 36f. 38f.

25 Vgl. Peter Hersche, Italien im Barockzeitalter 1600-1750. Eine Sozial- und Kulturgeschichte, Wien-Köln-Weimar 1999, 23-33; Peter Hersche, Muße und Verschwendung. Europäische Gesellschaft und Kultur im Barockzeitalter, Freiburg-Basel-Wien 2006, 113f.

26 Vgl. die biographische Übersicht von Max Eugen Kemper, Alexander VII., in: Barock im Vatikan (wie Anm. 20) 313-327.

27 Vgl. Kemper, Alexander VII. (wie Anm. 26) 316f.

28 Vgl. Kemper, Alexander VII. (wie Anm. 26) 317-320. – Über sein Leben in Münster hat Chigi verschiedentlich berichtet. Vgl. Münster und Westfalen zur Zeit des Westfälischen Friedens (geschildert durch den päpstlichen Gesandten Fabio Chigi), hg. von H. Galen im Auftrag der Stadt Münster, Münster 1997.

29 1645 erschien erstmals sein Gedichtband Philomathi Musae Juveniles. Vgl. Kemper, Alexander VII. (wie Anm. 26) 314. 319.

30 Als Papst Alexander VII. sollte er Franz von Sales 1661 selig und 1665 heilig sprechen. Vgl. Josef Weismayer, Art. Franz v. Sales, in: LThK 4 (31995) 52f.; Pierre Serouet, Art. François de Sales, in: DSp 5 (1964) 1057-1097 (Lit.); Themen salesianischer Theologie, hg. von der Arbeitsgemeinschaft für Salesianische Studien, Eichstätt 1989.

31 Vgl. Kemper, Alexander VII. (wie Anm. 26) 315.

32 Vgl. Klaus Ganzer, Art. Pallavicino, Pietro Sforza, in: LThK 7 (31998) 1268.

33 Vgl. Josef Metzler, Art. Holstenius, Lucas, in: LThK 5 (31996) 241.

34 Vgl. Steiger (wie Anm. 4) 227f.

35 Vgl. Ludwig von Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. 14/1, Freiburg 1929, 303-524 und Kemper, Alexander VII. (wie Anm. 26) 320-327.

36 Vgl. Vattasso (wie Anm. 5) XLIII-XLIV, bes. Anm. 2-3; Steiger (wie Anm. 4) 228. Zu den differierenden Angaben zur Dauer des Generalats Bonas vgl. ebd., Anm. 11.

37 Vgl. Vattasso (wie Anm. 5) XLIV.

38 Vgl. Steiger (wie Anm. 4) 230 – zu Christine von Schweden und ihre Konversion vgl. von Pastor, 14/1 (wie Anm. 35) 328-356; Kemper, Alexander VII. (wie Anm. 26) 321; auch Barock im Vatikan (wie Anm. 20) 338-340, Kat.-Nr. 195-196.

39 Vgl. Leonhard Hell, Art. Achéry, Luc d´, in: LThK 1 (31993) 112f.

40 Vgl. Daniel-Odon Hurel, Art. Mabillon, Jean, in: LThK 6 (31997) 1160f.

41 Vgl. Bernard Joassart, Art. Henschen(ius), Gottfried, in: LThK 4 (31995) 1427.

42 Vgl. Bernard Joassart, Art. Papebroch, Daniel, in: LThK 7 (31998) 1324f.

43 Vgl. Leonhard Hell, Art. Baluze, Etienne, in: LThK 1 (31993) 1380.

44 Vgl. Vattasso (wie Anm. 5) XLV, Anm. 3.

45 Vgl. von Pastor, 14/1 (wie Anm. 35) 386-388.

46 Vgl. von Pastor, 14/1 (wie Anm. 35) 527-610.

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