Fielmann - Harald Czycholl - E-Book

Fielmann E-Book

Harald Czycholl

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Beschreibung

1972 gründet Günther Fielmann sein erstes Optikergeschäft in Cuxhaven, bereits zwei Jahre später besitzt er sieben Läden. Mit ungewöhnlichen unternehmerischen Entscheidungen hat Fielmann es geschafft, mittlerweile über 500 Filialen in Deutschland erfolgreich zu betreiben, damit einen Marktanteil von 20 Prozent zu erzielen und Marktführer zu werden. Sein Motto lautet: »Modische Brillen auf Rezept". Das macht ihn zum erfolgreichsten Optiker Europas. Doch Günther Fielmann ist nicht nur Brillenkönig, sondern auch umweltbewusster Landwirt und Förderer der Denkmalpflege, vor allem in Schleswig-Holstein. Der renommierte Wirtschaftsjournalist Harald Czycholl zeichnet in diesem Buch den Weg des Erfolges und des Menschen Günther Fielmann nach - wie aus einem Augenoptiker der »Brillenkönig" wurde.

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Seitenzahl: 186

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Harald Czycholl

Fielmann.

Ein Unternehmer mit Weitsicht

© 2014 Wachholtz Verlag – Murmann Publishers, Neumünster/Hamburg

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Umschlaggestaltung: Wiebke Buckow, Jesteburg

Satz: Das Herstellungsbüro, Hamburg

eBook-Datenkonvertierung: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-529-09211-4

Besuchen Sie uns im Internet:

www.wachholtz-verlag.de

Inhalt

Vorwort

Prolog

1. Brille: Fielmann.

Deutschlands größter Augenoptiker

Das Motto seines Lebens

Backstein und Wertigkeit

Fielmanns Luxusproblem

Der Kunde ist König

2. Günther

Das holsteinische Urdorf

Die Eltern

Die Ausbildung

3. Fielmann

Die Revolution beginnt

Der steile Aufstieg

Treuer Gefährte

Die Wende

»Der Kunde bist du«

Mitarbeiterbeteiligung

Der Börsengang

Grenzgänger

Gesundheitsreformen

Brille: günstig

4. Die Geschichte der Brille

Zwiespältiges Accessoire

Die Erfindung der Brille

Das Brillenmacherhandwerk

Die moderne Brille

Die Kassenbrille

5. Das Unternehmen heute

Rekordjagd

Der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Frauen

Brillen über das Internet?

Wachstumschancen

Die Ohren im Blick

Expansion

6. Die Fielmann Akademie Schloss Plön

Lernen bei Hofe

Plöner Tradition

Erwerb und Umbau

Geschichte des Ortes

Die Ausbildung

7. Ökologische Landwirtschaft

Fielmann, der Bio-Bauer

Hof Lütjensee: Dachmarke und Arche-Hof

Hof Ritzerau: Ackerbau und Forschungsprojekt

8. Gut Schierensee

Das Anwesen des Brillenkönigs

Die Geschichte des Gutes

Der Eremitagegarten Heeschenberg

Kultur auf dem Landgut

Der Ex-Ministerpräsident im Forsthaus

9. Für kommende Generationen

Ein Modewort mit Leben füllen

Über eine Million Bäume

Die Familie

Ausgezeichnet

Ein Dreivierteljahrhundert

10. Interview mit Heide Simonis

»Wenn Fielmann etwas macht, macht er es richtig«

11. Interview mit Günther Fielmann

»Wer ernten will, muss säen«

12. Meilensteine der Unternehmensgeschichte

13. Literatur

Vorwort

Vor ein paar Jahren traf ich Günther Fielmann mit seinem Hund vor dem Portal von Gut Schierensee. Es war etwas Zeit zum Klönen, die anderen Gäste ließen auf sich warten. Der Smalltalk drehte sich um den Hund. Dass ich die Rasse nicht kannte, trug mir zunächst einen skeptischen, beinahe strengen Blick des Hausherrn ein, der sodann eine kleine Einweisung in Art und Wesen des belgischen Schäferhundes gab.

Keine Frage, wir sprechen über ein bemerkenswert schönes Tier. Mit dem hoch getragenen Kopf sieht er besonders edel, fast stolz aus. Dazu ist er schnell, wendig und von großer Sprungkraft. Er gilt als lernbegierig und intelligent, er ist sehr aktiv und immer bereit, Familie, Haus und Hof zu verteidigen. Dieser Hund passt bestens zu seinem Herrn, dachte ich sofort.

Besonders ist mir die Art und Weise in Erinnerung, wie Günther Fielmann über seinen Hund und dessen Vorzüge sprach. Dieser Hauch Zuneigung, diese Prise Begeisterung in der sonst faktenreichen, sachlichen Schilderung – das kannte ich auch aus einer Reihe von Interviews oder Reden, die ich im Laufe der Zeit von Günther Fielmann gehört hatte.

Niemand könnte so erfolgreich sein wie Günther Fielmann, hätte sie oder er nicht die Fähigkeit zur kühlen Analyse ebenso wie zur kühnen Vision. Niemand schafft es ganz nach oben ohne Selbstdisziplin und ohne die gewiss nötige Härte gegen sich selbst und andere. Dazu gehören konsequentes Handeln und Entscheiden sowie ein Höchstmaß an Hartnäckigkeit und Ausdauer.

Dies alles sind Eigenschaften, die Günther Fielmann allseits und in besonders hohem Maße zugesprochen werden, und sie haben ihn in die Lage versetzt, einer der erfolgreichsten und zudem bekanntesten Unternehmer unseres Landes zu werden.

Ausschlaggebend für seinen in jeder Hinsicht einzigartigen Erfolg ist aber meiner Meinung nach etwas ganz anderes. Nämlich die Leidenschaft und Hingabe, mit denen er »seinem Geschäft« nachgegangen ist. Seine Geschäftsidee war nicht irgendein »Business-Modell«, sondern ihm gleichzeitig eine Herzensangelegenheit. Seine Niederlassungen sind mehr Ausdruck einer Philosophie denn Profitcenter – auch wenn sie ausweislich der Geschäftsberichte reichlich Profit abwerfen. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mehr Weggefährten und Verbündete denn Kostenfaktoren. Und der Kunde soll von ihnen so bedient, beraten und behandelt werden wie ein eigenes Familienmitglied.

Diese Leidenschaft und Hingabe, die man – wenn man möchte – auch Liebe nennen kann, sie erscheint mir als der Hauptkraftquell des nimmermüden, immer umtriebigen Günther Fielmann. Und wie so viele Schleswig-Holsteiner bin ich sehr glücklich, dass seine Heimat so lange und noch immer nachhaltig von diesem Kraftquell profitiert. Durch sein Engagement für unsere einzigartige Landschaft, für die ökologische Landwirtschaft, für unsere Kulturdenkmäler oder für Forschung und Ausbildung.

Dem Autor Harald Czycholl ist für seinen spannenden Blick auf Leben und Wirken des Günther Fielmann zu danken. Nach dem Lesen werden auch Sie sagen: »Das musste wirklich einmal aufgeschrieben werden.«

Zum Schluss noch ein Tipp: sollten Sie Günther Fielmann einmal persönlich treffen, vermeiden Sie nach Möglichkeit Gespräche über Hunde. Sonst werden Sie – auch wenn Sie es niemals vorhatten – danach garantiert einen kaufen. Bei mir wurde es übrigens Bodo, ein Irish Terrier. Denn belgische Schäferhunde sind nun wahrlich nichts für Anfänger.

Volker Thormählen

Direktor NDR Landesfunkhaus Schleswig-Holstein

Prolog

Mein letzter Sehtest ist lange her: Für den Führerschein habe ich das letzte Mal einen gebraucht. Damals war alles in Ordnung. Aber seither habe ich viel auf Bildschirme gestarrt, und jünger geworden bin ich auch nicht. Wer weiß: Vielleicht brauche ich ja eine Brille?

Also ab zu Fielmann. Der Sehtest ist dort schließlich kostenlos. Schaden kann es also nicht. Kurz muss ich warten, dann kommt schon ein freundlicher junger Augenoptikermeister auf mich zu und schüttelt meine Hand. Zunächst soll ich mich vor eine große weiße Maschine setzen und durch zwei Löcher schauen. Darin ist ein Bild zu sehen, erst scharf, dann verschwommen. Es klickt, dann spuckt der Automat einen kleinen Zettel aus, ähnlich wie ein Kassenbon. Ein Vortest sei das gewesen, erklärt der Augenoptiker und führt mich in einen Refraktionsraum. Dort muss ich durch eine Art überdimensionale Brille schauen und Buchstabenreihen vorlesen, die auf einen Spiegel an der gegenüberliegenden Wand projiziert werden. Immer wieder klickt es, und das Bild verändert sich ein wenig. Mir würden dabei Gläser verschiedener Stärken vor die Augen geschoben, erläutert der Augenoptiker. Die Unterschiede, die sich bei den Buchstabenreihen zeigen, sind nicht allzu groß. Auch wenn ich nur mit jeweils einem Auge darauf schaue, kann ich sie immer problemlos sehen. Das Ergebnis: minus 0,25 Dioptrien habe ich auf jedem Auge. Nichts, was korrekturbedürftig wäre, wie mir der Optiker erläutert.

Ich brauche also keine Brille. Jedenfalls noch nicht. Denn irgendwann, mit zunehmendem Alter, wird auch mich die Altersweitsicht plagen – das ist fast so sicher wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Und alt ist man nach Maßstäben eines Augenoptikers schon ziemlich früh: Mit etwa 43 bis 44 Jahren würde ich Probleme bekommen, wird mir erklärt. Mit anderen Worten: In 13 Jahren bin ich fällig. Dann werde ich um eine Lesebrille nicht herumkommen – und sie wohl bei Fielmann kaufen. Oder vielleicht werde ich auch schwerhörig, irgendwann jenseits der Sechzig, und brauche ein Hörgerät. Die gibt es seit einiger Zeit auch bei Fielmann. Es gibt somit viele Wege, um zum Fielmann-Kunden zu werden.

Doch man muss nicht einmal Kunde des marktführenden deutschen Augenoptikers sein, um von der rasanten Entwicklung des Unternehmens Fielmann beeindruckt und vom Wirken seines Gründers und Vorstandsvorsitzenden fasziniert zu sein. Günther Fielmanns 75.Geburtstag am 17.September 2014 ist Anlass für eine journalistische Reise auf den Spuren dieses beeindruckenden Menschen, Unternehmers und Mäzens.

Ohne vielfache Unterstützung wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei der Fielmann AG, insbesondere ihrem Vorstandsvorsitzenden Günther Fielmann sowie dem Leiter der Niederlassung Flensburg, Sönke Peters, für spannende, nachhaltig beeindruckende Einblicke und Hintergrundinformationen. Gleiches gilt für die vielen Fielmann-Mitarbeiter, die sich die Zeit genommen haben, mir ihre Arbeit in den Niederlassungen, auf Gut Schierensee, auf Hof Lütjensee und in der Fielmann Akademie Schloss Plön ansprechend zu erläutern. Heide Simonis danke ich für ihre Auskunftsbereitschaft, dem Wachholtz Verlag, vor allem den Geschäftsführern Sven Murmann und Olaf Irlenkäuser, für die unermüdliche Hilfe im Hintergrund. Last, but not least gilt mein Dank natürlich meiner Partnerin Katharina Hoch für ihre liebevolle Unterstützung und unserem Sohn Nathan, der sich zu einer echten Stütze und Antriebsfeder entwickelt hat und so Kreativität und Inspiration erst ermöglicht. Geboren wurde er übrigens in Cuxhaven – jener Stadt, in der Günther Fielmann vier Jahrzehnte zuvor sein erstes augenoptisches Fachgeschäft eröffnet hat und die unglaubliche Erfolgsgeschichte des Unternehmens ihren Anfang nahm.

Harald Czycholl

1.Brille: Fielmann.

Deutschlands größter Augenoptiker

Die sonnenbebrillte Schönheit geht, untermalt von dramatischer Musik, auf das Detektivbüro zu. Sie öffnet die Tür, schiebt die Sonnenbrille hoch und sagt zum Meisterdetektiv, der an seinem Schreibtisch lümmelt: »Ich habe gehört, Sie sollen der Beste sein.« Der schaut kurz von seiner Zeitung auf: »Schon möglich«, antwortet er und zieht an seiner Zigarette. »Was kann ich für Sie tun, Lady?« Die Blonde beugt sich vor: »Finden Sie einen Optiker, der günstiger ist als Fielmann!« Der Detektiv holt tief Luft. »Vergessen Sie’s«, sagt er und zieht wieder an seiner Zigarette.

Mit dem bekannten Slogan »Brille: Fielmann.« endet dieser Fernseh-Werbespot. Damit einher geht ein großes Versprechen: Qualität zu einem günstigen Preis – mit beidem will der Brillenanbieter Fielmann die Kunden in seine zahlreichen Filialen locken. Und das macht das Unternehmen mit großem Erfolg: Fielmann ist die absatz- und umsatzstärkste deutsche Optikerkette. Besonders aus einem Grund rennen Brillenträger im ganzen Land dem Unternehmen die Bude ein: Die Kette wirbt damit, konkurrenzlos günstige Preise zu bieten. Gibt es die bei Fielmann gekaufte Brille innerhalb von sechs Wochen nach dem Kauf bei der Konkurrenz für weniger Geld, nimmt Fielmann die Brille zurück und erstattet den Kaufpreis.

Hinter dem Unternehmen steht ein Mensch: Günther Fielmann. Der Selfmade-Unternehmer hat eine Erfolgsgeschichte geschrieben, die in Deutschland ihresgleichen sucht. 1972 wagte der Augenoptikermeister den Sprung in die Selbständigkeit und eröffnete im niedersächsischen Cuxhaven seine erste Filiale. Hintergrund seiner damals durchaus revolutionären Geschäftsidee: »Die Preise der Optiker waren einheitlich hoch und die Kassenbrillen zeitlos hässlich.« So begnügte er sich, um Kunden zu gewinnen, mit einer geringen Gewinnspanne. Er machte die Kassenbrille schön und führte immer wieder verbraucherfreundliche Leistungen in der Branche ein, die es zuvor nicht gegeben hatte. Und so musste Papi, wie es in dem berühmten Fielmann-Werbespot aus den achtziger Jahren hieß, nicht einen Pfennig dazuzahlen – außer der Rezeptgebühr.

Neben Attributen wie »modern«, »preiswert« oder »verbraucherfreundlich«, die das Unternehmen für sich reklamiert, setzt Fielmann sich und seiner Belegschaft auch ethische Normen: »Der Kunde bist du« lautet der Leitsatz seiner Unternehmensgrundsätze. Die Mitarbeiter sind verpflichtet, jeden Kunden so zu bedienen, wie sie selbst bedient werden wollen. Diese vorbildliche Kundenorientierung, kombiniert mit weitreichenden Garantien und langfristigem Denken, ist ursächlich für den großen Erfolg des Unternehmens.

Große Leistungen und kleine Preise haben Fielmann zum größten Augenoptiker in Deutschland gemacht. Heute macht die Kette mehr als eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr, das Unternehmen verkauft jede zweite Brille hierzulande. Fielmann ist Marktführer, dann kommt lange niemand, dann irgendwann weit abgeschlagen Apollo Optik. Günther Fielmann hat ein wahrhaftiges Brillenimperium geschaffen und sich auf diese Weise den inoffiziellen Titel des »Brillenkönigs« redlich verdient.

Doch Fielmann ist nicht nur Brillenkönig – er ist weit mehr als das: Ihm gehören mehrere Bauernhöfe, auf denen er auf insgesamt mehr als 2000 Hektar Fläche ökologische Landwirtschaft nach den Bioland-Richtlinien betreibt. Er engagiert sich im Naturschutz und pflanzt jedes Jahr mindestens für jeden seiner Mitarbeiter einen Baum – mittlerweile sind es mehr als eine Million Stück geworden. Er ist Förderer von Kunst und Kultur, Wissenschaft und Denkmalpflege, Sport und Gesellschaft. Außerdem engagiert er sich mit Rat und Kapital bei Existenzgründungen und in jungen Unternehmen. Denn er weiß, wie wichtig eine solche Starthilfe ist: Auch er selbst hatte 1972, als alles begann, die finanzielle Unterstützung eines vermögenden Freundes erhalten.

Das Motto seines Lebens

Günther Fielmann verdankt der Brille alles: seine Landgüter, seine Ferrari-, Antiquitäten- und Kunstsammlung, seinen Stolz, den Neid der Konkurrenz. Aber auch die Trennung von seiner Frau ist letztlich auf die Brille zurückzuführen: Er hat einfach zu viel gearbeitet und war zu selten zu Hause. Und so ist »Brille: Fielmann.« nicht nur der bekannte Werbeslogan des Brillenkonzerns, sondern zugleich auch das Motto von Günther Fielmanns Leben. Er war immer hart zu sich selbst – und wenn es sein musste, auch zu jenen, die ihn umgaben. Gearbeitet hat er sein Leben lang, nicht selten schlief er schlecht. »Als Unternehmer muss man das Ziel, das man erkannt hat, konsequent durchsetzen«, sagte Fielmann einmal gegenüber der Illustrierten Stern.

Sein Ziel war es stets, mehr Brillen zu verkaufen als die anderen. Um das zu erreichen, mussten sie weniger kosten. »Nimm weniger, dann bekommst du mehr« – so lautete damals wie heute seine Maxime. Das klingt erst mal nach einer ziemlich simplen Verkaufsstrategie, ist aber das Ergebnis akribischer Planung. Denn schließlich muss am Ende trotzdem die Kasse stimmen und pro Brille ein – wenn auch kleiner – Gewinn übrig bleiben.

Günther Fielmann (Bild © Tast, Isadora)

Günther Fielmann ist ein durchaus impulsiver Mensch. Wenn er sich ärgert, dann richtig. Arglist ist eine Eigenschaft, die ihn besonders in Rage bringen kann. Im Spiegel stand 1995, er habe im Büro des Leiters Materialwirtschaft einmal so heftig mit der Faust gegen die Wand geschlagen, dass seine Hand anschwoll. Der Schmerz habe ihn auf den Flur getrieben, wo er mit dem Fuß gegen die Wand getreten habe. Bei anderer Gelegenheit habe er vor Wut eine Schreibmaschine gegen ein Fenster geworfen.

Auf den Bericht angesprochen, sagte Fielmann dem Stern: »Am meisten hat mich daran gestört, dass da stand: ›ans Fenster‹. Als hätte ich nicht genug Muskeln, die Schreibmaschine hindurchzuwerfen.« Abgesehen davon sei es ein Stuhl gewesen, der durch den Raum flog.

Die Günther Fielmann eigene Wucht, die unternehmerische Power – das ist die eine, eine kluge Marketingstrategie ist die andere Zutat, die dazu geführt hat, dass über 90 Prozent der Bundesbürger Fielmann kennen. Das entspricht in etwa dem Bekanntheitsgrad der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Folgerichtig zählt Fielmann einer Untersuchung des Markenforschungsinstituts Interbrand zufolge mit einem Markenwert von 155 Millionen Euro zu den 50 wertvollsten Marken Deutschlands.

Jede zweite in Deutschland verkaufte Brille stammt von Fielmann. Und die Kunden sind mehrheitlich sehr zufrieden: Die Wiederkäufe sind hoch, ebenso die Weiterempfehlungsrate. Und eine gute Empfehlung, das weiß jeder Marketingexperte, ist Gold wert: Ob beim Autokauf, beim Restaurantbesuch oder eben beim Kauf einer Brille – wenn Menschen eine Kaufentscheidung treffen, hören sie lieber auf jemanden, dem sie persönlich vertrauen. Da kann das sachliche Verkaufsargument noch so gut sein, der Werbeflyer noch so schön gestaltet – eine begeistert ausgesprochene Empfehlung ist fast immer überzeugender.

Backstein und Wertigkeit

Wer die Zentrale der Fielmann AG im Hamburger Stadtteil Barmbek besucht, würde vielleicht ein schickes, modernes Verwaltungsgebäude erwarten. Mit viel Glas, Stahl und Sichtbeton, vielleicht mit repräsentativer Auffahrt und einem kleinen Springbrunnen vor dem Haupteingang. Wie es sich geziemt für einen börsennotierten Milliardenkonzern.

Doch nichts von alledem: Fielmanns Verwaltung ist in einem schlichten roten Backsteinbau untergebracht, wie es sie in Hamburg zu Tausenden gibt. Das Rotklinkergebäude, in dem rund 700 Mitarbeiter ihrer Arbeit nachgehen, ist nicht repräsentativ, sondern funktional. Nicht einmal eine großflächige Leuchtreklame weist darauf hin, wen das Gebäude beherbergt – sondern lediglich unscheinbare Glasschilder an den Eingängen. Nur drinnen am Empfang kommt ein wenig Fielmann-Feeling auf: Helle Hölzer, einige mit Brillen dekorierte Vitrinen und der große silberne Fielmann-Schriftzug zeigen, wer der Herr im Haus ist.

Der Grund für die Einfachheit der Fielmann-Zentrale liegt auf der Hand. Sie braucht gar nicht repräsentativ zu sein, denn schließlich wird hier nicht verkauft, sondern nur verwaltet. Wichtiger ist eine schöne Aufmachung der Filialen, denn dort sollen sich die Kunden wohlfühlen und in schönem Ambiente ihre Brillen aussuchen und anpassen können. Deshalb investiert Fielmann lieber in schönere Niederlassungen als in die Verwaltung. Diese Prioritätensetzung sagt auch etwas aus über das Verhältnis zwischen der Verwaltung und den Niederlassungen: Die Verwaltung versteht sich als Dienstleister der Niederlassungen – und nimmt sich deshalb auch optisch zurück.

Die Fielmann-Niederlassungen indessen können sich wirklich sehen lassen. Zwar ist jedes Geschäft anders, schon allein aufgrund der jeweiligen räumlichen Vorgaben vor Ort. Doch trotzdem weiß man in jeder Niederlassung sofort, wo man sich befindet – sie strahlt nämlich das typische Fielmann-Gefühl aus: modern, aber nicht modisch.

Modern, nicht modisch: Fielmann-Niederlassung in Frankfurt (Roßmarkt) (Bild © Knobloch, Jochen)

Vom Grundprinzip her sind die Geschäfte alle gleich aufgebaut und unterscheiden sich hauptsächlich durch ihre Größe, je nach den örtlichen Gegebenheiten. In den großen Schaufenstern werden schicke Brillen präsentiert. Betritt man das Geschäft, fühlt man sich ein bisschen wie bei einem Juwelier: Vorne befindet sich ein edel anmutender, moderner Empfangstresen mit Kasse sowie der Ständer mit Sonnenbrillen. Die übrigen Wände dienen zur Präsentation der Brillenfassungen, die so, wie sie gezeigt werden, wie kleine Kostbarkeiten anmuten. Für die Beratungsgespräche stehen Sitzgelegenheiten und Tische zur Verfügung. Und eine Vielzahl von Spiegeln ermöglicht es den Kunden, die ausgestellten Brillen anzuprobieren. Ganz nebenbei lassen die Spiegel den Verkaufsraum auch noch ein bisschen größer erscheinen. Die Offenheit und Transparenz, die hellen Hölzer und das viele Glas lassen eine Atmosphäre entstehen, in der man gerne kauft. Und das ist natürlich ganz im Sinne des Unternehmens.

Wer eine Niederlassung betritt, »fühlt sich wohl und weiß nicht, warum«, beschreibt Hinrich Friedrichsen, Architekt sämtlicher Fielmann-Filialen, die gewünschte Ausstrahlung von Wertigkeit. In einer Sonderveröffentlichung des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags, die anlässlich des 70.Geburtstags von Günther Fielmann erschien, sagte Friedrichsen: »Jeder neue Laden wird behandelt wie der erste.«

Günther Fielmann selbst sagt über den jüngst verstorbenen Baumeister seines Vertrauens, mit dem ihn eine über 40-jährige Zusammenarbeit verband: »Wo Fielmann draufsteht, steckt Friedrichsen drin.« Diese ästhetische Tatsache honorierte der Unternehmensgründer mit größter Freiheit – und die machte sich Friedrichsen dann und wann zunutze. Ohne zu fragen, verzierte er zum Beispiel den knallroten Raumteiler im Besprechungsraum der Fielmann-Zentrale in Hamburg-Barmbek mit einem großen, weiß leuchtenden Neonschriftzug: der Unterschrift von Günther Fielmann. Begründung: Alle Besprechungen, alle Planungen würden im Geiste des Unternehmensgründers geführt. Und der sei schließlich immer unter uns.

Fielmanns Luxusproblem

Ein Samstagnachmittag im Mai in der Würzburger Innenstadt. Die Sonne scheint, und so erinnert sich eine junge Frau daran, dass sie längst eine Sonnenbrille in ihrer Sehstärke bestellen wollte. Erster Anlaufpunkt ist deshalb die Fielmann-Niederlassung in der Fußgängerzone. Doch sie ist mehr als gut gefüllt, kein Stuhl ist mehr frei. Eine junge Mitarbeiterin begrüßt sie im Eingangsbereich und fragt nach ihrem Namen, um selbigen auf eine Warteliste zu schreiben. Wie lange es denn wohl dauern werde, fragt die junge Frau. »Mindestens eine Stunde müssen Sie schon rechnen« ist die Antwort. Die junge Frau macht große Augen. Damit hatte sie nicht gerechnet.

Die junge Frau verlässt das Geschäft und geht auf die andere Straßenseite. Dort hat Apollo Optik seine Filiale. Im Geschäft stehen drei Mitarbeiter herum, ansonsten herrscht gähnende Leere. Die junge Frau ist sofort an der Reihe, probiert verschiedene Brillen, findet ein Modell. Ein Sehtest noch – und schon hat sie die neue Sonnenbrille bestellt.

Für einen Unternehmer ist es immer besser, wenn zu viele Kunden kommen, als wenn es zu wenige wären. Und so ist das Brummen der eigenen Läden bei gleichzeitiger Leere in anderen Augenoptikergeschäften ein Beleg für den Erfolg des Fielmann’schen Geschäftsmodells. Unternehmensgründer und Vorstandschef Günther Fielmann hat die Herausforderung – den Preis seines Erfolges gewissermaßen – längst erkannt: Neue Niederlassungen sollen das bestehende Filialnetz ergänzen, viele bestehende Geschäfte werden um- und ausgebaut oder in attraktivere Lagen verlagert. »Einhundert unserer Geschäfte sind zu klein für den Andrang«, erklärte Fielmann gegenüber dem Hamburger Abendblatt. In vielen Städten ist der Brillenunternehmer daher auf der Suche nach größeren Ladenflächen. Gegenüber der Welt konkretisierte er: »Wir werden unsere Präsentationen erweitern, die Zahl der Augenprüfräume erhöhen und das Netz unserer Hörakustik-Abteilungen verdichten, um Wartezeiten zu verkürzen und den Service auszuweiten.«

In Zahlen bedeutet das: 2013 wurden acht Niederlassungen neu eröffnet, davon sechs in Deutschland. Zudem wurden 30 Umzüge oder Umbauten durchgeführt. »Umzüge in bessere Lagen oder Vergrößerung der Verkaufsflächen zeitigen in der Regel zweistellige Absatz- und Umsatzsteigerungen«, sagte Günther Fielmann in seiner Rede bei der Hauptversammlung Anfang Juli 2014. Außerdem wurden 2013 insgesamt 17 zusätzliche Hörgeräte-Akustikstudios eingerichtet – damit gab es zum Jahresende 101 Hörgeräteabteilungen.

Zudem hat Fielmann ein Tablet-PC-basiertes Informationssystem entwickelt, das den Verkäufern in den Filialen die Arbeit erleichtern soll: Statt wie zuvor auf Zetteln werden die Kundendaten und Bestellungen direkt in das System aufgenommen. Auf diese Weise soll pro Verkaufsgespräch kostbare Zeit eingespart werden: Zeit, die weiteren Kunden zur Verfügung steht – und in der sich somit weitere Brillen verkaufen und die Wartezeiten verkürzen lassen.

Der Kunde ist König

Kundenorientierung wird bei Fielmann großgeschrieben: Sie dient nicht als Hilfsmittel für Umsatzsteigerungen, sondern ist vielmehr deren Ursache. Die Kunden haben Fielmann groß gemacht, Günther Fielmann selbst sagt von ihnen: »Ohne sie gäbe es mein Unternehmen nicht.« Die Deutsche Gesellschaft für Qualität ermittelte, dass 42 Prozent der Fielmann-Kunden wahre Fans des Unternehmens sind: Sie sind sehr zufrieden und emotional gebunden – und vor allem empfehlen sie das Unternehmen und seine Produkte gerne weiter.

Unternehmer, die Gewinnmargen ausreizen, um die Quartalszahlen zu steigern, nennt Fielmann kurzsichtig. Denn sein Horizont reicht weiter als nur bis zum nächsten Quartalsbericht. Natürlich suchte er stets den Erfolg und setzte auf den Siegeszug seiner Marke. Er wollte wachsen und stieß mit seinen »Supercentern« in neue Dimensionen der zuvor kleinteiligen Optiker-Fachgeschäfte vor. Doch all das sollte auch zukunftstauglich sein – und vor allem das Vertrauen der Kunden nicht gefährden, sondern weiter festigen.

Im Sinne der breiten Kundenorientierung ist es nur konsequent, dass Fielmann auch in seinen aktuellen Fernseh-Werbespots die Kunden in den Mittelpunkt stellt. So darf Fielmann-Kunde Volkram Gebel in einem der Spots sagen: »Fielmann hat Qualität, hat viel Auswahl und ist dabei alles in allem auch noch preislich sehr günstig.« Sehr flexibel, nett und einfach kooperativ findet Anne Lichter aus einem weiteren TV-Spot das Unternehmen: »Ja, also sie sind sehr kundenorientiert und nicht so profit… – sie scheinen auf mich nicht profitgierig, sagen wir mal so, ja.« Und Edin Daimler lobt: »Sie hören mir einfach zu und geben mir einfach das, was ich möchte, und nicht das, was sie möchten. Möchten nicht ihren Gewinn optimieren, sondern möchten auch wirklich, habe ich das Gefühl, dass ich zufrieden rausgehe und auch wiederkomme.«

Weit mehr als hundert Kunden geben in den Werbespots ihre persönliche Meinung und ihre Erfahrungen mit Fielmann weiter. In seiner Rede bei der Hauptversammlung 2014 erläuterte Günther Fielmann: »Unser kleines Team steht in der Nähe von Fielmann-Niederlassungen und fragt Brillenträger, wo sie ihre Brille gekauft haben.« Rund 40 Prozent der Befragten würden eine Fielmann-Brille tragen, so der Vorstandschef. Diese Personen würden dann nach ihren Erfahrungen mit Fielmann befragt. »Die Mehrheit ist zu einem Interview bereit und antwortet ganz spontan. Für uns ist diese Serie so etwas wie eine kleine Marktforschung.«

Zugleich ist die Serie die Weiterentwicklung des bekannten »… und Papi hat keinen Pfennig dazubezahlt«-Spots aus den achtziger Jahren. Dabei baut die Werbekampagne auf den neuesten Erkenntnissen des Marketings auf. Denn die meisten Menschen vertrauen vor allem auf persönliche Empfehlungen. Und Vertrauen ist schließlich Voraussetzung für beinahe jede Kaufentscheidung.

2.Günther

Das holsteinische Urdorf