3 Streifen, 4 Ringe, 1 Apfel - Armin Bonelli - E-Book

3 Streifen, 4 Ringe, 1 Apfel E-Book

Armin Bonelli

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Beschreibung

Warum ist Katharina verstimmt als ihr Freund aus Schul­zeiten nach Jahren mit einem 911er-Carrera ankommt? Warum kauft Marc sündteure Sneakers, die ihm gar nicht gefallen? Und wieso lassen wir uns am ehesten dann von Marken beeinflussen, wenn wir glauben, ganz sachlich zu entscheiden? Auf unterhaltsame Weise erzählt Armin Bonelli Geschich­ten, die er im Alltag rund um das Thema Marken erlebt, und beleuchtet diese anhand von Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft und Anthropologie. • Warum wir manche Marken lieben und andere ganz schrecklich finden • Warum unsere Kinder 180-Euro-Sneakers wollen • Wie Marken entstanden sind • Was Marken mit Religion gemeinsam haben • Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft Mit Test: Welcher Markentyp bist Du? Amelie, Tony oder Spock?

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Über das Buch

Wer Levi’s trägt, wählt demokratisch, Republikaner kaufen Wrangler. VW-Fahrer sind Teamplayer, Audi- Fahrer sind progressive Individualisten. Marken sagen, wer wir sind. Durch sie drücken wir unsere Persönlichkeit aus und teilen der Welt unsere Überzeugungen mit. Mit unterhaltsamen Geschichten und erstaunlichen wissenschaftlichen Studien erzählt Armin Bonelli, was Marken über uns aussagen und wie wir unsere Mitmenschen anhand ihrer Marken beurteilen.

• Warum Männer, die große Logos tragen, nicht an langfristigen Beziehungen interessiert sind

• Warum Wein mit dem teuren Preisetikett den Menschen besser schmeckt

• Warum allein das Apple-Logo die Menschen kreativer macht

Klappentext

Marken begegnen uns überall.

Beim Aufwachen sehe ich als Erstes auf mein Smartphone, bei dessen Kauf ich mich für eine Marke entscheiden musste. Schlaftrunken trapse ich ins Badezimmer und greife zur Zahnpasta – einer Marke. Dann öffne ich den Kühlschrank, wo mich etliche Markenartikel anlächeln. Sogar Früchte, die eigentlich auf Bäumen wachsen, geben sich markenbewusst.

Später steige ich auf mein Fahrrad, vielleicht ins Auto, in jedem Fall eine Marke. Manchmal nehme ich die U-Bahn, wo mir unzählige Menschen mit ihren Markensymbolen begegnen.

Bis zum Ende des Tages werde ich Tausende Marken gesehen und einige davon gekauft haben. Marken begleiten uns auf Schritt und Tritt.

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

ERSCHEINUNG

Kleine Shirts, große Logos

Ein Club für alle Fälle

Symbole, Helden und Legenden

ENTWICKLUNG

Die Marke geht eigene Wege

Der nächste Hype

Markenstores erobern die Stadt

Die Zukunft wartet nicht

ORIENTIERUNG

Entscheidungen und andere Irrtümer

Verwirrung im Regal

Das Etikett bleibt dran

ZUGEHÖRIGKEIT

Dabei sein ist alles

Moderne Stämme

Marken sagen, wer wir sind

Feinde und Rivalen

BEZIEHUNG

Marken mit Persönlichkeit

In einer festen Beziehung

Verliebt in eine Marke

SEHNSUCHT

Quäle mich, dann kauf ich dich

Marken und andere Fälschungen

Luxus für alle

MANIPULATION

Und immer lockt die Marke

Die maskierten Verführer

Jetzt geht’s ans Selbstgemachte

Wollen wir manipuliert werden?

RELIGION

Glaube, Marke und Hoffnung

Symbole, Tempel und Visionen

Heilige, Propheten und Versprechen

DIE 10 MARKENTYPEN

Vorwort

Ich gebe zu, ich lasse mich leicht ablenken. An der Kasse im Lebensmittelmarkt betrachte ich gedankenverloren den Inhalt des Einkaufswagens, den der Mann vor mir aufs Förderband legt. Während normale Menschen wie Sie, liebe Leserin und lieber Leser, ihren Einkaufszettel überprüfen und ihre Kreditkarte bereithalten, male ich mir aus, wie das Leben der anderen Kunden aussehen mag. Erwartet die Frau, die hinter mir in der Schlange steht, Gäste? In ihrem Wagen liegen vier Packungen Knabbergebäck und drei Flaschen Prosecco. Ich male mir aus, wie ihre Wohnung eingerichtet ist. Was wird sie später ihren Freundinnen erzählen? Vielleicht die Geschichte von dem eigenartigen Typ, der sie beim Einkauf beobachtet hat. Damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, keinen falschen Eindruck von mir haben: Ich bin nicht verrückt. Zu meiner Rechtfertigung muss ich sagen, dass mir die Angewohnheit, die Menschen um mich herum zu beobachten, oft gar nicht bewusst ist.

Wir sind, was wir kaufen. Zumindest behauptet das ein Artikel, den ich neulich in einem Freizeit-Magazin gelesen habe. Ist das wirklich so? Lassen die Produkte, die wir kaufen, Rückschlüsse auf unsere Persönlichkeit zu? Kann man anhand der Symbole, die wir tragen, auf unsere Lebensgewohnheiten schließen? Verraten die Marken, die wir zur Schau stellen, sogar etwas darüber, wer wir gern wären?

Ich werde in diesem Buch anhand von Erlebnissen im Alltag ergründen, welche Bedeutung Marken in unserem Leben und in unserer Kultur haben. Dazu möchte ich Psychologen, Anthropologen und Hirnforscher zu Wort kommen lassen. Von ihnen will ich erfahren, wie wir mit unserem Steinzeitgehirn ein Shopping-Center betreten, um uns dort wie urzeitliche Jäger und Sammler zu verhalten. Ich werde erforschen, wie wir Markensymbole zur Orientierung im Alltag nutzen, wie wir mit Logos signalisieren, welchem Stamm wir angehören, und wie manche Marken sogar zur Religion wurden.

Zuvor möchte ich Sie gern zu einem kleinen Versuch einladen: Gehen Sie demnächst an einem warmen Tag auf einer belebten Straße spazieren und zählen Sie, wie viele Markenlogos Ihnen auf der Kleidung der Passanten begegnen. Sie werden verblüfft sein, wie viele Menschen den Namen eines Unternehmens, mit dem sie im Grunde nichts zu tun haben, groß auf ihrer Kleidung tragen.

Marken begegnen uns überall. Beim Aufwachen sehe ich als Erstes auf mein Smartphone, bei dessen Kauf ich mich für eine Marke entscheiden musste. Schlaftrunken trapse ich ins Badezimmer und greife zur Zahnpasta – einer Marke. Dann öffne ich den Kühlschrank, wo mich etliche Markenartikel anlächeln. Sogar Früchte, die eigentlich auf Bäumen wachsen, geben sich markenbewusst: Chiquita, Jaffa und San Lucar. Ich steige auf mein Fahrrad, vielleicht ins Auto, in jedem Fall eine Marke. Manchmal nehme ich die U-Bahn, wo mir unzählige Menschen mit ihren Markensymbolen begegnen. Bis zum Ende des Tages werde ich Tausende Marken gesehen und einige davon gekauft haben. Marken begleiten uns auf Schritt und Tritt.

Es gibt auch Menschen, die machen sich nichts aus Marken. Sie sehen sich als rationale Entscheider, die sich nicht von den süßen Versprechen der Marken manipulieren lassen. Aber auch diese Menschen treffen den Großteil ihrer Entscheidungen mit einem Teil ihres Gehirns, das in der Steinzeit unseren Vorfahren die besten Überlebenschancen gesichert hat: unserem emotionalen Zentrum, dem Limbischen System. Mit diesem können wir zwar nicht denken, aber es regelt unseren Antrieb.

Ich möchte in diesem Buch nicht darüber urteilen, ob Marken sinnvoll oder überflüssig sind, ob sie unser Leben verbessern oder uns auf hinterlistige Weise das Geld aus der Tasche ziehen. Marken sind längst zu einem kulturellen Phänomen geworden, so wie Kirchtürme oder Verkehrsampeln, und sie werden uns wohl noch einige Zeit begleiten. Ich werde Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, die Entscheidung überlassen, was Sie von Marken halten. Ich möchte lediglich über dieses eigenartige Phänomen berichten, das die Menschheit hervorgebracht hat.

Über Marken wurden viele Bücher geschrieben. Sie alle wenden sich an Unternehmer, Verkäufer und Marketingfachleute. Sie versprechen Anleitungen, wie man eine starke Marke aufbaut, wie man ein unwiderstehliches Produkt entwickelt und wie man die Wahrnehmung der Kunden verstehen und steuern kann.

Das vorliegende Buch ist vermutlich das erste, das die Wirkungsweise von Marken für Menschen wie Sie und mich beschreibt. Ich habe dieses Buch für alle geschrieben, die sich für das Thema interessieren: für Konsumenten, Bürger, Eltern, Jugendliche und Lehrer. Kurzum: für Menschen.

Im letzten Kapitel möchte ich Ihnen die „10 Markentypen“ vorstellen. Ich habe diese Typologie in den letzten Jahren zusammen mit meiner Frau Jasmin entwickelt, um unser Verhältnis zu Marken besser zu verstehen. Wir wollten erforschen, warum Menschen so unterschiedlich auf Marken reagieren, warum manche Menschen einer Marke treu bleiben, der schon ihre Eltern vertraut haben, wie andere Menschen Marken als Belohnung erachten und wieso einige kaum auf Marken reagieren. Zu diesen 10 Markentypen haben wir einen Online-Test entwickelt, der Ihnen in wenigen Minuten sagt, zu welcher Gruppe Sie gehören.

Und jetzt – ganz egal, welcher Markentyp Sie sind – wünsche ich Ihnen gute Unterhaltung und natürlich spannende Erkenntnisse mit diesem Buch!

Armin Bonelli

Wien, im Februar 2024

ERSCHEINUNG

„Sie sind hier!“

—Heather O’Rourke in „Poltergeist“, 1982

Was Kleidung mit großen Logos über uns aussagt, wie wir zu Fans werden und was ein mittelalterlicher Wettstreit mit Marken gemeinsam hat

In dem Film „Zurück in die Zukunft“ strandet der junge Marty McFly nach einer unbeabsichtigten Zeitreise in den 1950er-Jahren. Dort trifft er ausgerechnet auf seine Mutter Lorraine, die im gleichen Alter ist wie ihr zeitreisender Sohn heute. Auf Martys Unterwäsche findet sie den Schriftzug „Calvin Klein“ und nimmt an, dass es sich um den Namen des geheimnisvollen Jungen handelt. Sie nennt Marty fortan Calvin und die Zuschauer erwartet ein Feuerwerk an Verwirrungen, wie es eine klassische Zeitreise mit sich bringt. Regisseur Robert Zemeckis macht sich in dieser Episode über eine Modeerscheinung lustig, die in den 1980er-Jahren aufkam: Marken wurden groß sichtbar auf die Kleidung gedruckt. Mittlerweile spielen Marken bei jungen Menschen eine enorm wichtige Rolle. Dies zeigt sich deutlich in der Shell-Jugendstudie, die Daten über die Einstellungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Markenbekleidung erhoben hat. 77,5 Prozent gaben an, dass sie Markenkleidung als besonders wichtig erachten, während nur 22,5 Prozent meinten, dass Marken für sie nicht wichtig seien. Im Fokus der Jungen stehen Kleidung von Marken wie Nike und Adidas sowie Mobiltelefone.

Als ich Ende der 1960er-Jahre geboren wurde, gab es praktisch keine Markenlogos auf der Kleidung, abgesehen von ein paar kleinen Krokodilen auf den Tennishemden älterer Herren. Jedoch gerade einmal 15 Jahre später prangten „Champion“ und „Nike“ in riesigen Lettern auf meinen Pullovern. Wie kam es dazu? Als Kind trug ich Strumpfhosen, die ich von einer älteren Cousine oder einem mir unbekannten Vetter geerbt hatte. Ich bin überzeugt, dass niemand mehr wusste, wer sie schon aller getragen hatte. Wenige Jahre später sollte sich mein Leben ändern. Mit nur neun Jahren entwickelte ich erstmals ein deutliches Markenbewusstsein, mit dem ich meine Eltern überforderte. Anfangs beschränkte sich mein Fokus auf Turnschuhe der Marke Adidas, aber bald schon war ich nicht mehr bereit, Bekleidung ohne drei Streifen zu akzeptieren.

Warum tragen wir Kleidung mit übergroßen Schriftzügen von Unternehmen, mit denen wir überhaupt nichts zu tun haben? Auf T-Shirts finden sich zahlreiche Logos und Symbole, wie die von Musikgruppen, fiktiven Superhelden oder eben Marken. Kleidungsstücke mit großen Symbolen sind ein modisches Statement und ein Mittel, um persönlichen Stil auszudrücken. Das Tragen solcher Kleidung kann dazu dienen, sich zu einer bestimmten Gruppe zu deklarieren oder umgekehrt von der Masse abzuheben und die eigene Persönlichkeit zu betonen.

Das Logo ist nicht gleichbedeutend mit der Marke, es ist lediglich deren Symbol, das die Identifikation und Wiedererkennung der Marke ermöglicht. Logos dienen als visueller Einstiegspunkt in die Marke. Sie können Namen, Initialen, Symbole und Bilder enthalten und oft werden Elemente des Logos mit dem Produkt verknüpft, wie das Adidas-3-Streifen-Detail, die vier Ringe von Audi oder der Apfel von Apple. Auffällige Logos sind heute ein häufiges Attribut der Mode. Obwohl dieser Trend relativ jung zu sein scheint, lassen sich seine Ursprünge weit in die Geschichte zurückverfolgen. Symbole auf Flaggen und Uniformen halfen, Freund von Feind zu unterscheiden und mithilfe mittelalterlicher Wappen konnte man Ross und Reiter identifizieren. In England und den USA zogen diese Wappen in das Reich der Schulen und Universitäten ein. Sie wurden auf Ruderkleidung und Schuluniformen gestickt.

Der Mode-Journalist Kyle Thibodeaux erklärt in der Gentleman’s Gazette, wie Logos in die Mode Einzug hielten. Denn lange Zeit wurden sie diskret auf Etiketten im Innenfutter versteckt. Einige Produzenten wie Louis Vuitton begannen bereits im späten 19. Jahrhundert, ihre Logos auf Koffern sichtbar anzubringen. Seit der Zwischenkriegszeit wollten viele Tennisfans René Lacostes ikonisches Krokodil auf dem Polohemd tragen.

Kleine Shirts, große Logos

Doch erst durch neue Druckverfahren in den 1960er-Jahren wurden grafische T-Shirts populär. Sie fungierten als Andenken an Konzerte oder Reisen und wurden als Ausdruck der eigenen Individualität und Kreativität angesehen. In den späten 1970er-Jahren begann mit Rap und Hip-Hop eine Ära des auffälligen Konsums, die Markennamen explizit nannte. Studien zufolge wird die Marke Gucci in den Texten dieser Genres am häufigsten genannt. Dieser Trend folgte einem bereits etablierten Werbetrend der 1980er- und 1990er-Jahre, bei dem Unternehmen den Wert ihrer Marke zusätzlich zu ihren Produkten betonten.

In den 2000er-Jahren erlebte die Haute Couture einen Hype, als Modehäuser wie Versace, Gucci und Louis Vuitton auf markante Logos setzten. Unternehmen brachten in immer kürzeren Intervallen neue Produktlinien auf den Markt und überraschten mit ungewöhnlichen Kooperationen wie Adidas mit Gucci, Louis Vuitton mit Supreme oder Film mit Fendi.

Logos haben eine tiefe Bedeutung, wenn es um die menschliche Psychologie geht. Aktuelle Studien zeigen, dass die Größe von Logos auf Männerkleidung mit dem Interesse an Beziehungen in Verbindung steht. Demnach sind Männer, die große Logos tragen, offenbar weniger an langfristigen Beziehungen interessiert. Der Psychologe Daniel Kruger von der Universität Michigan erläutert in einem Artikel aus dem Jahr 2021, dass große Logos sekundäre männliche Geschlechtsmerkmale nachahmen. In der Studie wurden den 300 Teilnehmern je zwei T-Shirts gezeigt, eines mit einem großen Logo und eines mit einem viel kleineren Ralph-Lauren-Logo. Anschließend wurden ihnen verschiedene Fragen gestellt und sie wurden gebeten, eine Reihe von Merkmalen auf einer Skala von null bis 100 einzustufen. Männer, die T-Shirts mit größeren Logos von Luxusmarken tragen, sind demnach an kurzen sexuellen Affären interessiert, während Männer, die T-Shirts mit einem kleineren Logo tragen, Interesse an langfristigen Liebesbeziehungen haben. Auch Frauen bewerten Männer, die große Logos trugen, als attraktiv für kurzfristige Beziehungen. Sie gelten als unberechenbar und vor allem weniger an einer festen Beziehung interessiert als Männer mit kleinerem Logo.

Männer, die große Logos tragen, sind nicht an langfristigen Beziehungen interessiert

Marken bestimmen immer mehr die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realität. Sie sind die herausragenden Symbole der zeitgenössischen Konsumkultur, wie Anthropologen seit Jahrzehnten behaupten.

Der Wirtschaftswissenschaftler Robert Kozinets stellte fest, dass Marken durch Werbung, Produktplatzierung, Merchandising, künstlerische Darstellung und Mundpropaganda in das Gefüge des kulturellen Universums der Verbraucher eingewebt werden. Aber was genau ist nun eine Marke? Wie definieren Experten verschiedener Fachrichtungen diesen Begriff? Die Antworten, die ich bekommen habe, könnten unterschiedlicher nicht sein. Hier möchte ich Ihnen die wichtigsten vorstellen:

Marketingmanager:

„Die Marke ist die Summe der an die Zielgruppe kommunizierten Eigenschaften eines Produkts.“

Betriebswirt:

„Die Marke ist ein Mittel, um Produkte von jenen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“

Linguist:

„Marken sind ein eigenständiges, semiotisches System gesellschaftlicher Codes.“

Soziologe:

„Eine Marke ist ein soziales Bündnis, dem wir uns freiwillig anschließen.“

Anthropologe:

„Marken sind die Stammesgesellschaften der Gegenwart.“

Offenbar haben wir es mit einem komplexen Phänomen zu tun, das seine Bedeutung verändert, je nachdem aus welcher Richtung wir es betrachten. Lange Zeit habe ich behauptet, eine Marke sei alles, was Menschen auf ihrem T-Shirt tragen. Ich verwende die folgende Definition: „Eine Marke ist die Persönlichkeit, die wir einem Produkt oder einem Unternehmen zuschreiben.“

Dieser Definition wohnt ein großer Frevel inne. Deutet sie doch an, dass wir Konsumenten bestimmen, was eine Marke ist, während traditionell die Unternehmen selbst die Hoheit über ihre Marken beanspruchten. Der Inhaber verfügt schließlich über das exklusive Recht, eine Marke zu verwenden. Darüber hinaus definierten über viele Jahrzehnte die eigenen Werbebotschaften, wofür eine Marke stand.

Mittlerweile haben sich die Machtverhältnisse gedreht. Nach Ansicht des US-amerikanischen Marketingexperten Mark Schaefer liegt ein Großteil der Informationen heute in der Hand der Kunden. In einer Zeit globaler Vernetzung durch Internet und Soziale Medien seien Märkte nichts anderes als Gespräche und es seien längst die Kunden, die die Kontrolle über diese Gespräche haben. Zwei Drittel aller Aktivitäten, die man als Marketing bezeichnet, geschehen heute ohne das Zutun der Unternehmen selbst. Die Unternehmen könnten nur hoffen, von den Konsumenten zu dieser Unterhaltung eingeladen zu werden, so Schaefer.

Es ist wahrscheinlich die größte Kränkung, die die Produzenten je erlebt haben, seit es die freie Marktwirtschaft gibt. Als würde Galilei mit seinem Fernrohr unter dem Arm in die Vorstandsetagen der Konzerne gehen und erklären, dass sich die Sonne nicht mehr um die Erde dreht. Wie die Sonne ist die Marke diese große leuchtende Kraft, um die sich die Unternehmen heute drehen. Die Kränkung ist auch vergleichbar mit der Entdeckung der Macht des Irrationalen, als Freud zeigte, dass wir Menschen „nicht Herr im eigenen Hause sind“. Eine Marke entsteht nicht in den Managementetagen der Konzerne, sie entsteht in den Köpfen der Menschen.

Ein Club für alle Fälle

Ich war neun Jahre alt und hatte eben mein erstes Paar Adidas Turnschuhe bekommen oder, besser gesagt, erkämpft. An einem dieser Tage kam mein Klassenkollege Alex in die Schule und baute sich vor den Mitschülern auf. Mit triumphierender Geste berichtete er von einer brandheißen Neuigkeit: Adidas brächte dieses Frühjahr die lang ersehnten Polyamid-Shorts auf den Markt. Ich hatte noch nie davon gehört, bisher waren wir beim Sport in kurzen Hosen aus Baumwolle angetreten, die mir plötzlich ausgesprochen altmodisch vorkamen. Polyamid glänzt wunderschön, wusste Alex zu berichten, die Hosen seien sehr leicht und das Beste vom Besten. Ich konnte es nicht erwarten, endlich selbst Polyamid-Shorts zu besitzen. Meine ersten Shorts dieser Art waren grün und hatten drei weiße Streifen an der Seite, die Farben meines favorisierten Fußballclubs.

Ich wusste nicht viel über Fußball, aber die meisten meiner Freunde waren Anhänger dieses Clubs. Wenn wir auf einen „Gegner“ trafen, wurde erst einmal verbal der Krieg erklärt, ein Wort gab das andere, bis sich kurz darauf die jeweils stärksten Männer der beiden Gruppen auf dem Boden wälzten und sich gegenseitig in den Schwitzkasten nahmen. Das konnte dann gut zehn Minuten so gehen, ab und zu drehten sich beide herum, sodass der andere nach oben kam und seinerseits dem Kontrahenten mit seinem ganzen Gewicht die Luft abdrückte. Meist ging es so lange, bis die Klassenlehrerin den Raum betrat und mit lauter Stimme den Kampf für beendet erklärte. Zwei hochrote Köpfe wurden sichtbar, die Kämpfenden erhoben sich mühsam und trollten sich auf ihre Plätze, nicht ohne dem Gegner die eine oder andere Drohgebärde zu deuten.

An eine bewusste Entscheidung, welchem Fußballclub meine Treue und Gefolgschaft gehören sollte, erinnere ich mich nicht. Der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler behauptete einmal – mehr oder weniger scherzhaft –, dass die Zugehörigkeit zu einem der beiden Wiener Lokalmatadore pränatal entschieden würde. Wie ernst es uns mit der Ergebenheit zum jeweiligen Verein war, konnte man an meinem Schulfreund Branko sehen, der auf all seinen Buntstiften die Herkunftsbezeichnung „Austria“ – aufgrund der Namensgleichheit zum verachteten Fußballclub – mit dem Taschenmesser heraus schnitzte. Aber wie kam es dazu, dass ein Haufen Kinder, die gerade erst lesen und schreiben gelernt hatten, eine derartige Zugehörigkeit zu einem Verein verspürten, dass sie für ihn zu kämpfen bereit waren? Niemand von uns hatte jemals einen der Spieler kennengelernt und wir waren auch nie im Stadion gewesen. Wir fühlten uns weniger als Anhänger eines Vereins, wir waren der Verein. In der Gefolgschaft eines erfolgreichen Fußballclubs wurden wir zu etwas Größerem, als wir selbst es waren.

Ich bin überzeugt, wenn ich das Phänomen der Anhängerschaft von Fußballclubs erklären könnte, dann würde ich auch verstehen, wie die Begeisterung für Marken entstanden ist. Daniel Wann, Professor an der Murray State University, kam zu dem Schluss, dass Sportfans ein besseres Leben haben. Die Zugehörigkeit zu einer Fangemeinde erfüllt das menschliche Bedürfnis nach Gemeinschaft und fördert Beziehungen. Menschen, die sich als Sportfans bezeichnen, zeigten in der Untersuchung ein höheres Selbstwertgefühl, litten weniger unter Einsamkeit und waren insgesamt mit ihrem Leben zufriedener als Nicht-Sportfans. Die Anhänger profitieren von dem Gefühl des Sieges, wenn ihre Mannschaft erfolgreich ist. Das Bekenntnis zu einem Verein bildet für Fans einen integralen Bestandteil ihrer Identität.

Marken sind wie SUVs. Jeder spottet, aber alle kaufen sie

Geschieht mit Anhängern einer Marke vielleicht dasselbe? Dazu müssen wir uns fragen, was Marken eigentlich sind. Mein Freund Mike fragte kürzlich, ob es stimme, dass ich ein Buch über Briefmarken schreibe. Nein, antwortete ich süffisant, ich schreibe einen Reiseführer über die Region „Marken“ in Mittelitalien. Ich war ein bisschen beleidigt, denn Mike legt mehr Wert auf Markenkleidung als so manch anderer in meinem Bekanntenkreis, vielleicht war ihm gerade deshalb das Thema unheimlich. Im Laufe der Interviews, die ich während der Recherche zu diesem Buch geführt habe, fand ich heraus, dass es Menschen mitunter unangenehm ist, auf „ihre“ Marken angesprochen zu werden. Manche fühlten sich sogar ertappt und redeten ihre Markenvorlieben klein, andere machten Scherze darüber, so wie Mike.

Marken sind offenbar wie SUVs, jeder spottet, aber sie verkaufen sich wie warme Semmeln. Dabei können Marken ganz unterschiedliche Bedeutung haben. Für Menschen, die gerne Geld für teure Produkte ausgeben, haben Marken oft die Funktion von Trophäen oder Statussymbolen, was in der öffentlichen Meinung negativ bewertet ist. Anders verhielten sich diejenigen, die wenig Wert auf Statussymbole legten. Sie verstanden Marken als Dinge des Alltags, wie Lebensmittel oder elektrische Zahnbürsten. Diese Menschen hatten generell eine positive Einstellung zu Marken, denn Ernährung und Mundhygiene werden in der Gesellschaft positiv bewertet.

Symbole, Helden und Legenden

In den vielen Jahren meiner beruflichen Tätigkeit habe ich bei allen erfolgreichen Marken dieselben Muster und Merkmale gefunden. Es sind sechs Schlüsselelemente, die regelmäßig auftauchen und maßgeblich zum Erfolg einer Marke beitragen: Symbole, Werte, Geschichten, Rituale, Helden und Rivalen.

1. Symbole

Symbole sind ein wesentlicher Bestandteil jeder erfolgreichen Marke. Sie dienen als visuelle Repräsentation und Identifikationsmerkmal für das Unternehmen oder das Produkt. Ein starkes Symbol kann dazu beitragen, die Marke schnell und einprägsam zu kommunizieren und eine emotionale Bindung zu schaffen.

Das Symbol einer Marke wird Logo genannt. Ein Logo kann aus dem Namen gebildet sein, wie bei Coca-Cola, Google oder Disney. Das Logo kann aus einem Bild bestehen, wie bei Shell, Apple, Instagram oder Starbucks. Es kann aber auch eine abstrakte Form darstellen, wie bei der Deutschen Bank, Adidas, Audi oder Mercedes. Einige Logos beziehen sich auch auf Wappen oder Flaggen des Herkunftsorts, wie zum Beispiel BMW, Porsche, Victorinox.

Besonders in den USA nutzen zahlreiche Logos die Farben der Landesflagge, wie Pepsi, Kraft, Domino’s Pizza oder American Airlines. In Europa ist diese Tradition nicht so verbreitet, immerhin verwendet der Möbelhersteller IKEA die Farben Schwedens. In Deutschland finden wir eine starke Präferenz für blaue Logos, die entweder Schrift oder abstrakte Symbole zeigen. Sie sollen Seriosität und Zuverlässigkeit ausstrahlen.

2. Werte

Werte und Regeln bilden die ethischen Grundsätze des Unternehmens, sie regeln aber auch das Verhalten und die Interaktionen einer Marke mit ihren Kunden.

Die wichtigsten Werte und Regeln werden meist bei der Firmengründung durch die Überzeugungen der handelnden Personen etabliert. Wächst ein Unternehmen, so wird es oft ein schwieriger Balanceakt, diese Werte zu bewahren. Heute fordern Konsumenten von Marken eine klare Haltung ein. Um eine stabile Beziehungen zu Kunden aufzubauen, sind authentische Werte und konsistente Regeln für eine Marke unverzichtbar geworden. Diese Regeln umfassen formelle Richtlinien und Standards, aber auch informelle Verhaltensnormen und ethische Grundsätze.

Apple schlitterte in den 1990er-Jahren in eine Krise, als das Unternehmen seine zentralen Markenwerte aus den Augen verlor. Das Unternehmen stand von Anfang an für Innovation, Kreativität und „Think Different“. Nach dem Abgang von Steven Jobs scheute das Management die Risiken, die mit diesem Anspruch verbunden waren, und die Produkte wurden einfallslos und uninspiriert. Bei seiner Rückkehr im Jahr 1997 stellte Jobs die ursprünglichen Werte wieder in den Mittelpunkt der Unternehmensführung und machte die Marke wieder erfolgreich.

Konsumenten lieben Regeln, die sich rund um eine Marke bilden. Genießer der irischen Biermarke Guinness haben eine exakte Regel, wie die dunkle Flüssigkeit richtig eingeschenkt werden muss. Das Getränk muss genau auf 8°C gekühlt sein. Jetzt wird das Glas in einem Winkel von 45 Grad zu drei Vierteln gefüllt. Erst nach einer kurzen Ruhepause wird das Glas bis zum Rand aufgefüllt. So soll die perfekte Schaumkrone entstehen.

Michael Jeffries war bis 2014 Geschäftsführer von Abercrombie & Fitch. Er hat es mit den Regeln etwa übertrieben, als er das berüchtigte „Look Book“ schuf, in dem beschrieben wurde, wie viele Knöpfe an Kleidungsstücken geöffnet bleiben sollten und welchen Schmuck oder Gesichtsbehaarung die Mitarbeiter tragen durften. Die Marke ist „eine militärische Operation“, sagte Jefferies bei einem Interview mit dem Wall Street Journal.

3. Geschichten

Wenn es um Markenführung geht, ist „Storytelling“ in aller Munde. Geschichten können tatsächlich ein mächtiges Werkzeug sein, um eine Verbindung zu den Kunden herzustellen. Erfolgreiche Marken erzählen Geschichten, die ihre Werte, ihre Geschichte und ihre Vision vermitteln. Durch ansprechende Erzählungen können Marken eine tiefere Bindung zu ihren Kunden aufbauen und ihr Markenimage beeinflussen.

In Marketingkreisen wird Storytelling immer noch mit dem Drehbuch für einen Werbespot verwechselt. Konsumenten verlangen heute nach echten Geschichten, so wurde „Storydoing“ zu einem essenziellen Bestandteil des Storytellings. Authentische Geschichten gründen entweder in der Lebensgeschichte der Gründer, wie bei Apple oder Tesla, oder aber in gesellschaftlichem Engagement wie bei Patagonia, deren Gründer sich aktiv für Naturschutz einsetzen, oder Brunello Cucinelli, der mit seinen Produkten aus Kaschmirwolle einen Welterfolg einfuhr und heute Förderer der Menschen in seinem Unternehmen und in seiner Heimat auftritt. Er gilt als der Unternehmer, der die Armut seiner Kindheit nicht vergaß.

Marken mit langer Geschichte inszenieren oft ihre eigene Tradition, so wie Omega, die die erste Uhr auf den Mond brachten, oder Chanel, dessen Ästhetik die Mode der Nachkriegszeit prägte. Aber auch skandalumwobene Legenden eignen sich gut für Storytelling, wie die dramatische Geschichte der Familie Gucci.

Wenn ein Unternehmen keine eigene Story besitzt, so kann es wie Nike auf die Geschichten von Athleten und bekannten Persönlichkeiten setzen. Indem das Unternehmen andere zu Helden macht, färbt deren Lebens- und Erfolgsgeschichte auf die Marke ab.

4. Rituale

Rituale sind regelmäßig wiederkehrende Handlungen oder Ereignisse, die mit einer Marke verbunden sind. Diese Rituale können verschiedene Formen annehmen, wie das morgendliche Kaffeetrinken mit einer bestimmten Kaffeemarke oder das jährliche Treffen von Fußballfans bei einem wichtigen Spiel. Rituale erweitern ein Produkt um ein Erlebnis, sie schaffen eine gemeinsame Erfahrung und stärken die Bindung der Kunden zur Marke.

Apple hat mit der sehnsüchtig erwarteten Präsentation der neuen Modelle ein mächtiges Ritual geschaffen. Auf der ganzen Welt treffen sich Apple-Anhänger, um die Übertragung gemeinsam zu erleben und dann leidenschaftlich über Sinn und Qualität der neuen Produkte zu diskutieren. Auch die Menschenschlangen, die sich bei der Auslieferung der neuen Produkte vor den Stores bilden, sind mittlerweile eine jährlich wiederkehrende Zeremonie.

Die Gewohnheit bei Starbucks, den Namen der Kunden aufzunehmen, ist weithin bekannt. Die Vorgehensweise wird vom Unternehmen übrigens nicht vorgeschrieben. „Im Laufe der Jahre entwickelte sich in unseren Filialen das lustige Ritual, die Namen auf Becher zu schreiben und dann auszurufen“, sagt ein Sprecher der Kaffeehaus-Kette.

Eines der bekanntesten Rituale ist die Limette in der Corona-Flasche. Der Ursprung liegt nach einer verbreiteten Meinung darin, dass mit der Limette die Flaschenöffnung gesäubert wurde. Auf der Website von Corona wird behauptet, das Ritual stamme aus der mexikanischen Chelada-Tradition, bei der Bier mit Zitronensaft gemischt werde. Mittlerweile ist es jedenfalls eine weltweit anerkannte Art, das mexikanische Bier zu servieren, und die Limette wurde zu einem wesentlichen Bestandteil der Marke.

Als sich Jägermeister in den 1990er-Jahren als Partygetränk etablierte, ist das gemeinschaftliche Ritual entstanden, bei dem jeder in der Runde eine kleine Flasche erhält, sie auf den Tisch klopft, den Verschluss abschraubt und auf die Nase klemmt. Danach wird die Flasche mit den Zähnen gehalten, während man den Kopf in den Nacken legt, um den Likör wie einen Shot auszutrinken. Auch andere Likör-Marken wie Kümmerling beanspruchen dieses Ritual für sich.

In den USA werden die beiden Schichten des Oreo-Kekses getrennt und in Milch getaucht. KitKat wird in zwei Hälften geteilt und gemeinsam verzehrt. Der Deckel von Pringles wird durch Zusammendrücken der leeren Verpackung abgesprengt. Hierzulande gibt es das Ritual des Teilens des „Twinni“-Eislutschers. Die Frage „Magst du lieber orange oder grün?“ verbindet Generationen.

All diese Markenrituale erweitern ein Produkt um gemeinschaftliche Erlebnisse, die eine entscheidende Rolle beim Aufbau eines Zugehörigkeitsgefühls rund um die Marken spielen.

5. Helden

Helden sind charakteristische Figuren oder Persönlichkeiten, die mit einer Marke in Verbindung gebracht werden. Diese Helden verkörpern die Werte und Eigenschaften der Marke und dienen als Identifikationsfiguren für die Kunden. Sie können sowohl reale Personen als auch fiktive Charaktere sein, ihr Zweck aber ist es, die Markenbotschaft zu vermitteln und die Kunden zu inspirieren.

Bei innovativen Marken wie Apple oder Tesla sind es die Gründer, die als Helden auftreten. Nike machte die bekanntesten Athleten zu ihren Werbebotschaftern, während Pepsi gefeierte Popstars verpflichtete. Diese Marken leihen sich die Helden gewissermaßen aus. Auch Red Bull holt sich die Protagonisten durch Sportsponsoring in seine Markenwelt.

Eine verfeinerte Version des Markenbotschafters nutzte die Marke Nespresso, indem sie George Clooney als sympathischen Antihelden aufbaute. Mitunter sind die Helden auch fiktiv, wie der Weihnachtsmann bei Coca-Cola, Käpt’n Iglo oder der unermüdliche rosa Plüschhase bei Duracell.

Heute, da von Marken gesellschaftliches Engagement erwartet wird, setzen die Unternehmen vermehrt auf Persönlichkeiten, die sich zu brennenden Themen äußern. Nike brachte einen Spot mit dem ehemaligen Football-Spieler Colin Kaepernick, der öffentlich gegen Rassismus auftrat. Die polarisierende Kraft solcher Personen ist zwar mit einem großen Risiko für das Unternehmen verbunden, verspricht aber große Erfolgschancen. Große Marken sind sich durchaus bewusst, dass sie in einer gespaltenen Gesellschaft von ihren Fans umso mehr geliebt werden, je größer die Ablehnung durch die andere Gruppe ist.

6. Rivalen

Rivalen sind Wettbewerber oder Gegner, die eine Marke herausfordern und sie zu Höchstleistungen anspornen. Diese Rivalen können andere Marken sein, die ähnliche Produkte oder Dienstleistungen anbieten, oder externe Faktoren wie sich verändernde Marktbedingungen oder technologische Entwicklungen. Die Existenz von Rivalen kann dazu beitragen, dass eine Marke agil bleibt und sich kontinuierlich verbessert, um im Wettbewerbsumfeld erfolgreich zu sein. Aus diesem Grund meinen wir oft, vor der Entscheidung zwischen zwei Marken zu stehen, obwohl es tatsächlich mehrere Anbieter gäbe: Coca-Cola oder Pepsi, Apple oder Samsung, McDonalds oder Burger King, Adidas oder Puma. Gegner und Rivalen helfen dabei, die Marke emotional zu erleben, da wir Menschen dazu neigen, uns für eine Seite zu entscheiden und mitunter leidenschaftlich für diese einzutreten. Ich widme mich diesem Thema ausführlich im Kapitel „Zugehörigkeit“.

Symbole, Werte, Geschichten, Rituale, Helden und Rivalen sind die sechs Merkmale, die ich bei jeder erfolgreichen Marke gefunden habe. Ich habe diese Elemente allerdings nicht nur bei Marken, sondern auch bei den Anhängern von Fußballclubs und beim Wettstreit mittelalterlicher Städte gefunden, wie die folgende Geschichte zeigt.

Mitte der Neunzigerjahre verbrachte ich einige Monate in Siena. Die toskanische Stadt, die einmal eine der wohlhabendsten Städte Europas war, hat bereits im Mittelalter mit dem „Palio“ einen Wettstreit entwickelt, der als das härteste Pferderennen der Welt gilt.

Wer im Sommer durch die Stadt geht, dem fällt auf, dass die Einheimischen bunte Halstücher tragen und kleine Fahnen in der Hand halten. Sie tragen die Farben ihrer Contrada, eines jener 17 Stadtbezirke, die jedes Jahr im Palio gegeneinander antreten. Jede Bewohnerin und jeder Bewohner trägt mit Stolz das Wappen der eigenen Contrada als Erkennungszeichen. Die Reiter in diesem Pferderennen werden „Fantini“ genannt. Diese Jockeys werden von den Stadtteilen angeheuert, sie nehmen bei offiziellen Anlässen teil und repräsentieren die jeweilige Contrada. Die Fantini sind die Helden, die diese Geschichte schreiben und als Identifikationsfiguren dienen.

Das Rennen selbst ist nur der Höhepunkt, um den sich verschiedene Rituale entfalten, mit denen die Bewohner ihre Identität und Zugehörigkeit zum Stadtteil demonstrieren. Schon Wochen vor dem eigentlichen Palio wird das Ereignis von den jungen Senesi angekündigt, die in mittelalterlichen Gewändern mit Trommeln und Fahnen schwingend durch die Stadt ziehen. Für den Palio existiert ein ausführliches Regelwerk, das im Mittelalter begründet und über die Jahre immer wieder angepasst wurde. Daneben haben sich etliche ungeschriebene Gesetze etabliert, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Die anderen Stadtteile werden in dieser Zeit zu Rivalen. Während des Palios wird dieser Antagonismus in einem ritualisierten Wettstreit ausgedrückt und dadurch am Leben erhalten.

Erfolgreiche Marken sind die moderne Entsprechung althergebrachter Gemeinschaften. Die Stammesgesellschaften der Urzeit folgten der gleichen Methoden wie italienische Stadtstaaten im Mittelalter, eingebettet in eine pittoreske Kulisse mit Ritualen, die als Vorbild für moderne Themenparks und Flagship-Stores gedient haben könnten.

ENTWICKLUNG

„Alles, was du besitzt, besitzt irgendwann dich.“

—Brad Pitt in „Fight Club”, 1999