2412 - STUNDE NULL - Martin Selle - E-Book

2412 - STUNDE NULL E-Book

Martin Selle

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Beschreibung

BUCH 1: 2412 - STUNDE NULL Eine Entdeckung von grenzenlosem Entsetzen ... Ein Student, der die Wahrheit hinter einem verschlüsselten Code kennt ... Ein Plan, der über das Schicksal der Menschheit entscheidet und die Ausgewählten zwingt, in einem gnadenlosen Wettlauf gegen die Schöpfung, deren und die eigenen wahre Grenzen zu erkennen ... BUCH 2: WAS FINGER VERRATEN - DIE HÄNDE SIND EIN SPIEGELBILD DER GESUNDHEIT Manchmal werden wir ohne ersichtlichen Grund krank. Fast immer ist eine mentale, seelenenergetische Blockade der Auslöser dafür. Wer diese Ursache aufspürt, kann seine Unpässlichkeit auch heilen. Unser Körper ist dabei ein Verbündeter, denn die Psyche zeigt uns über die Form unserer Hände und Finger, wo Störungen sitzen. Dann können wir diese mittels Techniken, die auf unser Unterbewusstsein wirken, auflösen und aus eigener Kraft gesunden. (In Zusammenarbeit mit Reinhard Stengel, Akademie für seelenenergetische Heilarbeit). BUCH 3: WEHR DICH! Wie du im Alltag gefährliche Situationen erkennst und meidest. Die effektivsten Techniken für Selbstschutz.

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Martin Selle Susanne Knauss

2412

STUNDE NULL

Tredition

Selle, Martin | Knauss, Susanne

Originalausgabe in Deutsch

2021, Copyright © by Martin Selle

www.martinselle.com

www.schriftstellerausbildung.com

www.susanneknauss.com

Die Autoren stehen Schulen, 1. bis 8. Schulstufe, für Lesungen zur Verfügung.

Buch schreiben für Jedermann – Von Null Auf Autor

(keine Vorkenntnisse nötig)

Grundkurs kompakt mit Bestsellerautor Martin Selle:

www.veranstaltungen-schmidsberger.at

Tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

1. Auflage 2020

Taschenbuch: 978-3-347-13441-6

Hardcover: 978-3-347-13442-3

eBook: 978-3-347-13443-0

Spezifischer Fachteil WAS FINGER VERRATEN in Zusammenarbeit mit

Reinhard Stengel, Akademie für seelenschamanische Energiearbeit

Umschlaggestaltung: nitelite studios New York

Satz: Jens Weber. www.jensmariaweber.de

Lektorat: Marion Schweizer

In der aktuellen Rechtschreibung

Alle Rechte vorbehalten

Der Roman ist als Neuauflage mit englischen Dialogen unter dem Titel STAR FORCE – Am Ende der Zeit erhältlich und erschien ursprünglich 2011 bei Langenscheidt Berlin.

MARTIN SELLESUSANNE KNAUSS

2412 STUNDE NULL

Tredition Deutschland : Österreich: Schweiz: USA: Großbritannien

Für meinen Vater.

Alles ist ewig,

nichts und niemand jemals weg.

1

5. Januar

Galileo College, Eliteschule für Raumfahrt

London, England

Ich schrak aus dem Tiefschlaf hoch. Mein Herz setzte beinahe einen Schlag aus, so laut schrillte das Interphone neben meinem Bett. Was ich damals noch nicht wusste: Gemessen an den folgenden Ereignissen war mein Erschrecken geradezu harmlos. Mit genau diesem Schrillen begannen Ereignisse, die ich mir nicht einmal in meiner kühnsten Fantasie hätte vorstellen können. Und sie waren nicht nur meine eigene Geschichte, wie sich bald herausstellen würde.

„Hallo“, meldete ich mich etwas benommen.

„Spreche ich mit Thomas Sternau?“, fragte eine Männerstimme.

Ich setzte mich im Bett auf und versuchte, wach zu werden. „Sie … Ja, ich bin am Apparat.“ Ich schielte auf meinen Armbandcomputer. 3.42 Uhr.

„Ich muss dich treffen - sofort.“

„Wer sind Sie?“

„Mein Name ist Albert Blix. Ich bin Astrophysiker. Beide Informationen sind unter den gegebenen Umständen jedoch unerheblich.“

„Wovon reden Sie?“ Ich fühlte mich wie inmitten eines Traums, aus dem ich nicht aufwachen konnte. Jemand der sich mit der Erforschung des Kosmos beschäftigte rief mitten in der Nacht an und wollte mich sehen? Das konnte nur ein Irrtum sein. „Hören Sie … Sie verwechseln mich mit …“

„Du bist Thomas Sternau, Student am Galileo College und befreundet mit den Studenten Allan Morefill und John Gribbin. Ich kenne deinen Vater, Dr. Julius Sternau. Er arbeitet am Observatorium in Südamerika …“

„Wissen Sie überhaupt wie spät es ist?“

Je mehr ich nachdachte, umso mehr beschlich mich ein ungutes Gefühl. Der Kerl kannte nicht nur mich, sondern auch meinen Vater und sogar meine Freunde. Was wollte der?

„Entschuldige. Aber diese Sache duldet absolut keinen Aufschub“, sagte Blix. „Unsere Entscheidung ist gefallen. Du und deine beiden Freunde, ihr seid die Überbringer. Zugegeben, es handelt sich um eine Besorgnis erregende Entdeckung. Drei Studenten lassen dabei kaum Verdacht aufkommen. Ich darf am Telefon keine weiteren Details nennen. Jemand wie Journalisten könnten das Gespräch abhören.“

Ich verstand überhaupt nichts. Wir sollten Boten spielen und die Nachricht von einer schrecklichen Entdeckung überbringen? Wem? Und wer war uns? War der Typ irre?

„Wovon reden Sie, Mann? Woher haben Sie meine Nummer?“

„Aus dem Internet. Deine Nummer steht auf der Webseite des Galileo College.“

Ich runzelte die Stirn. Das College veröffentlichte keine Telefonnummern seiner Studenten. Langsam begannen meine Gehirnzellen wieder zu arbeiten und ich zog den einzig logischen Schluss aus diesem Gefasel: Der Mann log.

„Wenn du keine Zeit verlierst, kannst du hier sein in …“

Was für ein Gequatsche! „Lassen Sie mich in Ruhe. Wir gehen nirgendwo hin, schon gar nicht um diese Zeit. Es ist 3.45 Uhr morgens!“

Ich trennte die Verbindung, warf mein Interphone auf die Decke und ließ mich zurück ins Bett fallen.

Einschlafen konnte ich nicht mehr. Nach wenigen Minuten stand ich wieder auf, wanderte barfuß durch meine Internatsräume und sprach eine Notiz auf mein mündliches Tagebuch in meinem Armbandcomputer:

Sprachtagebuch – homas Sternau

Ich habe einen merkwürdigen Anruf erhalten. Von jemandem der sich Albert Blix nennt. Er behauptet ferner, Astrophysiker zu sein. Zudem will er mich und meine beiden Freunde Allan Morefill und John Gribbin als geheime Überbringer anheuern, für eine unbekannte und etwas zwielichtige Sache.

Mein Fuß blieb im Kabel der Nachttischlampe hängen. Sie flog auf den Boden und zerbrach, auch ich fiel hin und riss einen Stapel Bücher um. Der Krach dröhnte wie Donner von den Wänden. Ich rappelte mich auf, öffnete den Kühlschrank und nahm mir einen Orangensaft heraus. Mit dem Glas in der Hand stellte ich mich ans Fenster und sah hinaus. Der Mond stand hell am Himmel und überzog die Dächer mit seinem bläulichen Licht. Ich starrte auf mein Spiegelbild in der Scheibe. Ein schlaksiger Kerl mit kurzen, vom Schlaf zerzausten blonden Haaren und in einem zerknitterten T-Shirt blickte mir entgegen. Ich grinste ihn versuchsweise an und er grinste zurück. Kaum zu glauben, dass hinter dieser harmlosen Stirn das neugierige Gehirn eines zukünftigen Astrophysikers arbeitete …

Mein Interphone klingelte erneut und riss mich aus meinen Gedanken. Diesmal ein schrilles Klingeln, das Zeichen dafür, dass eine Mitteilung eingegangen war. Ich ging zum Bett zurück. Die übermittelte Botschaft schwebte als 3D-Projektion mitten im Zimmer. Ich warf einen Blick darauf.

Im gleichen Augenblick überrollte mich eine Welle von Angst und Schrecken.

2

Ich las eine Buchstabenfolge: E-O-T.

„Das kann nicht sein“, murmelte ich wie betäubt. „E-O-T!“ Aus einem Vortrag über Astrophysik wusste ich, was dieser Geheimcode bedeutete. Mir schlug das Herz plötzlich bis zum Hals.

„Gott steh uns bei. E-O-T.“

Wurde dieser Code ausgegeben, waren wir Mitglieder der Global Space Agency, kurz GLOSA, zu größter Geheimhaltung von Informationen verpflichtet, um Missverständnisse und Spekulationen zu vermeiden.

Das Interphone blinkte grün. Wer immer diesen Code geschickt hatte, er war noch in der Leitung.

„Computer: Sprachkontakt aktivieren.“

„Bist du jetzt überzeugt? Habe ich deine Aufmerksamkeit?“, fragte der Anrufer. Es war derselbe wie vorhin, natürlich. „Ja, Sir. Ich breche mit meinen Freunden in ein paar Minuten auf. Würden Sie mir bitte etwas mehr über sich selbst verraten? Ich brauche Sicherheit.“

„Hab ich schon vor wenigen Minuten getan“, sagte die Stimme mechanisch. „Ich bin Astronom und Leiter des Mauna Kea Observatoriums in Hawaii. Dein Vater hat mich gebeten, mit dir Kontakt aufzunehmen. Das reicht für den Moment.“

„Mein Vater?“ Warum bat Dad einen Fremden, mich anzurufen? „Weshalb hat er mich nicht selbst verständigt?“

„Wie ich sagte, die Information hinter dem Code ist streng geheim. Journalisten würden tausende von Ecus zahlen, um die Bedeutung des Codes zu erfahren. Deshalb hat dich dein Vater über uns kontaktiert.“

Ich stand im düsteren Licht des Mondscheins und betrachtete erneut den Code, der immer noch als Projektion im Raum stand. Mir wurde übel.

„Die GLOSA ONE steht für euch bereit“, sagte die Stimme. „Sie wartet am Flughafen Heathrow. Nehmt ein Taxi. Wir sehen uns in Mauna Kea. Diese Angelegenheit ist äußerst dringlich.“

Die GLOSA ONE sollte uns zum Sternenobservatorium auf Hawaii bringen. Mein Hals trocknete aus. „Nur die besten Wissenschaftler, Astronauten und Raumfahrttechniker der Welt werden mit diesem Superjet geflogen. Warum wir?“, fragte ich.

„Du stellst zu viele Fragen. Beeil dich.“

„Wir sind unterwegs“, sagte ich noch. Dann erlosch das grüne Licht des Interphones. Im Raum blieben nur die Buchstaben E-O-T zurück.

E-O-T.

In meinem Kopf schwirrten noch tausend Gedanken herum, da ging die Zimmertür auf.

3

Ben Hunter, einer unserer Studienkollegen, stürzte herein. Er schlief im Zimmer nebenan und erinnerte mich an eine Ratte im Trainingsanzug. Wenn es auf diesem Planeten jemanden gab, der Weltmeister darin war, Leute auf die Palme zu bringen, dann war es Ben mit seiner penetranten Neugier.

„Was ist hier los, Tom? Ich habe ein Geräusch gehört.“

„Bin gestolpert, das ist alles.“

„Du ziehst dich an, mitten in der Nacht? Kannst du deiner Großmutter erzählen. Also, was geht ab?“

„Verzieh dich, Ben. Ich hab jetzt keine Zeit für dich.“

Im gleichen Moment wurde mir klar, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich hätte Ben nicht wegschicken dürfen. Jetzt hatte ich seine Neugier erst recht geweckt. Sein Blick wanderte zu der Projektion.

„E-O-T? Was um alles in der Welt ist hier los, Tom?“

„Sei nicht so verdammt neugierig, Ben.“

„Sorry, denke, das hab ich von meinem Dad geerbt.“

Stimmt, dachte ich. Bens Vater war Betreiber des Weltnachrichtendienstes GNN und hatte seine Ohren auch überall.

„Dann ist Astronaut wohl die falsche Berufswahl für dich – du solltest besser Reporter für Global News Network werden. Der Sender deines Vaters bringt mit Vorliebe Sensationsmeldungen.“

„Und wenn ich mich nicht irre, bin ich soeben auf eine Sensation gestoßen, oder etwa nicht?“

„Verschwinde, Ben. Ich bin müde.“

„Komm schon, Tom. Spuck es aus. Was ist los? Warum flimmert E-O-T in deinem Hologrammschirm?“

Mir riss der Geduldsfaden. Bens Neugier passte wirklich besser zu einem Reporter als zu einem Astronauten. Warum arbeitete er nicht einfach beim Fernsehen und ließ uns in Ruhe? „Es reicht!“ Ich packte ihn am T-Shirt, warf ihn aus meinem Zimmer und knallte die Tür hinter ihm zu.

„Das wirst du bereuen, Thomas Sternau. Ich werde meinem Vater von E-O-T erzählen! Wir finden raus, was du vor uns versteckst. Ich schwöre, wir kommen dir auf die Schliche.“

Sprachtagebuch – homas Sternau

Durch ein Missgeschick ist Ben Hunter auf E-O-T gestoßen. Er wird umgehend Michael Hunter, seinen Vater, informieren. Als Betreiber von GNN wird er sofort eine Sensation wittern.

4

5. Januar

Flughafen London Heathrow

„Es will und will nicht in meinen Kopf, dass sie tatsächlich den E-O-T Alarm ausgerufen haben“, sagte Allan, als das Taxi den Flughafen erreichte. Seine fast schwarzen Locken standen ihm wirr um den Kopf, weil ich ihn einfach aus dem Schlaf gerissen und ihm keine Zeit gelassen hatte, sich ordentlich zu kämmen.

Nicht besser war es John ergangen. Seine zahllosen Sommersprossen waren regelrecht verblasst, als ich ihm von dem E-O-T-Code erzählt hatte.

„Es muss ihnen ein Fehler unterlaufen sein, als sie den Code gesendet haben“, sagte Allan.

„Ich wünschte, du hättest recht“, antwortete ich knapp. Allan Morefill war Amerikaner, John Gribbin Engländer. Zu dritt besuchten wir das Galileo-College, um später Astronauten bei der GLOSA, der Global Space Agency zu werden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, aber jeder von uns hatte jede erdenkliche Anstrengung auf sich genommen, um an diese Eliteschule für Raumfahrt zu gelangen.

Das Taxi bog in die Martin Street ab.

„Ein beängstigender Gedanke, dass hier bald kein einziges Taxi mehr fahren wird“, sagte Allan.

Ich sah im Rückspiegel, wie der Taxifahrer verwirrt die Stirn runzelte. Vermutlich konnte er sich nicht vorstellen, dass es irgendwann keine Taxis mehr geben würde.

„Der Code bedeutet, etwas wirklich Großes läuft schief“, ermahnte John den unvorsichtigen Allan. „Wir müssen vorsichtig sein, was wir sagen.“

Neben der Startbahn für Privatjets ragte ein Hangar in den nächtlichen Himmel, vor dem das Taxi jetzt anhielt. Wir stiegen aus dem Wagen und ich drückte dem Lenker zwanzig Ecu in die Hand. Die Münzen und Scheine des weltweiten Einheitsgeldes, der Earth Currency Unit, sahen ähnlich aus wie der Euro, ein Geld, das es früher in Europa mal gab, ehe die Staaten in die Wirtschaft und das Privatleben der Menschen eingriffen, das Bargeld abschafften und damit den Untergang des Wohlstandes dort besiegelten. Das war allerdings lange vor meiner Zeit.

„Warum wird es keine Mietwägen mehr geben?“, fragte mich der Taxifahrer, während er mir das Wechselgeld gab.

Ich wusste nicht, was ich dem armen Mann antworten sollte. „Haben Sie Kinder?“, fragte ich ihn.

„Ja. Eine Tochter, ungefähr so alt wie du. Sie ist wirklich hübsch und nett“, sagte er stolz.

„Fahren Sie nach Hause uns verbringen Sie so viel Zeit wie möglich mit ihr. Kündigen Sie noch heute und tun Sie das. Viel Glück.“

Im Gehen drehte ich mich noch einmal um. Der Taxifahrer sah uns nach, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Mein Ratschlag musste ihm seltsam vorkommen. Aber mehr konnte ich ihm nicht sagen, im Grunde war das schon zu viel gewesen. Ich sollte wirklich meine Klappe halten.

Ein rundgesichtiger Mann kam hinter dem Hangar hervor.

5

„Seht ihr das GLOSA Emblem auf der Uniform des Piloten?“, meinte John.

„Sicher“, antwortete Allan. Das Symbol war ein Globus, um dessen Äquator sich ein Ring aus Goldsternen zog: ein Symbol der weltweiten Zusammenarbeit, die zwar noch nicht unter den Nationen, wohl aber in der Raumfahrttechnik erreicht war. Das stellte allerdings nicht unbedingt ein Zeichen weltumspannender Völkerfreundschaft dar, sondern eher eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Kein Land konnte sich heute noch ein nationales Weltraumprogramm leisten, nicht einmal die USA.

„Perfektes Timing“, sagte der Mann. „Mein Name ist Bradley. Aber nennt mich Brad. Ich bin vor sieben Minuten gelandet. Folgt mir, bitte.“

„Ich bin irgendwie nervös“, raunte Allan uns zu.

„Ich hab auch keine Erfahrung mit rätselhaften Anrufen und Meetings“, murmelte ich. Für uns drei war es das erste Geheimtreffen, zu dem wir aufbrachen.

Brad schien unsere Anspannung zu spüren. „Galileostudenten und Angst vorm Fliegen?“, fragte er und grinste.

„Natürlich nicht“, sagte ich schnell.

Allan zog die Augenbrauen hoch. „Wir denken darüber nach, was uns erwartet, nicht über den Flug“, murmelte er leise.

Brad führte uns um den Hangar herum auf das Rollfeld zu. Als wir das geparkte Flugzeug sahen, blieben wir wie angewurzelt stehen. Wir hatten die GLOSA ONE in Raumschifftechnik auf Zeichnungen gesehen, aber noch nie in natura.

„Was zur Hölle …“, entfuhr es John.

„Was für ein gewaltiger Jet“, staunte auch Allan. „Erinnert mich an ein Space Shuttle. Seht euch die flache Oberfläche und die X-Flügel an.“

„Erinnert mich an einen Stachelrochen“, stellte ich fest.

Brad deutete auf die Gangway. „Hier entlang. Passt auf, wo ihr hintretet.“

6

Minuten später saßen John, Allan und ich in einer leeren Kabine.

„ Legt die Sicherheitsgurte an“, sagte Brad. Er kontrollierte unsere Gurte, dann verschwand er im Cockpit.

„Hier drinnen sieht es fast aus wie in einem gewöhnlichen Flugzeug.“ Allan schaute sich neugierig um.

„Aber ohne Fenster“, gab ich zurück.

Die Motoren des Jets erwachten zum Leben. Ein dumpfes Vibrieren ging durch den Rumpf.

„Es geht los“, sagte John und lehnte sich zurück.

Aus dem Deckenmonitor erklang leise Musik.

„Mozart“, sagte Allan, der sich für klassische Musik interessierte und selbst Klavier spielte. „Das Konzert für Klarinette. A-Dur.“

John verdrehte die Augen und sagte nichts. Er stand mehr auf Space Music, weiche Klänge mit beruhigender Wirkung.

Ein Interphone klappte aus und projizierte ein 3D-Plasmahologramm aus dem Cockpit in die Kabine.

„Sitzt ihr bequem?“, fragte Brad.

„Wie auf Wolke sieben“, sagte ich.

„Dann entspannt euch. Unser Flug von London nach Hawaii, 14 333 Kilometer, wird drei Stunden und zehn Minuten dauern.“

Wir brauchten ein paar Augenblicke, ehe wir Brads Worte begriffen. „Willst du uns ernsthaft einreden, dieser Jet macht 14 333 Kilometer in drei Stunden und zehn Minuten?“, sagte Allan ungläubig.

Brad lachte. „Dieser Jet erreicht spielend eine Geschwindigkeit von bis zu 6 000 Kilometer pro Stunde. Ich wünsche euch einen angenehmen Flug.“ Die 3D-Projektion löste sich auf.

Sprachtagebuch – homas Sternau

Allan, John und ich sind an Bord der GLOSA ONE. Ein ultramoderner Jet, der eine Fluggeschwindigkeit von 6 000 Kilometer pro Stunde erreichen soll. Unglaublich – nein: unheimlich.

7

5. Januar

Mauna Kea, Hawaii

„Ich kann mich nur schwer konzentrieren“, sagte Allan.

Auch ich konnte kaum klar denken. „Warum sind wir wirklich hier? Und was erwartet uns?“ Lauter überflüssige Fragen, die in meinem Kopf rotierten. Niemand wusste, was uns erwartete.

„Um ehrlich zu sein“, sagte John, „ich kann immer noch nicht glauben, dass dein Vater den E-O-T-Code benutzt hat.“

„Allein die drei Buchstaben jagen mir Angst ein“, sagte Allan. „Ganz zu schweigen von den Worten, wofür sie stehen: End of Time. Das Ende unserer Zeitrechnung. Ich fühle mich sterbenskrank, wenn ich daran denke, was es bedeuten könnte.“

Die Nase des Jets senkte sich. Brad erschien wieder als Plasmahologramm in der Kabine. Unsere Müdigkeit war wie weggeblasen.

„Wir landen“, teilte uns Brad mit.

„Ich kann fühlen, wie die GLOSA ONE runtergeht.“ Allans Stimme klang leicht nervös, sicher nicht wegen der bevorstehenden Landung, sondern in Erwartung dessen, was danach folgen sollte.

Kurze Zeit später ruckte das Flugzeug kaum spürbar, dann drückte uns die Fliehkraft nach vorn, während die Maschine scharf abgebremst wurde.

„Wir haben wieder festen Boden unter den Rädern“, stellte ich fest.

Schließlich erstarben die Triebwerke, die Maschine stand.

„Wir sind da“, strahlte uns Brad an, während er sein Headset ablegte. „Willkommen in Mauna Kea, Hawaii.“

Er betätigte einen Knopf. Druckluft zischte, dann öffnete sich die Flügeltür der GLOSA ONE und wir blinzelten in das grelle Sonnenlicht.

Brad öffnete einen Stauraum neben Allan. „Hier sind Parkas, Hauben und Handschuhe. Ihr werdet sie brauchen.“ Dann zog er sich selbst warm an, lief die Gangway hinunter und winkte uns zu sich. „Macht schon! Mr Blix erwartet euch. Jede Minute ist Gold wert.“

In dicke Klamotten gepackt stieg ich als Erster aus, John folgte mir. Allan kramte erst noch seinen Rucksack hinter dem Sitz hervor.

„Lass dein Gepäck wo es ist“, rief Brad. „Du brauchst es nie mehr. Für eure Ankunft in Südamerika ist schon alles vorbereitet.“

„Südamerika?“ John sah Brad an, als sei er der Mann im Mond höchstpersönlich. „Hab ich was an den Ohren? Wo? Mit wem und warum?“

„Keine Sorgen“, sagte Brad nur. „Geht zum Haupteingang des Gemini-Teleskops. Professor Blix wartet dort auf euch.“

Wir gingen auf den mächtigen weißen Kuppelbau zu, der wie aus dem braunen Fels gewachsen hoch in den Himmel ragte.

8

„Ganz schön dünne Luft hier oben“, ächzte John, als wir eine schmale, verschneite Straße überquerten. Der eiskalte Pulverschnee knirschte unter unseren Gummisohlen.

„Kein Wunder“, sagte ich. „Der Mauna Kea Vulkan liegt ungefähr 4 200 Meter über dem Meeresspiegel. In dieser Höhe hat Luft einen 40 Prozent geringeren Sauerstoffanteil als auf Höhe des Meeres.“

„Das wird bald keine Rolle mehr spielen“, sagte Allan.

„Ich könnte echt verzweifeln, wenn ich an die Zukunft denke“, sagte John.

Ich sah ihn besorgt an. „Malt nicht so schwarz“, mahnte ich. „Wir sind Studenten des Galileo College.“

„Faszinierend“, sagte John. Er war einen Moment stehen geblieben und blickte auf das endlos weite Wolkenmeer, das sich wie eine flauschige Daunendecke unter uns ausbreitete. „Der Gedanke macht einem wirklich Angst, wenn ich mir vorstelle, dass wir solch schöne Wunder der Natur vielleicht nie mehr bestaunen werden können.“

„Ein furchtbarer Gedanke“, stimmte Allan zu.

„Genau deshalb sollten wir keine weitere Zeit mehr verlieren“, trieb ich die beiden an, sich von dieser wunderschönen Welt loszureißen. Mein Armbandcomputer sagte mir, dass es aufgrund der Zeitverschiebung bereits 4.03 Uhr nachmittags war.

Wir eilten auf das Gemini-Teleskop zu. Am Eingang blickten wir uns verwirrt um.

„Ist nur mit einer Chipkarte zu öffnen“, sagte John.

Ich hob die Faust, um anzuklopfen, da schob sich die schwere Metalltür wie ein Theatervorhang von selbst zur Seite.

„Big Brother is watching us.“ Allan deutete auf eine Kamera über uns.

Ein glatzköpfiger Mann um die Sechzig stand plötzlich vor uns. Er hatte eine runde Nickelbrille auf seiner Hakennase und ein dunkelblaues, viel zu großes T-Shirt hing an seinen schmalen Schultern wie auf einem Kleiderbügel.

„Na endlich! Dachte schon, ihr habt euch verlaufen. Schön, euch zu sehen. Ich bin Albert Blix“, stellte sich der Astronom vor. „Bitte folgt mir in die Kuppel. Wir warten schon auf euch.“ Im Eiltempo führte er uns in die riesige Kuppel der Sternwarte.

9

„Wow!“, rief Allan, als wir eintraten. „Hier sieht’s ja aus wie auf der Brücke in einem Star Wars-Raumschiff.“

„Leider stammt der Code E-O-T nicht aus einem Science Fiction Film“, sagte Albert Blix trocken und holte uns damit auf den Boden der erschreckenden Wirklichkeit zurück. „Ich würde mein Leben dafür geben, damit es so wäre, das könnt ihr mir glauben.“

Wir stiegen die Treppe zum Teleskopraum hinauf. Ich hörte, dass oben eine zweite Stimme über ein Interphone sprach.

„Sie sind da“, kündigte uns Professor Blix an, als wir oben ankamen.

„Wurde auch Zeit!“, erwiderte die raue Stimme. Sie gehörte Professor Logan, einem kleinen untersetzten Mann mit grauen Haaren und ebenso grauem Vollbart. „Sind die nationalen Regierungen informiert, dass E-O-T ausgegeben wurde?“, fragte Albert Blix seinen Kollegen.

„Nein. GLOSA will um jeden Preis eine weltweite Panik vermeiden. Es würde sofort das totale Chaos ausbrechen.“

„Eine weltweite Panik?“, fragte ich. „Das hört sich nicht gut an.“

„Stimmt. Doktor Morefill hat an Bord der GSS eine höchst alarmierende Entdeckung gemacht.“

„Mein Vater?“, fragte Allan beunruhigt.

Die GSS war die Globale Raumstation und gehörte der GLOSA. Sie kreiste auf einer Umlaufbahn von 483 Kilometern Höhe im All um die Erde. Die Väter von Allan und John forschten dort oben gemeinsam an einem Projekt zur Herstellung atembarer Atmosphäre, um auf Erde und Mond künstliche Lebenswelten für die Zukunft zu schaffen. Die Menschen wurden täglich mehr und die Erde bot schon lange zu wenig Lebensraum. Vor einigen Jahren noch lebten sechs Milliarden Menschen auf der Erde, heute waren es bereits zwölf. Die meisten von ihnen wohnten in Megastädten wie Tokio oder Mexico City, wo zuletzt über 40 Millionen Einwohner gezählt worden waren. Es gab viel zu wenig Nahrung, Energie und Wasser für so viele Menschen, zusätzlich erschwerten die Klimaerwärmung und das Abschmelzen der Polkappen das Leben auf dem einst so blauen Planeten: Der Meeresspiegel war massiv angestiegen, viele Inseln einfach im Meer versunken. Überschwemmungen, Erdrutsche und Tsunamis begruben immer wieder ganze Landstriche unter sich. Auf dem ganzen Globus waren große Flüchtlingsströme unterwegs. Wenn das nicht auhörte, würden die Menschen um den restlichen Lebensraum und die verbliebenen Ressourcen bald blutige Kriege führen.

Dr. Morefill und Professor Gribbin arbeiteten zusammen mit anderen Wissenschaftlern in einer Forschungsgruppe an der Realisierung sogenannter Klimakapseln: künstlicher Kapselwelten, die die Städte wie Seifenblasen umschließen sollten. Eine gigantische Kuppel, durchsichtig und dünn, sollte New York, London, Paris und alle anderen Städte luftdicht von der Außenwelt abschließen, in der die Menschen nicht mehr würden leben können. In diesen Kapselstädten würden Wetter, Klima und Atemluft durch Maschinen erzeugt, abgeschirmt von der zerstörten Umwelt, geschützt vor den gefährlichen UV-Strahlen der Sonne und der Radioaktivität, die sich nach mehreren Reaktorunfällen überall in der Atmosphäre verteilt hatte. Ich fragte mich, was sie bei dieser Arbeit wohl entdeckt haben mochten, was den E-O-T-Code rechtfertigte.

Statt einer Antwort forderte Professor Blix uns auf, uns zu setzen.

John hielt es nicht mehr länger aus und fasste sich ein Herz. „Mr Blix“, sagte er, „wir sind Studenten am Galileo College und deshalb Mitglieder der GLOSA. Ich denke es ist an der Zeit, uns zu sagen, was hier los ist.“

„John hat recht“, sagte Allan. „Warum mussten wir so schnell hierher kommen?“

Unser aller Augen richteten sich erwartungsvoll auf die beiden Astronomen.

Logan sog hörbar die Luft ein, als Blix direkt zur Sache kam. „Es war die Idee deines Vaters, Tom, euch hierher zu bringen“, wandte er sich an mich. „Geheime Informationen über den E-O-T-Code müssen rasch an deinen Vater am La Silla Observatorium in den Bergen von Chile überbracht werden.“ Blix erhob sich langsam und schritt vor dem mächtigen Gemini-Teleskop auf und ab.

„Was hat das mit uns zu tun?“, fragte ich.

„Wenn diese Daten an die Öffentlichkeit gelangen, käme das einer Atom… Die Folgen wären verheerend.“ Seine eigenen Gedanken ließen ihn schaudern. „Leider hat Global Network News davon Wind bekommen, dass es um eine Sache von höchster Sicherheitsstufe geht. Dankt Gott, dass ihr nicht wisst, worum es sich handelt. Aber Michael Hunter, rücksichtslos wie er nun mal ist und ständig hinter Sensationen her, hat eine Million Ecus für denjenigen geboten, der das Geheimnis lüftet und ihm zukommen lässt.“

Ben, diese neugierige Ratte, dachte ich. Das kann nur er gewesen sein. Ein Geheimnis von beispielloser Bedeutung. Was für ein Fressen für den Betreiber eines Nachrichtensenders! Klar, dass der Sender dafür eine hohe Belohnung aussetzte.

„Manch einem verantwortungslosen Journalisten gelingt es trotz unserer Verschlüsselung immer wieder, in das GLOSA Netzwerk einzudringen“, erklärte Blix. „Aus diesem Grund können wir nicht riskieren, Sternaus Daten elektronisch zu übermitteln.“

Plötzlich wurde John, Allan und mir klar, warum wir hier waren.

10

Ich erinnerte mich, dass Albert Blix am Interphone von drei Boten gesprochen hatte, die unverdächtig wären.

„Wir müssen die Informationen Julius Sternau auf unverdächtigem Wege zukommen lassen“, erklärte Logan.

„Und dieser unverdächtige Weg sind wir drei“, sagte ich.

„Ein junger Bursche, der in Begleitung seiner Freunde seinen Vater besucht.“ Blix nickte bestätigend. „Die Idee stammt von deinem Vater. Ihr seid zuverlässig, versicherte er.“

Zum ersten Mal in meinem Leben fürchtete ich, mein Vater könnte sich in mir täuschen. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich überhaupt noch wissen wollte, was für eine Information sich hinter dem Code verbarg.

Jetzt erhob sich auch Logan. „Dein Vater, Allan, hat alle Daten über seine Entdeckung in verschlüsselter Form an uns übermittelt“, sagte er zu Allan. „Nur wenige Personen weltweit sind in der Lage, sie zu decodieren.“

Der Professor öffnete eine Lade und entnahm ihr eine DVD. Die Hülle zeigte ein etwas merkwürdig designtes Raumschiff im All.

„Star Wars“, sagte John, der alte Science-Fiction-Filme sammelte. „Ich kenne den Film.“

„Stammt aus dem letzten Jahrhundert.“ Logan lächelte, wurde aber gleich wieder ernst. „Auf dieser Disc befindet sich jedoch kein Film. Die Botschaft von Doktor Morefill und Professor Gribbin ist darauf gespeichert.“

Blix übernahm wieder das Wort. „Eure Aufgabe ist es, die DVD so schnell wie möglich Doktor Sternau zu überbringen. Ihr dürft sie nur ihm persönlich aushändigen, niemandem sonst - niemandem.“

Ich kam mir vor wie in einem Spionagefilm. Ich sollte meinem eigenen Vater eine verschlüsselte DVD überbringen, deren Inhalt scheinbar die Welt ins Chaos stürzen konnte.

„Was passiert, falls die Informationen in falsche Hände gelangen, glaubt mir, das wollt ihr euch nicht mal in eurem schlimmsten Albtraum vorstellen“, ermahnte uns Logan.

„Was wurde auf der GSS entdeckt?“, hakte ich nach. „Ich möchte einfach nur wissen, was ein so verdecktes Vorgehen erfordert.“

Die beiden Wissenschaftler sahen sich kurz an, dann sagte Blix: „Ich würde dir wirklich gern mehr über diese ungewöhnliche Mission erzählen. Wie auch immer, wir müssen absolut sicher sein, ehe wir damit an die Öffentlichkeit gehen.“

Ich verstand. Die Wissenschaftler waren sich ihrer Entdeckung nicht ganz sicher, deshalb behielten sie alle Informationen für sich, bis mein Vater die Sache überprüft hatte.

Ralf Logan schärfte uns noch einmal ein: „Nicht ein Wort darüber, was scheinbar entdeckt wurde, darf nach draußen sickern. Es würde unmittelbar eine Katastrophe auslösen.“

„Der Code E-O-T ist eine Katastrophe“, meinte Allan.

Blix blieb stehen. „Tom, genau das ist der Grund, weshalb dein Vater uns anwies, nicht einmal euch den Inhalt zu nennen. Er wird euch selbst aufklären.“

Ich nahm die DVD an mich und schob sie in die Innentasche meiner Jacke. Allan, John und ich fühlten, dass wir jetzt die Hüter einer Botschaft waren, die die Welt für immer verändern konnte. Und andere jagten hinter dieser Botschaft her.

„Ist die Angelegenheit tatsächlich so bedeutend?“, fragte ich.

„Davon müssen wir ausgehen“, antwortete Blix. „Bradley wird euch zurück nach London bringen. Von dort nehmt ihr einen ganz normalen Linienflug nach Chile, um keinen Verdacht zu erregen. Eure Reise ist vorbereitet.“

Logan öffnete eine zweite Schublade des Schreibtischs und zog drei Flugtickets des Reisebüros Hollyday heraus. Er drückte jedem von uns eines in die Hand. „Viel Glück. Gott steh uns allen bei.“

11

5. Januar

Galileo College, London

In London schien die Nachmittagssonne. Wir betraten unser College und wussten sofort, dass etwas nicht stimmte.

„Normalerweise halten sich um diese Zeit kaum Leute in der Bibliothek auf“, sagte ich.

„Und irgendwie zieht sich ungewöhnliche Aufregung durch die Gänge und Hallen“, stellte Allan fest. „Irgendwas ist hier los.“

Die Stimmen klangen abgehackt und wild durcheinander. Ich ging in die Bibliothek. Allan und John folgten mir. Schüler und Professoren standen in Gruppen zusammen, redeten, diskutierten und gestikulierten aufgeregt.

„Verdammt, ich hätte es wissen müssen“, sagte ich.

Ben. Über seinen Armbandcomputer spielte er seinen Vater in das Interphone ein. Michael Hunters Gesicht schwebte als Plasmahologramm vor der aufgebrachten Menge in der Luft. Wir hörten gerade noch den Schluss seiner Rede: „… der E-O-T-Code wurde offenbar ausgegeben. Halten die Wissenschaftler etwas vor uns geheim, das von größtem öffentlichem Interesse ist? Dr. Julius Sternau hat ein Interview mit mir abgelehnt. Warum? Da scheint es eine totale Nachrichtensperre zu geben.“

„Dieser gottverdammte Schnüffler“, raunte ich John und Allan zu.

„Wie zum Teufel kann er von E-O-T wissen?“, fragte Allan.

„Als ich letzte Nacht aufstand, stolperte ich über einen Bücherstapel in meinem Zimmer. Plötzlich stand Ben vor mir. Er erhaschte einen Blick auf das Interphone und die E-O-T-Projektion.“

„Oh shit“, fluchte John.

In diesem Moment entdeckte uns Ben. „Da sind sie!“, rief er triumphierend.

„Was ziehst du hier für eine Nummer ab, Ben?“, fragte ich und setzte ein möglichst ahnungsloses Gesicht auf.

„Ihr drei Verräter wisst verdammt genau, was hier los ist.“

„Wovon redest du?“

„Dein Vater hält Informationen zurück, Tom. Was verbergen diese Wissenschaftler vor uns?“

Im Nu umzingelten uns Studenten und Professoren. Alle glaubten, Dad verheimliche etwas. Das war in ihren Gesichtern deutlich zu lesen.

„Wir haben keine Ahnung, Ben. Haben wir wirklich nicht.“ Ich hoffte, Ben davon überzeugen zu können, dass wir ebenso im Dunkeln tappten wie er. Ohne Erfolg.

„Was meint dein Vater mit der ‘Union am Ende der Zeit’?“

„Union was?“

„Die Union am Ende der Zeit. Die renommiertesten Wissenschaftler der Welt gehören ihr an.“

„Darüber hat er nie mit mir gesprochen.“ Das war nicht gelogen, ich hatte wirklich noch nie etwas von einer Union am Ende der Zeit gehört.

Ben ließ nicht locker. „Diese Union besteht erst seit wenigen Tagen. Die Wissenschaftler tauschen innerhalb der Union ausschließlich verschlüsselte Informationen aus.“

„Zu welchem Zweck?“

„Wir dachten, das könntest du uns sagen.„ Ben grinste mich fies an. Er genoss die Rolle des ermittelnden Journalisten, dem wir Rede und Antwort stehen mussten. „Wie es scheint, ist dein Vater der Leiter der Union. Wir haben ein Gespräch abgefangen und mitgehört.“

„Darüber weiß ich nichts“, beteuerte ich mit aller Unschuld, die ich aufbringen konnte, und hob abwehrend die Hände.

„Hör auf zu lügen“, fuhr Ben mich an. „Du warst heute nicht in den Vorlesungen. Warum nicht?“

Langsam wurde es eng. Ben war nicht blöd. Und er hatte zweifellos Talent zum Schnüffeln.

12

„Wenn es keine Sensationen zu berichten gibt, erfindest du eben welche, nicht wahr“, versuchte ich mich rauszuwinden.

„Diesmal nicht, Tom“, beharrte Ben. „Seit ich heute Morgen die E-O-T-Nachricht gesehen habe, hat GNN einige Nachforschungen angestellt. Obwohl die Wissenschaftler das bestreiten, aber GNN konnte einige verschlüsselte E-Mails abfangen, die zwischen verschiedenen Astronomen, Physikern und Weltraumtechnikern ausgetauscht wurden. Dein Vater war auch unter ihnen.“

Daher wehte also der Wind! Michael Hunter hatte Hacker auf die GLOSA angesetzt, die geheime Nachrichten abgefangen hatten. Ben erklärte weiter, dass manchen Wissenschaftlern die an sie gerichteten codierten Nachrichten von GNN vorgelegt worden waren. Daraufhin hatten sie zugegeben, dass Botschaften verschlüsselt übermittelt wurden. Sie behaupteten aber, die Inhalte der Schreiben dienten reinen Forschungszwecken und seien nicht von öffentlichem Interesse. Weitere Kommentare über Details lehnten sie alle ab. Uns wurde klar, dass unser Fehlen bei den Vorlesungen Bens Verdacht, etwas Merkwürdiges sei im Gange, noch verstärkt hatte. Die Sache spitzte sich zu. Instinktiv wanderte meine Hand zur Brusttasche meiner Jacke. Ich fühlte die eckigen Umrisse der DVD-Hülle.

„Dich interessiert doch, was ich denke, Tom? Wissenschaftler die sich gegenseitig verschlüsselte Nachrichten übermitteln verbergen etwas von großer Tragweite“, behauptete Ben. Aber das war natürlich Quatsch, das wusste er so gut wie wir.

Es war still geworden in der Bibliothek. Eine Menge Augenpaare starrten uns erwartungsvoll an.

„Komm schon, Tom, rück raus, was du weißt.“ Ben lächelte und schlug mir scheinbar freundschaftlich auf die Schulter, wobei er sich geschickt an meiner Jacke zu schaffen machte. Ich sah noch, wie die DVD aus meiner Innentasche rutschte. Schon war es zu spät, sie aufzufangen. Sie fiel auf den Boden, das Geräusch sprengte die Stille. Die Hülle öffnete sich und die silbrig glänzende Scheibe kullerte über den Boden. Eine Hitzewelle schoss durch meine Adern. Für eine Sekunde stand ich wie gelähmt da.

13

„Hey, seht euch das an“, sagte Ben und bückte sich. „Star Wars.“ Er hob die Scheibe auf und betrachtete sie.

„Gib sie mir, Ben“, sagte ich so ruhig, wie ich nur konnte. Unter dem T-Shirt rann mir der Schweiß in Strömen den Rücken hinunter.

Ben drehte und wendete die DVD. Dann sah er mich an. „Star Wars“, sagte er schließlich und rümpfte die Nase. „Schau dir lieber Star Trek an. Ist wesentlich besser.“ Er reichte mir die DVD.

Hinter mir hörte ich John und Allan erleichtert aufatmen.

„Danke, Ben. Ich werde mir deinen Tipp merken.“ Ich nahm die Scheibe, hob die Hülle vom Boden auf und verließ wortlos die Bibliothek. John und Allan folgten mir auf mein Zimmer.

„Was jetzt?“, fragte John, als er die Tür hinter uns geschlossen hatte. Er klang verunsichert.

„Denkst du das gleiche wie Allan und ich?“, fragte ich.

„Das Galileo College ist eine Eliteschule. Nur ein Bewerber von rund hunderttausend bekommt hier einen Platz“, sagte John.

Er hatte Recht. Monatelang hatten wir uns auf die Aufnahmeprüfungen vorbereitet, bis in die Nacht hinein Mathematik, Physik und Robotik gebüffelt, während unsere Freunde Fußball spielten, in Urlaub fuhren oder sich in der Disco amüsierten. Und jetzt?

„Unser Verhalten heute hat die Regeln des College missachtet. Mehr als nur einmal. Unentschuldigtes Fernbleiben von der Ausbildung und nicht gemeldetes Verlassen des Campus. Wir können aus dem Programm geworfen werden“, sagte ich. Was, wenn hinter all der Geheimnistuerei ein Irrtum steckte? Wenn sich die Entdeckung von Johns und Allans Vätern in der GSS nicht bestätigen ließ, nachdem wir die DVD überbracht hatten? Setzten wir unseren Lebenstraum, unsere Zukunft für eine Nachrichtenente aufs Spiel? Für Fakenews? Wieder tastete ich nach der DVD.

„Warum machen die sich all die Mühen? Die GLOSA ONE? Albert Blix und Ralf Logan?“ Ich spürte den dringenden Wunsch, Dad anzurufen. Aber GNN hatte sich bestimmt längst in die Leitungen eingehackt. Noch eine Unvorsichtigkeit konnte ich mir nicht leisten.

„Habt ihr eure Flugtickets?“

John und Allan nickten.

„Wenn all diese Nachrichten etwas damit zu tun haben, was wir heute erfahren haben“, sagte ich, „dann bedroht eine noch nie dagewesene Gefahr die Menschheit.“

„Das heißt, wir führen die Mission durch“, sagte Allan. „Selbst wenn sie uns dafür vom College werfen?“

„Hast du irgend eine Idee, weshalb dein Vater die Union gegründet hat?“, fragte John.

„Wenn es das ist, was ich vermute, dann brauchen nie wieder einen Gedanken daran zu verschwenden, vom College zu fliegen“, sagte ich. „Seid pünktlich um vier Uhr nachts am Treffpunkt.“

John und Allan nickten beim Gehen.

Es kam anders.

Ich drehte im Badezimmer gerade die Dusche auf, freute mich auf ein wenig Schlaf, bevor es losging.

14

Draußen bog dieser schwarze Audi X12 in die Internatsstraße ein. Die Scheinwerfer erloschen. Der Motor starb ab und lautlos parkte der Wagen direkt an der Gartenmauer.

Eine Gestalt stieg aus und zog sich eine Skimaske über das Gesicht. Dann kletterte der Vermummte auf das Autodach und von dort, über die Mauer, in den Campus hinein. Sekunden später folgte eine hinkende Person ihrem Komplizen. Ebenfalls schwarz gekleidet wie die Nacht. Ein kurzer Blick auf das GPS hatte bestätigt, dass sie am richtigen Zielort angekommen waren.

Gebückt schlichen die beiden Auftragsagenten durch den Campusgarten auf das Internatsgebäude zu. Sie durften unter keinen Umständen entdeckt, schlimmer noch, erkannt werden. Sie wussten, auch nur der geringste Fehler würde ihr eigenes Ende bedeuten.

Minuten später stiegen sie die gemauerte Wendeltreppe hinauf zur zweiten Etage, in der sich Toms Zimmer befand.

„Wir bringen die Angelegenheit blitzartig hinter uns“, flüsterte der Vermummte. „Sorg dafür, dass er garantiert hinfällt.“

Der Hinkende nickte stumm, während sein Partner zuerst in die innere Jackentasche griff und die .P38 mitsamt dem Federpfeil herauszog. Dann fuhr seine Hand in die äußere Tasche und er zog eine Ampulle heraus, auf deren Etikett ein Totenkopf gedruckt war. Behutsam tränkte er die Pfeilspitze in die zähe Flüssigkeit, dann lud er das Geschoß in den Lauf der Luftdruckpistole. Eine kurze Kontrolle noch der elektronischen Zieleinrichtung: der rote Laserstrahl, dazu der tanzende Lichtpunkt an der Hauswand.

Dann schnippte er mit den Fingern – das Zeichen. Es ging los.

Geschmeidig wie eine Katze sprang der Hinkende auf Toms Terrasse hinüber und wartete dort auf seinen Komplizen, der mit einem dumpfen Aufprall neben ihm landete.

„John? Allan? Seid ihr das?“, rief Tom noch, als ihn Geräusche in seinem Zimmer aufhorchen ließen. „Könnt ihr nicht schlafen?“

Keine Antwort.

„Ben?“

Nichts.

Einbrecher, Kidnapper, dachte Tom, und drehte den Schlüssel in der Tür, um Zeit zu gewinnen. Hellwach versuchte er sich an den Sicherheitscodex des Internats zu erinnern.

Das Telefon: Hast du ein Smartphone außerhalb der Hörweite des Eindringlings, dann alarmiere die Polizei und flieh, wenn dir Zeit bleibt. Ist dein Telefon aber nicht außer Hörweite, dann bringst du dich, falls er dich hört, dadurch vielleicht selbst in Gefahr.

„Verdammter Mist!“, fluchte Tom. Sein Armbandcomputer lag draußen am Schreibtisch.

Also Verstecken: Verstecke dich nur, wenn der Eindringling dich sicher nicht gesehen und gehört hat, und er zu wissen scheint, wo er seine Beute findet. Du merkst das sofort. Er geht dann direkt darauf zu, um keine Zeit zu verlieren. Muss er die Beute jedoch suchen, könnte er im Versteck dich entdecken – und sofort ist die Gefahr von Angst, Panik, Kurzschlussreaktion gegeben.

„Zum Teufel noch mal, welche Beute? In meinem Zimmer gibt es nichts Wertvolles. Hier bin nur ich …“ Tom stockte der Atem, als er verstand. „Die DVD. Die haben kapiert, dass da kein Film drauf ist.“

Tom spähte durch das Schlüsselloch, konnte aber nichts erkennen. In seinem Zimmer brannte zu diesem Zeitpunkt bereits kein Licht mehr.

Also Einsperren. Sperre dich nur ein, wenn du Hilfe rufen konntest. Und wenn deine schützenden Barrikaden – vielleicht die Stuhllehne unter der Türklinke – auch den stärksten Angriffen des Eindringlings standhalten, und das so lange, bis die alarmierte Hilfe bei dir eingetroffen ist. Erwischt er dich früher, kann es passieren, dass er dich, zu seinem eigenen Schutz, als Geisel nimmt. Sprich in diesem Fall mit dem Kidnapper, das beruhigt euch beide. Und tu alles, was er von dir verlangt, um ihn nicht zu reizen. Vielleicht ergibt sich dadurch, im Moment einer Unachtsamkeit, die Chance für deine Flucht. Flucht ist das Ziel, nicht den Kinohelden zu spielen.

In diesem Augenblick zuckte Tom zusammen und biss sich in die Unterlippe. Plötzlich pochte, rüttelte und zerrte es an der Tür genau neben ihm.

15

Besteht keine all dieser Möglichkeiten, dann musst du den Eindringling selbst überwältigen, um Fluchtsekunden zu gewinnen. Und zwar, indem du ihn in einen Hinterhalt lockst, wenn er sich im selben Raum befindet wie du. Dein großer Vorteil ist die bessere Zimmerkenntnis, also wo steht was. Du kannst dich im Dunkeln wesentlich schneller fortbewegen als er. Mach deshalb in der Nacht kein Licht. Selbst dein Schatten könnte dich verraten. Und suche dir zuvor einen möglichst harten Gegenstand als Schlagwaffe. Ein hart gebundenes Buch ist für das, was du jetzt vorhast, völlig ausreichend.

„Wo zum Teufel noch mal soll ich im Bad eine Schlagwaffe hernehmen?“ Tom blickte sich nach allen Seiten um. Und da fiel sein Blick auf eine Dose mit Insektenspray. „Okay“, murmelte er. „Wenn du mich kriegen willst, dann musst du mir zumindest einmal gegenübertreten, und dabei – direkt – in die Augen schauen …“

So leise es ging, knipste er das Licht aus. Nun konnte er sich nur mehr auf seine Ohren verlassen. Er spürte, wie seine Handflächen vor Aufregung allmählich zu schwitzen begannen.

Tom fragte sich noch, wann ist der richtige Zeitpunkt, um sich zu wehren? Wenn der Gegner dich nicht sehen kann. Du also hinter ihm stehst oder er an dir vorübergeht. Versuchst du, ihn mit einer Taschenlampe zu blenden, um Fluchtzeit zu gewinnen, dann siehst du ihn, er dich jedoch kaum. Nimm aber beim Blenden, als Rechtshänder, die Taschenlampe in deine linke, die ungeschicktere Hand, und halte sie beim Blenden seitlich von dir weg. Instinktiv richtet der Eindringling seine Aufmerksamkeit auf die Lichtquelle – und somit an dir vorbei. Dann schlage deine Waffe gegen sein Schienbein. Das triffst du direkt über dem Boden, selbst unter Angst, denn dieser Schlag verletzt ihn nicht lebensgefährlich. Nutze die Sekunden von Schmerz und Verwirrung für deine Flucht.

Gut. Auch ohne zu blenden. Es musste irgendwie funktionieren. Tom’s Augen waren inzwischen ja an die Dunkelheit gewöhnt.

Vorsichtig öffnete er die Badezimmertür und langsam schwang diese direkt vor ihm auf.

Er presste sich mit dem Rücken gegen die Wand. Seine rechte Hand umklammerte die Spraydose so fest, er glaubte, sie aus Angst jeden Moment eindrücken zu können.

Er schob den Kopf ein Stück vor und spähte hinaus in sein Zimmer.

Doch wie merkwürdig? Mit einem Schlag herrschte dort Stille.

Urplötzlich nichts mehr.

Niemand.