Was fühlt mein Hund? Was denkt mein Hund? - Nina Ruge - E-Book

Was fühlt mein Hund? Was denkt mein Hund? E-Book

Nina Ruge

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Beschreibung

Wie kann es sein, dass mein Hund erkennt, wann ich traurig oder wütend bin? Heißt das, er ist intelligent? Können Hunde Gefühle empfinden? Fragen, die sich wohl jeder Hundehalter schon gestellt hat und die auch Nina Ruge beschäftigen. Der Hunde-Verhaltensexperte Günther Bloch steht Nina Ruge Frage und Antwort rund um das Gefühlsleben der Hunde. Unterhaltsam und verständlich wollen Nina Ruge und Günther Bloch dem Rätsel der Hundeseele näher kommen und Ihnen zeigen, was Ihr Vierbeiner braucht, um glücklich zu sein. Zudem gibt Günther Bloch Tipps, wie Sie sich Ihrem Hund gegenüber verhalten können, um Missverständnisse zu vermeiden und eine harmonische Beziehung aufzubauen. Interviews mit Experten wie Dr. Silke Wechsung, Dr. Udo Gansloßer und Dr. Immanuel Birmelin erläutern Themen wie die Intelligenz der Hunde oder den Einfluss der Hormone auf das Gefühlsleben der Tiere. Ein modernes Layout und tolle Fotos machen dieses Ebook zu einem Muss für alle Hundebesitzer.

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Seitenzahl: 216

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Mein Hund, das unbekannte Wesen

Die Seele des Hundes

Wundertier Hund

Klar, Hunde müssen fressen, saufen und laufen. Aber sie wollen auch spielen, schmusen und lernen. Denn diese gefühlvollen Wesen haben ein weitaus facettenreicheres Seelenleben, als viele von uns vielleicht vermuten.

Dürfen sie ihre Persönlichkeit nicht ausleben, leidet ihre Lebensfreude.

Haben Hunde eine Seele?

NINA RUGE: So oft unsere Hunde auch herumtoben, liegen sie doch auch gerne einfach mal auf der faulen Haut. Heute Morgen zum Beispiel beobachtete ich unseren Entlebucher Sennenhund Lupo dabei, wie er ganz offensichtlich zutiefst zufrieden vor sich hin döste. Er sah so selig aus. Und schon schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Haben Hunde überhaupt eine Seele?

Ich begann zu grübeln: Was ist die »Seele« eigentlich rein wissenschaftlich gesehen?

Unterscheidet sie sich von Emotion und Psyche? Kann man diese Begriffe überhaupt voneinander abgrenzen? Oder entzieht sich die Seele jedem forschenden Instrumentarium? Meine Recherche im Internet brachte mich nicht viel weiter: »Im heutigen Sprachgebrauch ist oft die Gesamtheit aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge beim Menschen gemeint.« Aha. Scheinbar haben also nur Menschen eine Seele.

Weiter las ich, dass die Begriffe Seele und Psyche quasi ein und dasselbe beschreiben.

Ist »Psyche« also der wissenschaftlich definierte Abdruck der Seele? Na gut, die Seele als »Gesamtheit aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge« zu beschreiben, das ist zwar nicht wirklich wissenschaftlich, aber es gefällt mir. So kann ich die »Innenwelt« meiner Hunde wunderbar beschreiben, ohne mich mit lästigen Kategorisierungen aufhalten zu müssen. Und ich kann mit dem Brustton der Überzeugung sagen: Meine Hunde haben ein Seelenleben. Stimmt das?

GÜNTHER BLOCH: Ich persönlich halte gar nichts von der Behauptung, der Mensch wäre das einzige Tier mit Seelenleben. Dagegen sprechen allein schon die Erkenntnisse aus der Delfin- und Orkaforschung. Wer würde heute noch bezweifeln, dass diese hochintelligenten Meeressäuger ein Bewusstsein haben? Dasselbe gilt auch für Kaniden, wie unsere Haushunde, und, wie unsere neuesten Studienergebnisse zeigen, in besonderem Maße auch für Rabenvögel.

Die Gefühls- und Hirnforschung zeigt außerdem ziemlich eindeutig, dass viele Tiere emotionale Regungen verspüren. Ich persönlich halte es, wie meine Kollegin Elli Radinger und ich es ausführlich in unserem Buch »Affe trifft Wolf« beschrieben haben, sogar für sehr wahrscheinlich, dass der Urmensch Empathie, soziale Ethik und Moral einst vom Wolf gelernt hat. Allerdings weiß ich auch, dass ich mich damit rein naturwissenschaftlich wohl in einer Grauzone befinde.

Doch ich entgegne auf den Hinweis, dass es an beinharter Erkenntnis zum Thema Tierseele noch mangelt, gerne: Kann der Mensch wissenschaftlich belegbar beweisen, dass er eine Seele hat beziehungsweise dass Kaniden keine haben? Wohl kaum. Und daher plädiere ich wie in der Rechtswissenschaft: Im Zweifel für den Angeklagten.

Hunde wollen sich an uns binden. Wird dieses Verlangen nicht erfüllt, leidet ihre Seele.

Auch Tiere haben ein Bewusstsein

Allerdings ist »Seele« ja ein völlig abstrakter Begriff, der noch dazu oft ein stark religiöses und philosophisches Gewicht hat. Wissenschaftler sprechen deshalb lieber von Bewusstsein im weitesten Sinne. Die »Seele« eines Tieres würde somit die Gesamtheit seines verhaltensbiologischen und sozioemotionalen Repertoires bezeichnen, einschließlich der Frage nach seinen Absichten, momentanen Gestimmtheiten und Stimmungen. Kaniden sind zum Beispiel stets bemüht, mit allen Mitgliedern der Gemeinschaft, in der sie leben, zu kommunizieren.

Sie tun das zugleich auf sozialer als auch auf emotionaler Ebene. Die Tiere müssen schließlich nicht nur den sozialen Rang jedes Mitbewohners richtig einschätzen, sondern auch seine typischen Charaktereigenschaften oder das momentane Befinden. Nur so können sie beurteilen, ob ein Gruppenmitglied situationsbedingt schlechte Laune hat, ob es wütend, traurig, beleidigt oder freudig erregt ist. Genauso drücken Hundeartige ihr momentanes Befinden auf unterschiedliche Art und Weise aus, je nachdem, wie sie sich gerade fühlen.

Sobald sich Hundeartige untereinander und/oder mit uns Menschen beschäftigen, sind also immer auch Gefühle im Spiel.

Doch noch mal zurück zur ursprünglichen Frage: Ja, lassen wir die oben angeführte Definition der »Gesamtbefindlichkeit« gelten, haben Hunde durchaus eine Seele.

Endlich Zeit füreinander. Solch innige Momente genießen Mensch und Hund gleichermaßen.

Empfinden Hunde Gefühle wie Freude und Liebe?

NINA RUGE: Für mich steht außer Frage, dass unsere Vierbeiner unterschiedliche Emotionen kennen und durchleben. Und ich kann mich immer wieder nur darüber wundern, dass manche Menschen daran zweifeln. Dieses glückliche Jauchzen, wenn Lupo hört, wie sich der Schlüssel im Haustürschloss dreht. Wie er dann heransaust, sich auf den Rücken wirft, mit den Beinen strampelt, grunzt, quietscht und im Überschwang auch mal ganz hoch hüpft, obwohl er weiß, dass er das nicht darf. Das soll keine Freude sein? Niemals!

Ein anderes Beispiel: Sobald ich mich zu meiner Großen Schweizer Sennenhündin Vroni hinunterbeuge, schleckt sie mir hingebungsvoll den Hals. Sie knabbert zärtlich an meinen Händen, wenn ich ihren Kopf berühre. Rollt sich voll Wonne auf den Rücken und grunzt, damit ich ihr den Bauch massiere. Verdreht ihre Augen und gibt mir ein Bussi. Wie traurig schaut sie mich an, wenn ich dann wieder aufstehe und sie »verlasse«. Alles nur Einbildung?

Verklärung einer Hundenärrin? Niemals.

Das ist Liebe pur. Also, für mich steht fest: Hunde haben Gefühle. Und die ähneln unseren eigenen ganz gewaltig. Aber was ist, wenn ein Hund keine Möglichkeit hat, all diese Gefühle auch auszuleben? Wirkt sich dies nicht negativ auf sein Seelenleben aus?

Mensch und Hund sind über die Jahrtausende hinweg ein unschlagbares Team geworden.

GÜNTHER BLOCH: Da sind wir uns einig. Die Gefühlswelt der Hundeartigen ähnelt unserer eigenen enorm. Wir sollten uns diesbezüglich auch durch niemanden beirren lassen. Worüber man stattdessen diskutieren sollte, ist, wann, wie und in welcher Form hundliche Emotionen zum Ausdruck kommen. Damit muss sich jeder Hundehalter ernsthaft auseinandersetzen – und er tut dies am besten, indem er die körpersprachliche Gestik und Mimik seines Hundes im jeweiligen Verhaltenszusammenhang tagtäglich genau beobachtet.

Heute sprechen selbst angesehene Wissenschaftler wie Marc Bekoff, ehemaliger Professor für Ökologie und Evolutionsbiologie an der Universität von Colorado in Boulder, oder der holländische Zoologe und Primatenforscher Frans de Waal Tieren die Fähigkeit zu Mitgefühl, wie Trauer oder Versöhnungsbereitschaft, zu. Während letzterer vor allem über das Sozialverhalten von Menschenaffen, wie Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas forscht, galt das besondere Interesse Bekoffs schon früh Kaniden, wie Wölfen, Kojoten und Haushunden.

Nicht umsonst zählt auch das bekannte Standardwerk »Hundepsychologie« der Ethologin Dorit Feddersen-Petersen im Untertitel neben den Begriffen »Sozialverhalten«, »Wesen« und »Individualität« auch die Emotionen auf. Trotzdem bewegen wir uns in Bezug auf eine hundertprozentige naturwissenschaftliche Beweislage auf etwas dünnerem Eis. Nichtsdestotrotz: Ich persönlich halte es für mehr als abenteuerlich, das Gefühlsleben von Tieren auf ihr Instinkt- und Triebverhalten zu reduzieren, auch wenn das in einigen Teilen der »Hundeszene« durchaus üblich ist. Vor allem die Anhänger des Behaviorismus, also jenes Wissenschaftszweigs, der das Verhalten von Lebewesen ohne irgendeine Innenschau und Einfühlung beobachtet, lehnen jegliche tierische Emotion kategorisch ab. Ihre Begründung: Gefühle seien aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht zweifelsfrei nachweisbar. Das mag zwar sein, erscheint mir aber als »fachliche« Erklärung mehr als dürftig.

Die Körpersprache der Hunde ist diffizil. Man muss genau hinsehen, um sie zu verstehen.

Von den Wölfen lernen

Wenn meine Frau und ich versuchen, das Familienleben »unserer« Wölfe in all seinen Facetten akribisch genau zu dokumentieren, berücksichtigen wir immer auch den gesamten Kontext, in dem wir die gezeigten Verhaltensweisen beobachten, einschließlich der ausdrucksstarken, sehr nuancenreichen Körpersprache dieser Tiere. Summa summarum ist für uns entscheidend, was vor einer bestimmten Situation geschah und wie sich die Tiere im Anschluss daran verhalten.

Ich nenne hier einfach einmal ein beliebiges Beispiel: Ein Wolf mit einem Stock im Maul nähert sich einem anderen in tänzelnder Schrittfolge. Er legt den Stock ab, nimmt eine spieltypische Vorderkörpertiefstellung ein und fordert sein Gegenüber mittels extrem übertriebenen angedeuteten Bewegungen zum gemeinsamen Herumtoben auf.

Daraufhin packt mal der eine, mal der andere den Stock, rennt los und lässt ihn dann bewusst wieder fallen. Die Rollen von Jäger und Gejagtem wechseln mehrfach. Besitzanzeigendes Verhalten: Fehlanzeige. Die sonst üblichen Regeln des reinen Wettbewerbsverhaltens sind außer Kraft gesetzt.

Stattdessen haben die spielenden Wölfe ganz offensichtlich einfach Freude miteinander. Und das Gleiche gilt für Haushunde.

Anders sieht die Sache in Bezug auf deren emotionale Bindungsfähigkeit aus. Wölfe leben im Gegensatz zu Hunden monogam.

Es ist keineswegs unüblich, dass Wolfspaare über Jahre hinweg zusammenbleiben, bis einer der beiden stirbt. Ich würde mich in diesem Zusammenhang daher nicht scheuen, ganz bewusst von »Liebe« zu sprechen.

Ich bin davon überzeugt, dass Wolfseltern – wie wir Menschen – tiefe emotionale Bindungsbeziehungen eingehen und sich in diesem Verständnis regelrecht ineinander verlieben. Dagegen legen unsere Studien an Straßenhunden in Italien eher den Schluss nahe, dass bei wild lebenden Hundeeltern eine enge Paarbindung zwar durchaus eine Rolle spielt. Während der Paarungszeit jedoch verhalten sich die Hunde alles andere als monogam. Trotz alledem würde ich behaupten, dass auch Haushunden das positive Gefühl, sich zu verlieben, nicht fremd ist.

Emotionale Innigkeit fühlen auch sie.

Wölfe kommunizieren ständig miteinander, und Hunde tun das auch – mit ihresgleichen und mit uns.

Gefühle wollen gelebt werden

Und so komme ich zur letzten Frage, auf die ich eine klare Antwort geben kann: Jedes Hundeindividuum, das seine Emotionen und Gefühle im Zusammensein mit dem Menschen – aus welchen Gründen auch immer – nicht ausleben kann, leidet.

Einem solch bedauernswerten Hund fehlt nämlich etwas Entscheidendes zum seelischen Ausgleich: das sozioemotionale Verständnis. Kaniden fühlen sich nur dann »seelisch« wohl, wenn ihre Grundpersönlichkeit einschließlich all ihrer besonderen Fähigkeiten Anerkennung erfährt und nicht vonseiten des Menschen unterdrückt wird.

Je mehr diese Grundsatzregel der Persönlichkeitsrespektierung missachtet wird und je weniger sich eine Hundepersönlichkeit entfalten darf, desto stärker fallen etwaige Abweichungen von der »Verhaltensnorm« ins Gewicht. Während introvertierte Hunde sich in so einem Fall eher zurückziehen und still »leiden«, neigen extrovertierte Persönlichkeiten schnell zu »Protestverhalten«.

Wer seinen Hund als Persönlichkeit akzeptiert, schafft die Grundlage für eine tolle Beziehung.

Kennen Hunde auch negative Gefühle?

NINA RUGE: Wie wohl jeder Hundebesitzer habe ich schon beobachtet, dass Vierbeiner hin und wieder durchaus auch von »dunklen« Gefühlen übermannt werden.

Lupo beispielsweise kann sich richtig ärgern, und wie! Wenn wir beispielsweise zum Gassigehen in den Park aufbrechen, freut er sich wie ein Kugelblitz, dass er gleich rennen, spielen und toben darf. Aber was passiert stattdessen: An jeder Straße halten wir an. Mindestens zehn-, fünfzehnmal, ehe das Hundeparadies endlich erreicht ist. Das frustriert ihn natürlich. Und so bleibt er zwar an der Bordsteinkante brav stehen, bevor es über eine Straße geht, aber er bellt mich an und schaut vorwurfsvoll zu mir auf.

Ähnliches habe ich beobachtet, wenn ihm langweilig ist. Er entdeckt dann zum Beispiel ein Plüschtier auf der Fensterbank, hüpft hoch, packt es, rennt mit stolz erhobener Rute zu mir und hält mir seine Beute triumphierend unter die Nase. Was für eine Frustration, was für ein Ärger, wenn ich auf all seine Bemühungen lediglich mit einem kurzen »Nein« reagiere. Gleich geht es los mit dem Protestgekläffe.

Die Gefühlswelt unserer vierbeinigen Freunde ist nicht weniger ausgeprägt als unsere eigene.Sie empfinden wie wir Freude und Zuneigung, aber auch Sehnsucht, Eifersucht oder Trauer.

Ist Lupo etwa eifersüchtig?

Seine Eifersucht kann Lupo ganz offensichtlich genauso schlecht verbergen wie seine Wut. Rufe ich »Vroni«, kommentiert er dies mit einem bösen Kläffer. Beuge ich mich im Vorbeigehen kurz zu seiner »Schwester« hinunter, um ihr über den Rücken zu streicheln, kommt Lupo sofort angeschossen, zwängt sich dazwischen und schaut mich auffordernd an: »Ich bin die Nummer eins!

Erst ich, ich, ich!« Sogar die Kaustangen macht er ihr streitig, obwohl er diesen Dingern noch nie etwas abgewinnen konnte.

Aber wenn ich Vroni eine davon zustecke, klaut er sie ihr regelrecht unter der Nase weg, lässt sich triumphierend vor ihr nieder und kaut so begeistert, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt. Den Höhepunkt erreichte sein Neid ganz offensichtlich, als Vroni bei einem Fernsehabend zu mir an die Couch kam, um sich ein paar Streicheleinheiten abzuholen. Kaum ging ich auf ihren Wunsch ein, quietschte Lupo auf und verließ schmollend den Raum.

Was um Himmels willen soll das anderes sein als profane Eifersucht?

»Ich hab doch nichts getan.« Oft genügt ein Blick, um uns um den Finger zu wickeln.

GÜNTHER BLOCH: Wenn es um das Thema Eifersucht unter Hunden geht, frage ich mich immer, wie die ausnahmslos auf Instinkte und Triebe reduzierte Definition im Zusammenhang mit Menschen lauten würde? Ganz einfach: Man gönnt einem Mitmenschen nicht, was der gerade hat oder geschenkt bekam. Eine nüchterne Erklärung, für die es keiner stundenlangen Debatten bedarf. Aber sind wir deshalb einfach nur umherwandelnde »Instinktautomaten« ohne Emotionen? Natürlich nicht. Eine solche Behauptung würden wir entrüstet von uns weisen, oder? Warum aber sollte es bei Tieren anders sein – noch dazu bei sozial hoch entwickelten Säugern, wie es Hunde anerkanntermaßen sind? Nein, auch unsere Vierbeiner können sich über gewisse Dinge so richtig ärgern und verhalten sich damit nach unserem menschlichen Verständnis sehr wohl eifersüchtig.

Wir gehören zusammen: Hunde wollen sich uns anschließen und suchen unsere Nähe.

Auf Streit folgt Versöhnung

Die momentanen Eifersüchteleien sind aber nur die eine Seite der Medaille. Daher ist es wichtig zu überprüfen, ob der Hund nach einer kurzen egoistischen Phase im Umgang mit den vierbeinigen Lebensgefährten wieder aktive Bereitschaft zur Versöhnung zeigt. Dazu ein kleines Beispiel aus der blochschen Hundewelt: Wenn sich meine Owtscharka-Hündin Raissa nach einem kurzen Konflikt mit meinem Laika-Rüden Timber wieder verträgt und als eindeutig Ranghöhere sogar aktiv Bereitschaft zur Versöhnung zeigt, indem sie über Timbers Gesicht schleckt und ihm Körperkontakt anbietet – als was soll ich diese soziofreundliche Geste denn werten? Bei uns selbst würden wir diese emotionale Stimmungsübertragung wahrscheinlich sogar als ethischmoralische Bereitschaft für den guten Willen verstehen, sich wieder zu vertragen. Weil sich Hundeartige in einer exakt vergleichbaren Lebenssituation genau so verhalten wie wir – einschließlich der in diesem Moment ausgedrückten Gestik und Mimik –, sehe ich kein nachvollziehbares Gegenargument dafür, irgendeine anders lautende Begründung anzugeben. Die Hunde haben den Konflikt vergessen und wollen einfach wieder Frieden schließen.

Der Kontakt zu Artgenossen ist für Hunde lebenswichtig. Kein Mensch kann ihn ersetzen.

Gefühle regeln das Sozialgefüge

Bei den Wölfen ist es übrigens nicht anders: »Unsere« ranghohen Tiere zeigen nach einer sozialen Konfliktsituation aktive Versöhnungsbereitschaft gegenüber rangtieferen. Wozu sollte diese gefühlsbetonte Annährung gut sein, wenn es ausschließlich um Machtdemonstration ginge. Nein, ich bin überzeugt davon, die Tiere empfinden etwas gegenüber ihren Gruppengefährten.

Diese Gefühle regeln das Zusammenleben in einer Sozialgemeinschaft, sie sind ebenso verantwortlich für den Zusammenhalt innerhalb einer Familie wie für das Verhalten gegenüber Feinden. Aber nur weil man in einem Moment vielleicht einem anderen Beziehungspartner etwas nicht gönnt, heißt das noch lange nicht, dass man in Kanidenkreisen anschließend nicht bewusst Versöhnungsbereitschaft signalisieren kann. Dazu sind Wolf und Hund definitiv in der Lage.

Und genau deshalb halte ich es mit meinem großen Lehrmeister, dem kanadischen Verhaltensökologen Dr. Paul Paquet von der Universität Calgary. Wolf und Hund sind nach unserer übereinstimmenden Meinung auch sozioemotionale Lebewesen mit enormem Tiefgang. Basta!

Wie wirkt sich Trauer auf das Seelenleben aus?

NINA RUGE: Wahrscheinlich könnten uns unsere Vierbeiner gar nicht so nahe stehen, würden sie weder Freude, Liebe und Ärger noch andere Gefühle verspüren. Trotzdem erstaunt es mich, wie ähnlich sie uns sind, wenn sie trauern. Als Vronis Vorgängerin Simba 2011 schwer krank wurde, lebten wir alle in einem »Ausnahmezustand«, selbst Lupo. Ich war die meiste Zeit mit Simba in der Tierklinik. Wenn ich abends nach Hause kam, freute sich Lupo zwar, doch er freute sich in Moll. Anstatt wie sonst zu quietschen und sich vor Freude zu überschlagen, wedelte er nur zart mit dem Schwanz. Sobald ich mich hinsetzte, legte er sich auf meine Füße. Das tat er sonst nie. Lupo suchte überhaupt viel mehr Körperkontakt. Aber er zog sich auch öfter zurück. Er lag dann brav in seinem Körbchen oder verkrümelte sich in irgendeine Ecke.

Ich war mit den Nerven völlig am Ende, und Lupo war mein Held – er war einfühlsam, liebevoll und zurückhaltend.

Wenn ein Freund plötzlich fehlt, brauchen auch Hunde Zeit, den Verlust zu bewältigen.

Können Hunde depressiv sein?

Was mir aber zunächst gar nicht auffiel: Seit Simba in der Klinik war, fraß er nur noch ganz wenig, ließ den Kopf hängen, legte öfter mal langsame Schlurf-Phasen ein. Wäre er ein Mensch, hätte ich gesagt: Der ist depressiv! Heute, im Rückblick, denke ich: Sein »liebevolles« Verhalten mir gegenüber und meine eigene Fixierung auf Simbas Schicksal hat mich übersehen lassen, dass Lupo richtiggehend litt. Alles roch nach Simba – besonders ich, wenn ich von ihr kam. Vielleicht waren da auch Spuren der Krankheit zu erschnüffeln.

Nach Simbas Tod dauerte es einige Wochen, bis Lupo wieder der Alte war: energiegeladen, hungrig, versessen aufs Spielen. Aber auch dann hat er sich nie in Simbas verwaistes Körbchen gelegt oder ihr Lieblingsstofftier angerührt. Ich bin überzeugt: Lupo hat gelitten, hat getrauert, war phasenweise richtig depressiv. Er hat seine große kleine »Schwester« einfach sehr vermisst. Kann das sein?

In emotionalen Krisen ist ein starker Mensch dem Hund eine wichtige Stütze – und umgekehrt.

GÜNTHER BLOCH: Wie es aussieht, unterhielt Lupo nicht nur zu seinen menschlichen Sozialpartnern eine tief verwurzelte Freundschaft, sondern auch zu seiner vierbeinigen Beziehungspartnerin Simba. Daher sollte man seine Verhaltensveränderung als das deuten, was es ganz offensichtlich war: Lupo fühlte sich nach dem Tod von Simba unwohl. Er trauerte um einen lieb gewonnenen Vierbeiner, der genauso zur »Familie« gehörte wie er selbst.

Hunde lieben Nähe und zeigen das oft und gerne, indem sie ausgiebig kuscheln.

Trauer hat viele Gesichter

Das heißt nun nicht, dass alle Hunde trauern, wenn ein Gruppenmitglied stirbt. Entscheidend dafür ist, wie eng die Beziehung zwischen den beiden zu Lebzeiten war. Der Rang und das Alter dagegen scheinen keine Rolle zu spielen. So zeigen unsere Beobachtungen zum Beispiel, dass Wölfe um enge verstorbene Beziehungspartner trauern. Sie sind dann unruhig, »irgendwie schlecht drauf«, heulen leidvoll und suchen immer wieder diejenigen Orte auf, an denen einer ihrer vertrauten Familienangehörigen verstorben ist. Dabei verleihen die Tiere ihrer Trauer ganz offensichtlich auf verschiedene Art und Weise Ausdruck: Einige wirken regelrecht betroffen, andere fressen kaum noch. In manchen Fällen stimmt der zurückgelassene Lebenspartner oder sogar die ganze Familie in ein spezielles »Trauerheulen« ein, das sich nachweislich deutlich von dem sonst üblichen Heulrepertoire unterscheidet. Manchmal kehren die Überlebenden auch in unterschiedlichen Abständen zum Leichnam zurück und untersuchen ihn. Oder sie suchen immer wieder diejenigen Orte auf, an denen einer der Ihren gestorben ist. Ab und an sterben sogar weitestgehend gesunde Wölfe nach dem Verlust des Paarpartners auf unerklärliche Weise.

Und es gibt sogar Wolfsmütter, die ihre verstorbenen Welpen begraben – eine Handlung, die wir 2006 übrigens auch bei verwilderten Haushunden dokumentieren konnten: Eine Hündin, die wir Lilly nannten, hob eine Mulde aus, legte ihren toten Welpen dort ab und deckte die komplette Todesstätte minutenlang mit Laub ab. Als wir das filmten, standen uns die Tränen in den Augen. Das war Empathie pur.

»Ich habe oft beobachtet, dass Wölfe um ihre Partner trauern. Warum sollten Hunde das nicht tun?«

Der Zurückgebliebene leidet

Bei vielen unserer Haushunde ist es nicht anders: Wenn ein enges Gruppenmitglied stirbt – und dabei ist es erst einmal egal, ob es sich um einen Artgenossen oder einen Menschen handelt –, ist es nichts Ungewöhnliches, wenn der Hund ganz offensichtlich trauert. Gerade Rüde und Hündin können mit den Jahren eine sehr enge Paarbindung entwickeln, die jener zweier Leittiere in einer Wolfsfamilie ähnelt. Stirbt einer der beiden, trauert der Zurückgebliebene bisweilen mehrere Tage: Er nimmt dann kaum Nahrung zu sich oder frisst gar nicht und zeigt eine sehr »depressive« Körpersprache. Je nach Persönlichkeitstyp leidet er entweder still vor sich hin (introvertierter Typ) oder verhält sich insgesamt deutlich unruhiger als gewohnt (extrovertierter Typ).

Grundsätzlich würde ich daher sagen: Dass Hunde und Hundeartige nicht dazu in der Lage sein sollen, zu leiden, ist für mich einfach unverstellbar. Und erneut würde ich gerne hinzufügen: Man sieht es doch!

Hunde brauchen unsere Hilfe

Wir Menschen sollten uns in so einer Situation bemühen, den Alltag des trauernden Hundes weiterhin so zu gestalten wie bisher. Das gibt dem Tier seelischen Halt und hilft ihm, möglichst rasch über den Verlust hinwegzukommen.

Das Schlimmste wäre, wenn wir uns emotional völlig übertrieben verhalten und den Hund ständig bedauern würden. Dadurch könnte sich sein Leiden womöglich noch verstärken. In unserer Familie halten wir es jedenfalls seit Jahren so, dass wir nach dem Tod eines Hundes mit dem oder den Zurückgebliebenen besonders viel zusammen in der Natur unternehmen, längere Spaziergänge machen als sonst und viele andere Hunde treffen. Das lenkt die Tiere ab und hilft ihnen, rasch wieder zu emotionaler Stabilität zurückzufinden.

In der freien Natur kommen Hunde am ehesten auf neue Gedanken. Das hilft, Krisen zu überwinden.

Verändert sich das Wesen des Hundes mit den Jahren?

NINA RUGE: Ganz sicher ist es auch bei Hunden so, dass tragische Schicksalsschläge die Persönlichkeit deutlich prägen. Doch mir scheint, als würde sich ihr Seelenleben mit zunehmendem Alter auch auf ganz natürliche Weise stark verändern. Lupo zum Beispiel: Was hatten wir früher für Auseinandersetzungen. Heute dagegen leben wir in großer Harmonie. Abgesehen von den kleinen Ausflügen ins Umland, die Lupo ab und an heimlich startet, gehorcht er mir aufs Wort. Er sucht meine Nähe, kuschelt sich an mich und ist ein friedfertiger Kerl, der kein Wässerchen trüben kann. Als wir letztens nach über acht Stunden Autofahrt in Italien ankamen, ließ er sogar zu, dass eine hungrige Vroni ungestüm über seinen Futternapf herfiel. Nur ein Jahr zuvor hätte es dafür tierischen Zoff gegeben.

Die wunderbare Wandlung von Klein Lupo zum abgeklärten, erwachsenen, souveränen Rüden: Tritt mit zunehmender Lebenserfahrung eine persönliche Reife ein? Kann es sein, dass sich die Seele eines Hundes so sehr entwickelt, dass sich im Laufe der Jahre sein ganzes Wesen verändert?

GÜNTHER BLOCH: Dass sich die »seelische Verfassung« eines Hundes grundlegend ändert, glaube ich nicht. Mit dem Alter kommen halt die Erfahrung und Altersweisheit hinzu. Die Vierbeiner können einfach besser einschätzen, was Herrchen und Frauchen (oder auch andere Hunde) noch akzeptieren – und was eben nicht.

Dass Lupos Temperament im Erwachsenenstadium nicht mehr dem eines »Schnösels«, wie ich junge Tiere gerne nenne, entspricht, ist ganz normal. Und was Lupos Haltung gegenüber Vroni angeht: Das Wettbewerbsverhalten ist in der jugendlichen Entwicklungsphase, unabhängig vom Geschlecht des Hundes, deutlicher ausgeprägt. Als erwachsener Rüde verhält man sich üblicherweise gegenüber Weibchen geduldiger – und Lupo scheint mir auch so ein Gentleman vom alten Schlag zu sein. Wer mit einem Hundepaar lebt, beobachtet alsbald, dass sich das Weibchen einiges herausnehmen darf und dass ihr männlicher Lebensgefährte dies fast immer mit Geduld und Gelassenheit quittiert. Was bleibt ihm auch anderes übrig? Eine »zickige«, unzufriedene und schlecht gelaunte Beziehungspartnerin wäre die Alternative. Und die will kein Rüde.

Auch unsere Langzeitstudien an Wölfen belegen übrigens, dass Leitrüden ganz eindeutig weitaus »harmoniesüchtiger« sind als Leitweibchen. Wir haben beispielsweise in 21 Jahren Freilandforschung noch nie erlebt, dass ein männlicher Gruppenchef gegenüber seinem Nachwuchs Konflikte schürt oder sich nicht aktiv um ein harmonisches Gruppenleben bemüht hätte.

Können auch Krankheiten Hunde verändern?

NINA RUGE: Als Lupo eineinhalb Jahre alt war, rutschte er im Winter in einen Weiher.

Panisch paddelte er im eiskalten Wasser; nie zuvor hatte er versucht zu schwimmen, schon gar nicht in Halbgefrorenem. Ich vermute sogar fast, dass es auf der ganzen Welt keinen Hund gibt, der wasserscheuer wäre als Lupo. Und dann das! Angst und Schrecken machten ihn »blind«, und so strampelte er verzweifelt in die falsche Richtung und entfernte sich immer weiter vom Ufer. Erst nach endlosen Minuten reagierte er auf unsere Rufe, machte kehrt und krabbelte erschöpft aus dem kalten Wasser.

Lupo hat bei seinem kleinen Unfall so viel Eiswasser geschluckt, dass er eine schwere Magen-, Darm- und Bauchspeicheldrüsenentzündung entwickelte. Er hatte furchtbare Schmerzen, bewegte sich nur noch im Zeitlupentempo und magerte sichtlich ab.

Ein bemitleidenswertes Häufchen Elend.

Es dauerte lange, bis er wieder der Alte war. Nein, eigentlich wurde er nie wieder der Alte, der unbekümmerte, wilde »Was-kostet-die-Welt«-Filou. Er ist, neben seiner bis heute anhaltenden Empfindlichkeit von Magen und Darm, ruhiger und ernster geworden. Sein Vertrauen zu uns scheint gewachsen. Ich habe den Eindruck, dass er wahrgenommen hat, wie sehr wir uns um ihn kümmerten, und dass ihn diese Phasen der körperlichen Abhängigkeit verändert und noch stärker an uns gebunden haben.

Kann es sein, dass eine Krankheit die Seele des Hundes so sehr beeinflusst?

Wer sich geborgen fühlt, kann in Ruhe Kraft schöpfen und neue Energie tanken.

GÜNTHER BLOCH: Daran würde ich nicht eine Sekunde zweifeln. Wenn Sie in schweren Zeiten Hilfestellung geben, Empathie zeigen und sich sozioemotional fürsorglich verhalten, dann bringt Ihnen ein Hund Bewunderung entgegen. Das können auch wir Freilandforscher immer wieder beobachten.

Seit Jahren berichte ich von Wolfsfamilien, die kranke, verletzte oder auf andere Art gehandicapte Familienmitglieder so lange durchfüttern, bis sie wieder gesund sind. Wir haben Trauer unter Wölfen und verwilderten Haushunden ebenso auf Video dokumentiert wie aufopferungsvolles Zusammenstehen. Was wurden meine Frau Karin und ich belächelt, als wir vor zwölf Jahren zum ersten Mal das Alltagsverhalten von Wolfsmutter Aster beschrieben, die ihrem Sohn Yukon, der bei einem Verkehrsunfall stark verletzt wurde, wochenlang nicht von der Seite wich, bis die beiden wieder zusammen mit Tochter Nisha und dem Leitrüden Storm gemeinsam auf die Jagd gehen konnten. Wer so viel Liebe und Fürsorge erfährt, vergisst das nicht so schnell.

Gute Kontakte zu Artgenossen geben Halt – das gilt für Welpen und für ausgewachsene Hunde.

Vom »wilden« Wolf zum besten Freund des Menschen

Günther Bloch erforscht seit über 20 Jahren das Leben von Wölfen in freier Wildbahn und hat dabei so manche Parallelen zu unseren eigenen Verhaltensweisen entdeckt. Es scheint also gar nicht so abwegig zu sein, dass viele Menschen im Hund einen echten »Seelenverwandten« sehen.

Überspitzt formuliert könnten wir unseren Haushund als domestizierten Wolf betrachten. Vor allem sein Sozialverhalten gleicht in vielen Bereichen noch heute dem seiner wilden Ahnen. Ganz besonders deutlich wird das bei der Betrachtung des Sozialverhaltens von nordischen Rassen wie Grönlandhund, Huskie, Alaskan Malamut oder Samojede, die ja schon rein optisch ihren »Ahnen« am stärksten ähneln. Bedauerlicherweise sind sich die wenigsten Hundehalter dieses »Erbes« bewusst. Und tatsächlich mag die Vorstellung an eine direkte Verwandtschaft zwischen Hund und Wolf bei vielen Rassen auch schwer fallen – man denke nur an das ewige »Welpengesicht« des Mopses.