0,00 €
Kostenlose High-Fantasy-Lovestory zum Dahinschmelzen! **Das Erbe der Irrlichter** Liebe und Glück sind nicht für sie bestimmt – das zumindest glaubt die 21-jährige Telheria, für die nur das Überleben ihrer Familie zählt. Sich selbst stellt sie stets hintenan. Doch dann begegnet sie Sorell, einem Mann, der vor Lebensfreude nur so sprüht und Telheria augenblicklich fasziniert. Er zeigt ihr, was es heißt, richtig zu leben … Tauch ein in Sabine Schulters außergewöhnliche und dunkel-romantische Welt von »Kampf um Mederia«, in der Elben, Irrlichter, Drachen und Dämonen zu Hause sind, und erlebe nicht nur den Aufstieg eines ganzen Königreichs, sondern auch eine mitreißende Liebesgeschichte. //Dieses kostenlose E-Book enthält die Vorgeschichte zur magisch-romantischen High-Fantasy-Buchreihe »Kampf um Mederia« und eine XXL-Leseprobe von Band 1 der Reihe. Alle Bände der Serie bei Impress: -- A Kingdom Darkens (Kampf um Mederia 1) -- A Kingdom Resists (Kampf um Mederia 2) -- A Kingdom Shines (Kampf um Mederia 3) -- A Kingdom Fears (Kampf um Mederia 4) -- A Kingdom Stolen (Kampf um Mederia 5) -- A Kingdom Beyond (Kampf um Mederia 6)//
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2021
Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.
Jetzt anmelden!
Jetzt Fan werden!
Sabine Schulter
A Kingdom Rises. Kampf um Mederia (Bonusgeschichte)
**Das Erbe der Irrlichter**Liebe und Glück sind nicht für sie bestimmt – das zumindest glaubt die 21-jährige Telheria, für die nur das Überleben ihrer Familie zählt. Sich selbst stellt sie stets hintenan. Doch dann begegnet sie Sorell, einem Mann, der vor Lebensfreude nur so sprüht und Telheria augenblicklich fasziniert. Er zeigt ihr, was es heißt, richtig zu leben …
Buch lesen
Vita
© privat
Sabine Schulter wurde 1987 in Erfurt geboren, lebt nun aber mit ihrem Mann in Bamberg. Trotz ihres abgeschlossenen Oecotrophologie-Studiums fokussierte sie sich auf das Schreiben von Fantasy-Büchern. Sie liebt das Spiel mit den Emotionen und möchte ihre Leser tief in ihre Bücher ziehen, die oft von dem Zusammenspiel der Protagonisten untereinander geprägt sind. Viel Spannung gehört in ihre Geschichten genauso wie ein Happy End und unvorhergesehene Wendungen.
Die Vorgeschichte der Reihe »Kampf um Mederia‹‹
Für all jene, die schon immer mal einem Irrlicht folgen wollten!
Meine Hände brennen wie Feuer, als ich sie nach kurzem Zögern in den Bottich voller Seifenwasser stecke. Ein Stöhnen will sich aus meiner Kehle drängen, aber ich unterdrücke es und beiße fest die Zähne zusammen.
Nicht mehr lang. Bald habe ich es geschafft.
Das sage ich mir seit gefühlten Stunden wieder und wieder. Denn die Zeit hier geht immer vorbei. Jeden Tag aufs Neue.
Meine tastenden Finger finden in dem trüben, milchigen Wasser den Stoff und packen es kraftlos, um es im nächsten Moment auf das Waschbrett zu ziehen und den hartnäckigen Fleck in dem gelben Tuch mit Seife zu bearbeiten. Es ist das letzte Stück, das für heute auf meiner Liste steht, aber gerade das ist besonders hartnäckig. Meine Finger fühlen sich so wund an, dass ich mich nicht gewundert hätte, wenn sich das Wasser rot färben würde.
Gleich ist es vorbei, denke ich und schrubbe das Kleidungsstück so heftig über das Brett, dass es einfach sauber werden muss. Erleichtert streiche ich mir über die Stirn, als der Fleck tatsächlich verschwindet und ich aufhören kann.
Einmal ziehe ich den Stoff noch durch das Wasser, hebe ihn hoch und wringe ihn grob aus, ehe ich ihn in den großen Korb neben mir werfe. Schwer stütze ich mich auf den Rand des Bottichs, um mich aus meiner knienden Position zu erheben. Hart pulsiert der Schmerz durch meine Beine. Manchmal fühle ich mich eher wie achtzig statt wie Anfang zwanzig.
»Telheria, bist du fertig damit?«, fragt mich eine Kollegin und deutet auf meinen Korb.
»Ja, nimm ihn mit. Ich fasse heute kein einziges Stück Stoff mehr an«, meine ich und reibe mir über den ebenfalls schmerzenden Rücken.
Die andere Frau lacht gutherzig, schlägt mir auf die Schulter und hebt den Korb mit einem Elan hoch, als ob sie nicht ebenfalls schon seit Sonnenaufgang hier in der Wäscherei arbeiten würde. Ihre Röcke schwingen lustig hin und her, während sie ihren rundlichen Körper durch die engen Gänge der Wäscherei hinaus in Richtung Fluss trägt.
Ich versuche tief durchzuatmen, aber die Luft hier drin ist so feucht, dass ich sie beinahe schneiden kann, und ich bekomme das Bedürfnis, hier einfach nur zu verschwinden. Also umfasse ich den Griff meines Bottichs und spanne ein letztes Mal die Muskeln an, um das schwere Holz ein Stück anzuheben. Sofort schwappt die Flüssigkeit darin wild hin und her. Fast scheint sie sich dagegen zu wehren, aus ihrem behaglichen Heim geschwemmt zu werden, aber nachdem ich den Fuß unter den Rand schieben kann, bleibt dem Wasser nichts anderes übrig, als genau in der Abflussrinne zu landen. Das Rauschen, das diesen Vorgang begleitet, übertönt beinahe das Schnattern der anderen gut drei Dutzend Waschfrauen.
Erleichtert atme ich aus, als auch der letzte Tropfen aus dem Bottich läuft und ich ihn absetzen kann. Das Brett lehne ich an die Seite und die Seife lege ich in eine Schüssel daneben. Meine letzte Tat hier für heute.
Müde wende ich mich ab und gehe zur Aufseherin, die mit ihrer blütenweißen Schürze nicht zu uns abgekämpften und schmutzigen Frauen zu gehören scheint.
»Liona, trödel nicht so rum!«, raunzt sie mit lauter Stimme quer durch die Halle und die angesprochene Frau zuckt sogar über die Entfernung hinweg deutlich erkennbar zusammen.
Vorsichtig tippe ich der Aufseherin auf die Schulter.
»Ich bin mit meiner Arbeit durch«, erkläre ich, als sie sich mit angriffslustigem Blick zu mir umdreht.
Kurz runzelt sie misstrauisch die Stirn, nickt dann aber. »Gute Arbeit, Telheria. Zeig mir deine Finger.«
Wortlos halte ich ihr meine Hände entgegen und lasse sie mustern. Die Aufseherin ist der Meinung, dass man nur genug gearbeitet hat, wenn man es den Fingern ansehen kann. Und scheinbar sehen meine schlimm genug aus, denn das Stirnrunzeln kehrt in das Gesicht der älteren Frau zurück.
»Du sollst hart arbeiten, Kind, aber dich nicht zugrunde schinden«, erklärt sie tadelnd, aber mit einer Spur Sorge in der Stimme. »Du wirst morgen bei den Bleicherinnen arbeiten. Deine Haut braucht Schonzeit.«
Überrascht, aber auch erfreut merke ich auf. Die einfache Arbeit bei den Bleicherinnen ist besonders beliebt, wird aber nur den Lieblingen der Aufseher zugeteilt. Oder Extremfällen wie mir.
»Verstanden«, sage ich viel besser gelaunt und eile dann auf den Ausgang der Wäscherei zu, bevor es sich die Aufseherin anders überlegen kann.
Die Erleichterung, die in mir aufwallt, kennt kaum Grenzen, denn wenn meine Finger schon so schlimm aussehen, dass ich zu den Bleicherinnen darf, kann ich davon ausgehen, dort auch für den Rest der Woche bleiben zu können. Das heißt fünf Tage ohne Seifenlauge, Waschbrett und Wasser.
»Hey, Telheria, was hat dir denn die Laune versüßt?«, begrüßt mich Siek, als ich das Gebäude durch das große Holztor verlasse und eine Sekunde das Gesicht in die untergehende Sonne recke.
Der junge Mann mit dem strahlenden Lächeln und den Sommersprossen auf der Nase steht wie immer hinter dem Annahmetresen für die Wäsche. Sein rotes Haar scheint sich im Abendrot regelrecht zu entflammen.
Ich erwidere sein breites Grinsen mit einem milden Lächeln und gehe zu ihm. »Scheinbar sehe ich schlimm genug aus, dass ich ab morgen zu den Bleicherinnen darf«, erkläre ich ihm und zeige ihm meine Finger.
Doch statt sich mit mir zu freuen, wirkt Siek besorgt. »Ach, Tel, wieso musst du dich denn so schinden?«, fragt er und nimmt meine Hände in seine, um sie zu begutachten.
Tatsächlich sind sie aufgeweicht, rissig und auch die Nägel nicht mehr ansehnlich – ein Tribut an meine Arbeit. Was Siek aber wohl nicht gefällt, ist die angegriffene Haut zwischen den einzelnen Fingern und rund um das Nagelbett. Sie sieht entzündet und wund aus, teilweise ist sie sogar aufgerissen. Selbst bei den Bleicherinnen werde ich vorsichtig sein müssen, damit sie schnell heilen.
Ganz sacht umschließt Siek meine Hände mit seinen. »Pass bitte etwas mehr auf dich auf, Tel.«
»Ich werde mich bemühen«, erwidere ich aus Gewohnheit heraus, entziehe Siek eine Hand und greife in meine Rocktasche. »Dafür hat es sich heute aber gelohnt.«
Ich hole fünf rote Bänder hervor und lege sie vor Siek auf den Tresen.
»Fünf gleich?!«, ruft er überrascht und greift sie sich. »Und dann bist du jetzt schon fertig? Kein Wunder, dass deine Finger so zerschunden aussehen.«
Ein verhaltenes Lachen bricht aus mir hervor, welches sehr untypisch für mich ist. Denn ich lache sonst nie laut. Aber heute bin ich stolz auf mich, weil jedes dieser Bänder zeigt, dass ich einen Sack der besonders schwer zu reinigenden Wäsche geschafft habe – und diese bringen am meisten Geld.
Siek beobachtet mich einen Moment versonnen, dann bückt er sich, zieht eine Geldkassette hervor und schließt sie auf. Meine Bänder verschwinden darin und kurz zählt er Geldscheine, ehe er eine befriedigende Menge davon hervorzieht. »Steht etwas Besonderes an, dass du deine Finger für das Geld ruinieren musst?«
»Natürlich, die Zwillinge haben nächste Woche Geburtstag.«
Siek hebt überrascht die Augenbrauen. »Wirklich? Ist es schon wieder so weit? Wie die Zeit vergeht …«
Ich zucke daraufhin nichtssagend mit den Schultern und stecke das Geld in meine Rocktasche.
»Willst du heute noch einkaufen gehen?«, fragt mich Siek, bevor ich mich abwenden kann.
Ich schüttle den Kopf. »Nein, heute nehme ich mir ausnahmsweise Zeit für mich.«
Als ich einen Blick in den Himmel werfe, versteht Siek. »Alles klar, dann wünsche ich dir viel Ruhe. Falls du morgen Besorgungen machen willst, sag mir Bescheid. Ich habe den Nachmittag frei und kann dir helfen.«
»Danke, Siek«, meine ich voller tief empfundener Dankbarkeit. Er ist mir wahrlich ein guter Freund und hilft mir oft all meine Verpflichtungen besser zu überstehen.
»Das ist doch kein Problem, Tel. Und jetzt los, bevor es zu spät ist. Grüß deine Eltern und sage ihnen von mir, dass sie sich etwas zusammenreißen sollen, damit du ihnen nicht dabei helfen musst, noch ein Geschwisterchen durchzufüttern.«
»Ich richte es ihnen aus«, meine ich, werde es aber natürlich nicht tun. Siek weiß das, grinst mich deswegen an und winkt mir nach, als ich mich abwende und in den engen Straßen verschwinde.
Während mich das Murmeln der Menschen und das geschäftige Treiben der Stadt verschlucken, denke ich an das, was Siek gerade angedeutet hat. Es stimmt, dass sich meine Eltern durchaus etwas zusammenreißen könnten, denn neben mir besitzen sie noch sieben weitere Kinder. Ich liebe jedes einzelnen meiner Geschwister, aber wir können uns eigentlich nicht leisten so viele Mäuler unter einem Dach zu versammeln. Vor allem bin ich mit meinen zweiundzwanzig Jahren die Älteste und Feyliz, der in der Reihe nach mir kommt, ist dagegen erst vierzehn.
Er und meine anderen Geschwister können noch nicht dabei helfen, Geld für Miete, Essen und Kleidung zu beschaffen, weswegen es an mir liegt, so viel wie nur möglich zusätzlich zu verdienen. Ich bin jung und gesund, aber auch mich laugt es nach und nach aus. Vor allem die Arbeit in der Wäscherei. Aber gerade dort gibt es besonders gute Möglichkeiten, etwas zusätzlich zu verdienen. Fleiß wird belohnt.
Kurz lasse ich meinen Blick über die Steinhäuser meiner Heimatstadt schweifen, die sich hübsch mit ihren meist zweigeschossigen Mauern aneinander reihen und mit ihren reetgedeckten Dächern irgendwie friedlich wirken. Meine Schuhe klackern über das Kopfsteinpflaster und ich ziehe tief den Geruch nach frischem Brot, warmen Stein und vielen Menschen in mich ein.
Ich liebe meine Heimat, die im Südwesten von Mederia liegt und daher den Strand der Mondscheinbuchten ganz in der Nähe hat. Bei uns fallen die Temperaturen selbst im Winter selten unter zehn Grad und die Brise vom Meer lässt den heißen Sommer erträglich werden. Außer natürlich man sitzt in einer stickigen Wäscherei fest.
Mein Blick schweift hinauf zu den Klippen, die sich um die gesamte Stadt auftürmen und sie daher wie eine schützende Mauer umschließen. Mein Herz macht einen aufgeregten Satz, als ich sie erblicke und mein Schritt wird schneller.
Bald geht die Sonne unter, also muss ich mich beeilen.
Die schweren Röcke meines Kleides wehen hinter mir her, als ich zu rennen beginne, und die Blicke der anderen sind mir ausnahmsweise egal. Die Klippen kommen immer näher und damit auch der Stadtrand. Die hübschen Häuser bleiben nach und nach zurück und ermöglichen mir dadurch den Blick auf den Fuß der riesigen Steinmassen vor mir. Dort, an einer ganz bestimmten Stelle, hangelt sich eine hölzerne Konstruktion an der geraden Wand hinab.
»Gerade rechtzeitig«, murmle ich und nehme noch einmal an Geschwindigkeit zu, bis ich außer Atem bin.
Der Aufzug fährt den ganzen Tag unermüdlich von der Stadt zum Klippenrand und wieder hinab. Aber wenn ich die nächste Fahrt verpasse, werde ich zu spät kommen.
»Telheria!«, ruft mir Bram zu und hebt die Hand zum Gruß, als er mich entdeckt. »Ich habe es in meinen alten Knochen gespürt, dass du heute kommst.«
»So alt bist du doch gar nicht«, bringe ich hervor und versuche meinen Atem wieder zu beruhigen.
»Komm erst einmal in mein Alter, dann reden wir weiter«, lacht der ältere Mann, der die fünfzig noch nicht erreicht hat.
Ich grinse auf seine Worte schief. »Mach du mal einen Tag in der Wäscherei mit, dann darfst du dich beklagen.«
Bram zwinkert mir aus seinen braunen Augen zu, die von schwarzen, etwas zu langen Haaren fast verdeckt werden. Zusammen mit dem dichten Vollbart wirkt er ein wenig liederlich, was seine hagere Gestalt noch unterstreicht.
»Wie lange wird es dauern, bis ihr wieder hinauffahrt?«, frage ich, mustere zuerst die Kisten voll Holz, die von der gerade angekommenen Plattform des Aufzugs geschoben werden, und blicke dann die Felswand hinauf.
»Fünf Minuten, länger nicht. Heute musst nur noch du nach oben gebracht werden. Aber bleib nicht zu lang. Wir haben nur noch zwei Lieferungen oben.«
Ich winke ab. »Ansonsten nehme ich den langen Weg. Meine Familie kommt einen Abend ohne mich durchaus zurecht.«
Bram nickt. »Das denke ich doch auch.«
Wir schweigen, bis die letzte Kiste von der Plattform geschoben wird, und als mir Bram mit einer Handbewegung die Erlaubnis gibt, trete ich auf die Konstruktion. Da dies ein Lastenaufzug ist und er daher kein Geländer besitzt, muss ich mich bis zum hinteren Ende zurückziehen, wo ineinanderverschlungene Seile die Hebevorrichtung darstellen. Bram passt auf, dass ich auch keinen Unsinn mache und erst nachdem ich mich auf das warme Holz setze, gibt er sein Okay für die Männer, welche die Hebel des Aufzugs bedienen.
Kurz erbebt die Platte unter mir, bevor sie sich ganz langsam ihren Weg die Klippe hinauf sucht. Mein Blick schweift währenddessen über die Häuser, die unter mir zurückbleiben.
Wie ich diesen Anblick doch genieße …
Er ist so friedlich, lässt mich die Hektik in den Straßen vergessen und hinterlässt in mir das unbeschreibliche Gefühl, ein Teil etwas ganz Großem zu sein.
Als ich oben ankomme, springe ich von der Plattform, bevor sie ganz angekommen ist, und eile an der Klippe entlang, ohne die Männer zu beachten, die das Tagwerk der Holzfäller verladen. Normalerweise bereiten mir ihre missfälligen Blicke – weil eine Frau hier nichts zu suchen hat – Unbehagen, aber heute muss ich mich beeilen und habe keine Zeit, mich schlecht zu fühlen.
Die Sonne, die hier oben noch scheint, neigt sich dem Horizont zu und ich will meinen Lieblingsplatz erreichen, bevor sie beginnt in den Wipfeln der Bäume zu versinken.
Obwohl ich von der Arbeit müde bin, fliegen meine Füße fast über den Boden. Die Vorfreude schenkt mir die nötige Kraft dazu. Begleitet von den hohen Bäumen, die hier oben wachsen, und dem Abgrund auf meiner anderen Seite eile ich dahin und erreiche meinen Aussichtsplatz in dem Moment, als die Sonne die dichten Baumkronen erreichen.
Zufrieden blicke ich zu der mächtigen Eiche auf, die hier besonders nah am Rand der Klippe wächst und ihren stärksten Ast keck über deren Rand hängen lässt. Um keine Zeit zu verlieren, erklettere ich den Stamm behände und meine Finger finden blind die vielen Kerben und Vorsprünge, die mir Sicherheit bieten. Ich habe diesen Platz nur durch Zufall und eine dumme Idee gefunden, bin aber sehr dankbar für diesen Ort, der mir Ruhe und Frieden bietet, wo mein Leben sonst so hektisch ist.
Vorsichtig taste ich mich weiter vor, als ich den dicken Ast erreiche. Die vielen Tausend Blätter rascheln vorwurfsvoll, weil ich sie in ihrer Ruhe störe, und das Holz knarrt leise, doch ich weiß, was ich dem Ast zutrauen kann. Bis zu einer bestimmten Gabelung wage ich mich vor und setze mich darauf, die Beine direkt über den Abgrund baumelnd. Tief atme ich durch und schließe einen Moment die Augen, um die Ruhe zu genießen, die hier oben nur durch das Rauschen des Windes und das Zwitschern der Vögel unterbrochen wird.
Es tut so gut, kein Geschnatter von anderen Menschen zu hören. Kein Telheria hier, kein Telheria da, niemand, der etwas von mir will oder braucht. Nur ich.
Aber der – meiner Meinung nach – schönste Teil des Tages bricht an und ich öffne die Augen, um ihn nicht zu verpassen.
Die Sonne sinkt hinab und verschwindet langsam hinter den Bäumen. Dabei beginnt sich der Himmel in ein wunderschönes Rosa zu verfärben, das zu einem tiefen Rot wird und schließlich den ganzen Himmel entflammt. Es ist ein Wunder der Natur, das durch die aufsteigende Feuchtigkeit aus dem nahen Meer ermöglicht wird und jeden sonnigen Tag bei uns so enden lässt.
Es gibt nicht viele Dinge in meinem Leben, die ich wirklich schön oder erstrebenswert finde, aber um diesen Anblick sehen zu dürfen, mache ich wahrlich alles.
Lang sitze ich vollkommen still und bewegungslos da, schaue auf die langsam ineinanderwechselnden Farben des Himmels und genieße meine Einsamkeit.
Ein langes, zufriedenes Seufzen entringt sich mir, als der letzte Farbtupfer verschwindet und die Nacht Einzug halten will. Am liebsten würde ich sitzen bleiben und auch noch diesem Schauspiel zusehen, aber ich muss mich beeilen, um noch etwas vom Abendessen zu bekommen. Zudem haben meine beiden Schwestern in letzter Zeit die Angewohnheit entwickelt, nur von mir ins Bett gebracht werden zu wollen.
Also muss ich mich meinem Leben wieder stellen und schicke mich an zurückzukriechen. Es geht schnell, denn ich bin geübt darin, aber plötzlich rutscht meine Hand über die raue Rinde und in den Abgrund unter mir. Ich keuche überrascht und halte mich schnell mit der anderen Hand fest, sodass ich nur kurz mein Gleichgewicht suchen muss. Mir passiert nichts, aber die plötzliche Bewegung schüttelt mich ordentlich durch und zeitgleich das Geld aus meiner Rocktasche.
»Nein!«, rufe ich entsetzt und falle bei dem Versuch, das Geld einzufangen, fast selbst vom Baum. Aber meine Finger erwischen es nicht, sondern verfehlen das Bündel um wenige Millimeter.
Fluchend folge ich ihm den Baum hinab und sage mir währenddessen tapfer, dass ich noch Glück habe. Denn das Geld fiel in eine Gruppe von Büschen, die sich um den Baum sammeln. Dort kann es zumindest nicht vom Wind in den Abgrund geweht werden.
Vor mich hin schimpfend kämpfe ich mich durch die vielen kleinen Zweige und schiebe sie auseinander, um das Bündel zu finden. Angstschweiß tritt mir auf die Stirn, als ich es nicht sofort finde, aber dann atme ich auf, als ich es entdecke. Schnell greife ich tief zwischen zwei Äste, sodass mein Gesicht zerkratzt wird, aber in der nächsten Sekunde schließen sich meine Finger beruhigend um das Geld.
»Den Göttern sei Dank«, murmle ich, richte mich auf und schicke mich an zwischen den Büschen hervorzutreten.
Allerdings will mich etwas nicht gehen lassen und hält meine Röcke fest im Griff. Ich schaue hinab und entdecke mehrere unverschämte Zweige. Vorsichtig mache ich einen Schritt zurück, denn ich muss dieses Kleid morgen noch zur Arbeit tragen. Doch der Stoff löst sich nicht. War ja klar …
Ich bücke mich und ziehe fest, was jedoch nur dazu führt, dass der Busch unwillig raschelt. Noch einmal rüttle ich an meinen Röcken, aber sie lösen sich nicht. Ich gebe ein genervtes Geräusch von mir und will mich mit Gewalt befreien, als ein Lachen hinter mir ertönt.
»So erreichst du nur, dass dir das Kleid zerreißt.«
Meine Wut verraucht in meiner Verwunderung darüber, hier angesprochen zu werden, und ich drehe den Kopf in die Richtung der Stimme. An einem der nächsten Bäume lehnt ein Mann, der mich aus grünen Augen belustigt ansieht.
Ich erstarre voller Vorsicht. Nicht etwa weil er ein Mann ist oder mir seine schlaksige Gestalt Angst machen würde. Nein, es ist das fast nicht wahrnehmbare Schimmern, das von ihm ausgeht und in der Dämmerung äußerst deutlich zu sehen ist.
Ich weiß, dass es in Mederia viele merkwürdige Völker gibt, die die unterschiedlichsten Eigenschaften aufweisen. Aber ich kenne nur eines, das solch ein Schimmern sein Eigen nennt: Irrlichter.
Sie können in jeglicher Gestalt erscheinen, kommen jedoch nur nach Sonnenuntergang hervor, weil die Sonne sie sonst verbrennt. Allerdings habe ich noch nie davon gehört, dass sie so große Gestalten annehmen können. Irrlichter sind sonst sehr klein, in ihrer Urform nur eine unscheinbare Flamme. Sie sind zudem sehr verspielt und lieben es, Menschen in die Irre zu führen. Daher kommt auch meine Vorsicht.
»Du musst einen Schritt zurückmachen, dann lösen sich deine Röcke automatisch«, meint der Mann nun.
Ich mache eine unwillige Handbewegung. »Das habe ich schon versucht, aber meine Unterröcke haben sich zu sehr verhakt.«
Wenn ich Glück habe, geht er wieder. Aber davon will der Fremde wohl nichts wissen, denn er stößt sich von dem Baumstamm ab und kommt näher. »Lass mich dir helfen. Bald ist es ganz dunkel und mir wäre wohler, wenn du dann in der Stadt bist. Es gibt hier Wölfe.«
»Schon gut, ich schaffe das schon«, erwidere ich ablehnend, bewege mich aber nicht.
Wenn er ein Irrlicht ist, kann er zwar mein Kleid berühren, mich aber nicht. Irrlichter sind nicht weltlich, sondern bestehen aus einer Art Magie. Sollte er aber auch mich anfassen können, handelt es sich bei ihm vielleicht um einen Reisenden, dessen Volk ich nicht kenne.
Wenn das jedoch der Fall ist, muss ich noch vorsichtiger sein. Irrlichter können mich einzig in die Irre führen, wenn ich es zulasse. Von einem richtigen Mann geht weit mehr Gefahr aus. Vor allem hier, wo mich niemand schreien hören wird.
Der Fremde kämpft sich ebenfalls durch die Büsche und beugt sich hinab, um meine Rocksäume aus deren festen Griff zu retten.
»So«, sagt er, als er den Stoff löst und sich aufrichtet. »Pass das nächste Mal besser auf, sonst zerreißt du dir dein Kleid wirklich noch.«
Mit einem freundlichen Lächeln zwinkert er mir zu und hält dann eine Hand hoch, damit ich mit seiner Hilfe aus den Büschen treten kann. So viel Freundlichkeit macht mich ganz stutzig und kurz betrachte ich meinen Gegenüber genauer.
In der beinahe hereingebrochenen Nacht wirkt sein Haar fast schwarz und mir gefällt, wie es sich um seine Ohren kringelt. Er überragt mich um einen ganzen Kopf und wirkt dabei so schlank wie ein Ast. Der leichte Schimmer seiner Haut lässt sie samtig wirken und mich interessiert inzwischen brennend, wie sie sich anfühlt.
Nachdenklich blicke ich auf die mir dargebotene Hand.
