Ab morgen jünger! - Nina Ruge - E-Book

Ab morgen jünger! E-Book

Nina Ruge

0,0
21,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Müssen wir das Altern wirklich als unausweichliche Talfahrt des Lebens hinnehmen? Nina Ruge ist nicht dazu bereit – und die Forschung gibt ihr Recht. In »Ab morgen jünger!« präsentiert die Bestsellerautorin die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, wie wir deutlich länger gesund bleiben können. In Zusammenarbeit mit Experten aus Medizin, Wissenschaft und Forschung gibt sie uns Einblicke in die Zukunft des gesunden Alterns. Von Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten, die in den nächsten Jahren das Altern als gesellschaftliches Phänomen grundlegend verändern werden, bis zur Entwicklung von revolutionären Therapien, wie zum Beispiel die Transplantation von jungen Zellkraftwerken (Mitochondrien)und die epigenetische Verjüngung: Nina Ruge führt verblüffende Möglichkeiten vor Augen, um das Altern zu stoppen – Möglichkeiten, die es heute schon gibt oder die in wenigen Jahren zur Verfügung stehen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 379

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gesund und fit ein Leben lang – was die Zukunft bringt!

Müssen wir das Altern wirklich als unausweichliche Talfahrt des Lebens hinnehmen? Nina Ruge ist nicht dazu bereit – und die Forschung gibt ihr Recht. In Zusammenarbeit mit Experten aus Medizin, Wissenschaft und Forschung gibt sie erstaunliche Einblicke in die Zukunft des gesunden Alterns.

Von Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten, die in den nächsten Jahren das Altern als gesellschaftliches Phänomen grundlegend verändern werden, bis zur Entwicklung von revolutionären Therapien, wie zum Beispiel der Transplantation von jungen Zellkraftwerken (Mitochondrien) und der epigenetischen Verjüngung: Nina Ruge präsentiert verblüffende Möglichkeiten, um das Altern zu stoppen – Möglichkeiten, die es heute schon gibt oder die in wenigen Jahren zur Verfügung stehen werden.

© Markus Hintzen

Nina Ruge ist studierte Biologin und als Journalistin und Moderatorin – u. a. des Gesellschaftsmagazins »Leute heute« – in ZDF, ARD, phoenix und 3sat einem großen Publikum bekannt. Sie spricht regelmäßig auf Kongressen und Podiumsdiskussionen über die jüngsten Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft zum Trend-Thema »Healthy Longevity«, also gesunde Langlebigkeit. Mit zahlreichen Bestsellern und breiter Präsenz in social media hat sie sich einen Namen als populäre Wissensvermittlerin gemacht. In ihrem erfolgreichen Podcast »staYoung« interviewt sie Woche für Woche international renommierte Experten, Mediziner und Wissenschaftler.

NINA RUGE

AB MORGENJÜNGER!

WIE WIR LÄNGER JUNG UND GESUND BLEIBEN

Mit einem Vorwort von Prof. Eric Verdin

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Wichtiger Hinweis:

Die Informationen in diesem Buch stellen die Erfahrungen und Meinungen der Autorin dar. Sie wurden von ihr nach bestem Wissen erstellt und mit größter Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Weder die Autorin noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus dem im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Sämtliche im Buch wiedergegebenen Expertengespräche wurden abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Interviewpartner.

Der Verlag hat sich bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall aufgrund des Zeitablaufs und der schlechten Quellenlage bedauerlicherweise einmal nicht möglich gewesen sein, werden wir begründete Ansprüche selbstverständlich erfüllen.

Originalausgabe 2025

Copyright © 2025 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

produktsicherheit@penguinrandomhouse.de

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)

Redaktion: Eva Steffens, München

Bildredaktion: Heike Jüptner, München

Umschlaggestaltung: Eisele Grafik-Design, München, unter Verwendung eines Motives von iStockphoto/filo

Das Geleitwort von Eric Verdin wurde aus dem Amerikanischen übersetzt von Jordan Wegberg, Berlin

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

Innenlayout: Angelehnt an ein Layout von independent Medien-Design, Horst Moser, München

ISBN: 978-3-641-31916-8V001

www.heyne.de

INHALT

Geleitwort von Prof. Eric Verdin

Vorwort

1. Kapitel: Healthy Longevity – »The next big thing«

2. Kapitel: Geroprotektoren: Nahrungsergänzungsmittel, Medikamente, Hormone

3. Kapitel: Neue Erkenntnisse zu einem »alten« Duo

4. Kapitel: Geroprotektoren der neuen Generation

5. Kapitel: Metformin und Rapamycin

6. Kapitel: Langlebigkeit für den Kopf und aus dem Darm

7. Kapitel: Kreatin und Kollagen im neuen Licht der gesunden Langlebigkeit

8. Kapitel: Hormone als Key Player im Alterungsprozess

9. Kapitel: Immunfitness und lebenslange Impfung

10. Kapitel: Junges Blut – altes Blut…

11. Kapitel: Mitochondrien-Transplantation

12. Kapitel: Altes Mikrobiom – junges Mikrobiom

13. Kapitel: Organverjüngung durch epigenetische Reprogrammierung?

14. Kapitel: Kampf den Zombie-Zellen!

15. Kapitel: Stammzellen – der Heilige Gral der Verjüngung?

16. Kapitel: Exosomen-Therapie – Flaschenpost der Zellen

17. Kapitel: Lange Telomere – langes Leben?

18. Kapitel: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse seriös in die Praxis bringen

Quellen

Bildnachweis

Register

GELEITWORT VON PROF. ERIC VERDIN

Das Gebiet der Langlebigkeitsforschung ist heutzutage von rapiden Fortschritten geprägt und konzentriert sich auf das Verständnis und die Ausweitung der menschlichen Lebens- und Gesundheitsdauer. Lebensdauer (Lifespan) bezieht sich auf die Gesamtzahl der Jahre, die eine Person lebt, während mit der Gesundheitsdauer (Healthspan) die Zeitspanne gemeint ist, in der sie gesund und ohne ernste Erkrankungen bleibt. Die boomende sogenannte Geroscience, also die Alternsforschung, bringt die Grundursache aller im Alter auftretenden chronischen Erkrankungen – z. B. Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes, viele Formen von Krebs und neurodegenerative Störungen wie Parkinson und die Alzheimer-Erkrankung – mit dem Alterungsprozess selbst in Zusammenhang. Indem sie die biologischen Vorgänge des Älterwerdens ins Visier nehmen, wollen Wissenschaftler das Einsetzen dieser Krankheiten hinauszögern oder sogar vermeiden und somit die Gesundheitsdauer verlängern. Die Umstände der Lebensweise, darunter Ernährung, Sport und Stressmanagement, spielen sowohl für die Lebens- als auch für die Gesundheitsdauer eine wichtige Rolle. Diese Faktoren können wichtige biologische Prozesse wie Entzündungen, oxidativen Stress und die zelluläre Seneszenz beeinflussen, die mit dem Altern und den damit verbundenen Erkrankungen in Zusammenhang stehen. Eine gesunde Lebensweise gilt daher als grundlegend für die Zielsetzung der Langlebigkeit.

In der Wissenschaft werden fortlaufend neue Methoden ergründet und neue Medikamente entwickelt, um gegen die Alterung vorzugehen. Forscher untersuchen eine Vielzahl von Vorgehensweisen, darunter die Anwendung von Senolytika zum Entfernen seneszenter Zellen, Eingriffe zur Verbesserung der Mitochondrien-Funktion und Therapien zur Verlängerung der Telomere sowie zur epigenetischen Umprogrammierung. Darüber hinaus werden Präparate wie Metformin, Rapamycin und NAD+-Booster wie Nicotinamid-Ribosid (NR) und Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) auf ihr Potenzial untersucht, die Wirkungen einer Beschränkung der Kalorienzufuhr nachzuahmen, eine anerkannte Methode zur Verlängerung der Lebensdauer bei verschiedenen Organismen. Insgesamt steht die Langlebigkeitsforschung vor einer wissenschaftlichen Revolution und verspricht bahnbrechende Erkenntnisse, mit denen sich die menschliche Lebens- und Gesundheitsdauer erheblich erhöhen lassen könnte. Durch die Behandlung der grundlegenden Alterungsprozesse hoffen die Wissenschaftler das alterungsbezogene Gesundheitswesen umzuwandeln und die Lebensqualität einer alternden Bevölkerung weltweit erheblich zu verbessern.

Im sich ständig weiterentwickelnden Narrativ der menschlichen Langlebigkeit haben sich nur wenige Stimmen als so einfluss- und erkenntnisreich erwiesen wie die von Nina Ruge. Mit Ab morgen jünger! lädt sie dazu ein, das transformative Potenzial künftiger Therapien für ein gesundes Älterwerden zu erforschen. Dieses Buch ist nicht nur eine Fortsetzung ihrer bedeutenden Karriere als Journalistin, sondern ein zukunftsweisender Beitrag. Ninas vorausgehende Bücher Altern wird heilbar (2020) und Verjüngung ist möglich (2021) begeisterten bereits ein großes Publikum und vermittelten den biologischen Vorgang der Zellalterung ebenso verständlich wie wissenschaftlich stringent. Diese Bücher kletterten in den Bestsellerlisten rasch nach oben, genau wie ihre Ausführungen zur Ernährung für ein gesundes, langes Leben, und belegten den Wissensdurst der Leserschaft in diesem wichtigen Bereich.

Ab morgen jünger! ist das nächste Teil dieses komplizierten Puzzles und soll dazu anregen, die aus wegweisenden Forschungen hervorgehenden Chancen wahrzunehmen. Nina hat erkannt, dass echter Wandel auf der zellulären Ebene beginnt, wo die Anwendung des Wissens zum Katalysator für Veränderungen der persönlichen Lebensweise wird. Ihre Fähigkeit, komplexe wissenschaftliche Konzepte anschaulich zu machen, wurde noch verstärkt durch ihren Podcast »staYoung«, in dem sie mit hervorragenden Experten die neuesten Fortschritte im Bereich gesunder Langlebigkeit bespricht. Aufgrund ihrer Teilnahme an internationalen Kongressen und Vorlesungen ist Nina als Beraterin zu einer Schlüsselfigur geworden für die Verbreitung der Erkenntnisse, die unsere Gesundheitsdauer neu definieren könnten.

Ihr jüngstes Buch beschäftigt sich eingehend mit der ganzen Bandbreite von Langlebigkeitstherapien, von innovativen Nahrungsergänzungsmitteln wie Nicotinamid-Ribosid und Alpha-Ketoglutarat (AKG) über die vielfältigen Funktionen von Taurin und Kreatin bis hin zu Hormonersatztherapien für Männer und Frauen. Sie beschäftigt sich auch mit dem Potenzial lebenslanger Impfungen und der Plasmapherese, um das Immunsystem zu stärken und dem Alterungsprozess entgegenzuwirken. Vorausschauend offenbart Nina eine Zeitschiene künftiger Therapien wie Mitochondrien- und Stuhltransplantationen, epigenetischer Umprogrammierung und Stammzellentherapien, die alle aussichtsreiche Kandidaten im Kampf gegen alterungsbedingte Erkrankungen sind. Ihre Arbeit macht neugierig auf die molekulare Langlebigkeitsforschung und hebt die Bedeutsamkeit der Eigenverantwortung im Gesundheitsmanagement hervor – ein Handlungsaufruf zu lebenslangem Lernen und kritischem Nachfragen.

Wenn wir uns mit Ab morgen jünger! auf diese Reise begeben, lassen wir uns leiten von Ninas Engagement für das Verständnis und die Anwendung des Wunders unserer Zellintelligenz. Ihre Zusammenarbeit mit vielen Spitzenfachleuten unterstreicht die Bedeutsamkeit des Vertrauens in die Wissenschaft, wenn wir die Möglichkeiten zur Verlängerung unserer gesunden Jahre ausloten.

Mit einer tiefen Verbeugung vor Nina Ruges bemerkenswerten Leistungen lade ich Sie abschließend ein, die inspirierenden und erhellenden Seiten dieses Buches zu erkunden. Es legt Zeugnis ab vom Potenzial des menschlichen Geistes, eine Zukunft zu formen, in der wir nicht nur länger leben, sondern die ganze Fülle von Gesundheit und Vitalität ausschöpfen.

Eric Verdin

CEOBuck Institute for Research on Aging

Novato, Kalifornien, 2024

VORWORT

StaYoung forever! Wir werden unsere Organe verjüngen können! Um 20, 30 Jahre werden wir die Altersuhr unserer Nieren, unserer Leber zurückdrehen, vielleicht bekommen wir auch ein jugendliches Herz. Junge Zellkraftwerke, also Mitochondrien, werden wir uns einspritzen lassen. Unser altes Mikrobiom, die abgewirtschaftete Mixtur von Darmbakterien, lassen wir durch junge, gesunde Arten ersetzen. Aus dem Blut filtern wir alt machende Partikel heraus und injizieren solche, die verjüngen. Und die Zombie-Zellen in uns, die uns den Dienst verweigern und Entzündungsherde sind, killen wir elegant, im ganzen Körper, in jedem Organ. Es wird gelingen, Booster für unsere Gehirnfunktion durch die Blut-Hirn-Schranke zu bugsieren, und wenn dann doch etwas zu reparieren sein sollte – wie ein Arthrose-Knie –, dann machen wir das mit Stammzellen oder Exosomen. Auch Organoide werden uns zur Verfügung stehen.

Um all diese Therapien perfekt zu orchestrieren, werden wir von Künstlicher Intelligenz individuell maßgeschneiderte Programme erhalten. Ein virtueller Zwilling entwirft uns den täglichen Fitness- und Speiseplan. Die aktuell berechnete Dosis und Zusammensetzung von Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten wird uns zu einem schmackhaften Saft gemixt. Die KI liefert die Anleitung zu den dazu passenden Yoga- und Meditationsübungen, empfiehlt uns, demnächst bestimmte Biomarker und Blutwerte zu messen.

Ohne Mühe, ohne Sorgen, sagen wir … 120 werden – und das kerngesund in Kopf und Körper! Das ist die Zukunft, das ist Healthy Longevity … Szenarien wie diese geistern in den Medien herum, und ich denke: Super, das Thema ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen.

Natürlich werden völlig falsche Erwartungen geweckt. Doch das gehört dazu, wenn ein neues Denken Raum greift, ja, wenn sich vielleicht sogar eine gewisse Revolution abzeichnet in Gesundheitswissenschaft, Diagnostik, Therapien – und Selbstverantwortung. Wenn Ärzte zu Longevity-Experten und -Begleitern werden und forschende Pharmaunternehmen ihre eigenen Blockbuster-Medikamente überflüssig machen, um mittels moderner Molekülentwicklungen die Gesundheitsspanne von Millionen Menschen zu verlängern.

Seit Jahren begleite ich journalistisch die Longevity-Bewegung, die in enormem Tempo Fahrt aufnimmt und aus den Forschungsinstituten und Start-ups heraus auch die Ärzteschaft erreicht, schon manche Institutionen und selten sogar die Politik. Die Menschen, egal welchen Alters, sind hellhörig geworden. Was? Länger leben? Länger und gesund leben?

Ein junges, recht unübersichtliches Zukunftsfeld voller Hoffnung und Versprechungen. Was möchte ich hier erreichen mit meinen Büchern, Podcasts, Kolumnen und Vorträgen? Ich begreife mich als Botschafterin für dieses faszinierende Forschungsfeld und – mit Verlaub – als »Bullshit-Filter« im explodierenden Markt der »Future Therapies«. Oder um mit Andrea Maier zu sprechen, Professorin am Zentrum für gesunde Langlebigkeit der National University of Singapore: »Healthy Longevity: What is the hype, what is the hope, what is reality?«

Hype, Hoffnung und Realität wollen fein säuberlich unterschieden sein. Und vieles, was als Hype kursiert – und teuer verkauft wird –, ist noch lange nicht Realität. Der Hoffnung Raum geben, den Stand von Forschung und Entwicklung nüchtern beschreiben und das bereits Machbare kritisch bewerten – das sind meine Anliegen in diesem Buch.

1. KAPITEL

HEALTHY LONGEVITY – »THE NEXT BIG THING«

HOFFNUNG TRIFFT AUF GESCHÄFTSSINN UND MÜHEN IM LABOR

»Forschung ist die Umwandlung von Geld in Wissen – Innovation ist die Umwandlung von Wissen in Geld.«

DR. ALFREDOBERHOLZ

»Healthy Longevity«. Vor fünf Jahren hat man mich sofort nach der Aussprache gefragt: »Longivity? Mit i?« Heute geht dieses »Longevity« den Interessierten locker über die Lippen, und »Longevity-Center«, »Longevity-Praxen«, »Longevity-Experten« sprießen wie Pilze aus dem Boden, Langlebigkeitspilze sozusagen.

Doch Achtung! Reishi, der Langlebigkeitspilz der traditionellen asiatischen Medizin, könnte symbolisch stehen für viele der Newcomer auf dem Markt. Denn Reishi wird zwar nachgesagt, das Immunsystem zu stärken, Krebs vorzubeugen und die Entzündungsneigung zu senken. In Tierversuchen vielleicht – im Menschen konnte seine Gesundheitswirkung allerdings bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden. Die Longevity-Branche ist erst im Aufbau, es locken phänomenale Gewinnchancen, und damit ist die Sache sehr kritisch zu betrachten. Dummdreistes money making lauert überall.

Damit legt Reishi das Dilemma der aktuellen Langlebigkeitsforschung offen – und besonders das der Langlebigkeitstherapien. Geniale Wissenschaftler forschen weltweit an Möglichkeiten, das Altern deutlich zu verlangsamen. Und der Stand der Dinge ernüchtert leider meist wie folgt: In Tierversuchen durchaus nachgewiesen … beim Menschen nicht. Zumindest nicht evidenzbasiert, also wissenschaftlich gesichert. Manche Forschungsbereiche allerdings sind in ihrer Glaubwürdigkeit, in ihrer Evidenz weiter gediehen als der Reishi-Pilz. Denen gehen wir in diesem Buch umfassend nach.

Doch zurück zum Boom der Langlebigkeitsforschung und -Industrie. Dieser Boom hat die disruptive Sprengkraft eines ChatGPT. Wird aber eingebremst, denn Innovation heißt hier immer medizinische Innovation – muss also, um sicher zu funktionieren, sämtliche Prüfphasen für die Genehmigung der Gesundheitsbehörden durchlaufen. Von daher handelt es sich um einen extrem kontrollierten Sprengsatz der Innovation. Was sinnvoll und richtig ist, die Forscher oftmals in die Verzweiflung treibt – und von uns hoffnungsvollen Longevity-Enthusiasten Unmengen an Geduld erfordert.

Dennoch: Die Longevity-Branche gilt in den Augen vieler Investoren als »The next big thing« – oder um es mit José Cordeiro (Wirtschaftsguru und Transhumanist) zu sagen: »Die Langlebigkeitsindustrie wird in den nächsten 20 Jahren der größte Wirtschaftszweig in der Geschichte der Menschheit sein.« Zugegeben: Wer heute in Longevity-Start-ups investiert, ist kein normaler Investor. Nein, das sind geradezu todesmutige Risikokapitalgeber. Die Misserfolgsrate liegt in der Arzneimittelentwicklung bei 90 %. Das dürfte für die Longevity-Branche ähnlich gelten. Die restlichen 10 % aber haben es in sich. Wer vor der COVID-Pandemie in das Start-up BioNTech investierte, hatte einen Sechser im Lotto gezogen.

Allerdings: In der Investoren-Branche macht sich derzeit eine gewisse Longevity-Katerstimmung breit. Es ging auch seit 2013 einfach zu schön nach oben, um dauerhaft zu bleiben. Man schüttete Abermillionen in diese Hoffnungsbranche. 500 Millionen US-Dollar waren es 2013. 2021 dann satte 6,2 Milliarden US-Dollar. Im Jahr drauf kam mit Altos Labs ein mega Life-Science-Unternehmen an den Start, ich werde später ausführlich berichten. 3,2 Milliarden US-Dollar landeten allein hier! 2023 ging’s dann steil bergab. Wie überall. Die Investoren zogen sich auf die Warteposition zurück. Doch sollte dann irgendwann die erste Verjüngungstherapie Erfolge feiern, kehren sie umso freigiebiger zurück.

Abb. 1.1: Investitionen in Langlebigkeitsunternehmen. Hier schlug sich aber auch die Milliarden-Investition in Altos Labs nieder.

Die Investitionen in Langlebigkeitsunternehmen erlebten im COVID-Jahr 2021 ihren Höhepunkt. Forschung und Entwicklung im Bereich Gesundheit und Biotech standen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Seitdem zeigten sich Investoren zurückhaltender: Zinsen und Inflation stiegen, die geopolitischen Krisen taten das Ihre dazu.

Da Investoren naturgemäß über sehr viel Geld verfügen, werden Investitionen in Langlebigkeitstherapien auch für sie persönlich wohl von besonderem Interesse sein. Privatjet und Villa am See erhöhen zwar die Lebensqualität erheblich, doch ohne Gesundheit ist alles nichts. Also dürften Investitionen in ein gesundes, langes Leben Goldstandard sein. Der Claim »Reichster auf dem Friedhof« ist keine gute Anlagestrategie. Also sind »die Reichen« durchaus die Ersten, die das eine oder andere finanzielle Risiko wagen, um das, was sie erarbeitet haben, auch möglichst lange und fit zu genießen.

Wie – »die Reichen« könnten als Erste in den Genuss der neuesten, effizientesten Langlebigkeitstherapien kommen? Das geht ja gar nicht. Zwei-Klassen-Lebenserwartung! Verwerflich! Könnte schon sein. Wird auch immer wieder in der Berichterstattung adressiert. Doch wo ist die Alternative?

Da sind so einige »Reiche« sehr engagiert unterwegs. Google-Gründer Larry Page hat 2013 das Healthy-Longevity-Forschungs-Unternehmen Calico auf den Weg gebracht mit – unbekannter dreistelliger – Millionenfinanzierung. Jeff Bezos soll mit weiteren Investoren 3,2 Milliarden US-Dollar in das Verjüngungs-Start-up Altos Labs gepumpt haben, und Larry Ellison, Mitbegründer von Oracle, hat mehr als 330 Millionen US-Dollar für die Erforschung des Alterns und altersbedingter Krankheiten gespendet. Peter Thiel, Mitbegründer von PayPal, spielt mit in diesem Reigen der »big spender«: Er hat ebenfalls Abermillionen investiert, darunter über 7 Millionen US-Dollar in die Methuselah Foundation, eine gemeinnützige Organisation, die sich auf lebensverlängernde Therapien konzentriert.

Abb. 1.2: Einige wenige Berichte aus der großen Zahl hoher Investments in Longevity-Unternehmen

Ich finde das großartig! Die Langlebigkeitsforschung ist so aufwendig, komplex und finanziell hochriskant – keine öffentliche Hand könnte hier Investments verantworten. Ohne »die Reichen« keine neuen Therapien! Jetzt ist sogar das Königreich Saudi-Arabien in die Forschungsfinanzierung eingestiegen, mit einem enorm potenten Fonds, Hevolution sein Name. Hintergrund: Obwohl Saudi-Arabien eine junge Bevölkerung hat – im Schnitt gerade mal 31 Jahre alt –, sind Wohlstandskrankheiten wie Adipositas und Diabetes weitverbreitet, Alterskrankheiten die logische Folge. Man höre und staune: Mit rund einer Milliarde Dollar pro Jahr wird Hevolution die Langlebigkeitsforschung weltweit unterstützen.

Die 2021 gegründete Hevolution Foundation, mit Hauptsitz in Riad, Saudi-Arabien, ist eine gemeinnützige Organisation, die Forschung und Unternehmertum in den Gesundheitswissenschaften durch Zuschüsse und Frühphaseninvestitionen fördert, mit dem Ziel, die gesunde Lebensspanne der Menschheit zu verlängern und den Alterungsprozess zu verstehen. Unter anderem ist die Foundation, gemeinsam mit Unternehmer Peter Diamandis, Sponsor des hochkarätigen XPRIZE. Der Preis ist auf sieben Jahre ausgelegt und ist mit 101 Millionen Euro dotiert.

Der Geldsegen für die Forschung wird dringend gebraucht. Die Kosten für das Gesundheitswesen werden die Volkswirtschaften strangulieren, und das weltweit … wenn es nicht gelingen sollte, das Altern von der Krankheit zu befreien. Die Zukunftsdaten sind erdrückend. Ich sollte mich hüten, zu viele Zahlen in einem Text aufeinanderfolgen zu lassen. Ich wage dieses Zahlenfeuerwerk angesichts der Dramatik der Lage trotzdem. Es hat Gänsehautpotenzial!

Die Lebenserwartung der Menschen steigt weiter rasant an – und das weltweit, also auch und besonders in den Ländern mit geringen Einkommen. 1990 erreichten die Menschen auf allen Kontinenten im Durchschnitt ein Alter von 64 Jahren. 2019 waren es bereits 73 Jahre – und im Jahr 2050 soll es laut Prognose der UNO bei über 77 Jahren liegen. Allein in Deutschland wird die Zahl der über 65-Jährigen bis Mitte der 2030er Jahre um 25 bis 35 % steigen. Die Vorausberechnung geht davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt mindestens 20 Millionen Menschen in Deutschland 67 Jahre oder älter sein werden – etwa vier Millionen Menschen mehr als derzeit.

Abb. 1.3: Anteil älterer Menschen (65 Jahre und älter) an der Gesamtbevölkerung von 2019 bis 2050

Das weltweite Bevölkerungswachstum wird also nicht nur durch hohe Geburtenraten, sondern auch durch die weiter steigende Alterung befördert.Besonders in China explodiert die Zahl der über 65-Jährigen. 2050 werden dort über 395 Millionen von ihnen leben, deutlich mehr als heute die Gesamtbevölkerung der USA.Je älter, desto kränker. Die Healthspan – die Gesundheitsspanne, also die Zeit, in der wir gesund leben – wächst deutlich langsamer als die Lifespan, die Lebenszeit. Will heißen: Die Lebensverlängerung weltweit bringt den meisten Alten mehr Jahre und mehr Krankheit und Leid.Beispiel Krebs: In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Zahl aller neu auftretenden Krebserkrankungen bei über 80-Jährigen mehr als verdoppelt.Je älter ein Mensch wird, desto mehr Alterskrankheiten entwickelt er. Erschreckende 85 % der über 75-Jährigen haben mehr als eine Alterskrankheit wie Diabetes, Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankung, Arthrose etc. (Das nennt sich Multimorbidität, lateinisch für Mehrfacherkrankung.)

Abb. 1.4: Knapp 80 % der über 70-Jährigen in Deutschland leiden an mehr als zwei Alterskrankheiten, immerhin ein Viertel von ihnen kämpfen mit mindestens fünf Alterskrankheiten zugleich.

Mehrere Alterskrankheiten zu erleiden, hat zwangsläufig Polypharmazie zur Folge. Viele Erkrankungen werden mit vielen verschiedenen Therapien behandelt, und diese Therapien vertragen sich oftmals nicht untereinander. Über 75-Jährige haben statistisch das höchste Risiko von Arzneimittelwechselwirkungen, die die gesundheitliche Situation noch weiter verschlimmern können.Die Fortschritte in der Medizin, besonders auch in der Krebstherapie, sind enorm, die neuen Therapien aber auch enorm teuer. So explodieren mit der steigenden Zahl älterer Menschen die Kosten für das Gesundheitssystem. In Großbritannien gehen mehr als die Hälfte der Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte auf das Konto von älteren Menschen mit Multimorbidität. Sie verursachen schätzungsweise rund 70 % der Gesundheits- und Sozialausgaben. In den USA steigen die Gesundheitsausgaben so stark, dass sie laut Center for Medicare & Medicaid Services bis 2031 rund ein Fünftel der gesamten US-Wirtschaft ausmachen werden.

Abb. 1.5: Auch in Deutschland drohen die Kosten für das Gesundheitssystem die Gesellschaft in Kürze zu überfordern.

Die jungen Ärzte und Ärztinnen im deutschen Hartmannbund sehen sich mit einer Versorgungskrise im deutschen Gesundheitssystem binnen der kommenden fünf bis zehn Jahre konfrontiert – wegen der Alterung der Bevölkerung. Es drohten schlechtere Versorgung und »unkontrollierte Versorgungslücken«. Ein Vorstand der DAK sprach auf einer Tagung des Hartmannbundes davon, dass wegen der rasant ansteigenden Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung »erste Krankenkassen ins Trudeln« gerieten.In Japan ist die Gesellschaft bereits derart überaltert, dass im Jahr 2060 auf eine erwerbstätige Person ein über 65-Jähriger kommen wird. Dort entwickelt man bereits verschiedene Szenarien einer künftigen »Silberwirtschaft«, in der über 65-Jährige noch lange erwerbstätig bleiben können.

Ich könnte die Liste des Altersschreckens an dieser Stelle bis ins Unerträgliche verlängern. Georgina Ellison-Hughes, Professorin für Regenerative Muskelphysiologie am King’s College in London, hat das Dilemma unserer wunderbar wachsenden Lebenserwartung kühl auf den Punkt gebracht: »Die Zunahme der Lebenserwartung ist inzwischen zu einem ökonomischen und globalen Gesundheitsproblem geworden.«

Unsere herkömmlichen Gesundheitssysteme der Sickcare werden uns nicht nur gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich ins Verderben stürzen. Heilen, was im Alter kaputtgegangen ist, gleicht dem Heilen einer in tausend Stücke zersprungenen Glaskaraffe mit Alleskleber. Die Splitter passen nicht mehr perfekt zusammen, es fehlen einige … was die Karaffe löchrig werden lässt, und die ganze Konstruktion platzt an den verschiedensten Stellen wieder auf. Oder um ein anderes Bild zu bemühen: Alterskrankheiten erst dann zu bekämpfen, wenn sie auftreten, ist wie Rostschutzmittel über eine Rostlaube zu kippen. Sickcare muss umgehend durch Healthcare ersetzt werden, will heißen: Wir müssen verhindern, dass der Krug überhaupt zerspringen kann. Will weiter heißen: Die derzeit praktizierte Medizin und auch unsere Selbstfürsorge braucht einen kompletten Neustart an Haupt und Gliedern. Gesunderhaltung ist in allen Lebensaltern höchstes Ziel. Und wo altersbedingt erste Schäden erkennbar werden, wird sofort eingegriffen – bis hin zu Verjüngungstherapien.

Im jüngsten Bericht der Weltbank lesen wir das nüchtern wie folgt: »Die Weltbevölkerung altert in dramatischem Tempo, und viele Länder sind schlecht darauf vorbereitet, das Ausmaß und die Geschwindigkeit des demografischen Wandels zu bewältigen.

Die Weltbank ist bereit, Länder mit Wissen, Daten und der Finanzierung von Langlebigkeitsprogrammen zu unterstützen, um die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer erwachsenen Bevölkerung zu verbessern und Familien vor dem wirtschaftlichen Ruin zu bewahren.«

Was da an Schadensdiagnostik und -bewältigung bereits heute möglich ist, was wir alle tun können, um in den Driverseat der eigenen persönlichen Healthcare zu gelangen – und welche Therapien uns bald zur Verfügung stehen können, um unsere Healthspan zu verlängern –, das zeige ich in diesem Buch für Sie auf. Hunderte Start-ups, ganze Abteilungen der forschenden pharmazeutischen Unternehmen, universitäre Longevity-Institute auf dem gesamten Globus forschen und entwickeln, was das Zeug hält. Den Überblick zu behalten, fällt nicht leicht.

Wer sich einlässt auf diese schöne neue Welt der forschenden Longevity Community, wird süchtig. Täglich neue Studienergebnisse, Testberichte, überraschend neue Forschungsansätze. Alle mit dem hehren Ziel, den Alterskrankheiten ihren Schrecken zu nehmen, indem wir sie weitgehend eliminieren.

Was ist die Vision? Sollen wir allesamt 120 werden oder sogar 150? Wer bietet mehr? Der Biogerontologe Aubrey de Grey wirft gerne mal die 1000 Jahre Lebensspanne in die Luft. Biohacker Bryan Johnson will lebenslang 18 bleiben. Die seriöse Wissenschaft winkt ab. Gesunde 90 aber – das wäre doch ein Ziel! Und dann schnell sterben. Wie wir das von den Centenarians kennen. Gesund uralt – und dann binnen weniger Wochen adios! und weg.

Das mit den gesunden 90 scheint übrigens ein sehr populärer Traum zu sein. Das Gesundheitsresort Lanserhof hat im Jahr 2022 per repräsentativer Umfrage von 1000 Deutschen wissen wollen: »Wie alt willst du werden?« Die Antwort: rund 90 Jahre. Das ist einiges mehr, als die durchschnittliche Lebenserwartung derzeit verspricht: Für Männer beträgt sie rund 78 Jahre, für Frauen circa 83. Dieser kollektive Traum deckt sich in etwa mit dem der seriösen Alternsforscher. »Im Moment wäre das in Ordnung, wenn wir die Gesundheitsspanne um 5 bis 10 Jahre verlängern könnten, auch wenn das keine Auswirkungen auf die maximale Lebensdauer hätte, wäre das immer noch ein großer Sieg.«Brian Kennedy, Top-Wissenschaftler der Longevity-Szene und Professor an der National University of Singapore (NUS), Co-Direktor des Zentrums für gesunde Langlebigkeit, spricht hier für die deutliche Mehrheit der Longevity-Enthusiasten.

Der eine oder die andere mag frustriert sein. Die schillernde Hoffnung auf glückliche 120, 130 Jahre zumindest schmilzt dahin. Worauf fußt die seriöse Zurückhaltung der Alternsforscher, wieso weigern sie sich, uns den uralten Menschheitstraum vom, na ja, nicht ewigen, aber doch ultralangen Leben zumindest ein wenig näher zu bringen?

Sie fußt auf der eigenen wissenschaftlichen Leistung! Es sind die fantastischen Erkenntnisse der molekularbiologischen Alternsforschung, die uns Demut lehren. Leider haben wir es im Laufe der Jahre und des Alterns mit so vielen Schädigungen, schleichenden Systemstörungen, Rückkopplungsschleifen der Degeneration zu tun, dass allein schon der Versuch, dieses Chaos des Versagens systematisch zu ordnen, eine enorme Leistung ist.

2013 setzte Carlos Lopez-Otin mit seinem Systemansatz des Alterns, The Hallmarks of Aging, in der renommierten Fachzeitschrift Cell neue Maßstäbe in der wissenschaftlichen Diskussion, einer Diskussion übrigens, die bis heute anhält. Fast 300000 Artikel wurden zu diesen »Kennzeichen des Alterns« veröffentlicht. Die damals neun Kennzeichen des Alterns sind mittlerweile auf zwölf angewachsen und enthalten extrem komplexe Forschungsfelder wie »genomische Instabilität«, also die gigantische Vielfalt genetischer Schäden und ihrer Folgen, wie »mitochondriale Dysfunktion« (das Riesen-Schadensspektrum an Mitochondrien) bis hin zu der umfassenden Forschung an »chronischer Entzündung« (Inflammaging).

Abb. 1.6: Hallmarks of Aging – die Kennzeichen des Alterns

All diese Hallmarks of Aging gilt es in einen gesunden und jungen Zustand zurückzudrehen, um die 130, 150 zu erreichen. Muss das denn wirklich so kompliziert sein? Leben ist kompliziert, also ist Altern noch komplizierter? Das müssen wir heute tatsächlich so sehen. Leben ist kompliziert, weil es ein enorm intelligent gesteuerter Prozess des Wachstums, der Selbstregulation und Anpassung zum Zwecke der Arterhaltung ist. Altern selbst hat keinen evolutionären Vorteil. Altern kennt keine Programmsteuerung wie Kindheit, Jugend und Fortpflanzungsphase. »Altern wird als Ergebnis einer gutartigen evolutionären Vernachlässigung angesehen und ist erschreckend multifaktoriell«, so Brandon Milholland vom Albert Einstein College of Medicine. Was heißt das nun für uns und unsere Sehnsucht nach ewiger Jugend? Das bedeutet, dass sehr viel Forschung und Geduld erforderlich sein werden, bis sich erste Erfolge feiern lassen.

Schauen wir in Demut auf die Geschichte der Menschheit – und ihrer Lebenserwartung. Die lag über Jahrtausende hinweg bei durchschnittlich 30 Jahren, auch wegen der entsetzlich hohen Kindersterblichkeit. Hungersnöte und Infektionskrankheiten rafften die Menschen hinweg und waren Todesursache Nummer eins. Mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts setzte eine deutliche Verlängerung des Lebens ein. Hungersnöte wurden seltener. Um 1900 starben die meisten Menschen in den USA an Grippe, Todesursache Nummer zwei war Tuberkulose. Von da an bekam man die Infektionskrankheiten mehr und mehr in den Griff. In den Statistiken nach der Jahrtausendwende dominieren Herzkrankheiten, Krebs und andere Alterskrankheiten. Mit der höheren Lebenserwartung nahm auch die Zahl der gesunden Jahre zu. Doch genau dieser Trend scheint jetzt an seine Grenzen zu stoßen. Die Lebenserwartung steigt, aber mit ihr hält die Gesundheit der Alternden nicht Schritt. Die Zahl der kranken Alten wächst.

Abb. 1.7: Die Lebenserwartung steigt weltweit – aber auch die Zeitspanne der chronischen Alterserkrankung in der zweiten Lebenshälfte

Das Ziel der Longevity-Forschung: »15 bis 17 gesunde Jahre mehr« (Prof. Eric Verdin, CEOBuck Institute of Research on Aging) – und das innerhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung.

Könnte es vielleicht sein, dass die Spezies Mensch mit ihrer heutigen weltweiten durchschnittlichen Lebenserwartung von rund 73 Jahren ihr Langlebigkeitspotenzial schon recht weit ausgereizt hat? Jede Spezies, jede Art im Tierreich scheint genetisch über eine gewisse Spanne an Jahren zu verfügen. Und wir Menschen haben es bislang nicht über 122 Jahre gebracht. Rekordhalterin ist bis heute – zumindest was wir dokumentiert wissen – die Französin Jeanne Calment. Doch immerhin: Die Zahl der Uralten, der Centenarians und Supercentenarians, also der Hundertjährigen und über Hundertjährigen steigt stark an!

Abb. 1.8: Die Zahl der über Hundertjährigen weltweit wird nach Schätzung der Vereinten Nationen von rund 500000 im Jahr 2020 auf 16,4 Millionen im Jahr 2090 steigen.

Die deutsche Statistik zeigt: Allein von 2020 auf 2021 stieg die Zahl der über Hundertjährigen um 3000 an – auf über 23500.

Welche Bedeutung kommt hier der Longevity-Forschung zu? Dreierlei: Wundersame Jungbrunnentherapien wird es aufgrund der enormen Komplexität der Alterungsentgleisungen (also der molekularen Alterungsprozesse) nicht geben. Zweitens: Gerade weil Alterung einen so verrückten Dschungel an molekularbiologischer Disregulation darstellt, ergibt es sehr viel Sinn, nach den tiefen Wurzeln dieser Entgleisungen zu suchen. Derzeit wird in der Forschung ein epigenetischer Informationsverlust als Strippenzieher im Chaos der Alterung diskutiert. Der sogenannte epigenetische Shift hat den Ruf, der General-Übeltäter zu sein. Und drittens: Die Healthy-Longevity-Forschung ist so weit gediehen, dass sie innerhalb des Chaos unserer alternden Zellstoffwechsel-Funktionen bereits etliche Strategien ausgetüftelt hat, wie das Tempo des Verfalls deutlich gedrosselt werden könnte – wenn gezielt und individuell frühzeitig gegengesteuert wird. Die Devise lautet: Chaosvermeidung durch intelligente Stärkung der bestehenden Systeme. Den Prozess der sich gegenseitig verstärkenden und zerstörerischen Entgleisungen im Leben des Einzelnen möglichst weit nach hinten verschieben. Hat aber das Chaos erst das Steuer übernommen, wird die Sache ziemlich aussichtslos. Das spiegelt sich in der aktuellen »heillosen« Situation unserer Gesundheitssysteme wider.

Noch einmal zusammengefasst, weil so unendlich wichtig und elementares Umdenken erfordernd: Es geht in der Healthy-Longevity-Forschung und Entwicklung in erster Linie darum, die Systeme der »gesunden« Phasen unseres Lebens (also Jugend und frühes Erwachsensein) so zu stärken, dass Alterskrankheiten keine oder nur eine geringe Chance haben.

Vor diesem Hintergrund erscheint vieles, was derzeit an Schlagzeilen auf dem Longevity-Markt vagabundiert, als lächerlich. Buch- und Filmtitel wie The Last Generation to Die, The Age of the Immortals, The Death of the Death ordnen wir unter Science-Fiction ein. Zudem tun Titel wie diese der seriösen Alternsforschung keinen Gefallen. Denn sie liefern Stereotype, die der Longevity-Forschung nur dunkle Motive unterstellen. Allein die jüngste Fortsetzung des Blockbusters Avatar – The Way of Water bedient das Klischee der bösen Milliardäre und willfährigen skrupellosen Wissenschaftler auf unschöne Weise. Longevity wird gleichgesetzt mit abscheulichen Anti-Aging-Methoden. Auch in manchen Presseartikeln werden seriöse Healthy-Longevity-Forschung, Quacksalber, die Schlangenöl verhökern, und Etikettenschwindler in einen Topf geworfen und genussvoll mit einer Prise Häme verrührt.

Doch glücklicherweise ändert sich das – und zwar gewaltig. Wie so oft kamen die ersten Impulse aus den USA. Video-Podcasts von Andrew Huberman, Peter Attia oder David Sinclair legten die Spur, aktuelle Forschungsergebnisse zu Healthy Longevity greift sogar die BILD auf, meine Kolumne in der Apotheken-Zeitschrift MyLife findet Anklang, und meine Posts und Podcasts verfolgen Hunderttausende. Es zeigt sich: Sehr viele Menschen denken differenzierter. Sie erahnen die Chancen von Healthcare versus Sickcare und hoffen auf seriöse Durchbrüche in der Longevity-Forschung und -Praxis.

Da ist Druck im Kessel der Erwartung! Dass ein Vortrag zum Stand einer speziellen Verjüngungstherapie im Boston Convention Center einen solchen Zulauf hatte, dass die Polizei jede Menge Teilnahmewillige ausschließen musste, spricht Bände. Über das elektrisierende Vortragsthema von Juan Carlos Izpisua Belmonte, Direktor des Science Institute San Diego von Altos Labs, werde ich in diesem Buch berichten: über epigenetische Reprogrammierung, um enorm präzise gesteuerte Zell- und Organverjüngung.

Das ist ein wichtiges Kapitel in diesem Buch. Und auch die anderen Themen sorgen für Gänsehaut. Ich habe sie nach »Reifegrad« gegliedert. Diejenigen Entwicklungen, die als erste verfügbar sein könnten, sind auch die ersten im Buch. Hier stelle ich auch bekannte Wirkstoffe vor, zu denen wir heute frappierend neue Longevity-Erkenntnisse haben. Je tiefer die Therapien eingreifen in die menschliche Systemsteuerung, desto weiter hinten sind sie im Buch platziert – und umso mehr muten sie wie Science-Fiction an, im wahrsten Sinne des Wortes. Doch sie kommen der Sehnsucht der Menschen durchaus entgegen. Die Umfrage des Lanserhofs, die ich vorhin erwähnte, enthielt auch die schöne Frage: »Wenn Sie unendlich lange leben könnten, in welchem Alter würden Sie gerne sein?« Die Antwort war: 35. Um sich im Alter dahin zu verjüngen, braucht es wirklich sehr, sehr tiefgreifende Therapien!

Zum Schluss dieses Kapitels noch eine Bemerkung, die mir enorm wichtig ist: Die Healthy-Longevity-Forschung ist längst aus den Kinderschuhen heraus und auf dem Weg, eine wichtige Hilfe für die Menschheit zu werden. Deshalb braucht sie die Unterstützung der Öffentlichkeit, der Gesundheitsinstitutionen und der Politik. Es ist höchste Zeit, dieses Thema – zugegeben ein komplexes – dorthin zu tragen: in die Medien und dann vor allem in die Welt der Entscheiderinnen und Weichensteller, allen voran in die Welt der Politik, aber auch zu den Krankenversicherern. Wir hoffen auf offene Ohren und auf Strategien, um die Gesundheitssysteme in Healthcare-Systeme, in Präventionssysteme transformieren zu können.

Dazu braucht es Ärztinnen und Ärzte, Pflegende, Krankenhausadministration, Medizinstudierende etc., die interessiert sind, dieses neue Feld in ihre Arbeit zu integrieren. Das heißt auch Lust auf Fortbildung. Interessierten möchte ich das internationale Longevity Education Hub ans Herz legen. Dieser kostenlose Online-Kurs ist die erste zertifizierte Fortbildungsmöglichkeit für medizinisches Fachpersonal, aber auch für alle, die tiefer einsteigen wollen.

Und: Medizinerinnen und Medizinern sowie Führungskräften, die Healthy Longevity in Klinik und Praxis etablieren möchten, sei die Healthy Longevity Medicine Society ans Herz gelegt. Diese internationale Gesellschaft für Langlebigkeitsmedizin entwickelt Standards der klinischen Praxis aus der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft.

In Europa bietet das Geneva College of Longevity Science (GCLS) den ersten Online-Masterstudiengang an.

Nix Jungbrunnen, sondern Forschung mit Leidenschaft für eine Zukunft der lebenslangen Gesundheit – für alle, weltweit. Das ist die Devise! Was das im Einzelnen für jeden von uns bedeuten kann, erfahren Sie auf den nächsten 400 Seiten.

2. KAPITEL

GEROPROTEKTOREN: NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL, MEDIKAMENTE, HORMONE

WAS WISSEN WIR? WAS WIRKT WIE?

»Krankheiten befallen uns nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus täglichen Sünden wider die Natur. Wenn sich diese gehäuft haben, brechen sie unversehens hervor.«

HIPPOKRATES

Die eine Pille, die eine Injektion … Gut, es dürften auch mehrere sein, ganz viele sogar. Aber dann wird man jünger, bitte schön. Oder zumindest nicht älter. Tolle Idee. Sie könnte Lucas Cranachs Jungbrunnengemälde entstiegen sein, das immerhin aus dem Jahr 1546 stammt. Doch diese Idee ist so hübsch wie absurd: Einfach mal in mythische Brunnen zu tauchen, wird uns ebenso wenig verjüngen, wie ein paar Pillen einzuwerfen. Schade eigentlich, aber wie sollte denn auch die schleichende und extrem komplexe Deregulierung unserer genialen zellulären Intelligenz durch einige wenige »Interventionen«, also Behandlungen, aufzuhalten sein? Weder Jungbrunnenwasser noch Wunderpillen werden das je leisten können.

Ja, gibt es denn heute noch gar nichts? Keine Pille, keinen Wirkstoff gegen das Altern? Streng genommen gibt es noch nichts. Denn streng genommen heißt: klinisch nachgewiesen, von den peniblen Prüfbehörden wie FDA(U.S. Food and Drug Administration) oder EMA(European Medicines Agency) genehmigt und damit am Menschen so sicher wirksam wie etwa Cortison.

Trotzdem tummeln sich Hunderte »Anti-Aging-Produkte« auf dem Markt. Heute sagt man ja lieber »Longevity-Drug« dazu. »Anti-Aging« klingt dann doch zu sehr nach Schönheitswässerchen. Was ist also mit denen, mit den »Longevity-Drugs«? Welche lassen uns hoffen – und welche enttäuschen uns? Worum handelt es sich überhaupt? Um Vitamine, Medikamente, Aminosäuren, völlig neue Moleküle? Und welche Bezeichnung passt auf sie? Darum geht es in diesem Kapitel, und Sie ahnen: Es wird mehr als nur eine sein …

Wir durchforsten da einen Dschungel, und die Sache ist anspruchsvoll. Ich darf Sie nicht langweilen mit übertrieben langen Aufzählungen von Wirkstoffklassen, Tierstudien und Vermutungen zu möglichen Effekten. Es geht um Hunderte Substanzen, und über viele von ihnen wurde schon viel geschrieben. Auch ich habe in meinem Buch Verjüngung ist möglich unzählige Seiten mit der Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln gefüllt.

Es geht um klare Definitionen, um übersichtliche Gruppierung und weitestmögliche Bewertung, welche Wirkstoffe nach heutigem Stand der Forschung die Stars unter den Hoffnungsträgern sein könnten, vor allem: Welche neuen Stars kommen aus der Deckung? Doch es geht auch ums Weglassen. Wenn ich sämtliche Verbindungen, an denen geforscht wird, vorstellen wollte, würde das einen eigenen Wälzer füllen.

Starten wir also mit der Definition solcher Wirkstoffe … Was sollen sie leisten? Sie sollten auf jeden Fall unsere Healthspan verlängern, uns mehr gesunde Jahre schenken, möglichst bis ins hohe Alter hinein. Und wenn sie dann auch noch die Lifespan ein wenig erhöhen könnten, dann wäre das ein schöner Zusatzeffekt.

Damit sind wir bereits bei einer der Hürden, die bisher noch keiner dieser Hoffnungsträger überwinden konnte: Wenn wir nachweisen wollen, ob uns ein Wirkstoff wie – sagen wir – Rapamycin oder Resveratrol oder Nicotinamid-Ribosid vielleicht einige Jahre gesünder leben lassen kann, braucht es bekanntlich aufwendige klinische Studien. Die dauern Jahrzehnte und kosten Millionen. Wer mag da investieren, wenn all diese Wirkstoffe nicht patentierbar sind bzw. der Patenschutz ausgelaufen ist? Millioneninvestitionen in Studien zur Wirksamkeit von Substanzen, die dann jeder herstellen kann, ergeben keinen Sinn.

Dennoch: Institute, Institutionen forschen durchaus. Da sind Zehntausende an Zellversuchen im Reagenzglas, Studien an Versuchstieren, Unmengen kleinerer Tests und Übersichtsstudien an Menschen … die alle Hinweise geben, durchaus Aussagen ermöglichen. Aber eben nichts Hieb- und Stichfestes liefern, wie es die Prüfbehörden fordern.

Und um die Verunsicherung perfekt zu machen, haben die mächtigen Zulassungsbehörden »Alter« als therapeutisches Ziel noch gar nicht anerkannt. Könnte also beispielsweise wissenschaftlich korrekt, also mit perfektem Studiendesign nachgewiesen werden, dass beispielsweise Rapamycin in bestimmter Dosierung unsere Gesundheitsspanne um – sagen wir – fünf Jahre verlängern könnte, dann wäre trotzdem an eine offizielle Zulassung dieses Medikaments (über das ich natürlich später noch berichten werde) als Altersprävention nicht zu denken. Wenn Alter keine Krankheit ist, dann werden auch keine Medikamente dagegen geprüft, geschweige denn zugelassen.

Eine spannende Entwicklung gibt es da allerdings, die TAME-Studie: Targeting Aging with Metformin. Diese große, teure und langwierige Studie wird die erste sein, die ein Medikament testet – in diesem Fall ein Diabetes-Medikament. Der Test soll herausfinden, ob es mehrere Alterskrankheiten zugleich aufhalten und die Gesundheitsspanne verlängern kann. Da auch dieser Wirkstoff, Metformin, keinen Patentschutz mehr hat, finanziert hier kein Pharmaunternehmen, sondern Stiftungen und sogar die sonst so unzugängliche FDA. Sollte diese Studie positiv ausgehen, sprich nachweislich Altern verlangsamt werden können, dann würde ein breites Umdenken einsetzen. Nicht nur die Behörden müssten sich öffnen für die Zulassung von »Longevity-Drugs«. Auch die Gesundheitspolitik, die Krankenkassen müssten sich diesem neuen präventiven Ansatz öffnen – allen voran die Ärzte. Dazu später mehr.

Also: Wir sprechen hier über Wirkstoffe als Hoffnungsträger, die es unendlich schwer haben, ihre Wirksamkeit umfassend nachzuweisen. Was aber nicht heißt, dass sie Versager sind!

Klären wir wir erst, um welche Substanzklassen es überhaupt geht. Die wenigen Beispiele machten ja bereits klar: Es handelt sich …

um klassische Medikamente, an denen Effekte beobachtet wurden, die die Gesundheitsspanne verlängern könnten (Metformin, Acarbose, SGLT2-Inhibitoren, GLP-1 Agonisten, Rapamycin).um klassische Nahrungsergänzungsmittel, wie Vitamine, Mineralstoffe, Fettsäuren, von denen manche durch neue Studienergebnisse ins Spotlight der Wirksamkeit gerückt wurden (Vitamin D + Omega 3 z. B., aber auch Glucosamin und Chondroitin).um körpereigene Wirkstoffe, die wesentliche Steuerungsfunktionen haben und im Alter massiv verloren gehen (wie NMN, NR, NA, Coenzym Q10, Taurin, Spermidin, Kreatin, AKG u. a.).um pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel, von denen etliche bislang schlecht bioverfügbar waren, also kaum vom Dünndarm in die Blutbahn gelangten – und die nun mit neuen Verfahren viel leichter »durchrutschen« und damit Langlebigkeitseffekte liefern könnten (Astaxanthin, Resveratrol etc.).um menschliche Hormone, deren Schwund unsere Alterung beschleunigt und die »aufgefüllt« werden können (Östrogen, Testosteron, Melatonin etc.).

Wie nennen wir die jetzt alle, bitte schön? Sehr naheliegend: Sie sollen uns vor dem Alter schützen, also sind es Geroprotektoren! »Geron« ist altgriechisch und bedeutet »Greis«. Vor der Vergreisung sollen sie also schützen.

Wie viele von diesen Geroprotektoren geistern denn so in der wissenschaftlichen Forschung und Diskussion herum? So ganz genau sagen kann das niemand. Wer einen kleinen Eindruck gewinnen möchte, der schaue mal auf www.Geroprotectors.org, eine kuratierte Datenbank für Geroprotektoren, zu deren Projektleitern der namhafte Biotech-Unternehmer Alex Zhavoronkov zählt. Allein hier finden sich über 200 Wirkstoffe. Welche davon tatsächlich unsere gesunde Langlebigkeit befördern? Ich werde mich redlich bemühen, die herausragenden Hoffnungsträger zu würdigen, indem ich den aktuellen Stand der Forschung zusammentrage und bewerte. Glücklicherweise bin ich da nicht allein, denn ich konnte fünf Top-Fachleute zu deren Auswahl mitsamt Begründung befragen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die dieses Feld seit Jahren beforschen, ersparen mir die Qual der Wahl.

Aus Asien kam weitere Unterstützung: Im Frühjahr 2024 fand am Centre for Healthy Longevity der University of Singapore die erste internationale wissenschaftliche Konferenz statt, die sich »ausschließlich auf die Rolle von Nahrungsergänzungsmitteln als geroprotektive Interventionen« konzentrierte. Alles war vertreten, was auf diesem Feld Rang und Namen hat. Diese Konferenzergebnisse habe ich natürlich auch genutzt.

Mit welcher Wirkstoffklasse fange ich am besten an? Mit der umfangreichsten und im Spannungsfeld zwischen Hope and Hype seit Jahrhunderten im Köcher von Naturheilkundlern, Hildegard-von-Bingen-Fans, Ayurveda-Expertinnen und TCM-Anhängern (Traditionelle Chinesische Medizin):

PFLANZLICHE NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL

Können uns Pflanzenstoffe helfen, dem Alter ein Schnippchen zu schlagen? Zu den möglichen positiven Effekten von einzelnen sekundären Pflanzenstoffen liegen uns unzählige Studien vor. Allein Curcumin, der Wirkstoff der Kurkuma-Pflanze, darf sich über 18036 Veröffentlichungen freuen. Es scheint vor allem entzündungshemmend zu wirken, aber auch antioxidativ. Was allerdings antioxidativ im Zusammenhang mit pflanzlichen Wirkstoffen bedeutet, dazu später mehr. Resveratrol aus den Schalen von Weintrauben z. B. steht noch nicht lange im Fokus der Wissenschaft, kann aber immerhin auf 244 klinische Studien blicken. Und so entpuppt sich auch das Resveratrol als entzündungshemmend, antioxidativ und vielleicht auch als neuroprotektiv – also die Nervenalterung verlangsamend.

Ja verflixt, wenn so viele Studien vorliegen, wieso können dann nicht bestimmte pflanzliche Präparate klipp und klar als »Longevity-Drugs« gekennzeichnet werden? Wieso dürfen noch nicht mal gesundheitsfördernde Wirkungen auf den Packungen erscheinen? Weil – wie gesagt – die großen, Placebo-kontrollierten, randomisierten Doppelblindstudien am Menschen weder für Curcumin noch für Resveratrol noch für irgendeinen anderen pflanzlichen Wirkstoff jemals gemacht wurden. Also sagen die Arzneimittelgesetze: Niemand darf solche pflanzlichen Nahrungsergänzungsmittel mit dem Versprechen bestimmter Gesundheitswirkungen auf den Markt bringen.

In Placebo-kontrollierten, randomisierten Doppelblindstudien werden Teilnehmer zufällig in Gruppen eingeteilt, um entweder den zu untersuchenden Wirkstoff oder ein Placebo (eine unwirksame Substanz) zu erhalten, ohne dass Teilnehmende oder Forschende wissen, wer welche Behandlung bekommt. Diese Methode minimiert Verzerrungen und ermöglicht eine objektive Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung.

Also: Longevity-Effekte könnten zwar vorhanden sein, aber sie sind nicht eindeutig nachweisbar – es sei denn, jemand nimmt Abermillionen für diese großen klinischen Studien am Menschen in die Hand. Das heißt aber auch: Pflanzliche Wirkstoffe, für die wissenschaftlich relevant jede Menge Gesundheitswirkung entdeckt wurden, sollte man nicht »von der Bettkante schubsen«. Vor allem, weil die meisten Wirkstoffe keine Nebenwirkungen haben – und auch gecheckt wurde, welche Dosierungen verträglich sind. Klar gibt es auch hochgiftige Pflanzenstoffe, aber um die geht es hier natürlich nicht.

Doch Moment mal: Da sind doch auch »richtige« Arzneimittel auf dem Markt, die pflanzliche Wirkstoffe enthalten! Nehmen wir das Beispiel Inupret, das Kamillen-, Eibisch-, Schafgarbe-, Walnuss-, Löwenzahn- und Eichen-Extrakte enthält. Es ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte offiziell zugelassen. Im Europäischen Arzneibuch ist Inupret geführt als Mittel bei »ersten Anzeichen oder während einer Erkältung«. Aber … es darf nicht mit einer Heilwirkung geworben werden. Wieso denn das nun wieder?

Weil … und da haben wir’s wieder … die entsprechenden breiten Studien am Menschen nicht vorliegen, Aber: Dieses pflanzliche Arzneimittel ist ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel – nämlich seit mindestens 30 Jahren erfolgreich im Einsatz. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit basieren auf der Grundlage langjähriger Erfahrung. Und Erfahrung ist was anderes als eine Placebo-kontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie.

Und jetzt kommen wir zu des Pudels Kern: Was liegt näher, als sich die Hunderte sekundären Pflanzenstoffe anzuschauen, die studienseits bereits ein ordentliches Zeugnis ausgestellt bekamen … und sie besonders nach Longevity-Effekten zu bewerten? 

Sekundäre Pflanzenstoffe sind bioaktive Verbindungen, die Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten schützen sowie zur Farb- und Duftbildung beitragen. Ca. 100000 sind bisher bekannt, wovon etwa 8000 für den Menschen von Interesse sind. Gesundheitseffekte (gesichert): Blutdrucksenkung, Stärkung der Nervenzellfunktion Prophylaxe (wahrscheinlich): Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Krebsarten, Demenz, Adipositas, Arthritis, Osteoporose

Die »Longevity-Stars« unter ihnen brächte man dann in einen Healthy-Longevity-Cocktail zusammen. Heilserwartungen dürften nicht formuliert werden. Doch man könnte sorgfältig beobachten, ob dieser Cocktail positive Effekte zeigt – gegen den Alterungsprozess. Ob er uns evtl. energetisierter, widerstandsfähiger macht gegen Infektionen – oder auch klarer im Kopf. Dieser Cocktail wäre natürlich kein Medikament, auch kein zugelassenes traditionelles Arzneimittel, weil Longevity vor 30 Jahren als definiertes Ziel noch gar nicht existierte, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel (NEM) für Longevity. NEM unterliegen nicht dem Arzneimittelgesetz. Sie müssen zwar in Deutschland z. B. beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angemeldet werden, aber die Verantwortung für die Qualität liegt beim Hersteller. Stichproben von den Landesämtern gibt es, aber kein formelles Zulassungsverfahren.

Wenn wir uns nun aus den Tausenden sekundären Pflanzenstoffen die Hoffnungsträger für Healthy-Longevity-Effekte herauspicken wollen, braucht es seriöse Wissenschaftler, Breitband-Fachleute sozusagen. Er oder sie sollte ein erfahrener Mediziner sein, von Pharmakologie etwas verstehen, pharmazeutische Produktentwicklung sollte er oder sie auch können – und Healthy Longevity ein wichtiges Ziel sein. Ach so: Angesichts der Vielzahl der infrage kommenden Wirkstoffe sollte die entsprechende Person auch etwas von IT verstehen.

Genau einen solchen habe ich gefunden. Ein »er«. Doch es sind immer mehr Frauen auf dem Gebiet der Longevity-Forschung unterwegs. Das muss hier gesagt werden!

Dr. Wolfgang Brysch studierte Informatik in den USA sowie Medizin in Göttingen und Cambridge und promovierte in Neurobiologie am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie. Er leitete vier Jahre lang eine Forschungsgruppe in Molekularer Neuro- und Tumorbiologie am selben Institut. Anschließend wurde er Mitgründer und Manager mehrerer Biotech- und Pharma-IT-Unternehmen. Aktuell ist er Forschungsleiter in einem Biotech-Unternehmen, das sich auf die Entwicklung neuartiger Therapien gegen chronisch-degenerative (Alters-)Erkrankungen spezialisiert. Seit 15 Jahren beschäftigt sich Dr. Brysch auch intensiv mit der Wirkung von Naturstoffen auf Alterungsprozesse und die Förderung geistiger sowie körperlicher Vitalität. Er vertritt die Ansicht, dass die Prävention von Alterserkrankungen und die Verlängerung der gesunden Lebensspanne am besten durch einen ganzheitlichen Ansatz – eine Kombination aus gesunder Lebensführung, naturbasierter Supplementierung und fortschrittlichen altersmodifizierenden Medikamenten – erreicht werden kann.

DIE VERTRACKTE SACHE MIT DER BIOVERFÜGBARKEIT: WAS KOMMT WO AN UND WIE VIEL DAVON?

Bevor wir uns an Wolfgang Bryschs Langlebigkeitscocktail heranwagen, lassen Sie uns auf die Bioverfügbarkeit



Tausende von E-Books und Hörbücher

Ihre Zahl wächst ständig und Sie haben eine Fixpreisgarantie.