100 Jahre - Ebersdorf vereint! - Heinz-Dieter Fiedler - E-Book

100 Jahre - Ebersdorf vereint! E-Book

Heinz-Dieter Fiedler

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Beschreibung

Das 1401 erstmals erwähnte kleine Dorf Ebersdorf in Thüringen erhielt 1694 eine bedeutende Aufwertung. Denn Heinrich X. Reuß-Ebersdorf machte den Ort zu seiner Residenz und baute ein Schloss. Einen weiteren Aufschwung brachte die Ansiedlung einer Herrnhuter Brüdergemeine ab 1735. Der Landesherr Heinrich XXIX. förderte das rasche Wachstum dieser Gemeinschaft und verlieh ihr 1745 die politische und kirchliche Selbständigkeit. Die "Brüder" und "Schwestern" bauten ihre "Herrnhuter Colonie" im oberen Ortsteil. Sie führten dort ein relativ abgeschiedenes Leben und pflegten ihre besonderen Lebensformen, Sitten und Gebräuche. So existierten 175 Jahre lang in Ebersdorf in unmittelbarer Nachbarschaft zwei völlig unterschiedliche selbständige politische Gemeinden, deren Bewohner nur wenig Kontakt miteinander hatten. Zwei Versuche, beide Ort zu einer Gemeinde zu vereinigen, scheiterten 1851 und 1871. Darüber und wie 1920 dann schließlich doch ein Zusammenschluss zustande kam, wird in diesem Buch berichtet.

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Inhalt

Einführung

Die Anfänge von Ebersdorf

Die Entstehung der Brüdergemeine Ebersdorf

Besonderheiten der Brüdergemeine

Gemeinsamkeiten zwischen Orts- und Brüdergemeinde

Erste Verschmelzungsbemühungen 1851

Verschmelzungsbemühungen 1872

Ebersdorf vor, während und nach dem 1. Weltkrieg

Vereinigung der beiden Gemeinden 1920

100 Jahre Höhen und Tiefen – jetzt aber gemeinsam

Der Schlagbaum in Ebersdorf

Anlagen

1. Einführung

Zwei ganz nah beieinander liegende, aber politisch völlig selbständige Orte, die (teilweise) auch noch denselben Namen tragen – das ist sicherlich eine Seltenheit.

Aber so war es für lange Zeit in Ebersdorf. Wie aus diesen beiden getrennten Orten vor 100 Jahren wieder ein einziger wurde, soll hier erzählt werden.

Um Verwirrung zu vermeiden, müssen wir uns zunächst einmal mit den Namen der beiden Orte beschäftigen.

Die offiziellen Bezeichnungen zur Zeit der Vereinigung waren:

„Ebersdorf-Ortsgemeinde“ und „Ebersdorf-Brüdergemeine“ (häufig auch Brüdergemeinde - mit „d“). Übliche Bezeichnungen waren:

„oberes Dorf“ und „unteres Dorf“. Von Seiten der Brüdergemeine wurde der andere Teil oft auch einfach „Dorf“ genannt. Die „Dorf“-Bewohner bezeichneten die anderen als „Herrnhuter“ oder „Herrnhuter Colonie“. Außenstehende benutzten gelegentlich den Namen „Heiligenebersdorf“ und meinten damit die Brüdergemeine, manchmal aber auch den gesamten Ort.

Unterschiedliche Bezeichnungen gab es auch für die leitenden Gremien der beiden Gemeinden. Was im unteren Dorf der Bürgermeister und der Gemeinderat waren, nannte sich einige Meter weiter Ortsvorsteher und Ältestenrat.

2. Die Anfänge von Ebersdorf

Ebersdorf wurde 1401 erstmalig erwähnt. Es blieb lange Zeit ein unbedeutender Ort mit einem Rittergut, einigen Bauernhöfen und einer kleinen Kirche. 1622 wurde die jetzige Christophorus-Kirche gebaut,

Nach 1550 gewann Ebersdorf etwas an Bedeutung durch die nahe vorbeiführende Handelsstraße Nürnberg-Leipzig.

Im Jahre 1572 gelangte das Gebiet um Lobenstein und Ebersdorf in den Besitz der Reußen. Bei der Erbteilung im Jahr 1678 entstand die eigenständige Herrschaft Ebersdorf. Dessen Besitzer, Heinrich 10. Reuß-Ebersdorf, ließ von 1692 -1694 das Schloss bauen und machte Ebersdorf zu seiner Residenz. Das brachte einen bedeutenden Aufschwung für den Ort, denn Beamte, Bedienstete, Handwerker und Händler siedelten sich an. Die Herrschaft Ebersdorf war anfangs sehr klein, sie umfasste ein Gebiet von 3 Quadratmeilen mit 11½ Dörfern. Zudem war dieses Gebiet nicht zusammenhängend, sondern stark zerstückelt.

Später vergrößerte sich das Land durch Erbschaft um die Herrschaften Hirschberg und Lobenstein. Ebersdorf blieb bis 1848 Residenz der Linie Reuß-Ebersdorf. Der Status als Residenz sorgte dafür, dass die Einwohnerzahl weiter anwuchs. Im Jahr 1705 lebten nur 90 Personen im Ort, 1746 waren es bereits 760 und bis 1840 stieg die Einwohnerzahl auf 1192. Ebersdorf blieb zwar weiterhin ein Dorf, unterschied sich aber doch deutlich von den umliegenden Bauerndörfern.

Die Grafen Reuß gehörten dem Pietismus an, einer protestantischen Glaubensrichtung, die besonders unter dem Landadel weit verbreitet war. Ziel war die Erneuerung des Luthertums. Das damit einhergehende „Christentum der Tat“ zeigte sich unter anderem in verschiedenen sozialen Einrichtungen, wie Schulen und Waisenhäusern. Auch in Ebersdorf wurde 1732 ein Waisenhaus gestiftet.

3. Die Entstehung der Brüdergemeine Ebersdorf

Den bedeutenden Aufschwung in der Mitte der 18. Jahrhunderts verdankt Ebersdorf zu einem großen Teil der Ansiedlung der Brüdergemeine. Die Evangelische Brüdergemeine, auch Herrnhuter Brüdergemeine genannt, entstand im frühen 18. Jahrhundert in der Lausitz. Der junge Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf erlaubte 1722 einigen böhmisch-mährischen Glaubensflüchtlingen, sich auf seinen Besitzungen anzusiedeln.

Heinrich 29. Reuß-Ebdf.

Erdmuth Dorothea Reuß

N. L. Graf von Zinzendorf

Die „Herrnhuter Colonie“ in Ebersdorf, 1755

Die Besitzungen der Brüdergemeine, 1761

Weitere Exulanten folgten und nach wenigen Jahren entstand eine blühende Gemeinschaft, der Ort Herrnhut wurde gegründet und schließlich 1727 entstand eine eigenständige Kirche, die Herrnhuter Brüdergemeine.

1722 wurde Graf Zinzendorf mit Erdmuth Dorothea vermählt. Sie war die Schwester seines Jugendfreundes Heinrich 29. Graf Reuß zu Ebersdorf. Heinrich 29., der 1732 mit seiner Gattin Herrnhut besuchte, war von der aufblühenden Brüdergemeine sehr beeindruckt und wünschte sich etwas Ähnliches für Ebersdorf.

So wurde er zum Förderer und sogar Mitglied der in Ebersdorf entstehenden Brüdergemeine.

Den Anfang bildeten einige Schwestern und Brüder1 aus Herrnhut. Weitere Christen auch aus anderen Gegenden Deutschlands folgten. Diese Gemeinschaft wuchs unter der Leitung des extra dafür angestellten Hofkaplans Steinhofer innerhalb weniger Jahre auf circa 500 Mitglieder und erhielt 1745 durch den Landesherrn ihre politische und kirchliche Selbständigkeit. Als Bauland wurde der Gemeinschaft der obere Ortsteil bis zur Grenze nach Schönbrunn zugewiesen. Dort befanden sich bereits die Herrschaftliche Schäferei und eine Reihe kleinerer Häuser der Dorfbewohner. Die Brüdergemeine kaufte diese Häuser, ließ sie abreißen und an ihre Stelle die großen Häuser im sogenannten Herrnhuter Barock erbauen, die heute noch zu sehen sind. So entstand rund um das 1746 fertiggestellte Gemeinhaus die „Herrnhuter Colonie“.

1 „Schwester“ und „Bruder“ war und ist die übliche Anrede und Bezeichnung für Frauen und Männer in der Brüdergemeine. „Schwester“ und „Bruder“ wird üblicherweise in Verbindung mit dem Nachnamen benutzt.

4. Besonderheiten der Brüdergemeine

Auffällig an einer Brüdergemein-Siedlung sind zunächst einmal die Äußerlichkeiten, wie die hohen Häuser und die Anlage des ganzen Ortes. Auch im Zusammenleben der Bewohner gibt es viele Besonderheiten, Sitten und Gebräuche, die sich von denen in anderen Orten und Gemeinschaften stark unterscheiden. Das war in früheren Zeiten noch viel ausgeprägter als heute. Typisch für die „Herrnhuter“ war die Einteilung der Gemeindeglieder nach Geschlecht, Alter und Familienstand in die sogenannten Chöre.

Die größten Gruppen innerhalb der Gemeine waren die unverheirateten Frauen und die unverheirateten Männer, die das „Chor der ledigen Schwestern“ bzw. das „Chor der ledigen Brüder“ bildeten und jeweils gemeinsam im Schwesternhaus bzw. Brüderhaus lebten, wohnten und arbeiteten. Weitere Chöre bestanden für Witwen, Eheleute und Kinder.

Die Männer der Brüdergemeine waren früher hauptsächlich Handwerker und Händler. Die Gemeine wurde durch die Ältestenkonferenz (später Ältestenrat) geleitet. Die Ältestenkonferenz fällte alle wichtigen Entscheidungen, wie Aufnahme in und Ausschluss aus der Gemeine, Baumaßnahmen, Wohnrecht, Heiraten. Es gab eine Ortssatzung, zu deren Einhaltung sich die Bewohner verpflichteten. Der Alltag im Ort war durch Ruhe, Ordnung und Sauberkeit gekennzeichnet. Der Tagesablauf war durch gottesdienstliche Versammlungen und Arbeit geregelt.

Mit dieser Form des Zusammenlebens war eine soziale Absicherung der Bewohner verbunden, wie man sie früher in dieser Weise nicht kannte. In den Chorhäusern wurden die Bewohner bei Krankheit und im Alter versorgt, es gab Krankenstuben und einen Gemeinarzt. Die Gemeine hatte eigene Schulen.

Aus diesen eigentümlichen Lebensformen resultierte eine gewisse Abgeschiedenheit. Man blieb beim Wohnen, Arbeiten, Heiraten und in Glaubensfragen weitestgehend unter sich. Zwar stand man in enger Verbindung zu Brüdergemeinen in anderen Orten, aber zur benachbarten Ortsgemeinde gab es wenig Kontakte.

Andererseits war die Brüdergemeine weltoffen. Ebersdorfer Handwerker und Händler reisten regelmäßig zu den Messen nach Leipzig und Frankfurt. Die Produkte der Ebersdorfer Brüder wurden nach ganz Deutschland und ins Ausland geliefert.

Herrnhuter Missionare, auch aus Ebersdorf, gingen in die ganze Welt.

Die Unterschiede und Konflikte zwischen den beiden Gemeinden resultierten auch aus einer Reihe von Privilegien, die der Landesherr der Brüdergemeine bei ihrer Gründung verliehen hatte und die eine Besserstellung der „Herrnhuter“ mit sich brachten.

In den Anfangszeiten genoss die Brüdergemeine unter anderem folgende Vorrechte (im Laufe der Zeit wurden allerdings viele Privilegien abgeschafft oder eingeschränkt):

Die Gemeine war kirchlich selbständig, sie unterstand nicht dem Geraer Konsistorium.

Die Bewohner der Herrnhuter Colonie mussten zwar Grundzins, Schutzgeld und andere Abgaben an den Landesherrn zahlen, waren aber nicht dem allgemeinen Steuerrecht unterworfen. Die Gemeine hatte ein eigenes Polizei- und Justizwesen.

Sie besaß das Recht, Handwerk und Handel nach eigenen Regeln zu betreiben.

Allen Einwohnern wurde die Befreiung von Einquartierung, sowie die Befreiung von Kriegsdiensten, Landmiliz und allen Frondiensten zugesichert. Selbst zur Mitwirkung an Wolfsjagden waren sie nicht verpflichtet.

Das Ehechor-Abendmahl in der Brüdergemeine, ca. 1930

Der Männergesangsverein „Liedertafel“ im Jahr 1911

5. Gemeinsamkeiten zwischen Orts- und Brüdergemeinde

Im 18. und 19. Jahrhundert gab es wenig Verbindendes zwischen den beiden Orten, trotz der räumlichen Nähe. Natürlich waren die Einwohner beider Orte Untertanen derselben Herrschaft, wodurch es gelegentlich Berührungspunkte gegeben haben mag. Aber im täglichen Leben musste und wollte man keinen Kontakt zu dem jeweils anderen Ort. Alle notwendigen Geschäfte und Handwerker waren in beiden Orten vorhanden. Die Mitglieder der Brüdergemeine arbeiteten in der Regel auch innerhalb der Brüdergemeine. Die „Herrnhuter“ beschäftigten für Bauarbeiten und die Bewirtschaftung ihrer Felder gelegentlich Tagelöhner aus anderen Orten. Auch die Lehrlinge der Handwerker stammten teilweise aus den umliegenden Ortschaften. Wenn aber ein Mangel an Handwerkern, Lehrern usw. eintrat, fragte man lieber in anderen deutschen Brüdergemeinen an.

Auf Grund dieser Besonderheiten und Unterschiede zwischen beiden Ebersdorfer Gemeinden schien ein Zusammenschluss lange Zeit undenkbar und wurde auch stets von beiden Seiten abgelehnt. Aber im Laufe von vielen Jahrzehnten änderte sich diese Situation ganz langsam ein wenig. Das lag in erster Linie an den politischen Veränderungen. Die Kleinstaaterei wurde überwunden und es entstanden größere Staatengebilde, wie das Fürstentum Reuß j.L., der Volksstaat Reuß, das Land Thüringen und das Deutsche Reich. Es wurden Gesetze für diese größeren Verbünde erlassen, wobei nach und nach viele der Privilegien und Sonderrechte der Brüdergemeine auf der Strecke blieben, z.B. die Befreiung vom Militärdienst. Natürlich gab es auch innerhalb der Brüdergemeine Veränderungen, die zu einer Öffnung nach außen führten. So näherten sich die Lebensformen in beiden Gemeinden allmählich an. Einen großen Anteil an dieser Annäherung hatte vermutlich das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland aufblühende Vereinswesen. Durch den industriellen Fortschritt hatten die Menschen mehr Freizeit, die sie gern in Gesellschaft verbringen wollten. In Ebersdorf betraf das vor allem die Ortsgemeinde. In der Brüdergemeine besuchten die Mitglieder weiterhin die täglichen kirchlichen Versammlungen (Andachten, Singstunden, Predigten, Liebesmahle, Lesungen usw.). Soweit es Vereine gab, dienten diese meist karitativen Zwecken (Arme, Kranke, Mission). In der Ortsgemeinde dagegen blühte ein Vereinswesen mit geselligem und vaterländischem Hintergrund.

Ob Bewohner der Ortsgemeinde in den Vereinen der Brüdergemeine mitwirkten, ist nicht bekannt. Dagegen enthalten die Mitgliederlisten der Orts-Vereine eine größere Anzahl von Brüdergemein-Mitgliedern. Insgesamt hatten die Orts-Vereine 383 Mitglieder.2

Vereine Ebersdorf-Ortsgemeinde 1915

Mitglieder

Schützengesellschaft

34

Fürstl. Reuß j.L. Militärverein

65

Deutscher Flottenverein Bezirk Ebersdorf

83

Rabattsparverein

10

Nationalliberaler Verein

20

Vaterländischer Frauenverein

41

Freiwillige Feuerwehr

50

Männergesangverein Liederkranz

30

Landwirtschaftlicher Verein

50

Vielleicht haben auch die Entbehrungen und Opfer des 1. Weltkrieges beide Gemeinden etwas näher gebracht. Zumindest erhielten die 29 Gefallenen durch das 1921 eingeweihte Denkmal eine gemeinsame Erinnerungsstätte.

2 Laut Adressbuch der Landgemeinden des Fürstentums Reuß jüngere Linie, Verlag A.E. Fischer, HofL. Gera-R., 1915 – Die Aufzählung scheint aber nicht vollständig zu sein. Zumindest hat es noch den Kurverein gegeben und vermutlich einige Sportvereine.

5. Erste Verschmelzungsbemühungen 1851