100 Jahre Institut für Weltwirtschaft - Harald Czycholl - E-Book

100 Jahre Institut für Weltwirtschaft E-Book

Harald Czycholl

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Beschreibung

Das Buch, das zum 100-jährigen Jubiläum des berühmten Kieler Instituts erscheint, zeichnet im historischen Kontext dessen Entwicklung von den Anfängen bis in die Gegenwart nach. Es verbindet Einblicke in Wirtschaftspolitik und -forschung, Stimmen von "Zeitzeugen" wie Helmut Schmidt und Heide Simonis sowie Porträts der Institutsdirektoren mit unterschiedlichen Perspektiven auf das Verhältnis von Markt und Staat. Welche historischen und gesellschaftlichen Strömungen haben die Wirtschaftswissenschaft und - politik geprägt? Schnell wird deutlich, dass auch hinter Wirtschaftspolitik Menschen, Leidenschaften, Moden und Ängste stehen. Harald Czycholl erklärt, wie auf der "internationalen Kieler Drehscheibe" die Balance zwischen Wirtschaftsverständnis und -gestaltung immer wieder neu gefunden werden muss. Dabei werden auch die dunklen Kapitel des Instituts während der Zeit des Nationalsozialismus eingehend behandelt. Das vorliegende Buch blickt sowohl auf die reiche Geschichte des IfW als auch in dessen Zukunft.

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100 Jahre Institut für WeltwirtschaftVom Königlichen Institut zum globalen Forschungszentrum

Harald Czycholl

100 Jahre Institut für Weltwirtschaft

Vom Königlichen Institut zum globalen Forschungszentrum

 

 

© 2014 Wachholtz Verlag

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jeder Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in elektronischen Systemen.

Gesamtherstellung: Wachholtz VerlagSatz: Martin Grundmann, HamburgCovergestaltung: boy, Kiel

ISBN Print 978-3-529-06365-7 · E-Book 978-3-529-09207-7

www.wachholtz-verlag.de

Inhalt

I.Vorwort

II.Vorbemerkung des Autors

1.Im Zeichen der Weltwirtschaft

1.1Im Wandel der Zeit

Report: Das Kieler Institut heute

1.2Ordnungspolitische Prägung

1.3Forschen auf der Drehscheibe

Interview: Dennis Snower: »Am Institut herrscht ein neues Klima«

2.Vorgeschichte (1899–1914)

2.1Die Keimzelle

Biografie: Bernhard Harms: Der Visionär

Report: Kiel zu Beginn des 20. Jahrhunderts

2.2Das Staatswissenschaftliche Institut

3.Gründerzeit (1914–1926)

3.1Bewährungsprobe im Ersten Weltkrieg

Report: Das Wirtschaftsarchiv

3.2Neubaupläne

3.3Das ideale Heim

3.4Der Wissenschaftliche Club

3.5Forschungsarbeit und Finanzprobleme

4.Sieben innovative Jahre (1926–1933)

4.1Ein Stern geht auf

Report: Die führenden Astwik-Köpfe

4.2Politisch links

5.Das dunkle Kapitel (1933–1945)

5.1Das Ausscheiden von Bernhard Harms

Biografie: Jens Jessen: Der Prinzipientreue

Report: Die Vertriebenen

5.2Jens Jessen an der Spitze des Instituts

Report: Vom Saulus zum Paulus: Wie Jessen Widerstandskämpfer wurde

Interview: Jens Jessen: »Es bleibt ein Stück Misstrauen«

Biografie: Andreas Predöhl: Der Willfährige

5.3Großraumforschung als theoretische Grundlage

5.4Die Gratwanderung

5.5Der Lichtblick

5.6Zerstörung

6.Der Neustart (1945–1961)

6.1Die Übergangszeit

Biografie: Fritz Baade: Ein Visionär und Politiker

Report: Predöhls weitere Karriere

6.2Der Wiederaufbau

Interview: Erwin Heidemann: »Vergangenheitsbewältigung hat keine Rolle gespielt«

6.3Das Haus Welt-Club

Report: Der Wirtschaftswissenschaftliche Club

6.4Forschung und Politik

Report: Baade im (Un-)Ruhestand

7.Die Doktorandenschmiede (1961–1968)

7.1Fokus auf die Lehre

Biografie: Erich Schneider: Der Patriarch

7.2Keynes in Kiel

Report: Der Bernhard-Harms-Preis

7.3Internationaler Anschluss

Report: Ein Ende mit Schrecken

8.»Unser Feld ist die Welt« (1969–1989)

8.1Eine Zeitenwende

Biografie: Herbert Giersch: Der Freigeist

Report: Die größte wirtschaftswissenschaftliche Bibliothek der Welt

8.2Im Streit mit Helmut Schmidt

Interview: Helmut Schmidt: »Giersch war ein Marktideologe«

8.3Strukturwandel und »Eurosklerose«

Report: Das Institut und die Stasi

8.4»Man weiß doch, was da kommt«

Report: Das Advanced Studies Program

8.5Ein philosophischer Geist

9.Die marktwirtschaftliche Welt wird größer (1989–2003)

9.1Die Nachfolgefrage

Biografie: Horst Siebert: Der Mann mit der Fliege

9.2Im Zeichen der Einheit

Report: Der omnipräsente Giersch

Interview: Heide Simonis: »Es war streckenweise unterirdisch«

9.3Erfolgreich evaluiert

Report: Rastlos im Ruhestand

10. Das global vernetzte Institut (2003–heute)

10.1Die Suche nach Mister X

Biografie: Dennis Snower: Der Kosmopolit

10.2Der Amerikaner

10.3Neue Impulse

10.4Die Lösung globaler Probleme

Report: Das Global Economic Symposium

10.5Internationale Spitzenforschung

Interview: Rolf Langhammer: »Das Institut muss sich im weltweiten Wettbewerb bewähren«

Anhang

Quellenangaben

Bibliografie

I. Vorwort

Weltwirtschaft verstehen – Weltwirtschaft gestalten. Dieses Motto des einhundertjährigen Jubiläums des Instituts für Weltwirtschaft zieht sich von seiner Gründung bis heute wie ein roter Faden durch die Geschichte des Instituts. Am Anfang stand eher der Wunsch nach Verstehen durch Beobachten und Beschreiben. Dabei half der Aufbau einer einzigartigen Literatur-, Statistik- und Dokumentationsbasis. Später wurde Verstehen zunehmend im Sinne von Theoriebildung interpretiert. Auch dies war eine originäre Leistung des Instituts. Der Wunsch nach konkretem Gestalten indes war stärker nachfrageorientiert, denn wirtschaftspolitische Beratung und Ausbildung richtete sich an dem aus, was die Gesellschaft vom Institut erwartete.

Fünfzig Jahre nach der ersten umfassenden Würdigung des Instituts ist das Jahrhundertjubiläum ein schöner Anlass, die Institutsgeschichte in allen ihren Facetten zu würdigen. Dies ist auch notwendig, denn vieles, was das Institut in seiner Geschichte leistete, blieb bislang unbeleuchtet. Manches wurde auch verschwiegen, so vor allem seine willfährige Beratung zugunsten einer menschenverachtenden Politik der NS-Machthaber.

Die Gesellschaft zur Förderung des Instituts für Weltwirtschaft hat daher den Wirtschaftsjournalisten Harald Czycholl gebeten, die Geschichte des Instituts neu aufzuschreiben. Da Institutionen kein Eigenleben führen, sondern durch die sie prägenden Persönlichkeiten getragen werden, stehen diese Persönlichkeiten in ihrer Funktion als Direktoren bzw. Präsidenten im Mittelpunkt der einzelnen Epochen des IfW. Dabei wird deutlich, dass jeder von ihnen eine unverkennbare Handschrift hinterließ, die mal dem Verstehen, mal dem Gestalten von Weltwirtschaft größeren Raum gaben. Fast immer jedoch wurde beides angestrebt. Aus gutem Grund, denn gerade in jener Epoche von 1933 bis 1945, in der das IfW das Streben nach Verstehen nahezu vollkommen aufgab und sich stattdessen dem Gestaltungswillen der Machthaber unterwarf, büßte es seine Reputation als Stätte des Forschens und Verstehens beinahe vollständig ein. Daher bleibt die Leistung des Instituts nicht nur eine wesentliche Bringschuld an die Gesellschaft, sondern auch ein Schutzschild gegen die Vereinnahmung durch Dritte. Ohne sie kann ein verantwortungsbewusstes Gestalten durch Beratung und Ausbildung nicht geleistet werden.

Die Fördergesellschaft ist Herrn Czycholl dankbar dafür, dass er seine Arbeit unter Mithilfe von Materialien und Zeitzeugen an den das Institut prägenden Persönlichkeiten ausgerichtet hat. Diese wiederum spornten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, die im Institut den Ausgangspunkt, manchmal aber auch den ständigen Mittelpunkt ihres beruflichen Lebens fanden. Heute wie früher bleibt Verstehen und Gestalten von Weltwirtschaft für sie die Richtschnur ihrer Tätigkeit und damit auch der des Instituts.

Dr. Kurt-Ludwig Gutberlet

Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung des Instituts für Weltwirtschaft e. V.

II. Vorbemerkung des Autors

Einhundert Jahre sind eigentlich keine sonderlich lange Zeit, erst recht nicht für eine wissenschaftliche Institution. Dennoch ist ein solches Jubiläum ein gegebener Anlass, zurückzublicken auf das, was war. Genau das soll dieses Buch liefern: einen Rückblick. Anspruch ist es nicht, eine vollständige, lückenlose Chronik der Institutsgeschichte zu bieten, sondern einen journalistischen Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse, die das Institut für Weltwirtschaft geprägt und zu dem gemacht haben, was es heute ist: ein international bedeutendes, global vernetztes Wirtschaftsforschungsinstitut.

Wie fast überall im Leben, so gilt auch hier: Man kann es nie allen recht machen. Vielleicht hätte ein anderer Autor andere Schwerpunkte gesetzt, bestimmten Gegebenheiten weniger Raum eingeräumt und dafür andere stärker hervorgehoben oder die Rolle der das Institut prägenden Personen anders eingeordnet. Dennoch habe ich mich um eine ausgewogene Darstellung bemüht.

Ohne die Unterstützung vieler helfender Hände von inner- und außerhalb des Instituts würde es dieses Buch nicht geben. Besonders herzlich danken möchte ich Rolf Langhammer, der das Projekt von Institutsseite betreut und durch seine Anregungen, Erinnerungen und Verbesserungsvorschläge maßgeblich zum Entstehen dieses Buches beigetragen hat. Auch meinen Interview- und Gesprächspartnern – allen voran Juergen B. Donges, Erwin Heidemann (†), Martin Hoffmeyer, Jens Jessen, Helmut Schmidt, Heide Simonis und Dennis Snower – gilt ein herzliches Dankeschön für ihre Zeit und Auskunftsbereitschaft. Für das Korrekturlesen und entsprechende Anregungen und Änderungsvorschläge möchte ich mich ferner bedanken bei Alfred Boss, Johannes Bröcker, Harald Hagemann, Henning Klodt, Harmen Lehment, Wolf Schäfer, Rüdiger Soltwedel und Jürgen Stehn sowie bei der Gesellschaft zur Förderung des Instituts für Weltwirtschaft e.V. für die finanzielle Förderung dieses Projekts. Und last, but not least gilt mein Dank natürlich meiner Partnerin Katharina Hoch für ihre Unterstützung und unserem Sohn Nathan, der sich seit seiner Geburt am 30. Juni 2012 als steter Quell von Kreativität und Inspiration erwiesen hat.

Harald Czycholl

1. Im Zeichen der Weltwirtschaft

1.1Im Wandel der Zeit

Wir schreiben das Jahr 1914. Das Deutsche Reich wird noch von einem Kaiser regiert. Holstein Kiel, der Deutsche Fußballmeister von 1912, vertritt die deutschen Farben bei den Baltischen Spielen in Malmö. Schleswig ist Hauptstadt der preußischen Provinz Schleswig-Holstein. Und in Kiel, das nicht erst seit der Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals im Jahr 1895 als Werft- und Marinestandort prosperiert, wird nach zähen Anläufen mit dem »Königlichen Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft« ein kleines Wirtschaftsforschungsinstitut eröffnet. Eine Gründung hinein in eine Welt im Wandel: In jenem Jahr bricht der Erste Weltkrieg aus, der die Machtkoordinaten in Europa und der Welt nachhaltig verschieben wird. Er beendet auch die erste große Globalisierungsphase der Neuzeit und läutet eine Epoche der Instabilität, des Nationalismus und des Protektionismus ein. In dieser ersten Post-Globalisierungs-Zeit muss sich das junge der Weltwirtschaft verschriebene Institut zurechtfinden. Dies gelingt mit Themen, die eher der Suche nach einem Weg aus der Depression gewidmet sind als den Triebkräften eines stürmischen Wirtschaftswachstums in der Welt.

Im Jahr 2014, hundert Jahre später, nach zwei Weltkriegen, der deutschen Teilung und Wiedervereinigung, leben wir in einer Bundesrepublik. Holstein Kiel kickt nach einigen Jahren in der Regionalliga wieder in der dritten Liga, Schleswig ist eine einfache Kreisstadt, der Kaiser-Wilhelm-Kanal heißt nun Nord-Ostsee-Kanal und ist die meistbefahrene Wasserstraße der Welt. Und Kiel ist Hauptstadt des Bundeslandes Schleswig-Holstein und beheimatet mit dem Institut für Weltwirtschaft ein international bedeutendes Wirtschaftsforschungsinstitut, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die großen, weltwirtschaftlichen Probleme zu erforschen und innovative Lösungen dafür zu entwickeln. Lösungsvorschläge für eine Welt im Wandel: Infolge der Globalisierung ist die Welt immer weiter zusammengewachsen, und damit einhergehend sind auch die Probleme immer größer und globaler geworden: Banken- und Immobilienkrisen haben die Koordinaten der Weltwirtschaft durcheinandergewirbelt und bedrohen weiterhin das weltweite Finanzsystem. Internationale Konflikte, etwa im Nahen Osten, bedrohen den Weltfrieden. Und die Hüter der europäischen Gemeinschaftswährung, des Euro, befinden sich in einem permanenten Krisenmodus, weil viele Mitgliedsländer mit ausufernden Staatsschulden kämpfen.

Die internationale Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 hat die Ökonomenzunft aufgeschreckt. Kaum einer hat die Krise kommen sehen, zumindest nicht in dieser Form, und auch mit ihren Konjunkturprognosen lagen nicht nur die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute oft weit daneben. Die Krise hat die Zunft demütiger und bescheidener gemacht – und für ein Umdenken gesorgt. Plötzlich wird über den Tellerrand geschaut, ausgetretene Pfade werden verlassen und neue Wege gesucht. Ökonomen suchen die Zusammenarbeit mit Forschern anderer Fachdisziplinen, um auf diese Weise ein besseres Verständnis der wirtschaftlichen Vorgänge – und der Menschen dahinter – zu erreichen. Das ist ein Prozess, der sich noch in seinen Anfängen befindet und der die Wirtschaftswissenschaften noch eine Weile beschäftigen wird. Auch im Kieler Institut wird über neue Methoden und Ansätze, die Wirtschaft ganzheitlicher zu erfassen, nachgedacht.

Das Institut für Weltwirtschaft ist das älteste und traditionsreichste unter den sechs großen Wirtschaftsforschungsinstituten in Deutschland. Es blickt zurück auf 100 Jahre voller Anstrengungen, die Weltwirtschaft forschend zu durchdringen, ihre Bewegungskräfte zu verstehen und sie gleichzeitig durch Beratung und Ausbildung mitzugestalten. Zugleich richtet sich die wissenschaftliche Neugier seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach vorn, in Erwartung der Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte.

Report

Das Kieler Institut heute

Das Institut für Weltwirtschaft ist eines der großen Zentren weltwirtschaftlicher Forschung, wirtschaftspolitischer Beratung, ökonomischer Ausbildung und wirtschaftswissenschaftlicher Dokumentation. Auf Basis der Forschungsarbeiten des Instituts werden Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beraten und die interessierte Öffentlichkeit über wichtige wirtschaftspolitische Zusammenhänge informiert. Rund 170 Mitarbeiter, darunter über 100 Forscher, haben sich diesen Zielen verschrieben. Hinzu kommt ein weit gespanntes Netzwerk aus nationalen und internationalen Experten, deren Arbeiten und Ideen in die Forschungs- und Beratungsaktivitäten des Instituts einfließen. Einen besonderen Schwerpunkt legt das Institut für Weltwirtschaft auf die ökonomische Aus- und Weiterbildung. Es kooperiert dabei eng mit der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW), der größten wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Bibliothek der Welt.

1.2Ordnungspolitische Prägung

Spätestens seit zu Beginn der 1960er Jahre der große Wirtschaftstheoretiker Erich Schneider – der »deutsche Keynes«, wie viele ihn nannten – an die Spitze des Instituts für Weltwirtschaft rückte, wurde von Kiel aus die ordnungspolitische Debatte in Deutschland geprägt. Die 1960er Jahre standen ganz klar im Zeichen einer keynesianischen Nachfrageorientierung. Schneider war zwar vor allem ein Theoretiker, aber er verbreitete einen festen Glauben an die Steuerbarkeit der Wirtschaft und machte auch konkrete Vorschläge, wie die wirtschaftspolitischen Probleme jener Zeit – Inflation, Rezession und infolgedessen Arbeitslosigkeit – gelöst werden könnten. Seine Ideen fanden Gehör in Politik und Gesellschaft und brachten dem Institut Renommee und Anerkennung.

Die 1970er Jahre läuteten eine Zeitenwende in der Ökonomie und damit auch am Institut ein: Die wirtschaftspolitischen Probleme fanden sich zunehmend auf der Angebotsseite wieder, als Folge von Strukturbrüchen. Ein Beispiel ist die erste Ölkrise. Durch die Drosselung der Erdölförderung vonseiten der OPEC-Staaten, eine Reaktion auf den Jom-Kippur-Krieg, wird eine Angebotsverknappung ausgelöst, die die industrialisierte westliche Welt 1973 in Atem hält und eine schwere Rezession auslöst. Auch Herbert Giersch, 1969 auf den Chefsessel des Kieler Instituts gerückt, löste sich zu Beginn der 1970er Jahre von seinen keynesianisch geprägten Vorstellungen, mit denen er als Mitglied des Sachverständigenrats noch an der »konzertierten Aktion« zur Bekämpfung der Rezession des Jahres 1967 mitgewirkt hatte. Er wurde zu einem Vorkämpfer der Marktwirtschaft, einem inspirierenden Freigeist, der leidenschaftlich für freie Märkte und gegen verkrustete Strukturen und Wettbewerbshemmnisse zu Felde zog. So verhalf Giersch dem Institut zu großem Einfluss in der wirtschafts- und ordnungspolitischen Debatte in Deutschland.

Ähnliches gilt für Gierschs Nachfolger Horst Siebert, der 1989 die Leitung des Instituts übernahm, als die Mauer und mit ihr der Eiserne Vorhang fiel. Die marktwirtschaftliche Welt wurde größer, und Sieberts ordnungspolitischer Fokus wurde durch die Bewältigung der deutschen Wiedervereinigung sowie den vorherrschenden Reformstau in Deutschland bestimmt. Wie Giersch stritt auch Siebert für den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente beispielsweise beim Umgang mit knappen Umweltressourcen, für mehr Wettbewerb auf den Arbeitsmärkten und für eine Reform der deutschen Sozialsysteme. So war auch Horst Siebert ein Vordenker seiner Zeit, verschaffte dem Institut und seinen marktwirtschaftlichen Ideen Gehör und Anerkennung und nicht zuletzt auch eine enorme Breitenwirkung in der ordnungspolitischen Debatte.

Als Dennis Snower im Jahr 2004 die Präsidentschaft des Kieler Instituts übernahm, wandelte sich der Fokus der ordnungspolitischen Debatte in Deutschland und zugleich auch die institutsseitige Positionierung: Es wurde immer offenkundiger, dass mit der Globalisierung, die unbestritten für ein großes Maß an materiellem Wohlstand gesorgt hat, auch globale Probleme einhergehen. Und viele dieser Probleme offenbarten sich in Bereichen, in denen die Marktwirtschaft den Ton angibt – beispielsweise auf den Finanzmärkten. So standen fortan die aus der Globalisierung entstandenen Probleme im Fokus der Forschungsarbeit des Instituts. Mittlerweile ist weithin akzeptiert, dass Staat und Markt Teil eines ganzheitlichen Systems sind, das sich stetig verändert. Die Suche nach den richtigen Rahmenbedingungen, die Regierungen setzen müssen, damit das politisch-ökonomisch-soziale System über rein materielle Fragestellungen hinausgehenden Wohlstand erzeugt, bestimmt seither den ordnungspolitischen Diskurs. Dennis Snower beeinflusst diesen Diskurs von Kiel aus maßgeblich – beispielsweise durch seine Vorschläge zur Lösung der Euro-Krise, die unter anderem sogenannte »atmende Fiskalregeln«, Solvenzkriterien für verschuldete Euro-Mitgliedsländer sowie die Vorschrift von Pflichtwandelanleihen für systemrelevante Finanzinstitutionen vorsehen. So hat sich die Richtung des Denkens verändert – und damit zählt das Kieler Institut immer noch zu den Vorreitern einer sich selbst auch im Wandel befindlichen ordnungspolitischen Debatte in Deutschland.

1.3Forschen auf der Drehscheibe

Das Institut für Weltwirtschaft ist heute gut positioniert, um sich seiner selbst auferlegten Aufgabe zu stellen: der lösungsorientierten Analyse und Erforschung der großen, globalen Probleme unserer Zeit. Das stellten auch 2012 die Evaluatoren der Leibniz-Gemeinschaft fest, als sie konstatierten, man sehe »eine gute Ausgangslage für einen weiteren Bedeutungszuwachs des IfW auf internationaler Ebene1«. Diesem Zweck dienen auch die internationalen Netzwerke, die von Kiel aus sukzessive ausgebaut werden – so ist das Institut nicht nur ein Standort, sondern, bildlich gesprochen, auch eine internationale Drehscheibe. »Diese Drehscheiben-Funktion wird weiter ausgebaut werden«, sagt Dennis Snower. Die längerfristige Vision des Institutspräsidenten: Aus dem Institut soll ein »Global Institute« werden, das die wichtigsten Wissenschaftler, die über die Weltwirtschaft forschen, in Netzwerken miteinander in Verbindung bringt. »Dann verschwimmt der Unterschied zwischen den Beschäftigten hier und den Personen in den Netzwerken«, so Snower. Ein Anfang ist bereits gemacht. Mehr und mehr Forscherinnen und Forscher kommen für einige Zeit nach Kiel, um ihre Arbeiten voranzutreiben und anschließend wieder an ihre Heimatinstitutionen zurückzukehren.

Dank der Internationalisierung seiner Perspektive ist das Institut gereift – an die Stelle eines eher starren Schemas Markt versus Staat des vergangenen Jahrhunderts, des Kampfes zwischen Keynesianern auf der einen und Monetaristen auf der anderen Seite, ist ein weiter reichender Blick auf die Marktwirtschaft gerückt. So wird es möglich, auch in jenen Bereichen Lösungsvorschläge zu entwickeln, wo die Marktwirtschaft vollständig entfesselt ist. Oftmals sind hier bessere Rahmenbedingungen seitens des Staates vonnöten – diese zu definieren ist eine wichtige Aufgabe des Instituts und seiner Forscher. »Auf diesem Fundament sollten wir weiter aufbauen«, sagt Snower.

 

Interview

Dennis Snower:

»Am Institut herrscht ein neues Klima«

 

Professor Dennis Snower ist seit Oktober 2004 Präsident des Instituts für Weltwirtschaft. Im Interview, geführt am 30. April 2013 in seinem Büro im Kieler Institut, spricht er über das neue Institut, seine Mission und die Zukunft weltwirtschaftlicher Forschung.

Harald Czycholl: Herr Professor Snower, Sie waren in Amerika, Sie waren in England – was hat Sie bewogen, nach Kiel zu kommen?

Prof. Dennis Snower: Zwei verschiedene Dinge. Das Erste ist, ich bin in Wien geboren und aufgewachsen, besuchte aber eine amerikanische Ganztagsschule. Daher habe ich bis zum fünften Lebensjahr wirklich gut Deutsch sprechen können, und danach ist es viel sporadischer geschehen. Und den brachliegenden deutschsprachigen Teil von mir wollte ich wieder beleben. Das Zweite war eine Herausforderung: Ich sah, dass das Institut mit seinem Thema – der Weltwirtschaft – riesiges Potenzial hatte und dass das Institut zu einem Punkt gekommen war, wo die nächste Herausforderung wahrgenommen werden müsste. In einem Zeitalter, wo die Globalisierung zunehmend die Wirtschaft bestimmt und der Fokus global sein muss, musste das Institut für Weltwirtschaft entscheiden, ob man als deutsches Institut in die Weltwirtschaft gucken wollte oder ob man ein tatsächliches Institut für Weltwirtschaft sein wollte. Diese Herausforderung hat mich sehr interessiert.

Was war denn Ihr erster Gedanke, als Sie die Ausschreibung als Institutspräsident gesehen haben?

Ich hatte am Institut schon vier Mal im Advanced Studies Program gelehrt, es war mir also bekannt und hat mir etwas bedeutet. Mein erster Gedanke war, dass das Institut großes Potenzial hat, in der internationalen Forschungsszene mitzumischen in Bezug auf Analysen und lösungsbezogene Vorschläge zu den wichtigsten weltwirtschaftlichen Problemen.

Was ist – kurz zusammengefasst – Ihre Mission hier am Institut?

Die Mission ist, wissenschaftlich die wichtigsten globalen Probleme der Welt zu analysieren und wirtschaftspolitische Lösungsstrategien zu formulieren. Wie kann marktwirtschaftskonforme Wirtschaftspolitik, die anreizgebunden ist, aber sehr wohl Nachhaltigkeit, Ungleichheit und Ungerechtigkeit vor Augen hat, analysiert werden? Und wie kann sie an die Öffentlichkeit und in die konkrete Umsetzung befördert werden? Das sind die Leitfragen.

Was haben Sie verändert?

Wir haben ganz neue Strukturen geschaffen und die Abteilungen aufgelöst. Aber das war nicht alles: Am Institut herrscht auch ein neues Klima. Die Hierarchien sind flach, in Bezug auf Ideen und die Zukunft sind wir alle gleichgestellt, und wir wollen einfach einen guten Diskurs haben. Die Arbeit und das Ansehen am Institut sind leistungsbezogener geworden. Es hat eine Weile gedauert, bis dieses Klima verstanden worden ist, aber es hat sich durchgesetzt.

Man kann eine Präsidentschaft auch beginnen, indem man eigene Leute an strategisch wichtige Positionen setzt und einen großen Rundumschlag vornimmt. Warum haben Sie sich entschieden, mit dem vorhandenen Personal und ohne eigene Leute zu starten?

Es wäre der falsche Ton gewesen. Der Prozess, dass man sich zusammen neu besinnt und etwas neu in Angriff nimmt, hat auch einen Einfluss auf die Institution. Wenn ich andere mitbringe und Dinge durchsetze, dann sind das Machtverhältnisse, die eine Rolle spielen. Und das wollte ich nicht. Ich habe mir gedacht, wenn es gut geht, dann wird sich durch den Diskurs etwas Neues herausstellen. Und dann werden andere genauso überzeugt sein wie ich. Und so war es. Am Anfang war es eine Minderheit, die mitgemacht hat, und aus der ist eine überwiegende Mehrheit geworden.

Wo stand denn das Institut damals, und wo steht es im Vergleich dazu heute?

Das Institut hat immer eine sehr herausgehobene Stelle in Deutschland gehabt, schon seit langer Zeit. Als ich kam, habe ich sofort verlautbart: Das Institut muss international mitmischen! Da hat mich jeder ausgelacht und gesagt: Sie sind größenwahnsinnig! Und jetzt sind wir in einem Ranking der Economic Policy Think Tanks die Nummer vier auf der Weltrangliste. Da hat sich was getan. Und der Stolz der Mitarbeiter hat merklich zugenommen. Heutzutage ist es unmöglich, ein wirklich angesehenes Institut in Deutschland zu sein, ohne in der Welt als signifikant zu gelten. Und das tun wir.

Sie haben mehrere große Projekte angeschoben – die Kiel Summer School, den Weltwirtschaftlichen Preis, das Global Economic Symposium (GES). Was haben diese Projekte gemeinsam, und wie stehen sie für das neue Institut?

Mir war immer bewusst, dass meine Präsidentschaft mit einer neuen gedanklichen Ära des Instituts zusammenhängt. Wir haben viele globale Probleme in Bereichen, in denen die Marktwirtschaft relativ fortgeschritten ist – ein Beispiel sind die Finanzmärkte. Die Marktwirtschaft ist extrem wichtig für den materiellen Wohlstand der Welt, aber sie ist kein Allheilmittel. Und wir sollten uns auf das konzentrieren, was derzeit nicht gut geht mit oder ohne freie Märkte, und es lösungsbezogen beleuchten. Das war der Grundgedanke. Und der zweite wichtige Aspekt ist, dass wir das Institut nicht nur als Standort sehen, sondern bestrebt sind, daraus ein weltwirtschaftliches Netzwerk zu machen. Das Institut vernetzt sich also mit anderen Wissenschaftlern in aller Welt, um die weltwirtschaftlichen Probleme zu beleuchten und dadurch weitere Perspektiven zu eröffnen. Diesen Grundgedanken teilen die Summer School, das Global Economic Symposium und der Weltwirtschaftliche Preis.

Das größte und wichtigste dieser Projekte ist das GES. Warum braucht man es, wenn es schon das World Economic Forum gibt?

Wir sind ganz bestimmt kein zweites World Economic Forum. Das Merkmal des GES liegt woanders. Es ist kein Diskussionsforum, sondern ein Lösungsforum, und die Lösungsvorschläge sind forschungsbasiert. Was wir einbringen, ist unsere Forschungsexpertise. Und zugleich, obwohl alles forschungsbasiert ist, wollen wir Brücken bauen zwischen der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Politik und der zivilen Gesellschaft. So erhalten die Lösungsvorschläge mehr Gewicht, ohne dass dabei die wissenschaftliche Basis aus den Augen gelassen wird.

Was würde dem Institut fehlen, wenn es das GES nicht gäbe?

Das Institut verschärft sein Leitbild durch das GES: Was sind die wichtigsten Probleme der Weltwirtschaft, und wie sind sie zu handhaben? Das ist sehr vom GES geprägt. Für mich ist am wichtigsten, dass das GES den Geist zeigt, in dem man neue Lösungsvorschläge angehen sollte. Sie werden nicht per Dekret angegeben, sondern entstehen in einem offenen Prozess. Wir schaffen eine Möglichkeit, wo jeder teilnehmen kann. Dieser Geist, diese Offenheit ist es, was das GES vorlebt. Das ist, glaube ich, sehr hilfreich für die Zukunft des Instituts.

Wenn man Sie irgendwo auf der Welt, wo das Kieler Institut nicht so stark aus den Medien bekannt ist, fragt, was das denn eigentlich für ein Institut sei, für das Sie arbeiten: Was antworten Sie?

Ich war gerade in Asien und wurde genau dies oft gefragt. Ich glaube, die einfachste Weise, das zu erklären, ist, dass dieses Institut die Weltwirtschaft aus einer globalen – nicht nationalen – Perspektive analysiert. Wir schauen uns die Bezüge zwischen verschiedenen internationalen Problemen wie Klimawandel und Ressourcennachhaltigkeit an. Wir schauen immer, wie jemand, der die Welt als »Global Citizen« betrachtet, die Welt versteht, und versuchen, Lösungen zu finden, um auf der Welt mehr Nachhaltigkeit und mehr Wohlbefinden zu schaffen.

Wo steht denn das Institut heute, und wo soll es am Ende Ihrer Präsidentschaft stehen?

Ich glaube, das Institut ist derzeit recht gut positioniert, um die großen, globalen Probleme zu analysieren und lösungsbezogen zu forschen. Die internationalen Netzwerke weiten sich aus, und wir sind zum Teil Standort, zum Teil Drehscheibe. Die Drehscheiben-Funktion wird weiterhin ausgebaut werden. Die etwas längerfristige Vision, die ich ganz bestimmt nicht selbst werde verwirklichen können, ist, dass aus dem Institut ein »Global Institute« wird, also dass wir die wichtigsten Forscher, die über Weltwirtschaft forschen, in Netzwerken zusammenbringen und so die wichtigsten weltwirtschaftlichen Probleme abdecken können. Dabei wird der Unterschied zwischen den Beschäftigten hier und den Personen in den Netzwerken langsam verschwimmen.

Wenn in 100 Jahren eine Chronik über das 200-jährige Institutsjubiläum verfasst wird – was sollte darin auf keinen Fall in dem Kapitel über Ihre Präsidentschaft fehlen?

Ich glaube, dass in den nächsten 100 Jahren die Grenzen zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen zunehmend verschwimmen werden. In der Ökonomie geht es nicht mehr nur um monetäre Transaktionen in einem Markt, um Gleichgewichte, Angebot und Nachfrage, sondern es geht um das materielle Fundament des menschlichen Wohlergehens: Wohlstand im breiten Sinne, menschliche Erfüllung. Die große Herausforderung ist, Einsichten von verschiedenen Disziplinen zu kombinieren und dadurch eine realistischere Sicht des Menschen zu bekommen. Wo es notwendig ist, müssen Ökonomen sich austauschen mit Psychologen, Anthropologen, Soziologen, Neurowissenschaftlern, Philosophen, Biologen und vielen anderen. Wenn man zeigen könnte, dass zu diesem Zeitpunkt ein Anfang in diese Richtung geschaffen worden ist, würde mich das außerordentlich freuen.

Herr Professor Snower, herzlichen Dank für das Gespräch.

2. Vorgeschichte (1899–1914)

2.1Die Keimzelle

Mit Institutionen ist es wie bei Menschen: Ihre Geschichte beginnt nicht erst mit der Geburtsstunde, sondern schon viel früher. Beim Menschen fängt normalerweise alles mit dem Kinderwunsch der Eltern an. Oft sind etliche Anläufe nötig, bis dann irgendwann die Zeugung stattfindet. Und anschließend dauert es im Normalfall noch neun Monate, bis das neue Menschenkind das Licht der Welt erblickt.

Genauso war es auch beim Institut für Weltwirtschaft: Den offen artikulierten Kinderwunsch in Form eines Mittelantrags des damaligen Leiters des Staatswissenschaftlichen Seminars der Universität Kiel, Bernhard Harms, an den Kurator der Universität gab es nämlich bereits am 31. Mai 1909: »Es ist meine Absicht, die Abteilung für Seeverkehr und Weltwirtschaft systematisch auszubauen und sie zum Träger des Seminars zu machen«, schrieb Harms in dem Antrag – der allerdings abgelehnt wurde2. Schon zuvor, in seinem ersten Bericht 1908 über die Tätigkeit des Staatswissenschaftlichen Seminars, hatte Harms diese Abteilung erwähnt: »Besondere Aufmerksamkeit« sei ihr und ihrem Ausbau gewidmet worden, schrieb Harms. Die Abteilung für Seeverkehr und Weltwirtschaft solle »mehr und mehr den Mittelpunkt der produktiven Seminartätigkeit bilden«3.

Keimzelle des Instituts, wie wir es heute kennen, war also das Staatswissenschaftliche Seminar der Universität Kiel. Dieses hatte seine Tätigkeit bereits am 1. April 1899 aufgenommen, offiziell gegründet wurde es aber erst rund ein halbes Jahr später, am 16. Oktober 1899. Dieses Datum findet sich auf einem entsprechenden Erlass des preußischen Kultusministeriums, mit dem zugleich ein jährlicher Zuschuss von 300 Reichsmark bewilligt wurde4. Trotzdem hatte das Seminar zunächst ein Raumproblem: Erst drei Jahre nach seiner Gründung, im Jahr 1902, wurde ihm ein Raum im Universitätsgebäude zur Verfügung gestellt. Der erste Leiter des Staatswissenschaftlichen Seminars, Professor Wilhelm Hasbach, musste daher in den ersten Jahren improvisieren: Kurzerhand quartierte er das Seminar in seiner Privatwohnung ein.

Hasbach leitete das Seminar bis April 1906, anschließend übernahm Georg Adler, seinerzeit außerordentlicher Professor in Kiel, für ein Jahr die kommissarische Leitung, gefolgt von Ludwig Bernhard, Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften, im April 1907. Auch er blieb allerdings nicht lange: Zum Ende des Sommersemesters 1908 gab er das Amt schon wieder ab, nicht ohne jedoch zuvor mit Antrag vom 16. Juli 1907 versucht zu haben, »eine Abteilung für die volkswirtschaftlichen Fragen des Seewesens ins Leben zu rufen«5. Die dafür beantragten Mittel in Höhe von 5000 Reichsmark wurden jedoch nicht bewilligt.

Erst Bernhard Harms, damals 32 Jahre alt und frisch als Ordinarius nach Kiel berufen, konnte in dieser Frage erste Erfolge erzielen. Er übernahm zum 1. Oktober 1908 die Leitung des Staatswissenschaftlichen Seminars.

Biografie

Bernhard Harms:

Der Visionär