360° um die Welt - Wolfgang Machreich - E-Book

360° um die Welt E-Book

Wolfgang Machreich

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Beschreibung

Einmal wie die Sonne, einmal den ganzen Globus sehen, einmal in alle Länder schauen: Start und Ziel dieses Buches ist die Datumsgrenze. Dazwischen liegen 360 Längengrade, 206 anerkannte und weniger anerkannte Staaten, Milliarden Menschen und unendlich viele Geschichten. Die schönsten, die lustigsten, die ergreifendsten, die schrägsten und traurigsten hat Wolfgang Machreich für dieses Buch gesucht und entdeckt, sich erzählen lassen und selbst erlebt. Wie die Sonne schaut der Autor freundlich auf unseren Globus. Dabei ist dieses Buch so gerecht wie die UNO: Jedes Land bekommt gleich viel Platz, jedes Menschenvolk erhält das gleiche Stimmrecht. So wie Natur und Kultur, Tiere und Pflanzen, Traditionen und Eigenheiten in den 206 Geschichten nicht zu kurz kommen. Von Tuvalu, wo jedes Sandkorn zählt, bis Tonga, wo Schweine zum Fischen schwimmen, um dem Kokosnuss-Einerlei zu entkommen, führt diese Lese-Reise. Am Ende steht ein neuer Tag und die Freude darüber, dass es die Geschichten sind, die unsere Welt zusammenhalten.

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Seitenzahl: 536

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IMPRESSUM

360° um die Welt

Wolfgang Machreich

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

© 2020 | 360° medien | Marie-Curie-Straße 31 | 40822 Mettmann www.360grad-medien.de

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Inhalt des Werkes wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.

Redaktion und Lektorat: Laura Kersten

Satz und Layout: Serpil Sevim-Haase

Gedruckt und gebunden:

Himmer GmbH Druckerei & Verlag | Steinerne Furt 95 | 86167 Augsburgwww.himmer.de

Bildnachweis:Seite 434

ISBN: 9783948097813

Hergestellt in Deutschland

www.360grad-medien.de

Wolfgang Machreich

360° UM DIE WELT

Alle Länder von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Länder

Tuvalu

Republik Fidschi

Neuseeland

Republik Kiribati

Republik Marshallinseln

Republik Vanuatu

Republik Nauru

Föderierte Staaten Mikronesien

Salomonen

Australien

Unabhängiger Staat Papua-Neuguinea

Japan

Republik Palau

Republik Korea

Demokratische Republik Timor-Leste

Demokratische Volksrepublik Korea

Republik China (Taiwan)

Republik der Philippinen

Volksrepublik China

Sultanat Brunei Darussalam

Mongolischer Staat

Republik Indonesien

Sozialistische Republik Vietnam

Königreich Kambodscha

Republik Singapur

Demokratische Volksrepublik Laos

Malaysia

Königreich Thailand

Republik der Union Myanmar

Volksrepublik Bangladesch

Königreich Bhutan

Demokratische Bundesrepublik Nepal

Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka

Republik Indien

Kirgisische Republik

Republik Malediven

Islamische Republik Pakistan

Republik Kasachstan

Republik Usbekistan

Islamische Republik Afghanistan

Republik Tadschikistan

Sultanat Oman

Turkmenistan

Republik Mauritius

Republik Seychellen

Vereinigte Arabische Emirate

Staat Qatar

Islamische Republik Iran

Königreich Bahrain

Republik Aserbaidschan

Staat Kuwait

Republik Madagaskar

Republik Arzach

Königreich Saudi-Arabien

Bundesrepublik Somalia

Georgien

Republik Armenien

Republik Irak

Republik Jemen

Republik Somaliland

Südossetien

Union der Komoren

Republik Dschibuti

Abchasien

Staat Eritrea

Demokratische Bundesrepublik Äthiopien

Russische Föderation

Arabische Republik Syrien

Republik Kenia

Haschemitisches Königreich Jordanien

Vereinigte Republik Tansania

Libanesische Republik

Staat Israel

Staat Palästina

Republik Malawi

Türkische Republik Nordzypern

Republik Zypern

Republik Türkei

Republik Mosambik

Republik Uganda

Republik Sudan

Südsudan

Arabische Republik Ägypten

Königreich Swasiland

Republik Simbabwe

Ukraine

Republik Ruanda

Pridnestrowische Moldauische Republik / Transnistrien

Republik Burundi

Republik Moldau

Republik Sambia

Republik Südafrika

Königreich Lesotho

Republik Belarus

Rumänien

Republik Botswana

Republik Litauen

Republik Finnland

Republik Estland

Republik Lettland

Hellenische Republik

Republik Bulgarien

Republik Mazedonien

Republik Kosovo

Republik Polen

Republik Serbien

Republik Albanien

Montenegro

Land der Ungarn

Zentralafrikanische Republik

Bosnien und Herzegowina

Königreich Schweden

Slowakische Republik

Republik Namibia

Republik Österreich

Republik Kroatien

Demokratische Republik Kongo

Republik Kongo

Republik Tschad

Republik Tschechien

Republik Malta

Republik Slowenien

Bundesrepublik Deutschland

Republik Angola

Libyen

Königreich Dänemark

Italienische Republik

Staat der Vatikanstadt

Republik San Marino

Republik Kamerun

Königreich Norwegen

Tunesische Republik

Fürstentum Liechtenstein

Gabunische Republik

Republik Äquatorialguinea

Bundesrepublik Nigeria

Schweizerische Eidgenossenschaft

Fürstentum Monaco

Demokratische Republik São Tomé und Príncipe

Großherzogtum Luxemburg

Königreich Belgien

Niederlande

Demokratische Volksrepublik Algerien

Republik Benin

Französische Republik

Republik Niger

Fürstentum Andorra

Republik Togo

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland

Republik Ghana

Burkina Faso

Königreich Spanien

Republik Côte d’Ivoire

Irland

Königreich Marokko

Republik Mali

Portugiesische Republik

Republik Liberia

Demokratische Arabische Republik Sahara

Republik Sierra Leone

Republik Guinea

Republik Guinea-Bissau

Islamische Republik Mauretanien

Republik Gambia

Republik Senegal

Island

Republik Cabo Verde

Föderative Republik Brasilien

Republik Suriname

Republik Östlich des Uruguay

Republik Paraguay

Barbados

Kooperative Republik Guyana

Argentinische Republik

St. Lucia

St. Vincent und die Grenadinen

Dominica

Republik Trinidad und Tobago

Antigua und Barbuda

Staat Grenada

Föderation St. Kitts und Nevis

Bolivarische Republik Venezuela

Republik Bolivien

Dominikanische Republik

Republik Chile

Republik Haiti

Republik Kolumbien

Kanada

Jamaika

Republik Peru

Vereinigte Staaten von Amerika

Commonwealth der Bahamas

Republik Ecuador

Republik Panama

Republik Kuba

Republik Costa Rica

Republik Nicaragua

Republik Honduras

Belize

Republik El Salvador

Republik Guatemala

Vereinigte Mexikanische Staaten

Cookinseln

Niue

Unabhängiger Staat Samoa

Königreich Tonga

Stichwortverzeichnis

Literaturverzeichnis

Nachwort und Dank

Vorwort

„Im Anfang war das Gewürz“, beginnt der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig seine Biografie über Ferdinand Magellan. Das Motto kann auch am Beginn der Weltreise dieses Buches stehen. Am 10. August 1519 lief die Flotte des ersten Weltumseglers von Sevilla aus. Getrieben von der Suche nach einem neuen Weg zu den Delikatessen des Orients, zu Pfeffer, Muskat, Ingwer oder Zimt, zu Moschus, Ambra, Weihrauch…

500 Jahre danach mache ich mich mit diesem Buch ebenfalls auf die Suche nach „especerias“, nach den Spezialitäten und Eigenheiten auf der ganzen und um die ganze Welt: „Es sind die Geschichten, es ist das Geschichten-Erzählen. Ob durch Wiegenlieder, Comicbücher, Filme, Lieder, Gebete, Romane oder Anekdoten, die Menschen an einer Theke erzählen. Es sind die Geschichten, die uns über Raum und Zeit zusammenzuhalten“, antwortete mir einmal Pulitzer-Preisträger Paul Salopek in einem Interview über seinen „Out of Eden Walk“ auf den Spuren der Besiedelungsgeschichte des Menschen vom Garten Eden, der „Wiege der Menschheit“ in Äthiopien, bis zur äußersten Verbreitungsgrenze unseres Menschentyps auf der Südspitze des amerikanischen Kontinents.

360 Längengrade, 206 anerkannte und weniger anerkannte Staaten, Milliarden Menschen und unendliche viele Geschichten sind auch das Volle, aus dem dieses Buch schöpft. Die schönsten, die lustigsten, die ergreifendsten, die schrägsten und traurigsten habe ich Land für Land gesucht, selbst erlebt, beobachtet, mir erzählen lassen oder bei Reiseschriftstellerinnen und -schriftstellern, Korrespondentinnen und ihren männlichen Pendants nachgeschlagen.

Die Reihenfolge der Kapitel dieses Buches bestimmt der Längengrad der Hauptstadt des jeweiligen Landes. Die Datumsgrenze setzt den Anfang, der Gang der Sonne von Ost nach West gibt den weiteren Verlauf rund um den Erdball vor. Und was bleibt nach dieser Weltumsegelung 500 Jahre nach Magellan, ohne Schiffe zwar, dafür aber mit einer Flotte an Geschichten aus der ganzen und über die ganze Welt?

Die Aussicht, dass jedes Land ein wundervolles Land mit wundervollen Menschen ist.

Die Einsicht, dass wir Menschen unsere Länder zum Paradies oder zur Hölle machen können.

Die Zuversicht, dass wir Menschen einmal so sorgsam mit dieser wundervollen Welt umgehen, wie sie es sich verdient.

Aber lesen Sie selbst, reisen Sie los, 360 Grad weit, einmal um die Welt!

Wolfgang Machreich

Tuvalu

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Sigeo Alessandro, seine Frau und seine zwei Kinder aus Tuvalu wurden 2014 als die ersten Klimaflüchtlinge weltweit anerkannt und bekamen in Neuseeland Asyl.

Fläche:26 Quadratkilometer, wie der Wolfgangsee im Salzkammergut oder 13-mal so groß wie MonacoEinwohner:10.640, ein knappes Drittel von Monaco

Vor uns die Sintflut

Tuvalu ist eine wunderbare Insel mit wunderbaren Menschen. Leider befindet sich der aus neun Korallenatollen bestehende Staat in der gleichen Situation wie ein Mensch, der den Lotto-Jackpot geknackt hat und gleichzeitig erfährt, dass er demnächst sterben wird.

Tuvalu scheffelt mit Telefon- und Internet-Abgaben Millionen – und versinkt. Wenn die Klimaerwärmung voranschreitet, die Polkappen schmelzen, die Meere steigen … – dann wird die Insel zum ersten modernen Atlantis. Tuvalu ist zum Symbol des Klimawandels geworden, als erster Staat, der sein Staatsgebiet verlieren kann. Im Hafen der Hauptstadt messen die Sekretäre des Klimawandels, wie der Meeresspiegel Millimeter für Millimeter steigt. Für ein Land, das nur ein paar Meter aus dem Pazifik herausragt, zählt jedes Sandkorn. In 25 Jahren könnte Tuvalu unbewohnbar, in fünfzig verschwunden sein – falls Sturmfluten den Untergang nicht noch beschleunigen. „Wir sehen in Tuvalu in die Augen der Kinder. Wir müssen ihnen antworten, nicht der fossilen Energieindustrie“, sagte Tuvalus Regierungschef auf der Klimakonferenz Ende 2014 in Lima und zeichnete ein düsteres Bild von der Zukunft seines Eilandes: „Für Tuvalu könne einer der dunkelsten Plätze in der Hölle reserviert sein, obwohl man das Klimaproblem keineswegs verschuldet habe.“

Traumhafte Strände – wie lange noch?

Tuvalu ist ein Ring im Pazifik.

Für kommende Generationen versucht Tuvalus Regierung den Status von Umweltflüchtlingen durchzusetzen. Neuseeland hat bereits Klimaflüchtlinge aus Tuvalu aufgenommen. Australien hat abgelehnt – und verweigert den Beitritt zum Kyoto-Klimaschutzprotokoll. Tuvalu kontert mit der Drohung, die am meisten Kohlendioxid ausstoßenden Länder und Unternehmen vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu zerren – Australien und die USA zuerst.

Mit Nachbar Japan ist Tuvalu hingegen sehr gut gestellt. So gut, dass es für die Wale schlecht ist. Noch nicht lange ist Tuvalu Mitglied der Internationalen Walfangkommission – den Mitgliedsbeitrag zahlt Japan, heißt es, und legt noch ein bisschen drauf. Dafür gibt es zusätzliche Unterstützung für die Waljäger.

Dabei ist Tuvalu schon lange nicht mehr das arme Nichts im Nirgendwo. Zu asphaltierter Hauptstraße und Straßenbeleuchtung hat die Landesvorwahl 688 verholfen, die Tuvalu weltweit an Telefonsex-Anbieter vermietete. Richtig reich wird der viertkleinste Staat der Welt aber mit seinem Internet-Kürzel „tv“, für das Fernsehsender Millionen hinlegen. Da lässt es sich auf der Insel wieder leicht moralisch sein: „Wir brauchen keine Sex-Anrufe mehr. Das Geschäft schadet unserem Ruf als Christen“, erklärte der Premier. Gleichzeitig schaut man sich nach weiteren Einnahmen um. Die Regierung möchte nationalen Raum im Orbit beantragen. Das brächte Geld von Satellitenbetreibern. Und wenn die Wasser fluten, die Hölle wartet (siehe Zitat oben) ist es in jedem Fall auch gut – man hat sich einen Platz am Himmel reserviert.

Republik Fidschi

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Fidschi gehört zu den zwölf besten Rugby-Nationen der Welt.

Fläche:18.376 Quadratkilometer, ein wenig kleiner als SlowenienEinwohner:884.887, die Hälfte von Slowenien

Versöhnung unter Palmen

Fidschi sind wunderbare Inseln mit wundervollen Menschen, die leider abwechselnd von Wirbelstürmen oder Staatsstreichen heimgesucht werden. Statistisch fegen in zehn Jahren zehn bis zwölf Wirbelstürme über die rund 320 Inseln, von denen 110 bewohnt sind. Noch öfter kommen nur Hollywoodstars auf der Suche nach einem luxuriösen Urlaubsdomizil vorbei. Unbeeindruckt von beidem putscht regelmäßig das Militär.

Der Grund für die politischen Spannungen liegt im Dauerkonflikt zwischen den melanesischen Ureinwohnern und der indischen Bevölkerung Fidschis, deren Vorfahren Ende des 19. Jahrhunderts von den britischen Kolonialherren als Arbeiter für die Zuckerrohrplantagen hergebracht wurden. Aus den Feldarbeitern wurden erfolgreiche Geschäftsleute und heute kontrollieren ihre Nachfahren große Teile der Wirtschaft – zum Ärger der Melanesier, die ein wenig mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellen. Nachdem der Hass immer wieder in Gewalt umgeschlagen ist, sind viele Indo-Fidschianer ausgewandert. Diejenigen, die geblieben sind, warten darauf, dass jede Reihe einmal ein Ende hat und die Statistik sich in Zukunft irrt.

Menschenjagd auf den Fidschi-Inseln – die rituelle Entschuldigung dafür fand 2003 statt.

Fidschi-Team beim Rugby World Cup 2011

Dabei ist Versöhnung auf Fidschi durchaus möglich – es dauert eventuell nur ein wenig länger: 1867 wagte es der englische Pfarrer Thomas Baker, die Haare des Dorfhäuptlings von Nabutautau zu berühren und damit ein unverzeihliches Tabu zu brechen. Daraufhin wurden der Missionar und acht seiner Anhänger mit Streitäxten erschlagen und feierlich verspeist. Bereits 136 Jahre später – Kinder, wie die Zeit vergeht! – haben sich die Bewohner des Dorfes im November 2003 bei Bakers Nachkommen für die Tat entschuldigt. Zugegeben nicht ganz freiwillig: „Wir glauben, dass wir Opfer eines schlechten Schicksals sind“, sagte der Dorfvorsteher: „Wir müssen um Vergebung für das bitten, was passiert ist, erst dann werden wir wieder rein sein.“ Der Bakers-Verspeisung folgender Fluch soll mehrere Sippen des Dorfes habe aussterben und das Dorf in Armut, ohne richtige Straßen, fließendes Wasser und einer Schule bleiben lassen. Nur die rituelle Entschuldigung konnte da einen Entwicklungsschub auslösen.

„Wir haben alles von ihm gegessen, außer seinen Stiefeln“, schrieb übrigens ein Zeuge des kannibalischen Mahls. Was mit dem zweiten Schuh passierte, ist unklar, ein Stiefel von Baker kann aber bis heute im Museum der Fidschi-Inseln bestaunt werden. Und noch ein Relikt aus diesen Zeiten hat Mode und Geschmäcker überdauert: Ein uraltes Hausrezept auf Basis von Südseefrüchten, mit dem die Insulaner einst Menschenfleisch haltbar machten, wurde vom Südpazifischen Institut für angewandte Wissenschaft in Suva neu entdeckt und findet heute zur Konservierung von Lebensmitteln neue Verwendung. Das gibt Zuversicht, denn es ist einer der sehr seltenen Beweise dafür, dass Menschen doch etwas aus der Geschichte lernen können.

Neuseeland

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Taumatawhakatangihangakoauauotamateaturipukakapikimaungahoronukupokaiwhenuakitanatahu heißt in der Maori-Sprache ein 305 Meter hoher Hügel in der südlichen Hawke‘s Bay. Das ist mit 85 Buchstaben der zweitlängste Ortsnamen der Welt. Länger ist mit 168 Buchstaben nur die offizielle Bezeichnung von Bangkok.

Fläche:269.652 Quadratkilometer, doppelt so groß wie GriechenlandEinwohner:4.793.700, weniger als die Hälfte von Griechenland

Kiwis für Kiwis

Neuseeland ist ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen und vielen Tieren – teilweise zu vielen Tieren. Zum Beispiel Kühen. Seit einigen Jahren hat sich das Verhältnis umgedreht, gibt es mehr Milchvieh als Menschen. Kein anderes Land exportiert so viele Milchprodukte. Die Folgen für die Umwelt sind dramatisch: Fast die Hälfte der Treibhausgasemissionen kommen in Neuseeland aus der Landwirtschaft – weltweit sind es zehn bis zwölf Prozent. Auch die Stickstoffbelastung für die Böden und der Algenwuchs in Gewässern ist weit über der Norm. 2017 waren sieben von zehn untersuchten Flüssen nicht zum Baden geeignet, drei Viertel der Süßwasserfische sind bedroht.

Doch die wirtschaftlichen Zwänge sind groß. Die Wissenschaft soll Auswege liefern, Rinder und Schafe mit weniger Methan-Ausstoß züchten. Ein Agrarforscher plädierte für eine sanitäre Lösung: Die Kühe trainieren, damit sie ihre Kuhfladen in eigenen Klosetts entsorgen.

Der zweitlängste Ortsname der Welt

Ausrottung bis 2050 lautet das Ziel bei Ratte, Wiesel und Opossum. Diese eingeschleppten Arten bedrohen den Nationalvogel Kiwi und andere heimische Arten. An den Kragen geht es auch den Wildkaninchen, die für Millionenschäden in der Landwirtschaft verantwortlich gemacht werden. Um sie war es in Neuseeland noch nie besonders gut bestellt. Mark Twain notierte 1895 bei einer Reise: „Der Mann, der das Kaninchen nach Neuseeland brachte, wurde gepriesen und festlich bewirtet. Heute würde man ihn an den Strick hängen, wenn man ihn in die Hand bekäme.“ Seither wurde alles Mögliche versucht, um der Plage Herr zu werden: Fallen, Hunde, Gas, aktuellster Kampfstoff ist ein Virus. Die Kaninchenfreunde der „New Zealand Hopper Group“ fürchten, dass das Virus auf andere Arten übergreift. Ihr Vorsitzender sagte: „Das ist eine extrem grausame Art, eine Plage loszuwerden, die ins Land gebracht wurde, damit Farmer ihren Spaß beim Jagen hatten.“ Stimmt, in Otago auf der Südinsel gibt es die „Great Easter Bunny Hunt“. Was wie ein Kinderfest klingt, ist eine 24-Stunden-Kaninchenhatz mit durchschnittlich 10.000 getöteten Tieren.

An der religiösen Front wird ebenfalls gegen das Kaninchen gerüstet. Anstatt eines Hasen soll der Kiwi das Symboltier des Osterfestes werden. Der Kiwi ist das uneleganteste Nationaltier der Welt: Statt durch die Lüfte zu segeln, stochert das bräunlich-strähnig gefiederte Tier mit langem Schnabel am Boden herum und schnüffelt nach Futter. Noch vor hundert Jahren gab es laut der Schutzorganisation „Kiwis for Kiwi“ Millionen Vögel. Mittlerweile ist die Population wegen vieler Fressfeinde auf 70.000 Exemplare gesunken. Eine nationale Katastrophe: „Die Menschen mögen den Kiwi. Wir werden Kiwis genannt, unsere Währung ist der Kiwi-Dollar, es gibt hier eine Identität, einen Kultstatus der Kiwis“, warnte ein Vertreter der Naturschutzbehörde. Jetzt soll Ostern zum Auferstehungsfest für den Kiwi uminterpretiert werden: In neuseeländischen Supermärkten werden die Schoko-Osterhasen aussortiert. Stattdessen gibt es Schoko-Osterkiwis für Kiwis.

Nationalvogel Kiwi

Republik Kiribati

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Da durch Kiribati sowohl der Äquator als auch der 180. Längengrad verläuft, liegt der Staat als einziger sowohl in der nördlichen, südlichen, westlichen und östlichen Hemisphäre der Erde.

Fläche:811 Quadratkilometer, ein Drittel von LuxemburgEinwohner:110.136, ein Sechstel von Luxemburg

Insel-Kreml

Kiribati ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen. Das dachte sich auch der Milliardär Anton Bakow, Vorsitzender der russischen Monarchistenpartei, und bot an, drei unbewohnte Inseln zu kaufen und dort mehr als 350 Millionen US-Dollar in den Tourismus zu investieren, Häfen, Schulen, Krankenhäuser und eine „Universität des Russischen Reichs“ zu bauen. Als Gegenleistung sollten hundert Jahre nach der Oktoberrevolution die Romanows wieder eingesetzt werden. „Mein Ziel ist, den Status der Romanow-Dynastie wiederherzustellen, der 1917 verloren gegangen ist“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Zar auf Kiribati hätte der deutsche Adelige Prinz Karl Emich zu Leiningen, ein entfernter Verwandter des letzten Zaren, werden sollen. Doch die Prüfungskommission in Kiribati sagte ab.

Keine vierzig Jahre nach der Unabhängigkeit von Großbritannien wollte man sich nicht neuerlich in Abhängigkeit begeben. Dabei steht Freiheit nicht einmal im Wahlspruch Kiribatis. Der lautet: „Te Mauri, Te Raoi ao Te Tabomoa“ – „Gesundheit, Frieden und Wohlstand“ und ist leider mehr Wunsch als Realität. Kiribati ist eines der ärmsten Länder der Welt. Auch im Umweltbereich liegt vieles im Argen. Statt eines Roten Platzes gibt es einen Roten Strand. Der dient als Abfallhalde. Kiribati importiert den Wohlstandsmüll, hat aber kein System der Abfallbeseitigung. Den Müll auf Schiffen Tausende Kilometer nach Australien oder Neuseeland zu bringen, wäre viel zu teuer. Auch die Überbleibsel einer der blutigsten Pazifik-Schlachten des Zweiten Weltkriegs, Bunker, Geschütze, rostige Schwimmpanzer, Schiffe und Kampfflugzeuge beschädigen nach wie vor das Insel-Idyll.

Kiribati war einst schauriger Kriegsschauplatz im Pazifik.

Nein Danke, kein Zar für das Inselreich

Mit einer Ausdehnung von 5,2 Millionen Quadratkilometern, von der östlichsten bis zur westlichsten Insel sind es über 5000 Kilometer Luftlinie, gehört Kiribati zu den größten Staaten der Erde und wäre insofern eines (Pseudo-)Zaren durchaus würdig. Der Kiribati-Zar hätte auch jeden Jahreswechsel fast einen halben Tag früher als sein Moskauer Pendant feiern können. Bis Silvester 1994 lief die Datumsgrenze durch Kiribati. Seither liegt Kiribati nur noch in der westlichen Datumszone. Die Bewohner der östlichsten Insel, von James Cook am 24. Dezember 1777 entdeckt und deswegen Weihnachtsinsel/Kiritimati genannt, sind jetzt die ersten Menschen weltweit, die einen neuen Tag begrüßen. Kiritimati zieht viele von den anderen Inseln an, da es bessere Voraussetzungen bietet, den Folgen des Klimawandels zu widerstehen. Der Platz wird eng, die sozialen Probleme wachsen mit dem Meeresspiegel.

Doch Zar-Macher Bakow gibt nicht auf. Einen Tag nach der Absage Anfang 2017 stellte er einen neuen Kaufantrag. Er möchte Deiche bauen, sagte er in einem „Spiegel“-Telefoninterview aus Kiribati und: „Unser Zarenreich soll eine Oase für Millionäre und Milliardäre werden …“ Es bleibt also spannend, ob die Prüfungskommission ein zweites Mal dem russischen Sprichwort folgen und entscheiden wird, ein Zar in Kiribati wäre passend „wie ein Sattel auf der Kuh“.

Republik Marshallinseln

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Fischern vor den Marshallinseln gehen regelmäßig Pakete mit Dutzenden Kilogramm Kokain im Wert von Millionen Euro ins Netz. Der Grund für den Drogenfang ist, dass die Marshallinseln auf der nördlichen Schmuggelroute über den Pazifik von Südamerika nach Asien liegen.

Fläche:181,42 Quadratkilometer, ein wenig größer als LiechtensteinEinwohner:53.127, 15.000 mehr als Liechtenstein

Nobelpreis-Insulaner

Die Marshallinseln sind ein wunderbarer Inselstaat mit wundervollen Insulanern, die alle Nobelpreisträger sind. 2015 wurde dem Volk der Marshallinseln der Alternative Nobelpreis verliehen „in Anerkennung ihrer Vision und ihres Mutes, mit rechtlichen Mitteln gegen die Atommächte vorzugehen, weil diese ihren Abrüstungsverpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht nachkommen“. In Vertretung der Insulaner nahm der Außenminister des Landes, Tony deBrum, die Auszeichnung der schwedischen Right-Livelihood-Stiftung entgegen. In seiner Dankesrede erinnerte er daran, dass sein Land durch das Verhalten von Großmächten mehrfach gelitten hat. Angefangen vom Pazifikkrieg 1941 bis 1945 zwischen Japan und den USA, danach den Atomwaffentests auf dem Bikini-Atoll, das zu den Marshallinseln gehört. Aktuell sind die Inseln mit radioaktivem Treibgut von der Atomkatastrophe in Fukushima und dem steigenden Meeresspiegel konfrontiert, der mehrere Inseln mit dem Untergang bedroht.

Bikinis Strände – Inspiration für den schönsten Zweiteiler der Welt

2014 hatte deBrum den noch nie da gewesenen Schritt unternommen, Klagen gegen die Atomwaffenstaaten einzureichen, da sie ihren Abrüstungspflichten im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages nicht nachkommen. Bei der Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag erinnerte er an die Explosion der US-Wasserstoffbombe „Castle Bravo“ 1954, die er als kleiner Bub aus 200 Kilometern Entfernung miterlebt hatte: „Der ganze Himmel färbte sich blutrot.“ Die Bombe hatte eine Sprengkraft von 15 Megatonnen – die tausendfache Wirkung des Atombombenabwurfs auf Hiroshima: „Viele starben, erlitten Missbildungen oder erkrankten an Krebs.“

Insgesamt 67 Atomwaffentests machten die USA zwischen 1946 und 1958 im Inselstaat. Teile des Bikini-Atolls sind bis heute unbewohnbar. Die Klage der Marshallinseln wurde trotzdem zurückgewiesen. Das Gericht sei nicht befugt, in dieser Frage zu entscheiden, urteilten die Richter des höchsten UN-Gerichts. Der 2017 verstorbene deBrum gab sich trotz der Niederlage vor Gericht nicht geschlagen: „Unsere Leute haben unter dem katastrophalen und nicht wieder gut zu machenden Schaden dieser Waffen gelitten und wir schwören weiter zu kämpfen, damit kein anderer auf der Erde jemals diese Gräueltaten erlebt.“

Atomwaffentest im Bikini-Atoll

Jeder andere auf der Erde verbindet mit dem Begriff „Bikini“ zuerst auch alles andere als Unheil. Verantwortlich dafür ist der Franzose Louis Réard: Inspiriert von den Kernwaffentests taufte er sein Badekostüm auf diesen Namen und bewarb es mit dem Slogan: „le bikini, la première bombe an-atomique“. Das Revuegirl Micheline Bernardini präsentierte den Zweiteiler erstmals in einem Pariser Schwimmbad am 5. Juli 1946 – ein Skandal! Réard ließ sich seine Bademode unter der Nr. 19431 schützen. Der Schutz hielt aber nur wenige Jahre. Schnell wurde das „an-atomique“-Modell, das mehr zeigte als verdeckte, weltweit kopiert – und gekauft und getragen. Warum? Réards Antwort: „Der Bikini ist so klein, dass er alles über die Trägerin enthüllt bis auf den Geburtsnamen ihrer Mutter!“

Republik Vanuatu

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Besitzer teurer Autos weltweit schätzen Vanuatus schwarze Autokennzeichen mit vier weißen Palmen. Da es weder Mehrwert- noch Kraftfahrzeugsteuer, gibt, kommt die Auto-Anmeldung per Internet im Südpazifik günstig – bis der heimische Fiskus an die (Auto-)Tür klopft.

Fläche:12.190 Quadratkilometer, gleich groß wie die Falklandinseln oder ein Viertel der SlowakeiEinwohner:258.000, ein Zwanzigstel der Slowakei

Hochrisiko-Glücksinsel

Vanuatu ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen, von denen eine Handvoll noch die Sprache Araki spricht. Von den rund 6000 Sprachen auf der Welt ist jede zweite vom Aussterben bedroht. Araki gehört zu den am meisten gefährdeten Sprachen und wurde deshalb von der französischen Chirac-Stiftung als Ergänzung zum UNESCO-Weltatlas der vom Aussterben bedrohten Sprachen per Video für die Nachwelt festgehalten. Dieses Sprachenschutzprogramm nennt sich „Sorosoro“, ein Araki-Wort, das übersetzt Sprache, Wort oder Atem bedeutet.

Einen langen Atem brauchen die Bewohner des Archipels auch, wenn es um die Bewältigung der Naturkatastrophen geht, von denen die über achtzig Inseln regelmäßig heimgesucht werden. Kein anderes Land ist laut Weltrisikobericht der Vereinten Nationen Naturgewalten so ausgeliefert wie Vanuatu. Sowohl mit Vulkanausbrüchen als auch mit Erdbeben und Wirbelstürmen haben die Inseln aufgrund ihrer geografischen Lage zu kämpfen. Bei der Berechnung des Risikowertes für 173 Staaten liegt die Insel mit 32 Prozent auf Platz eins. Zum Vergleich: Mit 0,72 und 0,02 Prozent ist das Katastrophenrisiko in Malta und Katar am geringsten. Deutschland liegt mit 2,96 Prozent auf Rang 150, Österreich mit 3,41 Prozent auf Platz 144.

Männer aus Vanuatu, die Prinz Philip verehren.

Vanuatu liegt allerdings bei einem wesentlich erfreulicheren Ranking ebenfalls an der Spitze: Die Insel ist der „glücklichste Platz der Welt“. Zu diesem Ergebnis kam 2006 eine Studie der britischen New Economics Foundation (NEF). Beurteilt wurden die einzelnen Länder anhand der Zufriedenheit der Bevölkerung, ihrer Lebenserwartung und ihrem ökologischen Fußabdruck. „Die Menschen hier sind glücklich, weil sie mit sehr wenig zufrieden sind“, erklärte ein Vertreter des Landes der britischen Zeitung „The Guardian“: „Wir haben keine konsumorientierte Gesellschaft. Das Leben dreht sich hier um die Familie und die Gemeinschaft. Es ist ein Ort, an dem man sich nicht viele Sorgen macht. Angst haben die Menschen nur vor Wirbelstürmen und Erdbeben.“

Lavasee in Vanuatu

Eine Methode um Unglück abzuwenden, ist mit Opfergaben und Gebeten den Vulkan Manaro nach einem Ausbruch zu besänftigen. Die Dorfältesten auf der besonders gefährdeten Insel Ambae warfen dafür den Stoßzahn eines Ebers in den Krater, um sich so bei dem Vulkangott Tagaro für ihre Missetaten zu entschuldigen. „Wir glauben, er wird den Menschen und den Wissenschaftern helfen und das Feuer abkühlen“, erklärte der Inselbewohner Paul Vuhu den Charakter des Vulkangotts. Vuhu und andere Insulaner waren so überzeugt vom Erfolg ihrer Opfergaben, dass sie in ihrem Dorf am nördlichen Rand des Kraters blieben: „Tagaro wird uns nicht verletzen und das Opfer annehmen.“ Und sollte sich der Vulkangott unversöhnlich zeigen, bleibt immer noch Prinz Philip. Der Mann von Queen Elizabeth wird auf Vanuatu als Gottheit verehrt. Für die Bewohner des Dorfes Yaohnanen steht fest, dass der Brite eines Tages nach seinem Tod als Heilsbringer zurückkehren und sie von Krankheit und Tod befreien werde. Happy Island!

Republik Nauru

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Aus den Statistiken des Weltpostvereins geht hervor, dass weltweit die wenigsten Briefe in Nauru verschickt werden: rund 350 im Jahr.

Fläche:21 Quadratkilometer, ein Drittel von San MarinoEinwohner:10.084, ebenfalls ein Drittel von San Marino

Ausgeschissen

Nauru ist ein wunderbarer Inselstaat mit wundervollen Menschen, die schon glücklichere Zeiten erlebt haben. Paradox, aber je beschissener ihr Eiland war, desto besser ist es den Bewohnern der kleinsten Republik der Welt gegangen. Der Vogelkot Zigtausender Seevögel über Zigtausende Jahre hinweg machte die Koralleninsel zu einem Phosphatdepot und der Abbau des Düngemittelrohstoffs die Insulaner reich. Naurus Nähe zu den Agrarländern Australien und Neuseeland zahlte sich aus, denn diese konnten den kostbaren Naturdünger bestens gebrauchen. 1905 begannen englische Unternehmer den Dünger abzubauen – die deutschen Kolonialherren bekamen ihren Anteil am Gewinn. Nach wie vor gibt es viele deutsche Fremdworte im Nauruischen wie „Gott“ oder „Tisch“. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende des Deutschen Kaiserreichs 1918 wurde unter britisch-australisch-neuseeländischer Verwaltung weitergeschürft. Erst mit der Unabhängigkeit 1968 begannen die Nauruer vom Vogeldreck-Reichtum ihrer Insel zu profitieren. Goldene Jahre ohne Steuerzwang, mit einem kostenlosen Gesundheitssystem und viel Freizeit folgten.

Ab dem Jahr 2000 gingen die Kot-Vorräte aber zur Neige und das Land verarmte. Zurück blieb eine vom Bergbau zerstörte Insel, die einer Mondlandschaft gleicht. Nauru klagte vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen Australien, verlangte Entschädigungen für die beim Phosphatabbau entstandenen Umweltschäden und die jahrzehntelange wirtschaftliche Ausbeutung ohne Gegenleistung. Die australische Regierung bezahlt Nauru aber lieber für die Internierung von in Australien nicht erwünschten Bootsflüchtlingen.

Der wirtschaftliche Niedergang Naurus ist neben gravierender Fehlinvestitionen und korrupter Geschäfte der Regierung auch dem exzessiven Konsumverhalten der Insulaner geschuldet. In der vom Vogelkot finanzierten Blütezeit besaß jeder Haushalt durchschnittlich zwei bis drei Autos – bei 41 Kilometer Straßen(un)dichte – und ein Motorboot.

Dabei widerspricht diese Unmäßigkeit der genetischen Veranlagung der Nauruer. Wie die anderen Südseeinseln wurde auch Nauru vor rund 3000 Jahren bevölkert. Die langen Bootsfahrten auf die abgelegenen Inseln schafften nur Menschen, die Essen optimal verwerten konnten. Ihr Stoffwechsel war auf Sparen eingestellt. Mit der Globalisierung der Fast-Food-Essgewohnheiten sind die früher positiven Effekte der thrifty genes (Sparsamkeitsgene) der Nauruer aber ins Gegenteil verkehrt und tragen zur kollektiven Fettleibigkeit bei, und die Diabetes-Quote ist eine der weltweit höchsten.

Die Karstlandschaft ist ein Relikt des Phosphatabbaus

Seine unbändige Lust auf Süßigkeiten und Softdrinks verleitete 2011 auch einen monatelang auf einem taiwanesischen Schiff stationierten Hubschrauberpiloten zum Anflug eines Supermarktparkplatzes auf Nauru. Der Mann wurde eingesperrt und zu einer saftigen Strafe wegen unerlaubten Landens sowie Verstoß gegen das Einwanderungsgesetz verdonnert. Beschissen, wird er sich gedacht haben, einem Seevogel mit unbändigem Kotdrang wäre das nicht passiert.

Ehemalige Phosphatbeladestation

Föderierte Staaten Mikronesien

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Die 3000 Jahre alte Ruinenstadt Nan Madol wurde auf 92 künstlich angelegten Inseln als Ritualzentrum unter anderem für Schildkrötenopfer errichtet. Heute ist Nan Madol beliebter Handlungsort für Thriller und Fantasy-Romane.

Fläche:702 Quadratkilometer, doppelt so groß wie Malta, vergleichbar mit SingapurEinwohner:104.000, ein Viertel von Malta und ein 53stel von Singapur

Vielsprechend steinreich

Die Föderierten Staaten Mikronesien sind ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen, die neben Englisch noch weitere sechs Amtssprachen sprechen.

In Kosraeanisch wird auf der Insel Kosrae über die schönen und weniger schönen Seiten des Lebens gesprochen. Die Sprache hat 26 Prozent Ähnlichkeit mit Pohnpeanisch, womit man sich auf Pohnpei streitet und versöhnt. Pohnpeanisch wiederum ist zu 81 Prozent mit Pingelapisch verwandt, 75 Prozent mit Mokilesisch und 36 Prozent mit Chuukesisch. Pingelapisch ist zwar keine Amtssprache, was aber rund 3000 Menschen auf den drei Hauptinseln des Atolls Pingelap nicht hindert, diesen Dialekt für den Austausch über ihre kleinen und großen, wichtigen und weniger wichtigen Lebensthemen zu nutzen.

Ruinenstadt Nan Madolt

Rai, die Steinscheibenwährung

Chuukesisch gehört wieder zu den offiziellen Amtssprachen. 38.000 Bewohner der Chuuk-Inseln beschreiben damit, was sie lieben und was sie hassen. Verwandte Dialekte und Sprachen mit einer Entsprechung von 70 bis 85 Prozent sind Mortlockesisch, Puluwatesisch, Satawalesisch, Karolinisch, Mokilesisch sowie die beiden weiteren Amtssprachen Woleaianisch und Ulithisch. Letztere ist auf dem Ulithi-Atoll aus 3000 Mündern zu hören. Ulithisch hat eine Ähnlichkeit von 77 Prozent mit Satawalesisch, 74 Prozent mit Karolinisch, 72 Prozent mit Puluwatesisch, 68 Prozent mit Chuukesisch sowie 74 bis 80 Prozent mit Woleaianisch, das von den 1600 Insulanern auf dem Woleai-Atoll im Bundesstaat Yap gesprochen wird. Die 6600 Einwohner der Insel Yap unterhalten sich im Amt und anderswo auf Yapesisch. Dessen Wortschatz wurde während der spanischen Besetzung um das Jahr 1500, die deutsche Kolonialisierung Ende des 19. Jahrhunderts sowie seit dem Ersten Weltkrieg durch japanische und englische Wörter bereichert.

Stichwort Reichtum: Der ließ sich auf dem Ulithi-Atoll im Bundesstaat Yap ewig in Steinen messen. Die Währung Rai rechnet in Steinscheiben, die überall auf den Inseln am Wegrand oder neben den Häusern stehen. Wenn ein Rai den Besitzer wechselte – das Steingeld war nur in Männerhand – ließ der neue Eigentümer den Stein meist aufgrund des Gewichts dort stehen, wo er war. Wem welcher Stein gehörte, merkte sich der Dorfälteste. Die Steine sind je nach Wert bis zu vier Meter Durchmesser groß und teils über fünf Tonnen schwer. Importiert wurde die Währung aus dem 400 Kilometer entfernten Palau, was den Wert des Rai ausmachte. Mit dem Ausbau der Schifffahrt kam es zu Inflation, da der Transport der Steine billiger wurde. 1929 wurden 13.281 Rai gezählt, die Hälfte davon soll noch vorhanden sein und als Zahlungsmittel vor allem bei symbolischen Geschäften akzeptiert werden.

Die Tradition verlangt, dass das Steingeld immer auf dem Rand stehend gelagert wird. Es gilt als schwere Beleidigung und ist gesetzlich verboten, sich auf die Steinscheiben zu setzen, etwas darauf zu stellen und sie beispielsweise als Picknicktische zu nützen. Rai entweihende Touristen werden zu Geldstrafen verurteilt – die Strafe ist aber in Dollar zu entrichten!

Salomonen

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

„Achtung Kopfnüsse!“ Kopf- und Rückenverletzungen durch Kokosnüsse sind auf den Salomonen genauso häufig wie Verkehrs- oder Sportunfälle. Eine Kokosnuss aus 25 Metern Höhe erreicht eine Geschwindigkeit von achtzig Kilometern pro Stunde.

Fläche:28.869 Quadratkilometer, so groß wie AlbanienEinwohner:622.469, ein knappes Viertel der Einwohner Albaniens

JFK

Die Salomonen sind ein wundervoller Inselstaat mit wundervollen Menschen, die ihren Staatsnamen der Fehleinschätzung eines bibelfesten Europäers verdanken: 1568 entdeckte der spanische Seefahrer Alvaro de Mendaña de Neyra die Inselgruppe für die alte Welt. Da er glaubte, die Insulaner seien reich, benannte er die Inseln nach dem jüdischen König Salomo, der laut biblischer Quelle „alle Könige der Erde an Reichtum und Weisheit“ übertraf. Als dem nicht so war, brach zwischen Seeleuten und Einheimischen ein Streit um Lebensmittel aus. Als Versöhnungsgeste soll dem Spanier „ein Viertel eines Jungen mit Arm und Hand“ angeboten worden sein. De Neyra lehnte das Geschenk ab und verprellte die Gastgeber damit noch mehr.

Achtung! Herabfallende Kokosnüsse

Nach diesem interkulturellen Desaster half ein Kartierungsfehler, Gras über diesen „Clash of Cultures“ wachsen zu lassen. Die Salomonen gingen zwei Jahrhunderte „verloren“. Erst Ende des 19. Jahrhunderts tauchten sie wieder auf der europäischen Interessenlandkarte auf. Briten und Deutsche stritten sich um den Einfluss in der Region. Die damals gezogene Trennlinie ist heute die Grenze zwischen den zu Papua-Neuguinea gehörenden Inseln Buka und Bougainville und den östlich davon gelegenen rund Tausend Salomon-Inseln.

Mit ihrer Landung auf der von der japanischen Armee besetzten Insel Guadalcanal 1942/43 schafften die USA im Zweiten Weltkrieg die Wende im Pazifikkrieg. Besonders ein Lieutenant Junior Grade aus der US Navy Reserve nutzte die Gunst der Stunde und wurde in der mondlosen Nacht vom 1. zum 2. August 1943 zum Helden: John F. Kennedy.

Die PT Boat Officers James Reed, John F. Kennedy, George Ross, Paul Fay

Der Sohn aus reichem Haus, der unbedingt in den Krieg ziehen wollte, kommandierte das Schnellboot PT-109 zwischen den Salomon-Inseln. Ein japanischer Zerstörer rammte Kennedys Boot und teilte es in zwei Hälften. Zwei Besatzungsmitglieder starben. Im Wasser sammelte Kennedy die Überlebenden seiner Crew auf. Da die nahen Inseln von Japanern besetzt waren, befahl der 26-jährige Kapitän seiner Truppe mehr als fünf Kilometer zu einem winzigen Eiland ohne feindlichen Posten zu schwimmen. Die Nichtschwimmer wurden auf einem Floß aus Trümmern geschoben. Einen Verwundeten zog Kennedy, der zur Harvard-Schwimmmannschaft gehörte, am Gurt einer Schwimmweste hinterher. Kennedy schwamm noch zu weiteren Inseln, um US-Boote zu alarmieren. Ohne Erfolg. Die Rettung kam, nachdem Kennedy Insulaner mit einer in eine Kokosnuss geritzten Botschaft zu einem US-Posten geschickt hatte. Am 8. August 1943 wurden die elf Überlebenden der Kollision gerettet. Für seinen Mut und seine „heroische Führung als kommandierender Offizier“ erhielt Lieutenant Kennedy die Navy-Medaille und das Verwundetenabzeichen Purple Heart. Der Anfang einer großen Karriere …

Bis heute heißt die Bucht von Guadalcanal „Ironbottom Sound“. Fünfzig Kriegsschiffe rosten dort auf dem Meeresboden. Beliebt bei Tauchern, zählen die Wracks zu den wenigen touristischen Attraktionen der Salomonen, die vom Reichtum ihres Namensgebers leider noch immer weit entfernt sind.

Australien

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Das Great Barrier Reef besteht aus über 2900 einzelnen Korallenriffen, gilt als eines der sieben Weltwunder der Natur und hat einen eigenen Briefkasten.

Fläche:7.692.024 Quadratkilometer, mehr als doppelt so groß wie IndienEinwohner:25.324.713, weniger als ein 52stel von Indien

Mona Lisa aus Stein

Australien ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen, die mehr Platz zum Leben haben als die meisten Menschen anderswo. Nur in Grönland und in der Mongolei gibt es noch mehr Lebensraum je Einwohner. So wie in Namibia kommen auch in Australien drei Bewohner auf einen Quadratkilometer. Aber auch die Australier suchen Nähe und das Meer. Die meisten wohnen in Großstädten und maximal fünfzig Kilometer vom Meer entfernt. Davon hat Australien mehr als genug. 10.000 Strände umrahmen den Kontinent; besucht man jeden Tag einen anderen, dauert das 27 Jahre. Und auch sonst pachtet Australien gerne den Superlativ: die längste gerade Bahnstrecke der Welt (478 Kilometer), die längste gerade Straße Australiens (146 Kilometer) muss sich nur einer noch längeren Straße ohne Kurve in Saudi-Arabien geschlagen geben. Die „Anna Creek Station“ ist wiederum die größte Rinder-Ranch der Welt und um einiges größer als Slowenien. Tasmanien hat die sauberste Luft der Welt. Und obwohl es in den australischen Alpen zeitweise mehr schneit als in Europas Bergen, ist nur die Antarktis ein trockenerer Kontinent als Australien.

Das muss man wissen, dann erscheint einem die Henley-on-Todd-Regatta in Alice Springs als normales Bootsrennen – aber nur dann. Der Austragungsort ist das sandige Flussbett des Todd River, der nur in Ausnahmefällen Wasser führt. Die Mannschaft, die ihr Boot am schnellsten über die Rennstrecke trägt, gewinnt. Abgesagt wird das Rennen nur bei starkem Regen – dann führt der Fluss Wasser.

Great Barrier Reef

Jetzt aber Schluss mit lustig. Wir tauchen in Australiens Mythen ein, machen es wie der holländische Australien-Reisende Cees Nooteboomm, steigen auf den berühmtesten Felsen der Welt: „Am darauffolgenden Tag mache ich mich auf den Weg zum heiligen Stein, Uluru oder Ayer‘s Rock. Der geweihte Ort der Pitjantjara ist zum Symbol Australiens geworden, ein Kieselstein von neun Kilometer Umfang, 348 Meter hoch. Vergiß die Größe und das, was er ist, eine Mona Lisa in Form eines Steins, der wie ein Rätsel mitten im Flachland liegt. … Ich hatte nicht vor, mich von einem Stein einschüchtern zu lassen, doch so leicht kommt man nicht davon, dafür liegt er dort zu provozierend. Einfach ein großer Stein, sagt man sich, nicht mal eine Pyramide mit ihrem Mysterium von sakralem oder mathematischen Zauber. Ein letzter Backenzahn im offenen Maul der Wüste. Aber so funktioniert das nicht, kein Rationalismus kommt gegen die Verlockung an, gegen die Blutfarbe, die schroffe Absonderlichkeit, die ungereimte Form. Der Weg zu ihm ist lang und das paßt.“

Henley-on-Todd-Regatta in Alice Springs

Der Weg eines für Australien bestimmten Pakets aus Kentucky/USA wurde 2018 ebenfalls lang – das passte nicht. Fünfmal landete es in Österreich, bevor es nach 60.000 Kilometer Umweg seinen Bestimmungsort erreichte. Die österreichische Post hat bereits vorgefertigten Stempel mit der Aufschrift „Missent to Austria“. Die Österreicher wundert das nicht: „Austria not Australia“ gehört zur Vorstellrunde im Ausland so wie „There are no kangaroos in Austria“.

Uluru, „Kieselsein“ von neun Kilometern Umfang

Unabhängiger Staat Papua-Neuguinea

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Papua-Neuguinea ist Weltmeister in der Sprachenvielfalt: Man zählt 839 verschiedene Sprachen, die zu 56 Sprachfamilien gehören. Diese Vielfalt wird vor allem geografisch, durch die vielen schroff voneinander abgegrenzten Täler erklärt.

Fläche:462.840 Quadratkilometer, ein wenig größer als SchwedenEinwohner:8.251.000, knapp zwei Millionen weniger als Schweden

Ressourcenfluch

Papua-Neuguinea ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen. Die leider sehr ungleich im Parlament vertreten sind. Unter den 111 Abgeordneten gibt es keine einzige Frau. Deswegen machte Regierungschef Peter O'Neill am Frauentag, 8. März 2019, den Vorschlag, der Pazifikstaat könnte Abgeordnetenmandate für Frauen reservieren. Das sei „nur fair“, sagte O'Neill, denn: „Traurige Tatsache ist, dass die Interessen von Frauen vernachlässigt werden.“ Papua-Neuguinea ist wegen fehlender Frauenrechte und weit verbreiteter häuslicher und sexueller Gewalt in Verruf. Die Täter kommen oft ungestraft davon. In manchen Landesteilen werden Frauen sogar Opfer von Hexenjagden. Der Glaube an schwarze Magie ist nach wie vor weit verbreitet. Die Verbrennung einer Frau bei lebendigem Leibe 2013 schreckte die Öffentlichkeit auf. Die Zwanzigjährige soll einen Jungen durch „Hexerei“ getötet haben. Als die Polizei gegen die Ermordung einschreiten wollte, wurde sie daran gehindert. Nach dem Vorfall schaffte die Regierung ein Gesetz von 1971 ab, das Hexerei zur Straftat erklärte. NGOs kämpfen seit Jahren dafür, dass derartige Verbrechen härter bestraft werden. Mit Erfolg: Opfer berichten, die Polizei gehe inzwischen härter gegen Gewalt an Frauen vor. Weibliche Abgeordnete sind jetzt der nächste überfällige Schritt.

Hütten im Hafen von Port Moresby

Bezeichnend für die Situation im Inselstaat war der Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC), der 2018 erstmals im ärmsten der 21 Mitgliedsländer abgehalten wurde. Prominentester Gast war Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Da es in Port Moresby an Hotels fehlte, waren viele Teilnehmer im Hafen auf drei eigens gecharterten Kreuzfahrtschiffen untergebracht. US-Vizepräsident Mike Pence übernachtete in Australien und ließ sich zu den Treffen einfliegen. Das Beispiel zeigt: Trotz enormer Bodenschätze gehört Papua-Neuguinea zu den ärmsten Staaten der Welt. Korruption ist weit verbreitet, und im UN-Entwicklungsindex liegt PNG abgeschlagen auf Platz 153.

„Die Rohstoffindustrie ist Fluch und Segen zugleich“, analysiert Human Rights Watch die verfahrene Situation: „Die Minenprojekte haben gewalttätige Konflikte, Missbrauch und verheerende Umweltschäden entfacht. Die Staatseinkünfte verschwinden durch Korruption und Missmanagement und bringen den Bürgern keine Verbesserung.“ Die von Chinesen geführte Ramu-Nickel-Mine an der Ostküste zeigt, wie es nicht laufen soll. „Sie bringen Technologie der 1960er-Jahre, sie vergewaltigen unser Land, die Regierung profitiert, aber wir sehen nichts davon“, kritisiert ein Anrainer. Der Ärger speist sich aus der Angst vor Umweltschäden, der Sorge um das Überleben des Dorfes, Frust über die Regierung und Misstrauen gegen die wenig integrierfreudigen Chinesen. Die Regierung betreibe einen Ausverkauf des Landes, fülle sich die eigenen Taschen und die Bevölkerung bekomme nichts, schimpfen die Dorfbewohner: „Entwicklung hat gute und schlechte Seiten, aber wir sehen nur die schlechten.“

Papua-Neuguineas Natur ist von internationalen Minenprojekten bedroht.

Japan

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Der rotwangige Schwarzbär Kumamon ist das populärste Maskottchen des Landes und durfte sogar vor dem Kaiserpaar tanzen. Der Rummel um die niedlichen yuru-kyara (entspannte Figuren) im Comic-Stil kennt kaum Grenzen. Firmen, Behörden und Regionen ringen mit den bunten Figuren um Aufmerksamkeit.

Fläche:377.930 Quadratkilometer, so groß wie Deutschland und Slowenien zusammenEinwohner:126.045.000, eineinhalb Mal soviel wie Deutschland

Bei Oes

Japan ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen. Zwei durfte ich kennen und schätzen lernen. Zum Abschied schenkte mir das Ehepaar Oe einen selbst gefalteten Papierkranich und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Hiroshima loves peace“. Drei Tage lang war ich ihr Gast. Ich habe das moderne Tokio gesehen und das alte Kyoto, Hightech und Teezeremonie, Geishas und Karaoke … – interessant, fremd, schön. Vor allem in Erinnerung geblieben sind mir aber die Oes und ihr Hiroshima. In einen japanischen Privathaushalt eingeladen zu sein, habe ich als intimeres Miteinander erlebt als irgendwo anders. Alles war so ordentlich, so putzig, so lieb. Alles sollte perfekt sein und war es auch.

Kenzaburo Oe, der japanische Literatur-Nobelpreisträger, oft als Gewissen der Nation bezeichnet und (nur) Namensvetter meiner Gastgeber, hat diese japanische Eigenheit, alles so gut, so schön, so perfekt wie möglich zu machen, in Beziehung zu den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki gestellt. In seinem Buch „Hiroshima notes“ schreibt er: Von der ersten Minute nach dem Atom-Blitz an haben die noch mit dem Leben davon Gekommenen daran gearbeitet „diese Hölle wieder so menschenfreundlich wie sie nur können zu machen“. Sie haben die Toten begraben, den Todkranken ein würdiges Sterben ermöglicht, die Verwundeten gepflegt, die Brände gelöscht, den Schutt weggeräumt … Oe sagt, das haben die Menschen von Hiroshima zuerst für sich selbst gemacht. Gleichzeitig haben sie „aber damit auch die Belastung für die Gewissen derer erleichtert, die die Atombombe geworfen haben“. Oe ist überzeugt: Die Menschen von Hiroshima haben in die Hölle eine Ausgangstür gebaut.

Ich durfte in Hiroshima eine Überlebende treffen. Als die Bombe detonierte, war sie 15 Jahre alt. Der Lichtstrahl sei im ersten Moment schön gewesen, sagte sie. Erst dann tat sich der Blick in die Hölle auf: Die Gesichter der Menschen sind geschwollen und es war nichts Menschliches mehr an ihnen zu erkennen. Ihre Mutter beugte sich schützend über sie. Als sie nach zwanzig Jahren Leiden an den Folgen dieses Tages starb, hörte die Tochter die Glasscherben, die ihre Mutter abgefangen hatte, in der Urne scheppern – und beschloss, als Überlebende vor Besuchern Zeugnis zu geben.

Origami Kranich

Dann stand ich mit „meinen“ Oes im Museum vor einem steinernen Hauseingang, auf dem noch der Schatten eines Menschen zu erkennen war. Der saß dort am Morgen des 6. August 1945, bis ihn die Bombe auslöschte. Dieser Schatten symbolisiert für mich die schiere Gewalt von Atombomben. Und deswegen habe ich es im ersten Moment hilflos, sinnlos, lächerlich empfunden, dass man in Hiroshima mit Origami-Papierkranichen, auch wenn es Zigtausende sind und es immer mehr werden, gegen eine derartige Macht anzukämpfen versucht. Mittlerweile denke ich anders. Das verdanke ich meinen Oes in Hiroshima, die mir drei Tage lang gezeigt haben, was der Dichter so beschreibt: „Weich ist stärker als hart. Wasser ist stärker als Fels. Liebe ist stärker als Gewalt.“

Friedenspark und Gedenkstätte in Hiroshima

Republik Palau

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Die Chelbacheb-Inseln ragen wie grün bewachsene Pilzköpfe aus Kalkstein aus dem Wasser: Tunnel, Höhlen und Seen haben sich im porösen Stein mit Welterbe-Status gebildet. Gemeinsames Schwimmen mit Millionen Quallen ist dort eine Touristenattraktion.

Fläche:459 Quadratkilometer, so groß wie AndorraEinwohner:17.661, ein Viertel von Andorra

We are family

Palau ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen, für die Politik Familiensache ist. 2016 wurde Präsident Tommy Remengesau bei der Wahl von seinem Schwager Surangel Whipps herausgefordert. Whipps warb mit einem Neubeginn nach der zwölfjährigen Präsidentschaft seines Schwagers. Erst nach Auszählung der Briefwahlstimmen setzte sich Remengesau mit lediglich 264 Stimmen Vorsprung durch. Der Gewinner sprach von einem „bittersüßen Sieg“ und sagte gegenüber „Agence France-Presse“: „Verwandte sollten nicht gegeneinander antreten. Für mich war das die härteste und emotionalste Wahl. So etwas sollte niemand durchmachen müssen.“ Ob sich seine Hoffnung erfüllte, Schwester und Schwager den Sieg mit ihm feierten, wurde von den Korrespondenten nicht mehr berichtet.

Chelbacheb-Inseln

Am 15. Dezember 1994, einem Donnerstag, billigte die UN-Vollversammlung eine Empfehlung des Weltsicherheitsrats und Palau wurde zum 185. Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen und zum unabhängigen Staat Republik Palau. Zuvor stand Palau 47 Jahre lang unter Verwaltung der USA. Von 1899 bis 1919 waren die 356 Inseln, von denen die meisten nicht größer als ein Dorfplatz sind, deutsches Schutzgebiet. Bauwerke aus dieser Ära gibt es keine mehr. Einziges koloniales Überbleibsel ist der „German Channel“, eine ins Riff gesprengte Fahrrinne, die den Wasserweg zwischen dem Umschlaghafen in Koror und der Insel Angaur verkürzte, wo man seinerzeit Phosphat abbaute. Heute wird der Kanal von Tauchern geschätzt. Die Chancen, dort bei Unterwasser-Ausflügen einem Mantarochen zu begegnen, sollen gut sein.

Sonnencreme-Verbot zum Schutz der Korallenriffe

Wieder am Strand, sollte man besser den Schatten suchen. Palau verbietet als erstes Land der Welt bestimmte Sonnencremes, um seine Korallenriffe zu schützen: „An jedem beliebigen Tag gelangt an den beliebten Tauch- und Schnorchelorten von Palau literweise Sonnencreme in den Ozean“, erklärte ein Regierungssprecher. Das 2020 in Kraft tretende Verbot bezieht sich auf Sonnenschutzmittel mit chemischen Wirkstoffen wie Oxybenzon, Octocrylen und Parabene, die in den meisten Standardmarken enthalten sind. Schon in geringen Mengen bringen diese Stoffe die empfindlichen Korallen zum Absterben, warnen wissenschaftliche Studien. Einfuhr oder Verkauf dieser Sonnencremes sollen mit umgerechnet bis zu 880 Euro bestraft werden. Weitere Urlaubsziele wie Hawaii wollen ähnliche Gesetze einführen.

Palau setzt auf nachhaltigen Tourismus. Urlauber müssen bei der Einreise ein Versprechen unterzeichnen, die Umwelt zu respektieren. Der Pazifikstaat ist auch Vorreiter im Kampf gegen den Haifang, errichtete 2009 die erste Hai-Schutzzone. Präsident Johnson Toribiong, Vorgänger von Remengesau, sagte: „Das Überleben der Haie und das unserer Meere ist wichtiger als eine Schüssel Suppe.“ Fangboote, die mit Haien oder Haifischflossen erwischt werden, müssen mit hohen Strafen rechnen, drohte er. Ob das die Haijäger einschüchtert, bleibt abzuwarten. Die Schutzzone ist so groß wie Frankreich und das Land besitzt erst ein Patrouillenboot.

Republik Korea

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Kein Essen ohne Kimchi als Beilage – rund 22 Kilogramm des zum immateriellen Kulturerbe erhobenen scharf gewürzten Gemüses isst ein Südkoreaner im Jahr.

Fläche:100.210 Quadratkilometer, ein wenig kleiner als IslandEinwohner:51.700.000, mehr als 150-mal so viele wie Island

Die Leiden des jungen Jong

Südkorea ist ein wundervolles Land mit wundervollen Menschen, die von klein auf einem hohen Leistungsethos folgen (müssen). Um 9 Uhr früh sitzen die Schüler der Myung-Duk Fremdsprachen-Oberschule im Südwesten Seouls bereits zwei Stunden in ihren Klassen. Schulschluss ist um 22 Uhr. Danach geht es noch immer nicht heim, erzählt der Schüler Jong seinem ungläubig dreinschauenden Visavis aus Österreich. Dann folgen noch ein, zwei Stunden Unterricht in einem privaten Lerninstitut: „Vor ein Uhr nachts kommt kaum einer von uns nach Hause.“ Nur am Sonntag sei es weniger streng: Da fange der Unterricht erst (!) um zehn Uhr an und höre schon (!) um 20 Uhr auf.

Von 7 Uhr bis 22 Uhr sitzen die Kinder in der Schule.

Der 15-Jährige hatte an diesem Vormittag Deutschunterricht. Ein Fach, in dem sich Jong leicht tut. Sein Vater war Techniker bei Korean Airlines und einige Jahre mitsamt Familie in Zürich stationiert. Jong spricht fließend Deutsch mit Schweizer Akzent. Die Rückkehr nach Korea sei ihm nicht leicht gefallen: „Die Schulsysteme sind völlig verschieden, in der Schweiz war es schon lockerer, hier heißt es immer nur: Du musst! Du musst! Du musst!“ Der Grund für das „Muss“ ist im „Su-neung“, dem koreanischen Abitur, zu sehen, dessen Noten bestimmen, wer an welcher Universität studieren darf. Um dabei so gut wie möglich abzuschneiden, besuchen die Schüler nach dem regulären Unterricht noch Hagwons – das sind Nachhilfe-Institute, in denen man gezielt auf den großteils aus Multiple-Choice-Fragen bestehenden Su-neung vorbereitet wird. „In der Schweiz habe ich denken gelernt“, kommentiert Jong seine unterschiedlichen Schulerfahrungen, „hier wird nur auswendig gelernt.“

Kimchi: scharf eingelegtes Gemüse

Im internationalen Vergleich schneidet dieses Schulsystem jedoch hervorragend ab: Südkorea belegt regelmäßig Spitzenplätze im Pisa-Vergleich. Als Grund dafür nennen Pisa-Experten die enge Verknüpfung von hohen Anforderungen an die Lernenden mit einer rigiden Evaluierung durch Tests sowie der große private Einsatz an Zeit und Geld von Kindern und Eltern. Den wenigen, denen Elan und Disziplin fehlen, wird mit dem von den Eltern erwünschten „Rohrstaberl“ nachgeholfen.

Jongs Berufswunsch lautet Rechts- oder Staatsanwalt. Die erste Hürde auf diesem Weg konnte er nehmen: Als einer von 22 Bewerbern schaffte er die Aufnahme in die Myung-Duk-Oberschule. Jetzt fehle ihm nur noch eine gute Universität, sagt Jong: „Dann bin ich frei.“

Wobei das mit der Freiheit generell und besonders in Südkorea so eine Sache ist. Nehmen wir an, Jong schafft es ins Justizministerium. Dann wird er bei Sommerhitze von der Stadtverwaltung aufgefordert in kurzen Hosen zur Arbeit zu kommen, damit die Klimaanlagen weniger Strom fressen. Im Winter ist es umgekehrt: Da wird zum Stromsparen die Standardtemperatur in Verwaltungsgebäuden auf 18 Grad gedrosselt. Der jeweilige Staatspräsident geht dann mit gutem Beispiel voran und animiert Jong dazu, warme Unterwäsche zu tragen. Und dieser denkt an seine Schulzeit und lächelt milde über das lebenslange „Du musst!“

Demokratische Republik Timor-Leste

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Ursprünglich gehörten die steilen und hohen Dächer zu den traditionellen Reliquienhäusern, Uma Lulik genannt. Doch der Baustil der Fataluku ist zum Nationalsymbol und Vorbild für moderne Gebäude wie den Präsidentenpalast geworden.

Fläche:14.918 QuadratkilometerEinwohner:1.183.643

Asiens Mandela

Osttimor ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen, die auch der UNO zu einer ihrer größten und weiteren kleinen Erfolgsgeschichten verholfen haben. Letzter Anlass zu Stolz und Freude bei den Vereinten Nationen lieferte 2018 die Beilegung eines jahrzehntelangen Streits zwischen Australien und Osttimor über den Verlauf ihrer Seegrenze. „Dieses Ereignis ist historisch“, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres bei der Unterzeichnungszeremonie des Vertrags. Die Einigung sieht vor, dass die Einnahmen aus dem Gasfeld Greater Sunrise, immerhin geschätzte vierzig bis fünfzig Milliarden Dollar, zwischen den beiden Staaten geteilt werden. Für Osttimor, eines der ärmsten Länder Asiens, eine willkommene Budgetspritze, um die das Land lange kämpfen musste. Noch länger dauerte der Kampf der ehemaligen portugiesischen Kolonie um die Unabhängigkeit vom Besatzer Indonesien. 2002 wurde dieses Ziel mithilfe eines UN-Mandats und unter dem Schutz von UN-Friedenstruppen erreicht.

Die Schlüsselfigur für den Freiheitskampf als auch für die Beilegung des Konflikts und die Demokratisierung des Landes ist Xanana Gusmao, der „Nelson Mandela Osttimors“. 1981 übernahm er die militärische Führung der Rebellenorganisation Falintil. Seine Entschlossenheit, seine List und sein Organisationstalent verschafften ihm den Ruf eines „Robin Hood“-gleichen Heldens. „Die Menschen beten ihn als Führungspersönlichkeit an, als ein Symbol der nationalen Einheit“, sagt ein damaliger Wegbegleiter. 1992 wurde er verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt. Obwohl ihn die indonesische Führung als kaltblütigen Mörder abstempelte, wurde er zu Indonesiens populärstem politischen Gefangenen. Er nutzte die Zeit, um malen zu lernen, Gedichte zu schreiben und mindestens vier Sprachen zu lernen, darunter Indonesisch und Englisch. Als 1997 Südafrikas Präsident Nelson Mandela Indonesien besuchte, traf er sich in einem Aufsehen erregenden Schritt mit Gusmao und forderte dessen Freilassung. 1999 kehrte Gusmao im Triumph in seine Heimat zurück.

So entschlossen er als Rebell war, so zögerlich gab er sich als Präsidentschaftskandidat. Mehrfach beteuerte er, lieber Kürbisbauer oder Fotojournalist zu werden. Schuld daran sei ein Schwur, den er als Guerilla-Anführer geleistet habe, erklärte Osttimors Friedensnobelpreisträger, Premier und Präsident José Ramos Horta: „Er versprach seinen Leuten, dass er niemals Präsident werden würde.“ Damit wollte er den Verdacht im Keim ersticken, dass die blutigen Kämpfe, in die er seine Männer führte, eigenen Ambitionen dienten. Seine Zögerlichkeit half nichts, Gusmao wurde erster Präsident von Timor-Leste. Danach übernahm er während eines weiteren Aufruhrs im Land das Amt des Krisenmanagers und Premierministers. Und auch wenn er nicht selbst kandidiert, ist Gusmao nach wie vor der Königsmacher, sagt Tomas Pinto von Osttimors Nationaluniversität: „Wen auch immer Herr Xanana unterstützt, wird gewählt. Alle anderen sind nur zur Unterhaltung da.“

Friedensnobelpreisträger: Xanana Gusmao

Uma Lulik: traditionelle Reliquienhäuser

Demokratische Volksrepublik Korea

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Die Arirang-Spiele sind von über 100.000 Menschen aufgeführte Massentänze im Stadion „Erster Mai“ in Pjöngjang. Präzise choreografiert, werden dabei Episoden aus der revolutionären Vergangenheit und tollen Gegenwart gezeigt.

Fläche:120.538 Quadratkilometer, halb so groß wie GroßbritannienEinwohner:24.052.231, ein gutes Drittel von Großbritannien

Fernnähe

Nordkorea ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen, die durch einen Eisernen Vorhang von ihren südkoreanischen Geschwistern getrennt sind. Deswegen diente im Grenzort Panmunjom am 38. Breitengrad ein Fernglas nicht dazu, in die Ferne zu schauen, sondern die Nähe auf Distanz zu halten. Ein US-Begleitoffizier deutete mit seinem Zeigefinger an die Stirn, als der nordkoreanische Grenzsoldat, drei Meter vom südkoreanischen Visavis und zehn Meter von der Besuchergruppe entfernt, ein Binokel an seine Augen führte. Was er von den Nordkoreanern hält, fasste der Amerikaner in einem Wort zusammen: „Crazy!“ Am nächsten Tag bei einem Pressegespräch im Außenministerium in Seoul sah man das Verhältnis zum nördlichen Nachbarn differenzierter: „Nordkoreas Situation ist außergewöhnlich, die stecken in einer existenziellen Krise, da kann man nicht erwarten, dass sie sich normal verhalten.“

Grenzübergang zwischen Nord- und Südkorea

Verrückt? Normal? Irgendwo dazwischen spielte sich auch die Visite im vier Kilometer breiten Niemandsland zwischen Nord-und Südkorea ab: Rund 170.000 Besucher reisen pro Jahr eine gute Autostunde von Seoul an, um zwischen Panzerabwehr-Wällen, Minenfeldern und Sicherheitszäunen einen Blick auf die „Achse des Bösen“ zu werfen. Ein Falke, der über den Reisfeldern kreiste, war der einzige, den die Infrastruktur dieser institutionalisierten Feindschaft nicht tangierte – ihm schmeckten die Mäuse und Hasen hüben und drüben der Demarkationslinie. Mit dieser Haltung kommt er der Wahrheit dieser Grenze wohl näher als alle Besucher, die der Grusel-Ästethik auf dem Leim gehen und sich gerne einen Konflikt vorspielen lassen, den es trotz regelmäßiger Drohgebärden des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un so nicht mehr gibt.

Massentänze während der Arirang-Spiele

Von der Annäherung der beiden Koreas profitieren vor allem die seit Jahrzehnten getrennten Tausenden Familien in Nord und Süd. Wer zu Familienbegegnungen nicht nach Pjöngjang reisen darf, erhält vom Roten Kreuz die Möglichkeit von Videokonferenzen. Das Erste, was dabei auffällt, sind die großen Schachteln mit Papiertaschentüchern zum Tränentrocknen auf jedem Tisch.

Der 95-jährige Lie kommt mit seinen Söhnen in die mit Kamera und TV-Schirm ausgestattete Kabine im Rot-Kreuz-Gebäude von Seoul. Die beiden älteren Kinder von Herrn Lie blieben während der Kriegswirren in Nordkorea zurück. Als die beiden ihren Vater sehen, verbeugen sie sich. „Seid ihr meine Kinder?“, fragt er in die Kamera. „Ja, Vater, grüß dich!“, antwortet die Tochter. „Es ist alles meine Schuld, ich bitte um Vergebung, dass ich euch nicht rechtzeitig geholt habe“, sagt Lie. Dann reden sie über die Familie: Wer ist gestorben? Wer geboren? – und als die zwei Stunden Gesprächszeit um sind, gehen Vater in Süd- und die Kinder in Nordkorea winkend auseinander. Für die Zukunft sind sie optimistisch – so wie der 65-jährige Nordkoreaner Park Un-Jin, der zu seiner 85-jährigen Mutter aus dem Süden sagte: „Du musst bis zur Wiedervereinigung leben, damit wir wieder zusammen sein können.“

Republik China (Taiwan)

Die Republik China war UN-Gründungsmitglied; 1971 verlor sie die Mitgliedschaft an die Volksrepublik China. Noch 17 Staaten, in Europa nur der Vatikan, erkennen das Land offziell an.

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Die Stöckelschuh- oder Aschenputtel-Kirche ist eine beliebte Hochzeitskirche. Der Bau aus blauem Glas erinnert an die Opfer der Schwarzfuß-Krankheit in den 1950er-Jahren, den Betroffenen mussten oft die Füße amputiert werden.

Fläche:36.179 Quadratkilometer, halb so groß wie IrlandEinwohner:23.574.274, fünfmal so viele wie Irland

Politische Kalligrafie

Taiwan ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen, die wieder die Schönschrift schätzen lernen und ihre kalligrafischen Kunstwerke in den sozialen Medien verbreiten. Dass ausgerechnet ein Web-Trend via Smartphone und Computer zu einem Boom in Taiwans Schreibwarenhandel führt, erscheint auf den ersten Blick als Anachronismus. Doch im ganzen Land gäbe es einen steilen Anstieg im Verkauf von Füllern, Tintenpatronen und -fässern, schreibt Taiwan-Korrespondentin Yu-Tzu Chiu. Handgeschriebene Briefe oder Karten erzeugten mehr Wärme in der Kälte des digitalen Zeitalters, in dem sich die Kommunikation oft gehetzt anfühle, lautet eine Motivation dahinter. „Mit dem Füller gute Gedichte, Zitate oder buddhistische Lehrsätze abzuschreiben, ist für mich nicht nur eine Gelegenheit, meine Handschrift zu verbessern, sondern auch, Achtsamkeit oder Meditation zu üben“, zitierte Chiu einen Schönschreiber. Im Schreibwarengeschäft von TY Lee im Zentrum Taipehs kann man seine Handschrift verbessern. Schönschrift sei wie passende Kleidung, ist Lees Überzeugung. Mit ein paar Tipps könne sich jeder zu seinem Vorteil verändern. Chinesisch schreiben ist nicht leicht: „Für den täglichen Umgang brauchen wir rund 3000 traditionelle chinesische Schriftzeichen – sowohl einfache als auch komplexere.“ Besonders leid tun Lee hochrangige Funktionäre, die bei den traditionellen Feiern zum Beginn des Mondjahres öffentlich Reime aufschreiben müssten und dabei durch ihre mangelhafte Schreibfähigkeit auffielen.

Aschenputtel-Kirche in Taiwan

Taiwan, das zu den größten Wirtschaftsnationen weltweit zählt, besticht gleichzeitig auch als Kulturnation. Die Insel hat ein lebendiges Theater. Das weltweit größte Zentrum für darstellende Künste wurde unlängst in der südtaiwanesischen Hafenstadt Kaohsiung eröffnet. Und „Taiwan hat als einziger demokratischer Staat in der chinesischsprachigen Welt einen Wert an sich“, betonte Ketty Chen von der „Taiwan Foundation for Democracy“ in einem Interview mit der Wiener „Presse am Sonntag“. Der Druck „von unserem Nachbarn“ ist für alle Taiwanesen deutlich spürbar, beschrieb Chen das Verhältnis zur Volksrepublik: Seien es die Versuche Pekings, die letzten 17 diplomatischen Alliierten abzuwerben, Taiwans Aktivitäten in internationalen Organisationen und Sportwettbewerben einzuschränken, Taiwans Tourismus mit Reisebeschränkungen zu torpedieren oder offene militärische und politische Einschüchterungsversuche. „Wenn du nicht tust, was Pekings politische Führung will, dann wirst du wirtschaftlich bestraft“, nennen das andere: „Sie stecken Politiker auf der ganzen Welt in den ökonomischen Schraubstock. Sie tun dies schon seit Jahren, und es funktioniert.“ Auch Chen kenne keinen Taiwanesen, sagte sie, der keine guten wirtschaftlichen Beziehungen zum Festland wolle. Aber für einen Großteil gebe es eine rote Linie: „Sie wollen ihre demokratische Lebensweise wahren.“ Eine schöne Linie, eine Art kalligrafische Politiklinie.

Taiwanesische Kalligrafie

Republik der Philippinen

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Man nennt sie die „Treppe zum Himmel“ – die Reisterrassen der Ifugao im Bergland der Hauptinsel Luzon. Vor 2000 Jahren angelegt, sind sie heute in Gefahr zu verwaisen und auszutrocknen.

Fläche:343.448 Quadratkilometer, ein wenig kleiner als DeutschlandEinwohner:106.512.000, über 20 Millionen mehr als Deutschland

Mordindustrie

Die Philippinen sind ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen, die sich im Krieg befinden. Es wird nicht gegen ein anderes Land gekämpft, nein, seit dem Amtsantritt von Präsident Rodrigo Duterte 2016 befinden sich die Philippinen im Bürgerkrieg. Der Präsident nennt es Drogenkrieg – das Ergebnis ist jedoch das Gleiche: Je nach Quelle beläuft sich die Zahl der Toten zwischen 5000 und 25.000. Innerhalb von einem halben Jahr wollte Duterte „seinen“ Krieg gewinnen. Mittlerweile verlängerte er die Mobilmachung ohne Rücksicht auf Verluste auf seine sechsjährige Präsidentschaft. Gern prahlt Duterte damit, als Bürgermeister der Großstadt Davao selbst „etwa drei“ mutmaßliche Drogenkriminelle erschossen zu haben. In einem Amnesty-Bericht ist von einer regelrechten „Mordindustrie“ die Rede. Polizisten würden aus einer schwarzen Kasse für „Begegnungen“ bezahlt – ein Begriff zur Vertuschung von Tötungen ohne jede juristische Grundlage.

Treppe zum Himmel

International wird Duterte wegen dieses kompromisslosen Kurses kritisiert. Auf den Philippinen ist die Kritik noch verhalten. Lediglich die Mütter der Opfer, Menschenrechtsorganisationen und Kirchenvertreter wagen es, dem Präsidenten Paroli zu bieten. Eine breite Mehrheit steht nach wie vor hinter Duterte – obwohl sein Krieg weder Drogenhandel noch Drogenkonsum spürbar beikommen konnte.

Kathedrale von Präsidenten-Kritiker Bischof David

Bernardo Mondragon, Projektleiter und Gründer der philippinischen NGO Child Alert, weiß warum: Dutertes Politik behandle lediglich die Symptome: „Er verfolgt Kriminelle und macht dabei aber auch vor Kindern nicht halt“, sagte der Kinderschutzaktivist im „APA“-Interview: Dutertes Maßnahmen seien zwar schnell und beeindrucken viele, die Probleme werden aber nicht gelöst. Und diese seien Armut und soziale Verwahrlosung.

Schärfster Kritiker von Duterte auf den Philippinen ist Bischof Pablo Virgilio David. Zu seiner Diözese gehören die ärmsten Quartiere Manilas, wo man die meisten Erschießungen zählt. Drogenkonsum und -handel seien in erster Linie Symptome von Arbeitslosigkeit, Verzweiflung und Armut, wird der Bischof in der „Neue Zürcher Zeitung“ zitiert. Er setzt deshalb auf Rehabilitationsprogramme, die wiederum der Drogenkrieg torpediert: Wer sich als drogensüchtig outet, schwebt in Lebensgefahr.

Auch den Bischof nahm der Präsident bereits ins Visier, drohte ihm öffentlich, er werde ihm wegen Drogenhandels den Kopf abschneiden. Seither sind die Wachen vor der Kathedrale verschärft und der Bischof etwas vorsichtiger geworden. Auch Dutertes Aufruf, die nutzlosen katholischen Bischöfe umzubringen, nehme man in der Kirche durchaus ernst, sagt der Bischof und fügt hinzu: „Unser Land wird von einem sehr kranken Mann geführt.“ Der NZZ-Korrespondent hörte „fast Mitleid für Duterte“ aus diesen Worten. Angst könne man sich nicht leisten, lautet die Parole des Bischofs. Das sage er auch seinen Priesterseminaristen: „Wer Angst hat, ist am falschen Ort und sollte besser austreten.“ Und wer keine Angst hat? Der zieht in den Krieg.

Volksrepublik China

Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Die echte Pekingente, über Obstbaumholz bernsteinbraun gegrillt, gibt es laut Feinschmecker-Urteil nur in Chinas Hauptstadt. Das Rezept stammt aus der Ming-Dynastie. Die Enten werden speziell gemästet und an jeder Bewegung gehindert, damit ihr Fleisch zart und die Haut dünn wird.

Fläche:9.596.960 Quadratkilometer, dreimal so groß wie IndienEinwohner:1.395.380.000, 50 Millionen weniger als Indien

Science Fiction