Volkeswohl ist Fürstenlust - Heinz-Dieter Fiedler - E-Book

Volkeswohl ist Fürstenlust E-Book

Heinz-Dieter Fiedler

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Beschreibung

Heinrich 72. zu Lobenstein-Ebersdorf war vielleicht der bekannteste unter den vielen Grafen und Fürsten des Hauses Reuß. Dass sein Name weit über die Grenzen seines kleinen Landes hinaus bekannt wurde, liegt hauptsächlich er seinen oft skurrilen Wortschöpfungen und Verordnungen, seiner Affäre mit der spanischen Tänzerin Lola Montez und seiner Abdankung in Folge der 1848er Revolution. Dementsprechend zahlreich sind die Veröffentlichungen, die sich mit Heinrich 72. beschäftigen. So viele Berichte es gibt, so unterschiedlich sind auch die Urteile über diesen Fürsten. Die meisten Erzählungen sind subjektiv gefärbt. Heinrich 72. erstrahlt bei einem Teil seiner Untertanen durchaus in einem positiven Licht. Es gibt Belege, dass der Fürst eine Menge Gutes für sein Land getan hat. Andere Zeitzeugen beschreiben Heinrich 72. als einen egoistischen, herrschsüchtigen und rücksichtslosen Despoten. Anhand der in diesem Heft zusammen gestellten Erzählungen von Menschen, die dem Fürsten teils wohl, teils übel gesonnen waren, kann sich der Leser selbst ein Bild machen. Daneben wird aber auch der Fürst selbst zu Wort kommen - und eigene Worte sagen bekanntlich viel über den Menschen aus, der sie gesprochen oder niedergeschrieben hat.

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Inhalt:

1.Einführung

2.Heinrichs Lebensweg im Überblick

3.Heinrichs Charakter aus unterschiedlicher Sichtweise

4.Die Schlacht von Harra

5.Heinrichs Leidenschaft: Die Jagd

6.Heinrichs Leidenschaft: Pferde

7.Heinrichs Leidenschaft: Reisen

8.Heinrichs Leidenschaft: Frauen

9.Die Erlasse des Fürsten

10. Heinrichs Beziehung zur Brüdergemeine

11. Die Reußische Nationalhymne

12. Heinrichs 25jähriges Regierungsjubiläum

13. Die Revolution 1848

14. Die Abdankung

15. Leben im Exil

16. Tod und Begräbnis

Literatur

1. Einführung

Das Herrschergeschlecht der Reußen ist seit dem 12. Jahrhundert im jetzigen Thüringen beheimatet. Es ist ein weit verzweigtes Geschlecht und pflegt die einmalige Besonderheit, dass alle männlichen Nachkommen den Vornamen Heinrich erhalten. Im 17. und 18. Jahrhundert entstand eine große Zahl von Kleinstaaten, weil die Reußen im Erbfall ihr Land auf alle vorhandenen Söhne aufteilten. Später änderte man das Verfahren, so dass jeweils der älteste Sohn das Land erbte. Aussterbende Zweige wurden den bestehenden zugeschlagen, so dass sich die zersplitterten reußischen Gebiete nach und nach wieder zusammenfügten.

Obwohl sein Reich nur 7 Quadratmeilen groß war und er lediglich über etwa 16000 Untertanen verfügen konnte, war Heinrich 72. zu Lobenstein-Ebersdorf wohl einer der bekanntesten unter den vielen Grafen und Fürsten der großen Familie Reuß. Dass sein Name weit über die Grenzen seines kleinen Landes hinaus bekannt wurde, liegt hauptsächlich an seinen oft skurrilen Wortschöpfungen und Verordnungen, seiner Affäre mit der spanischen Tänzerin Lola Montez und seiner Abdankung in Folge der 1848er Revolution.

Dementsprechend zahlreich sind die Veröffentlichungen, die sich mit Heinrich 72. beschäftigen. In Zeitungen und Büchern berichten sowohl Zeitzeugen als auch Leute, die ihn nie gekannt haben, kleine und große Begebenheiten aus dem Leben dieses Mannes und beschreiben seinen Charakter. So viele Berichte es gibt, so unterschiedlich sind auch die Urteile über diesen Fürsten. Der Wahrheitsgehalt lässt sich oftmals nicht ergründen. Manche Berichte widersprechen einander - in Details oder in grundlegenden Inhalten. Gelegentlich werden Sachverhalte geschichtlich falsch dargestellt. Die meisten Erzählungen sind subjektiv gefärbt. Heinrich 72. erstrahlt bei einem Teil seiner treuen Anhänger - das waren einige seiner Diener, Beamten und sonstigen Untertanen - durchaus in einem positiven Licht. Es gibt Belege, dass der Fürst eine Menge Gutes für sein Land getan hat. Aus anderen Berichten spricht Verachtung, manchmal geradezu Hass. Auch das ist erklärlich. Heinrich 72. wurde ja während der Märzrevolution 1848 von seinem Stammsitz vertrieben, in einer Zeit, da den Herrschenden überall ihre tatsächlichen und vermeintlichen Schandtaten schonungslos vorgehalten wurden. Und vieles spricht dafür, dass Heinrich 72. häufig ein egoistischer, herrschsüchtiger und rücksichtsloser Despot war.

Der Verfasser maßt sich nicht an, ein Urteil über Heinrich 72. zu fällen. Möge sich jeder selbst ein Bild machen anhand der im folgenden zusammengestellten Erzählungen von Menschen, die dem Fürsten teils wohl, teils übel gesonnen waren. Am häufigsten wird aber der Fürst selbst zu Wort kommen - und eigene Worte sagen bekanntlich viel über den Menschen aus, der sie gesprochen oder niedergeschrieben hat.

2. Heinrichs Lebensweg im Überblick

Heinrich 72. Reuß (jüngere Linie) wurde am 27. März 1797 in Ebersdorf geboren. Er war der Sohn des Fürsten Heinrich 51. Reuß zu Ebersdorf und dessen Frau, Gräfin Luise von Hoym.

Heinrich hatte eine fünf Jahre ältere Schwester Karoline und eine drei Jahre jüngere Schwester Adelheid. Er war also der einzige Junge, sah dazu noch schmuck aus, und wurde von seiner Mutter entsprechend geliebt und verwöhnt. Das wirkte sich sicherlich nicht nur positiv auf seinen Charakter aus. Sein Vater hat sich oft beklagt, dass der 72. in der Jugend gründlich verzogen worden war. Vielleicht spielt auch die Vererbung von Seiten seiner Mutter eine Rolle, die als geistreich und exzentrisch zugleich geschildert wird.

Heinrich wurde von Kindheit an auf die Rolle des Herrschers vorbereitet. Er erhielt eine gute Ausbildung, zunächst "unter den Augen seiner Eltern" durch Hauslehrer, meistens in Dresden, wo sich seine Eltern gewöhnlich aufhielten. Als 19jähriger ging er zum Studieren nach Bern, anschließend nach Göttingen und Dresden, "wo er von einigen Geschäftsmänner Privatunterricht erhielt". 1822 starb sein Vater Heinrich 51. und Heinrich 72. übernahm als Fürst Reuß zu Ebersdorf die Regentschaft. Er war gerade 25 Jahre alt und galt als ein lebensfroher Junggeselle, dem aber auch ein exzentrisches, taktloses und rücksichtsloses Auftreten vorgeworfen wurde.

Heinrich 72. war der fünfte und letzte in der Reihe der Ebersdorfer Regenten. Die Herrschaft Ebersdorf entstand 1678, als Heinrich 10. zu Lobenstein starb. Er hatte drei Söhne, dementsprechend wurde die Grafschaft Lobenstein in drei Teile geteilt (Lobenstein, Hirschberg, Ebersdorf). Die gesamte jüngere Linie Reuß bestand damit aus den Herrschaften Lobenstein, Hirschberg, Ebersdorf, sowie den schon seit 1647 bestehenden Herrschaften Schleiz und Gera. Als 1711 die Linie Hirschberg erlosch, wurde dieses Gebiet den Grafschaften Lobenstein und Ebersdorf je zur Hälfte zugeschlagen. Die Fläche von Reuß-Ebersdorf vergrößerte sich damit von 2 auf 3 Quadratmeilen. 1803 erlosch auch die Linie Gera. Dieses Gebiet wurde aber nicht aufgeteilt, sondern unter die gemeinsame Verwaltung von Schleiz, Lobenstein und Ebersdorf gestellt.

Heinrich 72. hat also mit seinem Regierungsantritt die Herrschaft über das Fürstentum Ebersdorf übernommen und war an der Verwaltung - und den Einnahmen - der Herrschaft Gera beteiligt. Die Regierungsgeschäfte haben ihn aber wohl nicht völlig beansprucht, so dass er im folgenden Jahr nach England reisen konnte. Die Wintermonate verbrachte er in Paris, ging dann wieder nach England und bereiste auch Schottland und Irland. Zwei Jahre nach Regierungsantritt - Heinrich war gerade in Frankreich - vergrößerte sich sein Territorium beträchtlich. Die Linie Reuß-Lobenstein war erloschen, weil Heinrich 54. zu Lobenstein ohne Nachkommen starb. Dadurch fielen das Fürstentum Lobenstein und ein weiteres Stück von Gera an Heinrich 72. Er nannte sich nun Fürst Reuß zu Lobenstein und Ebersdorf und war Herrscher über etwa 16000 Untertanen. Die Fläche seines Landes betrug 7,75 Quadratmeilen1. Heinrich verfügte, dass die in Ebersdorf geltenden besonderen Gesetze nun auch in Lobenstein gelten sollten und in Kollissionsfällen den lobensteinischen Gesetzen vorgehen sollten. Nach dem Tod seiner Mutter 1832, der letzten ihres Geschlechts, erbte Heinrich die umfangreichen Hoymschen Besitzungen, unter anderem die Herrschaft Droyßig, bestehend aus 24 Dörfern.

Heinrich 72. regierte 26 Jahre lang sein kleines Fürstentum, bis Reuß-Lobenstein-Ebersdorf in die Wirren der 1848er Revolution verwickelt wurde. Tief enttäuscht von seinen Untertanen, erklärte der Fürst seinen Rücktritt und ist fünf Jahre später im Exil gestorben.

1 Wenn man die Deutsche Meile mit 7,5 km Länge zugrunde legt, entsprechen 7,75 Quadratmeilen etwa 435 km²

3. Heinrichs Charakter aus unterschiedlicher Sichtweise

Wie die überlieferten Gemälde zeigen und Zeitgenossen berichten, war der Fürst von Gestalt und Angesicht ein selten schöner Mann. Was allerdings seinen Charakter betrifft, gehen die Meinungen weit auseinander. In einer von einem Höfling verfassten Charakteristik heißt es:

"Diesem geistreichen Fürsten ist der Stempel seines erhabenen Berufes schon von Natur aufgedrückt. Über die hohe, kräftige, im schönsten Ebenmaß gebaute Gestalt ist ein lebendiger Geist ausgegossen. Körper- und Seelenkräfte stehen auf gleich hoher Stufe, beide sind in seltener Entwicklung ausgebildet. Darum vermag der Fürst die größten Strapazen zu ertragen und die schweren Pflichten eines Regenten mit seltener Ausdauer und Selbständigkeit zu erfüllen. Sein Charakter ist durch die sorgfältigste Erziehung, vorzüglich aber durch die Schule des Lebens, durch eigene Tätigkeit und scharfe Beobachtungsgabe im Umgange mit Menschen, auf wiederholten Reisen in England, Frankreich, Italien, durch den Besuch aller deutschen Höfe ausgebildet worden. In frühester Jugend schon an Leibesübungen gewöhnt, hat er als Jüngling und Mann seine Körperkraft durch ausdauernde Beschwerden jeder Art gestählt. Ein großer Freund der Jagd, achtet er keine Jahreszeit und setzt sich allen Wechselfällen der Witterung aus, ohne zu ermüden…"

Weiter folgen Formulierungen wie "streng gegen sich selbst, gerecht gegen die anderen", "greift unmittelbar ein, wenn Untertanen in Gefahr, z.B. durch Feuer und Wasser", "aus Liebe zu seinen Untertanen die Berufung auf den Thron Griechenlands ausgeschlagen" usw.

Bezüglich der Liebe zu seinen Untertanen hat Heinrich 72. selbst geäußert: "Könnte man mein Herz ausschneiden, man würde sehen, jeder Blutstropfen ist dem Volke geweihet."

Ein positives Bild des Fürsten wird auch - wie könnte es anders sein - in der ihm zugedachten Trauerrede gezeichnet. Darin sind auch die größten seiner Verdienste um das Land aufgezählt:

"Im schönen Verein mit dem kräftigen Körper stand der lebendige, strebsame Geist, der feste beharrliche Wille, der hoch gebildete Sinn für das Schöne, das milde Herz für die Not der Armen - köstliche Erbstücke seiner in Gott ruhenden Eltern. Mit diesem