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Eine herzerwärmende Geschichte über die Freundschaft zwischen zwei Hunden und ihrem Frauchen: Wohlfühl-Lektüre, perfekt zur Flucht aus dem Alltag und als Geschenk für alle Hundeliebhaber Aus Mitgefühl übernimmt Anne die zwei Hunde einer schwer kranken Frau. Anrührend und humorvoll berichtet Axel Beyer von der turbulenten Anfangszeit dieser Konstellation: abwechselnd aus Sicht des Frauchens und der zwei Hunde. Die beiden neuen Vierbeiner in Annes Leben, das sind Freddie, ein großer, gemütlicher Australian Shepherd, und Jonny, der kleine Mischling, dessen Schwanz stets wie ein kleiner Propeller arbeitet. Zwei Freunde fürs Leben, die das Kennenlernen der «Neuen», das Ankommen im neuen Zuhause und den gemeinsamen Alltag herrlich schräg schildern – während Frauchen häufig zwischen Rührung und Verzweiflung über die Marotten ihrer zwei Mitbewohner schwankt. Nach einer wahren Geschichte. «Meine Frau hat gesagt, ich soll sagen: Das ist das witzigste und rührendste Hundebuch, das je geschrieben und gezeichnet wurde.» Jürgen von der Lippe
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Seitenzahl: 189
Veröffentlichungsjahr: 2025
Axel Beyer
Wie Freddie und Jonny mein Leben auf den Kopf stellten
Wer dieses Trio nicht lieb gewinnt, dem ist nicht mehr zu helfen.
Jonny und Freddie sind eine ganz eigene Marke – und sie wirbeln das Leben ihres neuen Frauchens ordentlich durcheinander. Eigentlich wollte sie gar keine Hunde mehr haben, aber wenn eine Freundin in Not sie darum bittet, zwei noch niemals voneinander getrennte Rüden zu übernehmen – wer kann da schon Nein sagen? Und los geht die wilde Fahrt!
Der Einzug ins neue Heim, die ersten Tage zu dritt, Begegnungen mit einem komischen behaarten Zeitgenossen namens Katze, Grillpartys, nasse Ausflüge in den nahe gelegenen Schwimmteich – all das wird herrlich liebenswert und augenzwinkernd abwechselnd aus Sicht der «Neuen» und der beiden Hunde erzählt.
«Meine Frau hat gesagt, ich soll sagen: Das ist das witzigste und rührendste Hundebuch, das je geschrieben und gezeichnet wurde.» Jürgen von der Lippe
Prof. Axel Beyer ist Autor und Medienberater. Bis 2009 war er Leiter des Unterhaltungsbereichs beim WDR Fernsehen, gewann u.a. den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis in Gold. Zuvor machte er Karriere an wesentlichen Stationen des öffentlich-rechtlichen wie des privaten Fernsehens, z.B. als Programmdirektor Endemol, Producer «Wetten, dass …?», «Boulevard Bio», «Die Rudi Carrell Show» und «Wer zuletzt lacht». Bis zu seinem Unruhestand war er Studiendekan an der Hochschule Fresenius und mehrere Jahre Vorsitzender des Medien Management Instituts Köln, dazu auch Jurymitglied des AWO-Journalistenpreises.
Anne Dohrenkamp malt eigentlich großformatig, unter anderem für ihre Ausstellungsreihe AENO. Für dieses Buch schwang die Hundenärrin virtuos den Stift.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2025
Copyright © 2025 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
Illustrationen Anne Dohrenkamp
Das Zitat von Carl Julius Weber stammt aus dem 4. Band von «Demokritos oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen», Warschauers Verlag, Berlin.
Covergestaltung zero-media.net, München
Coverabbildung Anne Dohrenkamp
ISBN 978-3-644-02353-6
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Ich möchte Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, von Freddie und Jonny erzählen – zwei Hunderüden, die im fortgeschrittenen Alter umziehen und sich komplett neu orientieren müssen. Und von meiner Freundin Anne, hier genannt «die Neue», einer Frau im zugegebenermaßen ebenfalls fortgeschrittenen Alter, die diesen beiden ein neues Heim bieten will und sich damit ebenfalls komplett neu orientieren muss. Diese Geschichten beruhen weitgehend auf den realen Erlebnissen von Anne und ihren pelzigen Freunden.
Und weil es sich um drei selbstständige Lebewesen handelt, erscheint es mir nur fair, wenn Sie hier neben der Sichtweise der Neuen auch die von Freddie und Jonny erfahren, wobei ich – ehrlich – keine Ahnung habe, wie die das gemacht haben. Und ich hoffe, dass ich alles richtig verstanden habe, denn Jonny nuschelt manchmal so.
Übrigens kommen Sie dem Charakter der beiden am nächsten, wenn Sie ihre Kommentare laut lesen – Freddie mit tieferer Stimme und eher bedächtig und Jonny im Gegensatz dazu in höherer Stimmlage und schnell, fast über sich selbst stolpernd.
Sollten Sie das in der Bahn oder im Bus tun und dabei irritierte Blicke der Mitreisenden ernten, machen Sie sich nichts daraus – die können sich das Buch ja auch selbst kaufen.
Und jetzt viel Spaß – wünsche nicht nur ich Ihnen, sondern auch die Neue.
Momang, Momang – ick wünsch det ooch! – Nun los, Freddie! Und übrigens nuschel ick nich, Frechheit!
Na gut, viel Spaß!
Ich habe schon immer ein Faible für alles gehabt, was vier Beine hat – Katzen und Hunde haben mich nahezu ein Leben lang begleitet. Ich habe diese Tiere meist aus einem Tierheim oder anderen misslichen Umständen zu mir geholt und ihnen ein neues Heim geschenkt. Und sie schenkten mir im Gegenzug immer unbedingte Liebe und oft viel Spaß.
Von meiner letzten Hündin habe ich mich vor dem Pandemiesommer verabschieden müssen, und natürlich bin ich inzwischen auch nicht jünger geworden. Ich habe deshalb lange mit mir gerungen, ob es klug wäre, mich erneut an eine Vierbeinerin zu binden, und mich zunächst dagegen entschieden. Und ich gestehe, ich habe es anfangs genossen, mein Leben ohne Rücksicht auf ein Tier zu leben. Ich konnte reisen, wann und wie ich wollte, ich war frei in meiner Zeiteinteilung, und wenn das Wetter mal blöd war, musste ich nicht raus und Gassi gehen.
Herrlich!
Also, eine Zeit lang.
Aber irgendwann begann mir etwas zu fehlen. Mein Mann, dessen Liebe zu Tieren geringer ist als seine Liebe zu mir, sagte zwar in seiner charmanten Art: «Ich glaube, du spinnst», aber ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich mich erst umsah, bevor ich eine Tür schloss, um sicher zu sein, dass sich nicht noch etwas dazwischen durchquetschte.
Ich musste etwas tun.
Also begann ich, im Kreise meiner Freundinnen zu streuen, dass ich mir vorstellen könnte, nach jetzt drei Jahren wieder einen Hund zu haben – genauer gesagt, eine Hündin. Rüden sind mir zu anstrengend, weil sie immer eine harte Hand brauchen und gern mal checken, wer denn wohl der Chef ist, und dazu hatte ich ehrlich keine Lust mehr. Also eine Hündin, nicht zu alt, aber aus den Flegeljahren heraus – das war mein Wunsch.
Es meldete sich eine Bekannte, die mir ein Foto von zwei Hunden schickte. Beide Rüden, beide etwa zehn Jahre alt und keinesfalls zu trennen – also ziemlich genau das Gegenteil meiner Wunschkandidatin. Darin schrieb sie: «Ihre jetzige Besitzerin ist schwer krank und kann sich nicht mehr um die beiden kümmern. Die beiden sind sehr lieb und menschenbezogen.» Und weiter hieß es: «Sie sind eine Einheit. Wir wären sehr glücklich, wenn wir jemanden finden, der sie beide aufnehmen möchte.»
Nähere Nachfragen meinerseits ergaben, dass die Aussicht auf kurzfristige gesundheitliche Besserung der bisherigen Halterin eher fraglich und die Stimmung in ihrem Hause daher sehr bedrückend sei. Sie wolle ihren Tieren, die sie sehr liebte, diese Situation nicht länger zumuten. Zumal der Sohn, der sich bislang um den Auslauf der Tiere kümmerte, nun beruflich in eine andere Stadt ziehen müsse und deshalb als Hundesitter ausfallen würde.
Aber gleich zwei Hunde? Und dann auch noch Rüden? Und knapp zehn Jahre alt?
Ich weiß nicht … Obwohl das Foto der beiden Hunde sehr süß war … Was solls, Versuch macht kluch. Also haben wir miteinander telefoniert, und ich sagte ihr zu, mich mit ihr zu treffen.
Natürlich völlig unverbindlich. Dachte ich.
Erst mal nur zum Kennenlernen. Dachte ich.
Und das war es dann. Ich hätte mich besser kennen müssen.
Ich bin die bisherige Halterin oder die «Chefin», zumindest haben beide Hunde mich immer so akzeptiert. Freddie haben wir als kleinen Welpen bekommen, und er war etwa zwei Jahre bei uns, da wollte mein Sohn gerne einen eigenen Hund haben. Wir besuchten also ein Heim vom Tierschutz, in dem man mir einen jungen Welpen zeigte, der wohl in Rumänien oder irgendeinem anderen Land irgendwo in Osteuropa aufgegriffen worden war und der mir und meinem Sohn gleich gefiel, weil er so absolut fröhlich und lebhaft wirkte – tja, und so kam der damals noch sehr kleine Jonny zu uns. Freddie war anfänglich überhaupt nicht begeistert von dem Familienzuwachs, er konnte sichtbar wenig mit dem noch sehr verspielten Welpen anfangen. Jonny hingegen freute sich total über den Großen, sein Schwanz arbeitete wie ein Propeller, er wollte unbedingt mit Freddie spielen, aber der knurrte ihn nur kurz an und drehte ab.
Jedoch die Zeit verändert viel, Jonny wurde größer und ruhiger – und eines Tages bei einem Spaziergang merkte Freddie wohl doch, dass der «Kleine» absolut kein Baby mehr war und dass man tatsächlich miteinander spielen und um die Wette laufen konnte. Und beide tobten und jagten sich, dass es eine Freude war, und damit war das Eis gebrochen.
So verfressen Freddie auch immer schon war, Futterneid war nie sein Thema. Beide bekamen von Anfang an zeitgleich ihr Futter, und wenn Jonny mal an Freddies Napf ging, überließ ihm der Ältere gern den Vortritt. Lediglich bei Leckerlis kannte Freddie kein Pardon. Einmal half ich einer Freundin beim Renovieren und hatte nur den Älteren mit, weil zwei Hunde gestört hätten. Damit Freddie Ruhe gab, bekam er von mir einen großen Kauknochen, mit dem er gut beschäftigt war. Allerdings hatte ich nicht mitbekommen, dass er ihn irgendwann in der Wohnung «versteckt» hatte. Später am Tag kam mein Sohn mit Jonny vorbei, und der Kleine roch sofort, dass es hier irgendwo etwas Interessantes geben musste. Als Freddie Jonnys Suchen bemerkte, wurde er richtig sauer und ging den Kleinen etwas rabiater an, sodass ich einschreiten musste. Und Jonny merkte sich: Futter okay, Kauknochen pfui!
Die interne Rangfolge hat von Beginn an funktioniert. Anfangs räumte Jonny immer freiwillig seinen Platz, wenn Freddie sich näherte, inzwischen liegen sie oft zusammen und teilen sich sogar eine Decke. Aber wenn ich Freddie mal schelten muss, weil er wieder etwas ausgefressen hat (meist im wahrsten Sinne des Wortes), dann zieht auch Jonny sofort seinen Schwanz ein und fühlt sich mit betroffen. Wenn andererseits mal ein fremder Hund unseren Jonny anknurrt, geht Freddie sofort dazwischen und fühlt sich für den Kleinen verantwortlich.
Sie sind einfach ein super Team, deshalb konnten wir sie auch nie trennen, und mein Sohn hat aus diesem Grund bis heute seinen eigenen Hund nicht bekommen. Über acht Jahre sind die beiden nie länger voneinander getrennt gewesen, und das merkt man ihnen an. Deshalb bin ich so froh, dass wir sie nicht trennen mussten und sie gemeinsam ein neues Zuhause gefunden haben.
Etliche Dinge haben wir Hunde den Zweibeinern voraus. Sie können zwar Dosen öffnen, aber dafür denken wir nie an «früher». Für uns zählt immer nur das «Heute», das «Hier und Jetzt»! Klar erinnere ich mich daran, wie das war, als damals dieser kleine Tollpatsch plötzlich in der Stube stand. Eine Nervensäge wie aus dem Bilderbuch. Aber was sollte ich machen – wenn die Chefin das so wollte, blieb mir nur, das schwanzzuckend zu akzeptieren. Ändern konnte ich es ja nicht.
Gut, schließlich hat sich der Kleine dank meiner hervorragenden Erziehung ja auch noch ganz gut entwickelt, irgendwann konnte man sogar annehmbar mit ihm spielen. Okay, er bellt mit einem etwas komischen Akzent, aber daran habe ich mich gewöhnt. Und dass er anfangs immer freiwillig die Kurve kratzte, sobald ich kam, konnte ich ihm auch abgewöhnen. Man ist ja kein Unhund!
Aber das Wichtigste war, dass ich ihm eines absolut klarmachen konnte: Mein Leckerli gehört mir! Da verstehe ich keinen Spaß und kenne keine Familie. Lediglich die Chefin dürfte mir einen Kauknochen wegnehmen, niemand sonst! – Hat er dann auch eingesehen, nur etwas komisch geknurrt.
So, jetzt aber Schluss mit Vergangenheitsbewältigung – wann gibt es was zu fressen?
Ick war damals heilfroh, det ick aus det Tierasyl rauskonnte. Als ick dann aber den jroßen schwarzen Kumpel sah, da hat ick schon erst etwas Bammel. Ick signalisierte unentwegt «Freundschaft», aber da war anfangs nüscht zu wollen. Jut, det hat sich jegeben, und irjendwann hat er mir akzeptiert.
Klar, unter uns ist er der Bestimmer, also wenn die Chefin nicht da is. Und nur mit seine Leckerlis ist er eijen, det hat er mir deutlichst zu verstehen jegeben. Okay, kann man nix machen, da hat jeder so seine Macke.
Wir sind inzwischen echte Kumpels, einer für alle, alle für einen – hab ick mal irjendwo uffjeschnappt. Wenn die Chefin mit ihm schimpft, dann leide ick mit ihm, da kann ich nüscht jejen tun. Andererseits – wenn mir eener dumm kommt, dann kann ick mir uff Freddie hundertpro verlassen. Echt, hundertpro!
Ick bin jespannt, wie det jetzt zukünftig mit die Neue jeht, aber solang Freddie einen vollen Napf hat, is die Welt für ihm in Ordnung. Und damit ooch für mir!
Ich fuhr also vom Berliner Stadtrand nach Tempelhof, wo die bisherige Besitzerin wohnte. Altbau, vierte Etage. Während ich die Treppen langsam emporstieg, stellte ich mir vor, wie das Treppensteigen wohl für irgendwann mal gebrechliche Hunde sein müsste – nicht besonders erbaulich. In der Wohnung angekommen, liefen mir beide Hunde bereits entgegen. Der kleinere von beiden rannte rum und suchte irgendetwas, kam mir dann mit einem Schuh im Maul entgegen, sein Schwänzchen arbeitete dabei wie ein Propeller. Das erinnerte mich an meine erste Hündin, die sich ebenfalls immer einen Schuh gesucht hat, wenn sie ihrer Freude Ausdruck verleihen wollte. Erst der Schuh im Maul machte das Glück des Wiedersehens komplett. Und ich war sofort überwältigt.
Der größere Hund machte Anstalten, an mir hochzuspringen, wurde aber sofort von seiner Besitzerin zurückgepfiffen, die auf dem Sofa lag und unser erstes Treffen genau beobachtete. Auch ihr Sohn war da und eine Freundin von beiden – schließlich wollten ja alle wissen, wer und wie denn die gegebenenfalls Neue sein würde.
Der größere Hund, der, wie ich erfuhr, Freddie hieß, war ein schwarz-weißer Australian-Shepherd-Mischling, etwa kniehoch, eher bedächtig und von wirklich edler Gestalt mit wunderbar wuscheligem Fell. Ich sah mich zukünftig schon heftig bürsten, um dieser Fellmassen Herrin zu werden … Der kleinere war das, was die Berliner in ihrer unnachahmlichen Art eine «Fußhupe» nennen würden – helles kurzes Fell, kurze Beine, dafür großes Temperament und eine ebenso große Schnauze, Mischling seit Generationen – und er hörte (meistens) auf den Namen Jonny.
Beide Hunde fremdelten nicht eine Sekunde mit mir, sie freuten sich im Gegenteil über den Besuch. Der große Freddie war von seinem Naturell eher ein Hütehund, dem konnte «seine Herde» nicht groß genug sein, und der kleinere Jonny freute sich einfach, weil sich der Größere freute. Man merkte sofort, dass beide ein eingespieltes Team waren, und mir war völlig klar, dass es unmenschlich wäre, dieses Team auseinanderzureißen.
Ich hatte mir, bevor ich kam, fest vorgenommen, mich in gar keinem Fall emotional unter Druck setzen zu lassen, und ich hatte doch tatsächlich immer noch die Illusion, mich noch frei gegen die beiden Tiere entscheiden zu können. Wie töricht man manchmal doch selbst im höheren Alter noch ist. Als ob ich ernsthaft eine Wahl gehabt hätte, nur eingestehen musste ich mir das noch.
Ich merkte der Besitzerin an, wie sehr sie ihre Hunde liebte, und man sah auch sofort, dass sie sie gut erzogen hatte, denn sie gehorchten ihr aufs Wort und auf jeden Wink. Dennoch wirkte die ganze Atmosphäre in dieser Wohnung von ihrer Krankheit geprägt und irgendwie bedrückend, was sich natürlich auch auf die Tiere übertrug, denn deren Sensibilität gerade für Krankheiten ist ja bekannt. Nicht umsonst gibt es Therapiehunde in Heimen und Krankenhäusern, aber die sind dafür ausgebildet und nicht einfach zwei verspielte Rüden wie die beiden Wesen in dieser Wohnung.
Nach längerem freundlichem Gespräch mit viel offenem Austausch und viel Lachen nahm der Tag genau den Ausgang, der mir, wenn ich mir gegenüber ehrlich gewesen wäre, von vornherein hätte klar sein müssen – ich sagte zu, mich um die beiden Racker zu kümmern. Und ihre Besitzerin, eher nun Ex-Besitzerin, hatte Tränen in den Augen und beichtete, dass sie so sehr darauf gehofft und genau deshalb schon drei riesige Taschen gepackt habe – mit allem Hundezubehör: Leinen, Näpfen, Spielzeug und Leckerlis. Und dass sie sich nach unseren Gesprächen keine schönere Lösung für ihre Hunde vorstellen könne.
Ja – und spätestens damit war es besiegelt. Ich hatte natürlich KEINE Tränen in den Augen (okay, das stimmt nicht ganz) und war fest entschlossen: Die beiden Fellnasen Freddie und Jonny würden umziehen. Und zwar noch am selben Tag! Und zwar zu mir!
Et klingelt! Nischt wie hin zur Tür und bloß nich bellen, det mag die Chefin nich, ick weeß. Aber wenn et doch so uffrejend is … Ick bin eijentlich schneller an der Tür als Freddie, aber ick muss vorher noch suchen – wo ist der Schuh? Eben lag der noch in der Ecke, aber da isser nich – wo is der hin? Ick kann niemanden ohne Schuhe begrüßen … ah, da, Glück gehabt … Ui, ist das spannend – wer kann det sein?
Ich hatte natürlich schon längst gerochen, dass da was im Busch ist. Die Chefin hat einen Stuhl mehr hingestellt, als Leute da sind. Als ob ich nicht zählen könnte. Gut, Jonny kann das sicher nicht, der sucht wieder mal einen Begrüßungsschuh, aber ich wusste es. Mal sehen, wer das ist. Vielleicht der DHL-Mann, der riecht so gut. – Nein, wenn ich den Kopf schief lege und auf das Treppensteigen höre, dann kenne ich dieses Treppensteiggeräusch noch so gar nicht. Also offensichtlich jemand Neues. Spannend! Wir hatten lange keinen Besuch mehr, vom Juniorchef mal abgesehen. – Außerdem hat die Chefin heimlich mehrere Taschen gepackt, aber meinen Augen entgeht nichts, und ich habe das genau gesehen – vielleicht machen wir einen Ausflug? Boah, das wär klasse, wir haben so lange nix mehr gemeinsam gemacht, seit die Chefin so bedrückt ist.
Ich habe der Besitzerin angemerkt, wie hin- und hergerissen sie war – einerseits froh, dass sie die Sorge um das Wohlergehen der Tiere los war, andererseits spürte ich natürlich deutlich, wie sehr sie an den beiden Hausgenossen hing und wie ungern sie sie gehen lassen wollte. Aber auch sie registrierte, dass beide Hunde ganz offensichtlich unglaublich begeistert davon waren, dass etwas Neues passierte. Natürlich ahnten sie noch nicht, was ihnen bevorstand, aber sie spürten genau: Das hier war kein normales Gassigehen! Und sie sausten fast im Sturzflug die vier Treppen hinunter, der Sohn und ich konnten mit den Taschen kaum so schnell hinterherkommen.
Trippelnd vor Erwartung standen sie an der Eingangstür und hechelten vor Freude, die Schwänze drehten sich wie verrückt, und kaum war die Tür geöffnet, drückten sich beide augenblicklich nach draußen. Ich hatte glücklicherweise unweit vom Haus einen Parkplatz gefunden und war gespannt, wie die Tiere auf eine Autofahrt reagieren würden. Ihre Besitzerin hatte mir versichert, dass sie Autofahrten gewohnt seien, dass es aufgrund ihrer eigenen Krankheit nur länger keine mehr gegeben habe. Hoffentlich ging das gut, und sie hatten nicht doch etwa Angst vor dem ungewohnten Transport in einem unbekannten Fahrzeug.
Jonny hatte bemerkt, dass ich vor einem ihm fremden Auto stehen geblieben war, und auch er stoppte deshalb zunächst irritiert. Als ich aber den Wagen aufschloss, die Taschen hinten hineinlegte und er begriffen hatte, dass es gleich mit diesem Auto weitergehen sollte, da stand er – aufgeregt tänzelnd – davor und wollte unbedingt sofort hinein. So viel zu meiner bangen Frage, ob das gut gehen könnte. Sobald ich die Tür geöffnet hatte, schoss Jonny hinein. Freddie bequemte sich hingegen erst auf meine Aufforderung hin. Dann aber stieg er hinterher, schob Jonny beiseite und setzte sich in die Mitte der Rückbank, dabei thronte er dort, als ob er sagen wollte: «Hier bekommt mich keiner mehr weg!» Ich schaffte es kaum, mir das Lachen zu verbeißen, zumal Jonny alle Mühe hatte, sich nun selbst ein Eckchen zu erobern. Als er es geschafft hatte, rollte er sich augenblicklich zusammen.
Da der Kofferraum schon ziemlich gefüllt war, stellte ich eine der Taschen in den Fußraum vor dem Beifahrersitz, wobei ich leider völlig außer Acht ließ, dass in dieser Tasche auch die Leckerlis waren. Ich muss nicht erwähnen, was passierte, oder? Freddies Röntgenblick und seiner Spürnase war der Inhalt dieser Taschen natürlich nicht entgangen, und wie ein geölter Blitz zwängte er sich zwischen den Sitzen durch, steckte seine Schnauze zielgerichtet in die Tasche und klaute sich innerhalb von Sekunden etwas von den begehrten Leckerbissen. Mir war sofort klar: Das bedeutet für mich künftig sehr viel Aufmerksamkeit – immer den Mülleimer schließen und Kühlschrank, Tisch und Anrichte nie unbeaufsichtigt lassen! Wir haben ab jetzt einen tierischen Staubsauger im Haus – zumindest, was Nahrungsmittel anbelangt.
Nach einem kurzen Abschied vom Sohn der Besitzerin, verbunden mit dem Versprechen, sehr bald von mir hören zu lassen, ließ ich den Motor an, und los ging es. Während der Fahrt schaute Freddie konzentriert nach vorn, regungslos wie ein Fahrlehrer, der seine Schülerin beobachtet. Wenn wir an einer Ampel standen, stupste er mich manchmal kurz von hinten an, als wollte er sagen: «Gut gemacht, weiter so!» Und ich wusste – mit diesen Beifahrern kann mir im Auto nix passieren.
Und dann kamen wir bei mir zu Hause am Stadtrand von Berlin an. Ich war mehr als gespannt, wie die Stadthunde auf die neue Umgebung reagieren würden. Wobei mir einfiel, dass ich völlig vergessen hatte, ihre bisherige Halterin zu fragen, wie denn eigentlich die Vorgeschichte der beiden war. Das wollte ich unbedingt nachholen, denn man merkte den beiden das eingespielte Team sofort an, und ich wollte wissen, wie es denn eigentlich zu diesem Tandem gekommen war.
Ein Ausflug! Ich habe es geahnt! Jetzt bloß schnell die Treppen runter und hinter Jonny her, bevor sie es sich anders überlegen. Menschen sind ja oft so sprunghaft in ihren Entscheidungen und wollen ständig etwas anders oder müssen irgendetwas tun. Ich will nur raus, allen per Markierung mitteilen, dass ich da war und nach wie vor da bin. Das genügt mir. Tür auf, bitte!
Selbstverständlich gehe ich als Erster raus. Na bitte, geht doch. Jonny kommt direkt hinterher, gleich mal Bein heben an der Ecke. Ah, das tut gut! – Moment, wieso geht die nach links? Wir sind doch bislang immer nach rechts gegangen! Hallo! Hier geht’s lang! – Die hören einfach nicht! – Na gut, kommen wir eben mit. Und wieso bleibt die jetzt stehen? Vor einem Auto? Ich werd nicht mehr! Wir sind ja seit Ewigkeiten nicht mehr im Auto unterwegs gewesen. Geil! Aufmachen, aufmachen! Ich weiß schon, wo ich sitzen will. Tatsächlich, die Tür geht auf. Aber ich lasse mich zunächst bitten, um gleich mal deutlich zu machen, mit wem die Frau es hier zu tun hat, und schreite dann erst hinein! Genau in die Mitte – los, weg da, Jonny! So, da kriegt mich keiner mehr weg. Jonny findet immer noch irgendwo einen Platz. Na bitte!
Ach, da kommt ja auch die Chauffeurin, willkommen im Club. – Moment mal, die Tasche kenne ich doch. Und den Geruch auch, das sind doch die leckeren kleinen runden Dinger aus dem Laden, wo die Chefin immer unser Essen kauft. Ob ich … Natürlich, bevor die Frau was merkt … Hat geklappt! – Das Leben kann so schön sein! Und was ich hab, das hab ich und gebe es nicht wieder her!