WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN - Martin Selle - E-Book

WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN E-Book

Martin Selle

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Beschreibung

Eine schrittweise Anleitung von der ersten Idee bis zum fertigen Manuskript. Schreiben ist erlernbares Handwerk, nicht Talent. Das Praxis-Handbuch vermittelt die Meistertechniken, Erfolgsformeln und Insidergeheimnisse der Bestsellerautoren, wie es diese bisher so nicht übersichtlich zusammengestellt gab. Das Buch ist inhaltlich und sprachlich bewusst einfach verständlich abgefasst. Es führt Einsteiger wie Fortgeschrittene behutsam durch den kreativen Prozess des Buchschreibens. Vorkenntnisse sind nicht nötig.

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Seitenzahl: 513

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Martin Selle

WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN

Aktualisierte Auflage 2016. Autorisierte US-Lizenzausgabe. Erscheinungs-Titel 2015: Wie Sie Ihr erstes Buch schreiben.

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen

Helden sind die Story

Das Geheimnis spannender Figuren

Spezialtechniken zur Figurenerschaffung

Die Königswege zur Bestsellerfigur

Die Profi-Methoden zur Blitzcharakterisierung

Die Meisterformen der Figurenpräsentation

Weitere Insider-Geheimnisse

Tipps zum Fehler vermeiden

Nützliche Fragen, Merkhilfen

Kontrollliste Figurenerschaffung

Ein Held wird geboren

Sie erschaffen Helden

Sie (er)finden Ihre Geschichte

Was ist eine Geschichte?

Das Geheimnis, wie Sie Geschichten (er)finden

So erkennen Sie, ob Ihre Idee die richtige ist

Ihre Story wird geboren

Wer erzählt Ihre Story?

Die drei Königs-Techniken

Profi-Tipps zum Finden der besten Perspektive

Den Erzähler finden

Der Weg zum Ziel

Das Geheimnis des Handlungsaufbaus

Die Erfolgs-Formeln Handlung und Plot

Nebenhandlung

16 Profi-Plots für Ihre Story

Kontrollliste Handlungsaufbau

Den Weg zum Ziel festlegen

Bilder mit Worten malen

So schreiben Sie mit allen 7 Sinnen

Wie Sie mit Worten Gefühle und Bilder malen

So beschreiben Sie Gedanken und Gefühle

Die Meister-Techniken des Erzählens

Königs-Disziplin: die Szene

Die Wichtigkeit des Erzählrhythmus

Das Geheimnis der Erzählzeit

Wie lang soll Ihr Roman sein?

Das Geheimnis von Räumen, Orten und Schauplätzen

Beschreibungs-Fallen

Da Szene, dort Zusammenfassung

Wie Sie fesselnde Spannung erzeugen

19 Profi-Techniken, die packende Spannung erzeugen

Kontrollliste ›Ist Spannung im Text?‹

Sie bringen Spannung in Ihre Story

Reden ist Silber, Dialog ist Gold!

Das Geheimnis des professionellen Dialogs

Merkmale von mangelhaftem Dialog

Die Meister-Methoden

Die Königsdisziplin ›Indirekter Dialog‹

Kontrollliste Dialog

Ihre Figuren sprechen in Rätseln

Anfang gut, alles gut

Damit der erste Satz nicht der letzte Satz ist

9 Profi-Techniken, wie Sie packende Roman-Anfänge schreiben

Kontrollliste Roman-Anfang

Das Geheimnis erfolgreicher Titel

Das Roman-Ende

Sie schreiben Ihre Story

Auf dem Weg zum Welterfolg

Die Urfassung – alles, was zählt

Geheimwaffe Zeit – 6 Erfolgs-Formeln

Der 28-Schritte-Plan der Profis

Ihre Zweitfassung entsteht

Lektorat, Sprache, Stil

17 Erfolgs-Geheimnisse zum sprachlichen Feinschliff

Sprachtechniken: Meisterschule

Die Sprache abrunden, Ihren Text stärken

Impressum neobooks

Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen

Schreiben ist erlernbares Handwerk, nicht Talent. Ich weiß, es fällt Ihnen vermutlich schwer, diese Auffassung zu teilen. Da sind Sie keine Ausnahme. Dennoch ist es so. Es geht um solides Handwerk, wie wir im Laufe des Buches sehen werden.

Ein gut fundierter Schreibprozess von der ersten Idee bis zum fertigen Manuskript umfasst drei Arbeitsschritte:

Die Vorarbeiten

Das Schreiben des Manuskripts

Das Überarbeiten des Textes

Anhand dieser grundlegenden Gliederung der schriftstellerischen Arbeit sehen wir schon, dass es notwendig ist, das Schreiben eines guten Buches sorgfältig zu planen. Den Überblick im Ozean der Ideen zu behalten und organisiert zu arbeiten, darin liegt der Schlüssel zum Erfolg.

WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN zeigt Ihnen, wie Sie Schritt für Schritt vorgehen können, um am Ende ein professionelles Manuskript vorliegen zu haben. Was Sie mitbringen müssen, ist Leidenschaft, Disziplin und Durchhaltevermögen - nichts weiter.

Sie werden erfahren, wie durch kreative Ideenfindung, sorgfältige Ausarbeitung, gründliches Entwickeln der Handlung, Entwerfen, Planen und Feinschleifen ein wirklich spannendes Buch entsteht. Sie lernen, eine Geschichte zu (er)finden, Spannungstechniken bewusst einzusetzen, packende Anfänge zu schreiben und überraschende Wendungen zu kreieren. Dieses Praxisbuch ist eine Anleitung, Ihr Routenplaner, wie Sie Wort für Wort ein überzeugend gutes Buch schreiben. Ob Thriller, Krimi, Abenteuer, Fantasy, Science-Fiction ... spielt dabei keine Rolle.

Sie werden damit anfangen, Ihre Story zu finden, unvergessliche, faszinierende Figuren und Helden erschaffen. Sie werden einen fesselnden Plot entwerfen, voll von Geheimnissen und Rätseln, Gefahren, Spannung, stürmischer Konflikte und feuriger Streitigkeiten.

Zudem werden Sie erfahren, wie man fesselnde Szenen entwirft und spannend schreibt. Ein 28-Schritte-Plan von Bestseller-Autoren zeigt Ihnen, wie man ein Manuskript strafft, den guten Text noch stärker macht, poliert, feinschleift.

Der Ehrlichkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, das Buch kann Ihnen keine Garantie dafür geben, dass Sie einen Bestseller schreiben werden. Leider. Warum? Dafür hängt zu viel von Ihnen selbst ab, worauf die hierin ausgeführten Techniken keinen Einfluss nehmen können. Doch wenn Sie die Arbeitstechniken dieses Buches beherzigen, sie sorgfältig umsetzen und anwenden, wenn Sie schreiben, überarbeiten, schreiben, überarbeiten, bis Ihre Geschichte lebendig ist, dann können Sie wahrhaft enormen Erfolg haben! Viele Autoren haben bei null begonnen und stehen heute in den Bücherregalen rund um den Globus.

Bei Büchern ist es wie bei Sensationsnachrichten: Das Publikum ist unersättlich, damit versorgt zu werden. Es gibt also einen riesigen Markt für gute Bücher, der bedient werden möchte. Sind Sie in der Lage, dieses Material zu liefern, dann wird es in der Regel auch gekauft. Sie sehen, Ihre Chancen, ein Buch zu verkaufen stehen tatsächlich gut. Voraussetzung ist, das Buch ist professionell geschrieben. Das wiederum setzt voraus, dass Sie das Handwerk des Schriftstellers erlernt haben. Und genau darum geht es in diesem Buch.

Noch ein Wort zum Talent. ›Ich würde gerne schreiben, habe aber kein Talent dazu.‹, diesen Satz kennt jeder. Er ist nichts weiter, als ein fataler Irrglaube. Warum? Weil Sie unter Talent verstehen, dass jemand ohne das Handwerk zu lernen, gut schreiben kann. Ich versichere Ihnen: Ohne solides Handwerk ist noch niemals ein veröffentlichungsreifer Text entstanden.

Verbannen Sie bitte den Begriff Talent aus Ihrem Gedächtnis. Er demotiviert.

Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen.

Ersetzen Sie den Begriff Talent durch Inhalte, die auf Sie sicher zutreffen. Dann verliert das Gespenst Talent schnell seine einschüchternde Ausstrahlung. Diese Begriffe sind: Leidenschaft und Bauchgefühl. Schreiben Sie einen Satz, der nicht ›funktioniert‹, dann wird sich in Ihrer Bauchgegend etwas regen, das Ihnen sagt ›So nicht‹. Das nenne ich natürliches Gespür, nicht Talent. Und jeder Mensch verfügt über dieses natürliche Gespür! Im Laufe unserer Erziehung verkümmert es nur immer mehr. Aber es ist in Ihnen da. Sie werden noch sehen.

Ebenfalls wichtig: Haben Sie keine Scheu davor, klar zu definieren, warum Sie schreiben wollen. Ihr Motiv ist wichtig, denn nur so sind Sie sich selbst sicher, dass Sie an dem arbeiten, was Ihnen Spaß macht. Einem Autor muss der kreative Prozess einfach Spaß machen. Ohne Ziel gibt es keine Motivation. Und ohne Motivation kein Ergebnis. Ich nenne Ihnen hier die häufigsten Gründe, warum Menschen schreiben wollen (sie stammen aus meinen Schreibkursen, in denen ich diese Frage immer stelle):

Streben nach finanzieller Unabhängigkeit.

Sich selbst verwirklichen.

Sehnsucht nach Besonderheit.

Bedürfnis, etwas mitzuteilen.

Anders sein wollen als die Anderen.

Ich habe in diesem Buch in sorgfältiger Arbeit, mit mehr als 50 international renommierten Autoren-Kollegen, das Fachwissen, die Meister-Techniken und Erfolgs-Geheimnisse des Creative Writing-Handwerks für Sie zusammenzutragen und zu einem Praxis-Kurs aufbereitet. Das Arbeitsbuch ist in zehn Teilen (Arbeitsschritten) aufgebaut. Jedes Modul gliedert sich in drei Teilbereiche:

a) Handwerkliche Techniken der Profis lesen (lernen).

b) Ihren Lieblingsroman hinsichtlich der Techniken dieses Moduls untersuchen, zergliedern und entwirren (üben). Um diesen Teil der Ausbildung zu erleichtern, bringe ich Ihnen immer wieder Beispiele aus Welterfolgen, die deutlich veranschaulichen, wie Profis die einzelnen Techniken in ihren Romanen gebrauchen. Auch meinen Thriller ›Die Wahrheit über Derek Foster‹ ziehe ich heran, um gewisse Kniffe zu verdeutlichen.

c) Das neue Können auf Ihre Story anwenden (schreiben).

Auf diese Weise entsteht nicht nur Ihr eigener Roman, Sie sparen auch die enormen Kosten einer teuren Schreibschule und viel Zeit.

Bevor wir unser Abenteuer mit Teil 1 beginnen, noch ein paar Worte darüber, wie Sie dieses Buch geschickt anwenden. Das Schreiben der Geschichte selbst ist lediglich ein Teil der Arbeit, die wir Schriftsteller auf dem Weg von der Idee bis zum fertigen Manuskript zu leisten haben. Ich spreche in diesem Zusammenhang von der 80-20-Formel. 80 Prozent der Tätigkeit eines Autors betreffen die Vor- und Nacharbeiten wie Recherche, Figuren entwickeln, Handlung bauen, überarbeiten, lektorieren. 20 Prozent sind der eigentliche Schreibprozess, das Worte-auf-Papier-bringen.

Die einzelnen Teile sind vom Inhalt her so angeordnet, wie viele Schriftsteller ihren Arbeitsprozess gliedern. Insgesamt sind es zehn Teilbereiche. Gehen Sie beim Erlernen der Reihe nach vor! Ansonsten versinken Sie leicht im Chaos Ihrer vielen Ideen, verlieren den Überblick und in weiterer Folge Ihre Schreiblust.

Zuerst lesen Sie ein Kapitel und erwerben dadurch die nötigen Werkzeuge des einzelnen Schreibbereichs. Lesen Sie ein Kapitel mehrmals, wenn nötig. So lange, bis Sie das Gefühl haben, den Inhalt im Griff zu haben. Sie sollten die handwerklichen Techniken grundsätzlich im Kopf haben. Im praktischen Teil festigen und vertiefen Sie diese dann automatisch.

Nach der Lektüre folgt der praktische Teil zum jeweiligen Kapitel. Sie setzen das erworbene Wissen in beschriebene Papierseiten um, erfinden Figuren, suchen Namen, bauen Handlung auf, erfinden Szenen, suchen Schauplätze, erfinden Probleme und mehr.

Ein paar hilfreiche Schreibwerkzeuge erleichtern Ihnen die Arbeit ungemein:

Textliner (möglichst viele verschiedene Farben). Haben Sie zu wenige Farben, verwenden Sie zusätzlich Buntstifte.

Karteikarten. Format ca. 10,5 x 7,5 cm. Besorgen Sie sich auch hier verschiedene Farben.

Ein dickes liniertes Heft für die Analysen an ›Die Wahrheit über Derek Foster‹.

Den Thriller ›Die Wahrheit über Derek Foster‹. Ein Exemplar, in das Sie Notizen und Farbmarkierungen machen werden. ISBN 978-3-944729-63-3, Amrun Verlag.

Nehmen Sie sich ausreichend Zeit. Schreiben ist Geduld, ein kreativer Prozess. Und da geht nichts auf Kommando. Ehe es nun losgeht, noch zwei konkrete Ratschläge, die Ihnen in jedem Fall äußerst hilfreich sein werden:

1) Lesen Sie wie ein Schriftsteller

Lesen Sie und analysieren Sie dabei. Untersuchen Sie, wie der Schriftsteller Personen, Orte, Handlungen, Gedanken und Gefühle beschreibt. Stoppen Sie an jeder Stelle, an der Ihre Aufmerksamkeit erregt wird. Finden Sie heraus, wie und warum es dem Autor gelungen ist, Spannung zu erzeugen. Wodurch hat er Sie gefesselt? Filtern Sie heraus, wie die Handlung aufgebaut ist. Wie sieht die Szenenabfolge aus? Was geschieht nacheinander? Zwischen welchen Handlungssträngen pendelt der Autor hin und her? Wie findet der Schriftsteller die Auflösung? Wie lösen sich die geschaffenen Probleme auf?

2) Beobachten und speichern Sie

Hören Sie anderen Leuten zu. Wie reden sie miteinander? Merken Sie sich Geräusche, Gerüche, Milieusprachen und leiten Sie daraus Hintergründe in Bezug auf Orte und Menschen ab. Zum Beispiel der Kaffeeduft in einem Tchibo-Laden. Beobachten Sie Menschen, deren Mimik, Gestik. Speichern Sie diese Bewegungen. Sie können später nützlich sein.

Die wohl wichtigste Fähigkeit des Schriftstellers ist sein bildliches Vorstellungsvermögen – ein Handwerkszeug des Schreibens. Und das in Verbindung mit allen anderen Sinnen. Trainieren Sie Ihre Sinne durch das Beobachten und Speichern aller Sinneseindrücke. Dann können Sie später im Kopf Ihrer Leser lebendige Geschichten heraufbeschwören.

Los geht’s!

Teil 1

Helden sind die Story

Figur-Typen und deren Bedeutung

Wir beginnen nicht mit dem Thema?, werden Sie verwundert fragen. Nicht damit, woher ein Schriftsteller seine Ideen bekommt? Und auch nicht damit, wie ein Autor mit seinen Ideen umgeht, diese weiter entwickelt? Dazu kommen wir später. Zuerst müssen Sie verstehen, dass eine Geschichte aus den Figuren besteht. Sie sind es, die handeln und somit die Story entstehen lassen. Diese Erkenntnis ist ungemein wichtig. Nur durch sie können Sie Ihren Ideen Leben einhauchen. Denken Sie an einen Ihrer Lieblingsfilme, an einen Ihrer Lieblingsromane, an eines Ihrer Lieblingstheaterstücke. Immer werden es die Personen, die darin vorkommen sein, an die Sie sich erinnern. Das liegt daran, dass Ereignisse bedeutsamer werden, wenn wir die Menschen kennen, die von ihnen betroffen sind. Stellen Sie sich bloß folgende Zeitungsmeldung vor:

Der Schüler erlag noch an der Unfallstelle seinen inneren Verletzungen.

Das ist wirklich tragisch, berührt Sie aber nur am Rande. Sie kennen den Schüler ja nicht näher. Nun stellen Sie sich vor, die Meldung erreicht Sie per Telefon:

Der Schüler erlag noch an der Unfallstelle seinen inneren Verletzungen. Es ist Ihr Sohn Jan.

Gut werden Sie sagen, ich habe (Gott sei Dank) keinen Sohn Jan. Aber Sie wissen, was ich meine. Je näher Sie eine Person kennen, desto tiefer berührt sie deren Schicksal, weil die Katastrophe ein menschliches Gesicht, ein Leben bekommt. Wenn Ihr Leser Tragödien auf menschliche Weise erlebt, weil er sie mit wirklichen, ihm vertrauten Personen verbindet, die die Katastrophe überlebt haben oder durch sie gestorben sind, prägen sich diese Ereignisse unauslöschlich in seinem Bewusstsein ein. Und genau darauf kommt es Ihnen als Schriftsteller an.

Wenn Sie beginnen, Ihr Buch zu schreiben, dann fangen Sie bei den Figuren an. Wenn es Ihnen gelingt, unsterbliche Helden zu erschaffen, die sich dem Leser unauslöschlich einprägen, dann wir er Ihren Roman nicht mehr aus der Hand legen – und ein Verleger und Lektor ebenso wenig. Sehen wir uns deshalb an, wie Sie es anstellen, derart lebendige Figuren zu erfinden.

Es gibt Meister-Techniken, mit deren Hilfe Sie vermeiden, unrealistische, fehlerlose Götter zu erschaffen. Es geht darum, echte Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen zu kreieren, denn Menschen sind nicht perfekt. Und die Figuren in Ihrem Roman dürfen das auch nicht sein, sonst berühren Sie den Leser nicht tief in seinem Inneren. Eine Romanfigur, die in einem Bereich perfekt ist, sollte in einem anderen unvollkommen sein. So könnte der clevere Detektiv auf der anderen Seite spielsüchtig sein. Sehen wir uns nun an, wie Sie derartige Figuren erschaffen.

Die Bedeutung der Figur im Allgemeinen

Wie bereits erwähnt: Keinem anderen Teil Ihres Werkes kommt so viel Bedeutung zu wie dem Charakter, der Figur. Wenn es dem Schriftsteller nicht gelingt, einen lebendigen, lebensechten Charakter zu entwerfen, mit dem sich der Leser identifiziert, mit dem er lacht, weint, Angst hat und leidet, dann wird sein Roman kaum auf Platz 1 der Bestsellerlisten stehen. Kurz gesagt: Es muss Ihnen gelingen, eine Figur zu zeichnen, die den Leser restlos in ihren Bann zieht. Und das von der ersten Seite Ihres Werkes an.

Wie erschaffe ich unsterbliche Figuren? Was ist das Geheimnis unvergesslicher Helden? Es gibt Techniken, um Charaktere zu zeichnen, die der Leser in sein Herz schließt, die ihn regelrecht vereinnahmen? Autoren bedienen sich ganz bestimmter Arbeitstechniken, die einzigartige Figuren entstehen lassen. Wir reden von speziellen Insider-Methoden, die Sie umgehend in die Lage versetzen, Romanhelden zu erfinden, die der Leser ein Leben lang nicht mehr vergessen wird. Bevor wir uns dieses Know-how aneignen, machen wir jedoch ein interessantes Experiment. Und zwar mit Ihnen:

Denken Sie jetzt bitte an einen Roman, der Sie restlos fasziniert hat, an ein Buch, von dem Sie gewollt haben, es würde niemals enden. Und nun fragen Sie sich: Erinnere ich mich an eine Figur aus dieser Geschichte? Oder ist es die Handlung, die mir im Gedächtnis haften geblieben ist?

Machen Sie das Gleiche nun mit einem Film, der Sie stark aufgewühlt hat. Erinnern Sie sich an eine Person oder an die Handlung?

In beiden Fällen wird es die Figur sein, an die Sie sich vordergründig erinnern, der Held, der Protagonist. Uns bleiben fast immer die Personen stärker im Gedächtnis als die Handlung, die Geschichte, weil es die Figuren sind, welche durch ihr Handeln die Story machen. Figuren sind, was sie tun. Charakter drückt sich durch Aktion aus, nicht durch Behaupten. Wenn Sie Ihre Figuren mit Leben erfüllen, entsteht aus dem, was sie tun, die Handlung Ihrer Story. Halten wir also fest:

Der Leser interessiert sich zuerst für die Hauptpersonen. Sie sind es, woran er sich in erster Linie erinnert.

Sie erahnen also, wie wichtig es ist, großes Augenmerk auf die Figuren zu legen. So weit, so gut. Ehe wir uns nun den Erfolgs-Formeln der Weltbestseller-Autoren zuwenden und ich Ihnen zusätzlich ein paar geheime Profi-Tricks nenne, um unsterbliche Helden zu kreieren, müssen wir jedoch zum klaren Verständnis der Figurenmaterie ein paar Begriffe klären.

Figuren-Typen und deren spezifische Tragweite

Im wirklichen Leben werden wir alle von Selbstzweifeln geplagt. Deshalb wünschen wir uns auch in der Literatur Figuren, die sich irren, die Fehler begehen und sich ab und zu schwach fühlen. Wir hören immer wieder von Hauptfiguren und Nebenfiguren und dergleichen. Sind mit Figuren nur Menschen gemeint? Derartige Fragen sollten klar beantwortet werden, ehe Sie mit dem Erschaffen Ihrer Helden beginnen. Sehen wir uns deshalb die verschiedenen Typen von Figuren an, mit denen Sie als Schriftsteller arbeiten:

1. Die Figur als Oberbegriff

Mit Figur bezeichnen wir in erster Linie Personen in einem literarischen Werk, aber auch andere handelnde Helden wie Tiere und Gegenstände. Denken Sie nur an Kindergeschichten.

2. Die Hauptfigur (auch Held, Protagonist genannt)

Die Hauptfigur ist jene Figur, die entscheidet, was getan wird. Der Held hat das letzte Wort, er steht im Mittelpunkt des Geschehens, ist aktiv, er überrascht und ist glaubwürdig. Ihr Held darf niemals vorhersehbar reagieren, dann ist er für den Leser langweilig. Wir sind es gewöhnt, die Welt um uns herum aus einem ganz bestimmten Blickwinkel (unserem ›Ich‹) heraus zu betrachten. In einer Geschichte benötigen wir eine Figur, die uns mit der Welt der Story verbindet – die Hauptfigur. Die Hauptfigur unterscheidet sich von allen anderen Figuren in zwei wesentlichen Punkten:

1: Wir erzählen die Geschichte aus Sicht der Hauptfigur, sehen die Story durch ihre Augen.

2: Die Hauptfigur ist jene Figur, durch deren Tun die Handlung entsteht. Zum Beispiel ›Raumschiff Enterprise‹: Es gibt mehrere wichtige Figuren – Mr. Spock, den Ingenieur Scotty, den Arzt ›Pille‹ McCoy – aber die Hauptfigur ist eindeutig Captain James T. Kirk. Er entscheidet letztendlich, was getan wird. Oder betrachten wir die Personenstruktur im Thriller ›Die Wahrheit über Derek Foster‹: Dereks Freundin Saskia ist zweifellos eine präsente, eingenständig handelnde Figur. Ebenso Dereks Gegenspieler Kenneth Kowalski. Und doch ist es Derek, der die Handlung durch seine Entscheidungen vorantreibt. Er entscheidet aktiv, alle anderen reagieren auf seine Entscheidungen. Derek ist klar die Hauptfigur.

Der Held ist der Motor Ihrer Geschichte. Durch sein Handeln passiert, was passiert. Keine Figur hat stärkeren Einfluss auf die Geschichte als die Hauptfigur, der Held.

Der Held handelt. Er ist aktiv.

Achten Sie penibel darauf, dass Ihr Held immer agiert und nicht wie ein Spielball auf das Tun und Sagen der Nebenfiguren reagiert. Dann hätten Sie einen farblosen Helden, den der Leser als schwach empfindet und mit dem er sich nicht identifiziert.

Insider-Trick: Wenn Sie sich nicht sicher sind, welche Figur die Hauptfigur ist, dann schreiben Sie für jede infrage kommende Figur eine Zusammenfassung der Geschichte - nur zwei oder drei Seiten lang. Das hilft Ihnen zu erkennen, welche der Figuren im Vordergrund steht, wer sich als Hauptfigur am besten eignet. Es wird jene Figur sein, welche die Handlung am stärksten vorantreibt und beeinflusst.

Es ist äußerst wichtig, dass der Leser von Beginn an deutlich erkennt, wer der Held, die Schlüsselfigur, ist. Nur so ist eine klare Identifikation des Lesers mit dem Helden möglich, nur so kann sich der Leser auf die Seite des Helden schlagen, sich mit ihm emotional verbünden und an seiner Seite mitstreiten. Der Leser muss den Charakter, das einzigartige Wesen, des Helden möglichst genau kennenlernen, um an seinem Schicksal emotional Anteil zu nehmen. Dazu sind ein klares Ziel und eine starke Motivation nötig. Bestimmen und zeigen Sie dem Leser so früh wie möglich, wer die Hauptfigur ist. So ermöglichen Sie dem Leser schnelle Identifikation.

Wie machen Sie das?

Indem Sie die Geschichte vor allem zu Beginn vom Standpunkt des Helden aus schildern. Der Leser sieht, was der Held sieht, beide erhalten dieselben Informationen. Hat sich der Leser mit dem Helden identifiziert, kann er Dinge erfahren, von denen die Hauptfigur nichts weiß.

Insider-Tipp: Sie erleichtern dem Leser die Identifikation, indem Sie den Helden, wenn er zum ersten Mal auftritt, in einer Situation zeigen, die dazu einlädt, sich mit ihm zu verbünden. Zum Beispiel könnte der Held an einen Tatort zu Hilfe eilen und von der Polizei unverschuldet als verdächtiger Mörder festgenommen werden. Es ist das Wechselbad der Gefühle, das Leser und Helden zu einem unzertrennlichen ›Team‹ verschmelzen lässt. Sehen wir uns ein Beispiel an:

Ich beging meinen Geburtstag mit einer kleinen, sehr exklusiven, sehr festlichen und fröhlichen Party in der Fifth Street, genauso, wie ich es haben wollte.

Als besondere Überraschung war Damon aus dem Internat in Massachusetts nach Hause gekommen. Nana hatte die Verantwortung für die Feierlichkeiten übernommen und war allgegenwärtig, genau wie meine beiden Babys Jannie und Ali. Sampson und seine Familie waren da und natürlich auch Bree …

… Ich hielt sogar eine kleine Rede, die ich zum größten Teil sofort wieder vergessen habe, abgesehen von den einleitenden Worten. »Ich, Alex Cross«, fing ich an, …

… Das Telefon im Flur klingelte. Das war der Festnetzanschluss. Bei der Arbeit wussten alle, dass sie mich nur auf dem Handy anrufen sollten. Außerdem hatte ich noch einen Pager auf die Kommode gelegt, wo ich ihn auf jeden Fall hören konnte. Also konnte ich ohne allzu großes Risiko den Hörer abnehmen. Vielleicht war es ja sogar eine wohlmeinende Seele, die mir alles Gute zum Geburtstag wünschen wollte, oder im schlimmsten Fall irgendjemand, der mir eine Satellitenschüssel andrehen wollte.

Ob ich es jemals begreifen werde? In diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr.

»Alex, hier Davies. Tut mir leid, dass ich Sie zu Hause belästigen muss.« Ramon Davies war Superintendant bei der Metropolitan Police und gleichzeitig mein Chef.

›Heute ist mein Geburtstag. Wer ist denn das Todesopfer?‹, sagte ich. Ich war verärgert, hauptsächlich über mich selbst, weil ich überhaupt ans Telefon gegangen war.

»Caroline Cross«, sagte er, und mir wäre beinahe das Herz stehen geblieben. …

Insider-Tipp: Schreiben Sie eine Geschichte, in welcher der Held am Ende verliert, sein Ziel nicht erreicht und am inneren und äußeren Konflikt zerbricht, dann haben Sie einen tragischen Helden erschaffen. Sorgen Sie in diesem Fall dafür, dass sich der Leser am Ende der Story vom Helden, mit dem er leiden musste, lösen kann. Das machen Sie, indem Sie gegen Ende der Geschichte langsam beginnen, das Geschehen aus der Sicht einer anderen Figur zu schildern. Auf diese Weise geben Sie Ihrem Leser die Möglichkeit, zum Helden auf Distanz zu gehen und nicht mit ihm untergehen zu müssen. Letzteres wirkt für den Leser unbefriedigend, denn er kann der ausweglosen Situation des Untergangs nicht entkommen.

3. Der Gegenspieler

Stellen Sie Ihrem Helden mehrere Gegner gegenüber, dann müssen Sie von Beginn weg klar darstellen, wer der Hauptgegenspieler ist, ansonsten reagiert der Leser verwirrt. Der Hauptgegner sollte bis zum Schluss der Geschichte, bis zur großen Entscheidung, im Spiel bleiben. Fehlt der Gegner im entscheidenden ›Schlusskampf‹, ist der Leser unbefriedigt. Wir erwarten nichts mehr, als dass der Bösewicht am Ende auch seine verdiente Strafe erhält. Auch bei der Entwicklung des Gegenspielers müssen Sie sich als Schriftsteller fragen:

a) Wer ist der Gegner des Helden?

b) Welches Ziel verfolgt er (in der Regel ein gegenteiliges zum Helden)?

c) Was ist seine Motivation (emotional und materiell)?

Sowohl beim Helden als auch beim Gegenspieler sollte die Motivation, der Grund, weshalb sie ihre Ziele erreichen müssen, gefühlsmäßig begründet sein.

Machen Sie sich zudem bewusst, dass der Held nur so stark ist wie sein Gegenspieler. Diese beiden Figuren puschen sich gegenseitig zu Höchstleistungen auf. Schildern Sie beide Figuren immer als menschliche, lebendige Wesen. Zeigen Sie also auch deren Gefühle, Hoffnungen, Ängste und Verletzlichkeit. Tun Sie das nicht, erschaffen Sie unrealistische Engel und Teufel. - Personen, mit denen sich der Leser schwer identifizieren kann.

4. Der Charakter

Mit Charakter bezeichnen wir einen Menschen samt seinen einzigartigen Eigenschaften, die ihn unverwechselbar machen (griech. character, urspr. ›das Eingeprägte‹, dann ›Eigenart, Gepräge‹). Dies trifft natürlich auch auf Tiere und Gegenstände zu (zum Beispiel in der Fabel). Verstehen Sie Charakter als eine Einheit von Figur und deren Charakterzügen. Es ist die Gesamtheit von Körperlichkeit und Seele, die die Wesensart einer Figur ausmacht.

Der Leser beurteilt den Charakter einer Figur ausschließlich aufgrund ihrer Taten, Handlungen. Eine Figur ist, was sie tut, nicht, was sie sagt! Tut eine Figur etwas anderes, als sie sagt, dann hält sich der Leser immer an das, was getan wird. Zu Beginn Ihrer Geschichte sind die Figuren mehr oder weniger leblose Namen. Doch je besser wir sie kennenlernen im Verlauf der Geschichte - durch das, was sie tun -, desto mehr verwandeln Sie die bloßen Figuren für den Leser in einzigartige, unverwechselbare Originale.

Insider-Tipp:Fragen Sie sich immer: Habe ich meine Figur so einzigartig gezeichnet, dass der Leser sie in einer Gruppe von 20 Personen sofort eindeutig erkennen würde? So sollte es sein. Welche Techniken die Profis anwenden, um das zu erreichen, das zeige ich Ihnen gleich.

5. Die Nebenfigur

Die Nebenfiguren erfüllen bestimmte Eigenschaften:

Sie veranschaulichen die Rolle des Helden und seine Bedeutung.

Sie vermitteln das Thema der Geschichte.

Sie treiben die Geschichte voran, indem sie den Helden zum Handeln motivieren.

Haben Sie zum Beispiel eine Figur, die durch ihre Arbeit charakterisiert wird – angenommen, einen Kellner –, dann müssen Sie um diesen Kellner herum Figuren erfinden, die helfen, ihn als Kellner darzustellen. Das könnten Besucher in seinem Restaurant sein. Um eine liebende Mutter zu zeigen, müssen Sie die Mutterfigur mit Kindern umgeben. Ein berühmter Dirigent hat Musiker und ein Orchester um sich.

Aus: Martin Selle, DARK NIGHT, Thriller

»Warum muss es ausgerechnet die Dark Night sein?«, fragte Doreen Perry. »Am gewöhnlichen Camp teilzunehmen reicht doch auch.«

»Nein, Mam«, sagte Ron. »Ich hab es satt, im Internat der Feigling zu sein. Hab ich die Dark Night in der Tasche, ist das ein für alle Mal vorbei.«

»Also ich hab kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache«, seufzte Doreen Perry. »Die Legende -«

»Ist doch nur eine erfundene Schauergeschichte«, unterbrach John sie. …

… »Ron«, sagte seine Mutter in besorgtem Flüsterton. »Ron hör mir zu.«

Er wandte sich ab und tat so, als band er seinen Rucksack wieder zu.

»Es ist noch nicht zu spät. Du kannst wieder ins Auto steigen und mit uns zurückfahren.«

»Nein, Mam, das kann ich nicht«, erwiderte er. »Dann haben sie ihren Hosenscheißer.«

Rons Mutter gab nicht auf. In dem ängstlichen Flüsterton, den er so hasste, redete sie weiter auf ihn ein. »Deine Freunde würden das verstehen, das weiß ich. Sie würden sicher –«

»Ich habe keine Freunde, Mam! Deshalb bin ich hier!« Ron sah, wie seine Mutter zusammenzuckte. »Du weißt doch, wie die sind.«

Doreen Perry seufzte. Ihr Unbehagen stieg. »Du änderst deine Meinung also nicht?«

Ron schwang sich den Rucksack auf den Rücken. …

In dieser Szene erleben wir Doreen Perry als besorgte Mutter, gleichzeitig drängt ihre Sorge Ron zum Handeln. Ihr Sohn, die Hauptfigur entscheidet letztlich. Doreen, die Nebenfigur, vermittelt das Thema der Geschichte. Es geht um Mut statt Feigheit, um Rons Drang nach Selbstvertrauen und Anerkennung. Ohne Doreen könnte das in dieser Szene nicht ausgedrückt werden.

Insider-Tipp:Um zu vermeiden, dass Sie der Geschichte Figuren hinzufügen, die Sie nicht benötigen, stellen Sie sich folgende Frage: Wen, außer meinem Helden und seinem Gegenspieler, benötige ich, um die Geschichte zu erzählen? Auf diese Weise vermeiden Sie es, Ihre Geschichte mit Personen zu überladen und so unübersichtlich zu machen. Die Geschichte entscheidet, wie viele Nebenfiguren Sie benötigen. Manche Nebenfiguren benötigen Sie jedoch, sonst wird der Charakter Ihres Helden nicht sichtbar. Diese Nebenfiguren tauchen meist im Alltag des Helden auf (der Kellner im Restaurant, der Automechaniker in der Werkstatt).

Nebenfiguren versetzen Sie als Autor in die Lage, das Thema darzulegen, ohne redselig zu wirken. Themen, die Nebenfiguren vermitteln könnten, sind: Angst, Ruhm, Liebe, Unterdrückung, Macht, Reichtum, Erfolg, Tyrannei. Es gibt unzählige Bedürfnisse, die Sie durch Nebenfiguren ausdrücken können. Zum Beispiel in einem Dialog. Nebenfiguren brauchen Erkennungszeichen, die es dem Leser ermöglichen, sich leicht an sie zu erinnern. Nebenfiguren tragen Namen und werden nur ›leicht‹ charakterisiert im Vergleich zu den Hauptfiguren. Da reicht eine körperliche Auffälligkeit, ein kleiner typischer Wesenszug (Doreens Ängstlichkeit als Mutter) oder ein auffälliges Kleidungsstück, eine Sprecheigentümlichkeit oder ein Tick wie Augenzwinkern. Seien Sie konkret, aber ziehen Sie nichts an den Haaren herbei.

6. Die Symbolfigur

Von einer Symbolfigur sprechen wir, wenn diese eine einzige Eigenschaft darstellt beziehungsweise verkörpert: zum Beispiel Liebe, Macht, Hass. Solche Figuren benötigen Sie in Fantasy-Geschichten und in Märchen mit Superhelden wie Batman. Symbolische Figuren werden durch einen einzigen Charakterzug definiert. Ein gutes Beispiel ist hier die Götterwelt der Römer und Griechen: Venus, Göttin der Liebe, Hades, Gott der Unterwelt. Mit ›Venus‹ ist alles definiert, was zu Liebe gehört – Sexualität, Erotik, Freude, Leichtigkeit, Sympathie, Zuneigung, Erregung. Eben alles, was mit Liebe zu tun hat.

7. Die nichtmenschlichen Figuren

Nichtmenschliche Figuren kommen nicht nur in Kindergeschichten vor (Lassie, Biene Maja, Bambi, Balu …). Diese Figuren sind einfach Tiere, Roboter, Monster mit menschlichen Eigenschaften. Sie sollen uns meist an Menschen erinnern. Stellen Sie beim Erschaffen von solchen Figuren zuerst die menschlichen Seiten in den Vordergrund (die Biene Maja ist neugierig und unverdorben wie ein Kind).

Im Vergleich zu menschlichen Figuren sind nichtmenschliche in Kategorien einzuordnen. Menschliche Figuren besitzen das Potenzial, sich zu verändern, nichtmenschliche Figuren besitzen unveränderliche Charakterzüge (die Biene Maja wird immer neugierig und unverdorben bleiben, egal, welch schlimme Erfahrungen sie auch macht).

Ihr Leser verbindet mit der nichtmenschlichen Figur ganz bestimmte Eigenschaften. Durch die gedankliche Verbindung von Biene Maja mit den Eigenschaften Neugier und Unverdorbenheit verstärkt sich das Gefühl der Gleichheit zwischen Leser und nichtmenschlicher Figur. Anders gesagt: Hält der Leser sich selbst für neugierig und unverdorben, dann identifiziert er sich mit der Biene Maja, er wird ein ›Fan‹ der Figur. Indem der Leser Eigenschaften gedanklich mit Figuren verbindet (assoziiert), erhalten diese nichtmenschlichen Figuren ihre Persönlichkeit. Die Figur verkörpert bestimmte Gefühle, die im Leser lebendig werden.

8. Die Fantasy-Figur

Zwerge, Zauberer, Riesen, Gnome, Kobolde, Wassermänner, Hexen bevölkern eine fremde, magische und sagenhafte Welt. Solche Figuren verfügen nur über eine begrenzte Anzahl von Eigenschaften. Sie charakterisieren sich meist durch die Technik der Übertreibung von körperlichen Merkmalen, werden so unterscheidbar gemacht. Entweder sind sie riesengroß, blitzschnell oder können zaubern. Andere sind außergewöhnlich stark, listig, böse. Über die meisten Fantasy-Figuren erfährt der Leser nur ein paar Dinge, das Unbekannte regt so seine Fantasie an (in einer Höhle lebt ein Drache, den alle Menschen im Tal fürchten; hoch über den Bergspitzen, in der Wolkenstadt, lebt ein den Menschen unbekanntes Volk - Martin Selle, Kinderbuch ›Der letzte Drachenkrieger‹ ISBN 978-3-7074-1341-0). Indem der Leser nicht alles über die Fantasy-Figur weiß, stellt er sich seine ganz persönliche Figur vor und nicht jene, die Sie ihm als Autor vorgeben. Sie aktivieren die Fantasie des Lesers.

Insider-Tipp:Belassen Sie Ihre Fantasy-Figuren immer in deren magischer Welt. Tauchen plötzlich reale Menschen darin auf, zerstört das die Stimmung dieser märchenhaften Traumwelt, weil reale Menschen den Leser daran erinnern, dass er sich in einer Fantasy-Welt befindet. Da der Leser weiß, dass er sich in der Welt der Sagen, Märchen und Mythen befindet, akzeptiert er Dinge, die er in unserer wirklichen Welt als übertrieben oder unrealistisch ablehnen würde.

Wenn wir also von Figur, Person, Charakter sprechen, so meinen wir damit immer jemanden, der durch sein Handeln die Geschichte vorwärtstreibt. Am stärksten geschieht das natürlich durch den Helden. Es ist keine Hexerei, solche Bestsellerhelden mittels Meister-Techniken der Bestseller-Autoren zu erschaffen.

Zuvor aber noch ein äußerst wichtiger Aspekt: Helden kommen in jeder Geschichte vor, egal ob Sie Ihre Story in Form eines Romans, eines Drehbuchs oder eines Theaterstücks erzählen. Das Entscheidende bei der Sache ist, dass Sie Ihre Figuren, vor allem den Helden und seinen Gegenspieler, so unverwechselbar und einzigartig gestalten, dass der Leser sie sich leicht einprägen kann.

Nun aber genug der trockenen aber nötigen Definitionen. Sehen wir uns an, mit welchen Mitteln Sie es praktisch bewerkstelligen, unsterbliche Figuren zu entwickeln, die der Leser für alle Zeiten in seinem Gedächtnis mit sich herumtragen wird.

Ich betone es noch mal, man kann nicht oft genug darauf hinweisen: Ohne einen Helden, der Ihre Leser vom Hocker haut, ohne eine unverwechselbare, lebendige Hauptfigur werden Sie als Schriftsteller Schiffbruch erleiden. Leser wünschen sich nichts sehnlicher, als so zu sein wie ›ihr‹ Held, dessen Geschichte sie soeben lesen und erleben. Der Leser möchte sich mit Figuren gefühlsmäßig verbünden, an ihrem Schicksal teilnehmen und wissen, was mit ihnen passiert. Das liegt in der Natur von uns Menschen begründet.

Wenn es Ihnen gelingt, einen Helden zu zeichnen, von dem sich der Leser sagt ›So möchte ich auch einmal sein‹, dann haben Sie gewonnen! Es ist wie mit der Liebe: Wir treffen eine uns fremde Person zum ersten Mal, begegnen einem Menschen, von dem wir nichts wissen. Dann erfahren wir mehr und mehr über diese einzigartige Person und – oft wissen wir nicht wirklich, warum – verlieben wir uns in sie. Wir denken Tag und Nacht an diesen Menschen, wollen wissen, was er gerade tut, wo er ist, vermissen ihn. Es ist eine Sache der Gefühle. Ihr Held muss das Herz Ihrer Leser berühren und gewinnen, dann verliebt sich der Leser in ihn und kann das Buch nicht mehr zur Seite legen, ehe er weiß, wie die Geschichte mit ihm ausgeht.

Merken wir uns:

Der Leser möchte am Leben einer Figur intensiv (gefühlsmäßig) teilhaben, sich in den Helden hineinversetzen.

Wie berühren wir als Schriftsteller nun die Gefühle unserer Leser? Die Zauberformel heißt:

Kennenlernen.

Nur wenn wir die handelnden Personen in unserer Geschichte kennen, mit ihnen vertraut sind, wissen, wer sie sind, dringt das Geschehen in einem Roman bis in unser Herz vor und spricht unsere Gefühle an. Das ist auch logisch. Warum sollte es Sie interessieren, wenn einer Person, die Sie überhaupt nicht kennen, etwas Schlimmes zustößt? Gut, ihr ist etwas Schlimmes passiert. Aber das war es dann auch schon. Die Zeitungen sind voll von solchen Geschehnissen. Ihre Gefühle berührt das nicht wirklich tief.

Nichts ist also derart wichtig, um einen Bestseller zu landen, wie ihr Held. Überprüfen wir diese Aussage anhand eines zweiten Experiments mit Ihnen. Lesen Sie sich den folgenden Satz bitte in Ruhe durch und lassen Sie ihn auf sich wirken:

Einer der Reisenden, Michael, kämpft seit dem Unfall ums Überleben.

Wie haben Sie auf den Satz reagiert? Vermutlich mit so etwas Ähnlichem wie ›Na und?‹. Ihre Anteilnahme an Michaels Schicksal hält sich in Grenzen, weil Sie Michael nicht kennen. Wie sieht es aber mit dem gleichen Sachverhalt aus, wenn der Satz so lautet:

Einer der Reisenden, Michael Jackson, kämpft seit dem Unfall ums Überleben.

Bitte verzeihen Sie mir, der King of Pop ist mittlerweile wirklich verstorben, dennoch lasse ich das Beispiel zu Übungszwecken im Text. Michael Jackson, egal, wie man zu seiner Musik und Person steht, war zweifelsfrei ein Mensch, der Millionen Herzen erreicht hat. Mit einem Schlag nehmen Sie an dem Ereignis intensiver Anteil, der Vorfall hat eine Bedeutung bekommen. Warum? Weil jeder, der Michael Jackson kennt, sich ein Bild von der Figur machen kann. Je näher uns eine Person steht, je besser wir sie kennen, umso tiefer nehmen wir an ihrem Schicksal Anteil! Den oben benannten Unfall gab es natürlich nie. Wir haben den Namen nur in unserer Vorstellung ausgeliehen, um zu veranschaulichen. Und zweifelsohne hat der Tod der Popikone in vielen Menschen tiefe Trauer ausgelöst – Anteil an diesem tragischen Schicksal.

Merken wir uns:

Je besser der Leser eine Figur kennt, umso intensiver nimmt er an ihrem Schicksal und somit am Romangeschehen teil.

Es sind immer die handelnden Figuren, die an erster Stelle stehen. Hier einige Beispiele:

Ohne James Bond würde es die Abenteuer von 007 nicht geben.

Stellen Sie sich Richard Wagners Lohengrin ohne die Figur des Gralsritters Lohengrin vor. Unmöglich!

Was wäre Herman Melvilles Moby Dick ohne Kapitän Ahab?

Gäbe es Karl Mays Winnetou ohne die Figur dieses Apachenhäuptlings?

Was wäre Shakespeares King Lear ohne King Lear? Undenkbar.

Manche Werke tragen sogar den Namen der Helden: Romeo und Julia, Goethes Faust.

Was bliebe von Pippi Langstrumpf übrig ohne Pippi?

Oder was wäre Die Wahrheit über Derek Foster ohne Derek?

Dark Night, undenkbar ohne Ron Perry

Ohne Miss Marple gäbe es eine Reihe von Agatha Christies Kriminalromanen nicht.

Das Geschehen in Ihrer Geschichte soll die Gefühle der Leser ansprechen. Das erreichen Sie, indem der Leser die Figuren kennt, indem Sie für ihn unvergessliche Helden erschaffen. Und für diesen Schaffensprozess stehen Ihnen als Schriftsteller eine Menge hervorragender und zugleich verblüffender Techniken zur Verfügung, mit denen wir uns gleich eingehend befassen werden.

Ich denke, die genannten Argumente reichen aus, um die Wichtigkeit lebensechter, dreidimensionaler Figuren herauszustreichen. Wie stellen Sie es nun an, Figuren zu entwickeln, die in der Oberliga der bekanntesten Helden mitspielen?

Das Geheimnis spannender Figuren

Als Schriftsteller sollten Sie sich davor hüten, über ›ganz normale Leute‹ zu schreiben. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich meine damit nicht, dass Sie über Wunderknaben, Engel oder Teufel schreiben sollen. Mit ›ganz normale Leute‹ bezeichnen Autoren Figuren, die sich nicht von der Masse abheben, Menschen, denen wir im Alltag ständig begegnen. Solche Personen empfinden wir als langweilig. Niemand liest einen Roman oder sieht sich einen Film an, um langweilige Menschen und deren Geschichte zu erleben. Der Leser ist auf der Suche nach außergewöhnlichen Charakteren, nach mitreißenden Lebensgeschichten, nach Ereignissen und Figuren, die anders sind als alles, was er bisher erlebt und kennengelernt hat.

Deshalb machen Autoren Ihre Leser schon bei der ersten Begegnung mit Figuren bekannt, die unsere Aufmerksamkeit erregen, weil sie anders, eben außergewöhnlich sind. Die Erfolgs-Methoden der Charakterbeschreibung sehen wir uns gleich an. Es lohnt sich jedoch zuvor, Beispiele für derartige gelungene Meister-Figuren anzusehen, um zu verstehen, warum sie dem Leser als außergewöhnlich in Erinnerung sind.

Schauen wir uns Agatha Christies Hercule Poirot an, einen der wohl berühmtesten Detektive aller Zeiten. Die Autorin schuf einen Helden mit unverwechselbarem Charakter. Hercule Poirot ist ein belgischer Gentleman, ein Mann des Geistes, der es über alle Maßen versteht, Fakten und Indizien zu kombinieren und einen Kriminalfall praktisch nur aus dem Gedächtnis zu lösen. Poirots Verstand ist derart skalpellscharf, dass der Leser vor Neid erblassen muss. Im Gegensatz zu dieser außergewöhnlichen Begabung steht, dass Poirot sicherlich keine Sportskanone ist und wahrscheinlich auch als Armanimodel eher blass aussehen würde. Hercule Poirot ist einzigartig, deshalb bleibt er uns in Erinnerung.

Oder wie sieht es mit Dirty Harry aus? Inspektor Callahan, perfekt verkörpert von Clint Eastwood, ist ein knallharter Cop. Wo sich seine Kollegen Gedanken über das Gesetz und seine Auslegung machen, handelt Dirty Harry nach seinen eigenen Rechtsgrundlagen. Er liquidiert einen Ganoven um den anderen – ohne lange herumzufragen –, indem er die Gauner zuerst provoziert ihn zu bedrohen. So verschafft sich Harry den Grund, die Ganoven in ›Notwehr‹ abknallen zu können. Dirty Harry steht außerhalb des Gesetzes, aber auf der Seite der ›Guten‹, weil er Verbrechern ihrer verdienten Strafe zuführt. Das ist ungewöhnlich und prägt sich uns ein.

Pretty Woman: Der knallharte Manager Edward Lewis (gespielt von Richard Gere) kommt Vivian Wards (Julia Roberts) in die Quere. Obwohl ihr Grundsatz als Prostituierte lautet ›Verlieb dich nie in einen Freier‹, passiert bei Edward genau das. Vivian, das Mädchen mit Mangel an Vornehmheit, krempelt den kühlen Businessman völlig um.

Nehmen wir Karl Mays Old Shatterhand, die ›schmetternde Hand‹. Wo Old Shatterhand zuschlägt, dort wächst kein Gras mehr. Der deutsche Ingenieur im Wilden Westen ist unerschrocken, stark, nichts kann ihn einschüchtern oder gar von seinen Zielen abbringen. Old Shatterhand überzeugt durch Mut, Draufgängertum und Opferbereitschaft. Er verkörpert ideale Werte wie Freundschaft, Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit. Er riskiert sogar sein Leben für andere. Diese Eigenschaften heben Old Shatterhand über die Menge der anderen Figuren im Roman hinaus. Wir prägen ihn uns ein.

Wie sieht es mit Luke Skywalker in ›Star Wars‹ aus? Nur Luke verfügt über die außergewöhnliche Begabung, die ›Macht‹ zu erlernen und ein Jedi-Ritter zu werden. Diese Fähigkeit stellt ihn über die breite Masse der übrigen Figuren. Luke Skywalker ist dadurch unverwechselbar der Held, den wir nicht so schnell vergessen.

Oder betrachten wir kurz Terminator. Der Terminator, blendend gespielt von Arnold Schwarzenegger, ist eine Maschine, ein kybernetischer Roboter in Menschengestalt. Er verfügt über eine Reihe von Fähigkeiten, die ihn über die Spezies Mensch erheben: Kraft, Schnelligkeit, Unverwüstbarkeit. Diese Kampfmaschine ist scheinbar nicht zu stoppen. Der Terminator ist einzigartig und erregt unsere Aufmerksamkeit. Wir erinnern uns lange an ihn.

Sie können praktisch jeden Helden zur Hand nehmen und ihn analysieren. Am Ende kommen Sie jedes Mal zur selben, hochinteressanten Schlussfolgerung: Alle Schriftsteller verwenden gezielte Mittel und Methoden, die es ihnen jederzeit gewährleisten, lebendige Figuren zu erschaffen, die sich dem Leser ein für alle Mal und unauslöschlich in das Gedächtnis einprägen. Es existieren Profi-Techniken, mit deren Hilfe Sie einzigartige Charaktere aus dem Hut zaubern können. Stürzen wir uns also in eines der wohl spannendsten Abenteuer für Schriftsteller: Lüften wir die Geheimnisse, wie Sie unvergessliche Figuren erfinden und diese mit Leben füllen.

Spezialtechniken zur Figurenerschaffung

Figuren müssen Sie so anlegen, dass sie beim Leser eine Gefühlsreaktion hervorrufen. Verwenden Sie dazu die nachstehenden Techniken der Figurenbeschreibung, vertiefen Sie diese durch Details, und es entsteht nach und nach ein Held, den wir am Ende in- und auswendig kennen wie unseren Bruder, unsere Schwester oder unseren besten Freund. Sie kreieren einen ›Extremtypus‹. Figuren mit extrem ausgeprägten Eigenschaften sind die wirklich interessanten Helden.

Meister-Technik 1: Motivation – Ziel, Wunsch, Absicht

Alles, was eine Figur im Verlauf Ihrer Geschichte tut, dient nur einem einzigen, ganz bestimmten Zweck: ein festgelegtes Ziel zu erreichen. Jeder Held einer Geschichte ist von einer grundlegenden Absicht angetrieben. Er will sich einen sehnlichen Wunsch aus einem ganz bestimmten Grund heraus (= Motivation) um jeden Preis erfüllen. Er muss das Ziel, den Zweck seines Handelns, den Sie ihm als Autor in die Wiege gelegt haben, unter allen Umständen erreichen. Es ist die Motivation, die Ihre Figuren zum Handeln treibt. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Held einen starken Antrieb hat, dass ihn ein einschneidendes Ereignis dazu zwingt, ein starkes Ziel um alles in der Welt erreichen zu müssen.

Derek Foster muss unter allen Umständen dafür sorgen, dass das Versuchsprotokoll ›Biomat 79‹ nicht in die Hände von Ken Kowalski fällt, sonst ist Derek tot und die uns vertraute Weltordnung könnte schnell Geschichte sein.

Ihr Held kann eine unglaubliche Vielzahl von Zielen verfolgen: Er möchte einen Menschen ermorden. Er will einen Raubüberfall aufklären und den Täter hinter Gitter bringen. Er möchte die Liebe einer beeindruckenden Frau gewinnen. Er möchte die Sklaverei beenden. Er will eine Zeitreise machen. Er will Weltmeister im Box-Schwergewicht werden. Er muss ein Attentat auf den Präsidenten verhindern. Er soll ein Gegenmittel für ein tödliches Virus finden. Es gilt, einen Schatz zu finden.

Als Schriftsteller müssen Sie die Fähigkeit entwickeln, die ›reale‹ Welt hinter sich zu lassen. Scheuen Sie sich nicht davor, Ziele zu entwickeln, die Sie selbst innerlich verabscheuen. Vielleicht will ein Priester nichts sehnlicher als kleine Mädchen vergewaltigen, sie zerstückeln und am Friedhof vergraben. Möglicherweise verdient sich ein Kinderarzt seine Villen und Segeljachten damit, dass er Kindern bei Operationen Nieren entnimmt und die Organe der Mafia verkauft.

Wenn es um das Erfinden von Zielen geht, sind Ihrer Fantasie wirklich keine Grenzen gesetzt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Ihre Helden die Ziele aus einem starken, bestimmten Grund heraus, einer glaubwürdigen Motivation folgend, erreichen müssen. Der vorhin genannte Kinderarzt erscheint uns als Psychopath, als jemand, dem sofort das schmutzige Handwerk gelegt werden muss. Natürlich werden wir nicht zu seinem Freund, aber wenn wir wissen, dass er die Organe deshalb verkauft, weil seine eigene Tochter im Alter von fünf Jahren mangels einer Spenderniere verstorben ist, dann verändert dieses Motiv doch unseren Blickwinkel für die Figur. Ziele und Motive sind sehr eng miteinander verknüpft.

Das Ziel charakterisiert eine Person auf einen Schlag: der Mörder, der gute Cop, der Psychopath, der liebende Vater, der tollkühne Draufgänger, der listige Anwalt, der schrullige Detektiv, der ungeschickte Tölpel. Indem Sie Ihrer Figur ein Ziel geben, das sie aus einer starken Motivation heraus erreichen muss, erwecken Sie eine Romanfigur zum Leben.

Ich schlage Ihnen eine hilfreiche Übung vor: Fragen Sie Menschen im Gespräch immer dann, wenn sie Ihnen von einem Vorhaben, ihrem Wunsch, einem Ziel oder einer Absicht berichten, warum sie das tun wollen. Auf diese Weise entwickeln Sie ein feines Gespür für die Zusammenhänge von Zielen und Motiven, und Sie werden erkennen, wie stark ein Motiv sein muss, um einen Menschen zum Handeln anzutreiben. Achten Sie darauf, wo die Toleranzschwelle liegt, ab der eine Person sagt: ›Jetzt reicht es!‹, ›Ab hier reagiere ich.‹, ›Das lass ich nicht länger auf mir sitzen.‹, ›Das geht zu weit.‹ Zu Beginn Ihrer Geschichte sollte irgendetwas Ihren Helden motivieren, sein Ziel zu verfolgen. Jede Figur besitzt einen sogenannten Handlungsbogen:

1: Der Held erhält einen Beweggrund, ein Motiv, sein Ziel zu formulieren (der Familienvater schwört dem Mörder seiner Frau und Kinder Rache).

2: Der Held definiert aufgrund seines Motivs sein Ziel (Chester hat im Kasino Millionen verloren, er überfällt eine Bank, um nicht am Hungertuch nagen zu müssen).

3: Der Held handelt, um sein Ziel zu erreichen (Rocky Balboa trainiert wie besessen, um nach fünfzehn Runden im Ring noch auf den Beinen zu stehen).

4: Durch sein Handeln kommt es zum Konflikt mit dem Gegenspieler (der Mord ruft den Detektiv auf den Plan, um das Verbrechen aufzuklären).

Achten Sie darauf, dass keines dieser Kettenglieder fehlt, ansonsten ist sich der Leser unklar darüber, mit wem er sich verbünden soll und ob sich das überhaupt lohnt. Das Handeln verliert dann die Zielrichtung. Wenn der Leser nicht eindeutig weiß, warum Ihr Held tut, was er tut, dann verliert er schnell das Interesse an der Geschichte. Motivation ist das Dynamit, das Ihre Geschichte zu Beginn durch eine ›Explosion‹ in Fahrt bringt, den Held zum Handeln zwingt.

Sie können Motivation körperlich zum Ausdruck bringen (der Mord zwingt den Detektiv zur Aufklärung), im Dialog (eine Beleidigung oder die Mitteilung, dass jemand ermordet wurde) oder durch eine Situation zeigen (jemand liest die Stellenangebote in der Zeitung, während ihm der Postbote die nächste offene Rechnung ins Haus bringt).

Sehen wir uns ein Beispiel an:

Heute ist die Jacht explodiert.

Zum Glück waren wir gerade an Land und haben ein Picknick gemacht, sonst wären wir wohl alle mit in die Luft geflogen. So hat es nur Prinz Wesley erwischt.

Eigentlich war er überhaupt kein Prinz, sondern ein Riesenarschloch. Entschuldigung, ich weiß ja, dass man über Tote nichts Schlechtes sagen soll, aber er ist mir nun mal fürchterlich auf den Sack gegangen. …

… Ach ja: Ich habe vor, alles, was nach unserem Schiffbruch passiert, genauestens aufzuschreiben und es später als Basis für einen ›wahren‹ Abenteuerroman zu verwenden. So betrachtet wäre es natürlich von Vorteil, wenn wir nicht allzu schnell gerettet würden. Nur wenn wir länger hier auf der Insel bleiben, besteht die Hoffnung, dass sich ein paar dramatische Szenen abspielen. Eigentlich habe ich mein Notizbuch ja nur deshalb mit an Land gebracht, um an einer Kurzgeschichte zu arbeiten. Ich will nämlich gerne den Schreibwettbewerb auf dem College gewinnen. Daran sieht man, was für ein Optimist ich doch bin! Wer weiß, ob wir jemals wieder von dieser Insel kommen. …

Insider-Tipp: Sie sollten Motivation immer zeigen, nie erklären oder nur plump mitteilen und aussprechen. Am besten eignen sich körperliche Handlungen, um einen Helden zum Handeln zu zwingen. Eine Flucht zwingt zur Verfolgung, eine Schandtat zwingt zur Rache. Verzichten Sie hingegen auf Rückblenden, um die Motivation zu zeigen, das stoppt in den meisten Fällen die Handlung, weil der Leser dann das Motiv, den Handlungsgrund, nicht in der Gegenwart sucht, sondern in der Vergangenheit. Die Motivation Ihres Helden sollte nach Möglichkeit dem Jetzt entspringen. Wie machen Sie das? Ganz einfach: Bringen Sie Ihren Helden zu Beginn der Geschichte gleich in eine bedrängende Notlage, in eine üble Krisensituation. In solchen Momenten sind Menschen besonders offen und bereit, Dinge zu tun, die sie sonst vielleicht niemals tun würden. Und schon nimmt die Geschichte ihren Lauf.

Auch dafür ein Beispiel:

… Der muskelbepackte Gorilla schob die .38er über den Tisch. »Das Ding reißt ganz schöne Löcher in einen Brustkorb.«

Simon Cody saß David Lakota am Tisch gegenüber und betrachtete schweigend die Pistole. Er roch das frische Öl des Mechanismus und einen Hauch von schwefeligen Rückständen im Lauf.

»Wie hast du die Fingerabdrücke beseitigt, Simon? Einfach weggewischt? Handschuhe? Klingt doch alles zu einfach, oder?«

»Ihr habt den Falschen geschnappt, Dave.«

»Ja, klar. Wir Idioten von Security 1 schnappen immer die Falschen.«

»Diesmal …« Weiter kam Simon nicht mehr.

Lakota zog seine Beretta und drückte einfach ab.

Simon schrie auf. Die Kugel durchschlug seinen linken Oberschenkel, Blut spritzte, als er zu Boden fiel und sich krümmte. Er hörte, wie Lakota den Hahn erneut spannte.

»Spuck es einfach aus, Simon. Dann haben wir es endlich hinter uns. So oder so: Du verlässt diesen Raum in einem Leichensack.«

»Verdammtes Arschloch«, krächzte Simon. Das hätte Lakota nicht tun dürfen, nicht das.

(Student eines Tatort Schreibtisch-Autorenseminars von Martin Selle)

Natürlich muss das Ziel, das Sie Ihrer Figur mit auf den Weg geben, zur Handlung und zum Geschehen Ihrer Geschichte passen. Die Art und Weise, wie Ihre Figur das grundlegende Ziel, das Hauptziel erreichen will, ist ja die Story, die Sie erzählen. Wenn Ihr Held also die Gunst einer Frau gewinnen möchte, dann konzentriert sich all sein Handeln, das Sie beschreiben und veranschaulichen, darauf und nicht etwa auf sein Hobby, das Sammeln von Briefmarken. Das klingt logisch, stellt jedoch oft eine Fehlerquelle dar. Nur allzu leicht driftet man von der eigentlichen Geschichte ab in Nebensächlichkeiten.

Auch darauf sollten Sie achten: Lassen Sie Ihren Leser nicht einfach wissen, dass eine Figur ein Ziel erreichen wird, sagen wir, einen Mord begehen wird. Diese plumpe Mitteilung des Zieles durch fantasieloses Behaupten nimmt dem Leser die Chance, kreativ mitzudenken, sich Ziele selbst auszumalen. Besser ist es, Sie zeigen die Figur etwa dabei, wie sie eine Pistole – vermutlich die Tatwaffe – akribisch reinigt und auf perfekte Funktion kontrolliert. Sorgen Sie dafür, dass der Leser über das Ziel Ihres Helden spekulieren kann, ehe Sie ihm die Absicht knallhart vor Augen führen. Die Profis unter den Schriftstellern lassen das Ziel meistens anhand von kleineren Aktionen erahnen. Sie beschreiben das Wesen einer Figur somit Stück für Stück. So könnte zum Beispiel, während unser Mörder die Einzelteile seiner Waffe reinigt, ein Zeitungsbericht mit folgender Schlagzeile auf dem Tisch liegen: ›Serienmörder weiter auf freiem Fuß!‹ Auf diese Weise regen Sie den Leser zum aktiven Mitdenken an, ziehen ihn so in die Geschichte hinein.

Eine passable Möglichkeit, das wahre Ziel einer Person zu vermitteln, sind deren geheime Gedanken. Haben Sie sich nicht schon selbst einmal dabei ertappt, dass Sie etwas ganz anderes tun oder nach außen hin sagen als das, was Sie sich innerlich tatsächlich denken? Vielleicht in dieser Situation: Sie sitzen im Restaurant und bezahlen. Der Kellner fragt höflich, ob es gemundet hat. Sie bejahen, obwohl Sie sich in Wahrheit denken, dass die Suppe zu kalt, der Salat zu salzig und der Braten nur lauwarm war – und das alles zu einem überzogenen Preis! Hier kommen Sie sicher nie wieder her. Indem Sie die wahren Gedanken einer Figur mitteilen, können Sie dem Leser zeigen, wer diese Person tatsächlich ist, was sie wirklich denkt und worin ihre vorrangige Absicht besteht – welches Ziel sie in Wahrheit verfolgt.

Merken wir uns:

Statten Sie Ihren Helden und den Gegenspieler mit starken, deutlich unterschiedlichen, gegensätzlichen Zielen aus. Das Ziel charakterisiert Figuren enorm nachhaltig, macht sie einzigartig und leicht unterscheidbar.

Meister-Technik 2: Emotionen, Gefühle, Beständigkeit

Statten Sie Ihren Helden mit einer beständigen (ständig vorhandenen) Grundemotion aus. Emotionen verstärken die Menschlichkeit einer Figur. Unter Emotion verstehen wir einen seelisch-körperlichen Prozess, indem wir durch Gefühle unsere Reaktion auf Situationen und Wahrnehmungen zum Ausdruck bringen (lat. ex ›heraus‹ und motio ›Erregung, Bewegung‹).

Emotionen sind: Angst, Verzweiflung, Wut, Ärger, Freude, Trauer, Enttäuschung, Mitleid, Sympathie, Neid, Stolz, Verliebtheit.

Gefühle sind Emotionen, die verbinden: Liebe, Freundschaft, Mitgefühl, Verbundenheit, Gemeinschaftsgefühl.

Affekte sind Emotionen, die trennen: Hass, Neid, Geiz, Eifersucht, Schuldgefühl, Minderwertigkeit.

In Experimenten des mimischen Ausdrucks wurde festgestellt, dass fast alle Emotionen, nämlich Freude, Trauer, Furcht, Ärger, Ekel und Überraschung, über die unterschiedlichsten Kulturen hinweg mit jeweils der gleichen Mimik (Gesichtsausdruck) dargestellt werden. Der Ausdruck von Emotionen gehört zum gemeinsamen Erbe aller Menschen. Und diesen Umstand nutzen wir als Schriftsteller, um Figuren zu charakterisieren.

Sie können das auf folgende Weise tun: Verpassen Sie Ihren Figuren eine Hauptemotion, die sie kennzeichnet und von anderen Figuren in Ihrer Geschichte unterscheidet, eine grundlegende Emotion, die für Ihren Helden typisch ist und die ständig auftaucht. Eine solche Kernpersönlichkeit definiert, wer Ihre Figur ist, und sie weckt im Leser die Erwartung darüber, wie sie sich verhält. Weichen Figuren von dieser Kernemotion ab, wirken sie eher unglaubwürdig. Eine beständige, gleich bleibende Grundemotion ist wichtig, denn der Leser möchte nicht, dass Freunde zum Beispiel jedes Mal, wenn man mit ihnen spricht, sich anders geben. Behalten Sie die grundlegende Emotion nach Möglichkeit bei, das gibt Ihren Figuren Beständigkeit und macht sie in sich stimmig. Es wäre unwahrscheinlich, dass eine Person, die ständig Angst hat, plötzlich und ohne verständliche Motivation auf die Idee kommt, einen Fallschirmsprung zu machen – das wäre nicht stimmig und würde den Leser eher verwirren.

In Filmen und Romanen treffen Sie immer wieder auf den hasserfüllten Neider, den sicheren Freund, den sympathischen Romantiker (der vielleicht nur vorgibt, romantisch zu sein), den ängstlichen Waschlappen oder den immer fröhlichen Träumer.

Beachten Sie andererseits, wenn Sie Ihre Figuren mit einer grundlegenden Emotion ausstatten, dass die Figur nicht ausschließlich nach dieser Emotion handelt. Das wäre unwirklich. Selbst der Angsthase hat seine mutigen Momente, und auch der geizige Neider kann durchaus einmal großzügig handeln, was ihn nur menschlicher und stärker werden lässt, wenn ihn das eine Überwindung seiner grundlegenden Emotion kostet.

Figuren ›leben‹, sie sollten emotional so gestrickt sein, dass der Leser sich mit ihnen auch gefühlsmäßig identifizieren kann. Beobachten Sie das emotionale Verhalten von Menschen und lassen Sie Ihre Figuren menschlich sein – auch in Bezug auf Emotionen. Emotionen machen Ihre Figuren ein echtes Stück lebendiger.

Auch hierzu ein Beispiel:

… Wieder schaute er auf die Uhr. Viertel nach neun. Er hätte sie vor einer Dreiviertelstunde in Tunbrige Wells abholen sollen, das auch ohne Stau noch zwanzig Minuten entfernt war.

Terry Miller, ein frisch geschiedener Detective Inspector aus seiner Abteilung, hatte ständig mit seinen Internet-Eroberungen geprahlt und Grace gedrängt, sich ebenfalls auf der Seite registrieren zu lassen. Roy hatte sich geweigert, doch als er plötzlich zweideutige E-Mails bekam, stellte er wutentbrannt fest, dass Terry Miller ihn ohne sein Wissen auf einer Seite namens U-Date angemeldet hatte.

Er konnte sich noch immer nicht erklären, warum er auf eine Mail tatsächlich geantwortet hatte. Einsamkeit? Neugier? Trieb? Er wusste es selbst nicht genau. In den vergangenen acht Jahren hatte er ruhig von Tag zu Tag gelebt. Manchmal versuchte er zu vergessen, dann wieder fühlte er sich schuldig, weil er nicht an sie dachte.

Sandy.

Und nun hatte er plötzlich Gewissensbisse wegen der Verabredung. Sie sah toll aus – jedenfalls auf dem Foto. Ihr Name gefiel ihm auch: Claudine. Klang französisch, irgendwie exotisch. ...

… Rote Rosen, ziemlich kitschig, aber er war nun mal ein unverbesserlicher Romantiker. Die Leute hatten recht, er musste irgendwie weiterleben. Die Verabredungen, die er in den letzten acht Jahren gehabt hatte, konnte er an den Fingern einer Hand abzählen. Er wollte einfach nicht glauben, dass es noch einmal die Richtige für ihn geben, dass eine Frau es je mit Sandy aufnehmen könnte.

Vielleicht würde sich das heute Abend ändern. …

(Peter James, Stirb ewig)

Meister-Technik 3: Merkmale des Körpers

Körperliche Eigenschaften eignen sich ebenfalls, um Figuren zu charakterisieren. Verfallen Sie dabei aber nicht in Klischees! Klischees wären zum Beispiel: die abstehenden Ohren, die Plattnase, das Hinkebein, breite Schultern, knackiger Po. Hierbei handelt es sich um plumpe, oberflächliche Beschreibungen, die jedermann aus dem täglichen Leben kennt und die keinen vom Hocker reißen.

Hüten Sie sich auch vor Verallgemeinerungen und vor banalen Vergleichen. ›Sie lächelte wie ein Filmstar‹ oder ›Terry war eine schlanke, sportliche Frau‹ oder ›Terry tanzte federleicht‹. Das informiert den Leser zwar über die Figur, ruft bei ihm jedoch keine emotionale Reaktion hervor – genau das sollte aber passieren.

Vielleicht so, als veranschaulichendes Beispiel:

Wenn man mit Terry tanzte, hatte man das Gefühl, mit einem feenhaften Wesen über das Parkett zu schweben.

Mit dieser Formulierung weiß der Leser sofort, dass Terry eine schlanke, leichtfüßig sportliche Person ist. Und Sie zeigen das anhand einer Handlung, des Tanzens; das charakterisiert zusätzlich und ist viel wirksamer als eine bloße Beschreibung. Aber zu diesem Thema später noch mehr.

Insider-Tipp: Geben Sie Ihren Figuren körperliche Merkmale, die einen Bezug zur Geschichte haben, die Sie erzählen. Fragen Sie sich immer, welche körperlichen Eigenschaften in Bezug auf Ihre Geschichte die wichtigsten sind. Dann zeichnen Sie diese entsprechend. Charakterisieren Sie einen Detektiv, wird sein Geist wesentlich sein, schildern Sie eine erotische Frau, wird ihr Haar eine wichtige Rolle spielen, und bei einem Gladiator werden Sie seine Statur darstellen spielen müssen. Wie erkennen Sie die körperlich wichtigen Merkmale? Ganz einfach: Stellen Sie sich Ihren Helden in einer typischen Situation vor, die zur Geschichte passt. Zum Beispiel der Gladiator, der sich in der Arena mehreren Löwen gegenübersieht. Und nun stellen Sie sich vor, der Gladiator wäre 1,56 Meter groß und würde gerade mal 65 Kilogramm wiegen. Würde er so für den Leser noch einen tapferen, kräftigen Helden abgeben? Sie sehen, die Körperlichkeit des Gladiators ist in Bezug auf die Geschichte wichtig, demnach von Ihnen zu charakterisieren.

Das könnte zum Beispiel so funktionieren:

Als der Gladiator in die Arena geführt wurde, verstummte das Volk. Die Soldaten an seiner Seite reichten ihm gerade mal bis unter die Arme, den Zenturio hinter ihm sah man praktisch kaum.

Diesem Gladiator trauen wir einen Sieg gegen die wilden Löwen zu.

Bemühen Sie sich ständig, Formulierungen zu finden, die das, was Sie sagen wollen, treffend beschreiben, und die dabei auch der Geschichte zugutekommen. Charakterisieren Sie, wann immer das geht, indem Sie mit möglichst treffenden Bildern beschreiben. ›Gehen‹ ist nicht gleich flitzen, schleichen, hasten oder schlendern.

Körperliche Merkmale bieten Ihnen ein nahezu unendliches Gebiet, um eine Figur unterscheidbar, einzigartig und für den Leser merkfähig zu machen. Vor allem das Gesicht bietet Ihnen eine Vielzahl von Möglichkeiten: die stechenden Adleraugen, die kreuzförmige Wangennarbe etwa. Der Mensch besteht aus unendlich vielen Einzelheiten. Jeder Teil eignet sich, um ihm ein einzigartiges Merkmal zu geben.

Sehen Sie selbst, hier entsteht ein Bild vor unseren Augen:

… Und das Bild war wirklich heiß! Bernsteinfarbenes Haar; ernstes, glattes Gesicht; enge Bluse, und Brüste, für die man einen Waffenschein gebraucht hätte. Sie saß im Minirock auf einer Bettkante und ließ erahnen, dass sie spitzenbesetzte Strümpfe und womöglich kein Höschen trug. …

Durch die Beschreibung der äußeren Erscheinung macht sich der Leser eine bildliche Vorstellung von der Figur, und er bekommt ein erstes Gefühl für sie.

Weiters können Sie als Autor durch die äußeren Erscheinungen der Figur auch innere Gesichtspunkte und Aspekte der Figur darstellen. Zum Beispiel kann das seelische Gebrochensein einer Figur äußerlich durch eine Verunstaltung im Gesicht veranschaulicht werden. Indem Sie die äußere Erscheinung der Figur schildern, stellt sich der Leser weitere Details Ihres Helden vor. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Beobachten Sie Menschen genau und verwenden Sie besondere Details für Ihre Arbeit als Schriftsteller.

Übung:Stellen Sie sich Ihre Bekannten vor. Durch welche körperlichen Merkmale unterscheiden sie sich voneinander? Merken Sie sich diese Details und prüfen Sie, ob Sie diese für Ihre Arbeit verwenden können.

Auch die Körperhaltung kann eine Person charakterisieren:

Er trat vor das Publikum wie ein Konzernchef, der es gewohnt war, große Reden zu halten.

Nutzen Sie die körpereigenen Haltungen von Menschen, um unverwechselbare Charaktere zu zeichnen. Eine Kleinigkeit reicht, und der Leser erkennt die Figur sofort. Nutzen Sie Ihre Fantasie und das endlos weite Spektrum der menschlichen Erscheinung.

Meister-Technik 4: Fähigkeiten des Geistes, Talente

Menschen bestehen nicht nur aus körperlichen Besonderheiten, sondern verfügen auch über geistige (seelische, mentale) Merkmale. Vielleicht verfügt Ihr Held über einen messerscharfen Verstand wie Agatha Christies Detektiv Hercule Poirot. Oder Ihr Held kann Spuren besonders gut lesen, oder er ist ein guter Profiler, er könnte aus einem Skelett Rückschlüsse auf die Todesart eines Menschen ziehen oder er könnte mit Pferden flüstern können. Wie auch immer, egal, was Sie sich an Besonderheiten in mentaler, geistiger Hinsicht einfallen lassen, es charakterisiert Ihre Figur, macht sie einzigartig.