Verjüngung ist möglich - Nina Ruge - E-Book
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Verjüngung ist möglich E-Book

Nina Ruge

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Beschreibung

    Jünger werden - geht das überhaupt? Früher als uns lieb ist, sollten wir uns sensiblen Fragen des Alterns stellen: Ist das Tempo unseres körperlichen Verfalls in den Genen festgeschrieben – oder können wir deren Aktivität beeinflussen? Kann uns ein konsequent "verjüngender Lebensstil" tatsächlich gesünder altern lassen? Nina Ruge macht sich in ihrem neuen Buch auf die Suche nach diesem - wissenschaftlich abgesicherten - Lebensstil. - Wie sollte eine Langlebigkeits-Ernährung aussehen? - Welche Atemtechniken und welches Sportprogramm unterstützen unsere Zellfunktionen – auch schon in jungen Jahren? - Was schützt uns nachweislich vor Demenz? - Wie früh sollte man mit all dem beginnen?Das Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln ist extrem unübersichtlich. Welche von ihnen sind zuverlässig erforscht und unterstützen nachweislich unsere gesunde Langlebigkeit? Und wie sieht es mit Hormonersatztherapien für Frauen in den Wechseljahren aus? Schützen sie vor Alterungsprozessen, oder bewirken sie etwa das Gegenteil? Die Wissenschaftsjournalistin und Bestsellerautorin Nina Ruge nimmt uns mit auf ihrer Recherche zu all diesen Fragen. 25 international renommierte Experten, Mediziner und Wissenschaftler lieferten ihr den topaktuellen Stand der Forschung dazu – Dr. Dominik Duscher beleuchtet mit seiner fundierten Zweitmeinung das breite Spektrum der Erkenntnisse seiner Wissenschaftlerkollegen. Verständlich geschrieben, spannend wie ein Krimi – und vor allem: Mut machend!

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Seitenzahl: 478

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Impressum

© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Alexandra Bauer (textwerk, München)

Lektorat: Alexandra Bauer (textwerk, München)

Bildredaktion: Henrike Schechter

Covergestaltung: ki36 Editorial Design

eBook-Herstellung: Lea Stroetmann

ISBN 978-3-8338-7957-9

1. Auflage 2021

Bildnachweis

Coverabbildung: iStockphoto, Shutterstock

Illustrationen: Florian Hauer, www.bogatzki-inc.com

Fotos: Adobe Stock; Aumiller, S.; Bahr, S.; ddp images; DGE e. V., Bonn; Getty Images; GU (N. Olonetzky, N. Walsh); iStockphoto; Kempke, D.; Marthaler, G./ETH Zürich; mauritius images; MDC; Palmer, N.; privat; Rau, C.; Schlechter, H.; Schelbert, A.; Schmalz, M.; Science Photo Library; Shutterstock; Städel Museum, Frankfurt; Uniklinik Regensburg; Vivamayr; Weyrauch, C.; Your Photo Today

Syndication: www.seasons.agency

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Wichtiger Hinweis

Die Informationen in diesem Buch stellen die Erfahrungen und die Meinung der Autoren dar. Sie wurden von ihnen nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

AUF EIN GUTES LANGES LEBEN!

Altern ist eine Krankheit

»Alle Schranken sind bloß des Übersteigens wegen da.«

NOVALIS

»Wie könnt ihr nur! Ihr diskriminiert Abermillionen! Alte Menschen als ›krank‹ zu bezeichnen, ist mehr als eine Beleidigung. Das ist abscheulich!« Zum Glück kamen Reaktionen wie diese nur von solchen Lesern, die sich keine einzige Seite unseres ersten Buches Altern wird heilbar zu Gemüte geführt hatten. Alle anderen erkannten während der Lektüre schnell: Altern ist ein schleichender Prozess des Zellversagens, der leider, leider im Laufe der Lebensjahrzehnte in einigermaßen furchterregende Alterskrankheiten mündet.

Zellalterung ist also eine Krankheit, und zwar eine chronische, die in jungen Jahren beginnt – und geradezu »pandemische Ausmaße« annimmt. Sie erwischt jeden. Weil die Menschheit von Anbeginn mit diesem scheinbar unabänderlichen Elend leben und sterben musste, grenzt es für viele an eine Zumutung, neu zu denken, sich das geradezu Unvorstellbare auszumalen. Nämlich, dass diese Krankheit Zellalterung tatsächlich heilbar werden könnte. Welch fantastische Perspektiven tun sich auf!

DIE MAGISCHEN 120 JAHRE

»Wie könnt ihr nur! Ihr wollt der Natur ins Handwerk pfuschen, ihr strebt nach Unsterblichkeit!« – »Unverantwortlich ist das, in jeder Hinsicht!« – »Eine soziale Zumutung angesichts der Bevölkerungsexplosion, eine spirituelle Zumutung – und überhaupt illusorisch!« Da sind sie wieder, die Bedenkenträger. Doch keine Sorge. Unsterblichkeit ist nicht mein Thema. Deshalb werde ich in diesem Buch die magische Grenze unserer Endlichkeit auch gar nicht touchieren. Die rund 120 Jahre maximale Lebensspanne – von der schon das Alte Testament wusste – sind der Rahmen, in dem wir uns hier bewegen. Es deutet nach aktueller Studienlage viel darauf hin, dass das Wunderwerk unserer zellulären Stoffwechselintelligenz tatsächlich die magische 120 nicht überleben kann. Dennoch denkt und forscht die fortschrittseuphorische Wissenschaftselite der amerikanischen Westküste schon weit darüber hinaus.

Worüber ich berichten werde, das sind Möglichkeiten, unsere Zellen so gesund zu halten oder gesunden zu lassen, dass wir nicht nur die mittlere Lebenserwartung (Lifespan), sondern auch und besonders die gesunde Lebensspanne (Healthspan) deutlich erhöhen können. Was die mittlere Lebenserwartung betrifft, konnte die moderne Medizin enorme Erfolge feiern: Zumindest in unseren Breiten hat sie sich in den vergangenen 150 Jahren fast verdoppelt. Womit sich allerdings auch meist das Leiden am Ende des Lebens verlängerte. Bei 85-jährigen Männern werden im Schnitt vier Alterskrankheiten diagnostiziert, bei 85-jährigen Frauen sind es sogar fünf. Das Spektrum dieser Multimorbidität (Mehrfacherkrankung) ist bekannt. Es reicht von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Arthritis bis hin zu Krebs und Alzheimer-Demenz. Der verwegene Gedanke, den bislang nur wenige ernsthaft verfolgen wollten, lautet also: Wie wäre es, wenn wir die Zellgesundheit schon weit vor Eintreten der Alterskrankheiten so stärken, dass wir – im Idealfall – die 120 Lebensjahre gesund erreichen? Undenkbar?

Gesund ein hohes Lebensalter erreichen

Wenn wir uns weiter in den klassischen therapeutischen Bahnen bewegen, dann haben wir tatsächlich keine Chance, gesund älter zu werden. Die Statistik entmutigt uns hier gründlich. Könnten beispielsweise mithilfe neuer medizinischer Verfahren sämtliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermieden werden, dann würde die heutige mittlere Lebenserwartung um rund 1,5 Jahre steigen. Um nur (!) 1,5 Jahre. Wäre es dem medizinischen Fortschritt möglich, alle Krebserkrankungen zu heilen, dann würde sich unsere mittlere Lebenserwartung um weitere 2,1 Jahre verlängern. Um nur (!) 2,1 Jahre. Dem Ziel der gesunden 120 wären wir damit nur wenig näher gekommen.

Wieso? Weil wir die Symptome des Alterns kurieren, nicht aber die Krankheit Alter selbst. In dem Grundlagenbuch Altern wird heilbar haben wir die fürchterlich vielfältigen Entgleisungen unseres Zellstoffwechsels auf 352 Seiten beschrieben. Alle drei lebensnotwendigen Grundkompetenzen unserer Zellbiologie, die an Komplexität und filigraner Systemsteuerung auch von künstlicher Intelligenz kaum zu übertreffen sein dürften – nämlich Zellerneuerung, Energieversorgung und Entgiftung –, stolpern früher oder später in eine Versagenskaskade, die dem Gesamtkunstwerk Mensch die Lebenskraft entzieht. Wenn die Krankheit Alter sich erst einmal breitmachen konnte in unserem Zellgeschehen, dann hat das leider fatale Folgen. Vor allem, sobald die Selbstheilungs- und Reparatursysteme betroffen sind. Eine der vielen daraus resultierenden Krankheiten heilbar zu machen, hilft vielleicht dem einzelnen Patienten. Doch ein langes Leiden in der letzten Lebensphase wird es den meisten von uns nicht ersparen.

DAVID A. SINCLAIR, einer der international bekanntesten Alternsforscher, Co-Direktor des Paul-F.-Glenn-Zentrums für Biologie des Alterns und Professor für Genetik an der Harvard Medical School, liebt es, seine Studenten mithilfe eines »Old Age Simulation Suits« zu erschrecken. Er lässt sie in seinen Vorlesungen in diesen Anzug schlüpfen, um recht drastisch das Elend des Altseins am eigenen Körper zu erfahren.

Bleigewichte machen den Körper beim »Old Age Simulation Suits« schwer und unbeweglich, Bandagen versteifen die Gelenke, Kopfhörer mit Schallschutz erschweren das Hören, eine dunkle Brille nimmt die Sicht.

Was also bitte schön tun, um dieser furchtbaren Krankheit namens Alter zu entkommen? Immerhin zeigt die Statistik, dass über Hundertjährige, die weitgehend gesund sind, am Ende meist ohne langes Siechtum sterben. Das wäre doch ein hehres Ziel der Alternsforschung und -therapie, oder? Und so viel Trost darf sein: Wir sind bereits auf dem Weg – und oftmals weiter, als landläufig vermutet. Die Langlebigkeits- oder Longevity-Forschung hat in den letzten Jahren so faszinierende Erkenntnisse errungen und überraschende Erfolge gefeiert in Molekularbiologie, Biochemie und Genetik, dass die Entwicklung von Präparaten, Medikamenten und Therapien für eine Verbesserung der Longevity derzeit explodiert.

»Altern wird heilbar«, das ist das Credo, das Wissenschaft und Geschäftssinn zu Höchstanstrengungen treibt. In den Forschungslaboren herrscht absolute Goldgräberstimmung. Merrill Lynch, eine für Investmentbanking zuständige Tochtergesellschaft der Bank of America, zählt Firmen, die an Technologien und Medikamenten zur Lebensverlängerung arbeiten, zu den interessantesten Kapitalanlagen. Allein bis 2025 werde sich dieser Markt auf ungefähr 600 Milliarden Dollar verfünffachen. Und im Ranking der wachstumsstärksten Forschungsfelder listet die Citygroup 2018 die Longevity-Medizin auf Platz zwei – sogar noch vor dem autonomen Fahren und 5G.

Es macht also durchaus Sinn, sich dieses brandaktuelle Thema jetzt schon zu eigen zu machen. Was heute bereits verfügbar ist an Erkenntnis und Präparaten, um uns zumindest ein wenig der gesunden 120 näher zu bringen – alles Wesentliche zum aktuellen Stand erfahren Sie in diesem Buch.

DER Anspruch: seriös und transparent

So viele Leser hatten nach der Lektüre des Grundlagenbuchs Altern wird heilbar geradezu flehentlich angefragt, ob wir nicht einen praktischen Leitfaden liefern könnten, der ihnen die aktuell greifbaren Möglichkeiten auflistet, wie wir denn nun gesund richtig alt werden können – sozusagen eine Jungbrunnen-Liste des 21. Jahrhunderts. Dieses Buch will genau diese Jungbrunnen-Liste sein, und das mit dem Anspruch der absoluten Seriosität. Was Ihre Hoffnungen auf einen ultimativen Power- und Verjüngungscocktail leider zunichtemacht.

Das Anti-Aging-Business hat sich in manchen Bereichen durchaus so sehr ins Halbseidene entwickelt, dass seriöse Anbieter ganz offen vom »Cowboy-Markt« sprechen. Sündteure Therapien, Nahrungsergänzungsmittel, Stammzellenwunder, leider zu hundert Prozent fragwürdig – weil von keinerlei wissenschaftlicher Expertise geküsst, aber in fantastische Worthülsen verpackt –, fluten seit Langem das Internet und führen nicht nur zu heilloser Verwirrung, sondern zu berechtigtem Misstrauen. Deshalb habe ich jetzt eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie.

Es gibt keinen Instant-Jungbrunnencocktail für alle

Die gute Nachricht ist: Ich habe mich – genauso wie für die Recherche des Grundlagenbuchs – ausschließlich auf wissenschaftlich fundierte Ergebnisse gestützt. Und deshalb die schlechte Nachricht: Den ultimativen Longevity-Powercocktail kann ich Ihnen leider nicht liefern. Ich fürchte, derzeit ist niemand dazu in der Lage. Zum einen ist klar: Longevity-Medizin kann nur als individualisierte, ultrapersonalisierte Medizin optimal und erfolgreich sein. Da gibt’s sowieso keine Einheitsgröße, kein »one size fits all«.

Zum anderen hat es eine Explosion – also die der Forschung und Entwicklung von Longevity-Therapien – so an sich, dass sie einigermaßen chaotisch abläuft. Und das heißt, es tut sich ein großartiges Spektrum an Studienergebnissen auf, die genau das spiegeln, was Forschung so anstrengend macht: Sie widersprechen sich. Besonders sensibel ist immer wieder die Frage, wie sehr und ob man überhaupt spektakuläre Effekte, die man im Tierversuch erzielt, auf den Menschen übertragen kann. Prof. Martin Smollich, Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, bringt das Dilemma cool auf den Punkt: »Menschen sind doch keine Mäuse.« In manchen Veröffentlichungen erhält man allerdings einen anderen Eindruck. Zumal die Forscherelite in den USA viel stärker durch ausgeprägten Geschäftssinn auffällt als die hiesige in Europa. Dieser zeigt sich an werbekräftigen, stark vereinfachenden Pressemeldungen genauso wie an mutigen Forschungsansätzen, für deren Finanzierung hohe Erwartungen geweckt werden müssen. Die Folge: In den USA sind sowohl universitäre Forschung als auch Pharmaindustrie und Start-ups oft schneller und mutiger in der Entwicklung – und manchmal eben auch im Scheitern.

Die Longevity-Pyramide nach Dr. Dominik Duscher

Forschung ist immer im Fluss

Fakt ist: Auf der Suche nach den »Langlebigkeitseiern« des Kolumbus streitet die Forschung, ringt man miteinander und widerspricht einander in atemberaubender Kakofonie. Das ist ganz normal in einem Forschungsprozess, der irgendwann einmal in ein Milliardengeschäft münden wird. Für denjenigen, der unbedingt jetzt den »ultimate longevity cocktail« haben will, ist das frustrierend. Wie löse ich also diesen Zielkonflikt: »ultimate cocktail« auf der einen, Seriosität und tatsächlicher praktischer Nutzen auf der anderen Seite? Die Antwort heißt: Transparenz und Eigenverantwortung. Anders geht’s nicht.

Das Buch bietet Ihnen daher so transparent wie möglichden topaktuellen Stand der wissenschaftlichen Studienlage zu vermutlich hilfreichen Wirkstoffen und Therapien, basierend auf zahlreichen Experteninterviews und umfassender Recherche. Damit tut sich ein faszinierendes Wissensspektrum auf, das auf seine Wirksamkeit hin bewertet werden muss: Was hilft uns ganz praktisch und nebenwirkungsfrei, gesund älter zu werden – und was eher nicht? Um diese Frage zu beantworten, werde ich Vielversprechendes kennzeichnen, Vermutungen als Vermutungen adressieren und Widersprüche offenlegen.

Dr. Dominik Duscher? hat die Verjüngungsstrategien als Pyramide mit drei Ebenen definiert. Auf dem Weg nach oben in Richtung Pyramidenspitze verschatten sich die Zuverlässigkeit und die Menge an validierten Daten zunehmend, sprich: Auf der breiten Ebene der Lebensstilempfehlungen hat man jahrzehntelange Erfahrung – und kombiniert mit den jüngsten Forschungsergebnissen, können viele Aussagen als gesichert gelten.

Bei der zweiten Stufe der Nahrungsergänzungsmittel sieht das schon anders aus. Manches, wie Vitamin D zum Beispiel, können wir als wichtigen Joker für gesunde Langlebigkeit setzen. Anderes, wie etwa NAD+ beziehungsweise NR, gilt als starker Hoffnungsträger, ist aber noch nicht wissenschaftlich bis ins Letzte garantiert.

Im Laufe der Recherche zu den künftigen Medikamenten und Therapien an der Pyramidenspitze – also zu dem, was beispielsweise jetzt schon an hocheffizienten Stammzellentherapien möglich ist, bis hin zu dem atemberaubenden Spektrum an Biotech-Forschungs- und Entwicklungsprojekten der Zukunft – verwandelte ich mich zunehmend in Alice im Wunderland. Was sich dort in der Pipeline der Start-up-Entwicklungsabteilungen befindet, das ist so phänomenal, so neu – und eventuell auch genauso riskant: Das muss ein eigenes Buch werden. So stelle ich Ihnen auf den 416 Seiten dieses Buches also die Langlebigkeitsstrategien vor, die Sie hier und heute erfolgreich und problemlos selbst realisieren können. Die vielleicht riskanteren Möglichkeiten von morgen folgen im nächsten Band. Das hätte den Rahmen dieses Projekts schlicht und einfach gesprengt. Und so habe ich mich jetzt schon mal – sozusagen im Selbstversuch – einer Stammzellentherapie der neuen Generation unterzogen, um über das Ergebnis dann im Folgebuch berichten zu können …

Womit wir auch gleich schon beim Thema Verantwortung wären. Ich liefere Ihnen nach bestem Wissen und Gewissen den Überblick zu Risiken und Chancen von sehr, sehr vielem, was sich auf den ersten beiden Stufen der Pyramide der Langlebigkeit derzeit tummelt – und Ihnen kommt die eigenverantwortliche Aufgabe zu, abwägend auszuwählen. Am besten natürlich mithilfe professioneller ärztlicher Beratung.

Das Wunder unserer zellulären Intelligenz

Bevor wir sie gleich erklimmen, die Pyramide der Langlebigkeitstherapien, braucht es sicher noch den kurzen Überblick über das, was wir nachhaltig stärken wollen in unseren rund 30 Billionen Körperzellen: die drei Zellkompetenzen. Hier also eine kurze Einführung in die Wunderwelt unserer phänomenalen zellulären Intelligenz. Der kühne Grundgedanke ist dabei: Wenn wir der Fülle der komplexen Alterungsprozesse bis auf Zellebene auf die Spur kommen, wenn wir die Geheimnisse der Grundmechanismen des Alterns lüften, dann eröffnet sich die Chance, den Hauptschalter umzulegen Richtung gesunde Langlebigkeit – ja, sogar in Richtung Verjüngung!

Dominik Duscher forscht als Regenerationsmediziner seit Jahren exakt an dieser Verheißung. Und so war es seine Idee, die enorme Kompetenz unserer Zellen, die uns gesund hält – oder eben krank macht, wenn sie schwindet –, auf ihre drei essenziellen Fähigkeiten zurückzuführen und damit greifbar, verständlich zu machen. Alles hängt von ihnen ab, von den drei Zellkompetenzen Erneuerung, Energieversorgung und Entgiftung. Wenn es uns gelingt, diese drei Zellkompetenzen systemisch, also von Grund auf zu stärken (und das würde bedeuten: im Großteil unserer 30 Billionen Körperzellen), dann könnten wir das Übel »Altern« durchaus an der Wurzel packen! Betrachten wir daher kurz diesen Dreiklang unseres Lebenselixiers.

Zellkompetenz Erneuerung

Diese Zellkompetenz ist unser Runderneuerungssystem. Schier unvorstellbare 50 Millionen Zellen tauscht es in unserem Körper aus – pro Sekunde! Ein unglaubliches Gewusel, und wir merken nichts davon! Fantastisch. Permanent schuftet in uns ein genialisches Reparatursystem, das Zellen, die ihren Dienst getan haben, aussortiert und sofort Ersatz zur Verfügung stellt. Dieses System ist so umfassend organisiert, dass es binnen sieben Jahren so gut wie sämtliche Körperzellen ausgetauscht hat. Wohlgemerkt, es geht um rund 30 Billionen … Binnen zwei Jahren wird die Leber komplett erneuert, binnen zehn Jahren unser gesamtes Skelett. Grundsätzlich gilt es also, die zelleigenen Reparatursysteme zu unterstützen, damit die gigantische Zellteilungsleistung dauerhaft ohne große Schäden weiterlaufen kann.

Einige Zellen allerdings rührt das System nicht an oder nur sehr, sehr behutsam: Nervenzellen, Herzmuskelzellen, Sinneszellen von Auge und Ohr zum Beispiel. Sie altern unerbittlich. Da gibt’s nur wenig oder sogar keine nachwachsende Jugend. Die Kompetenz Erneuerung zu stärken, das wäre vor allem für diese Zellen elementar. Die große Herausforderung lautet daher: Wie schafft man es, ihr Altern zu verhindern?

Besondere Aufmerksamkeit sollten wir auch denen zollen, die in der zweiten Reihe stehen für die gigantische Ersatzteilleistung – und das sind die Stammzellen. Diese Armee besteht zwar immerhin aus Abermilliarden Kämpfern für die Reparatur, für den Ersatz von ausgefallenen Kameraden, doch leider, leider: Diese GSG 9 für den Gesundheitsschutz altert selber auch. Sprich: Wollen wir die Zellkompetenz Erneuerung erhalten, dann müssen wir uns besonders um die Gesundheit der Stammzellen kümmern. Und wir müssen die Zombiezellen vernichten. Das ist eine Sorte unerwünschter Kandidaten, die im Alter in erheblichen Mengen in unseren Organen und unserem Blut vagabundieren. Sie leben, aber sie streiken. Sie führen einfach keinerlei Aufgaben mehr aus, die ihnen aufgetragen wurden. Im Gegenteil. Sie entzünden Gewebe und stecken mit diesem Gezündel auch noch andere Zellen an. Wollen wir die Zellkompetenz Erneuerung stärken, müssen wir diese Untoten unerbittlich und endgültig ins Jenseits befördern.

Also, da gibt es noch viel mehr zu tun – und weltweit sind Forschungsgruppen fieberhaft dabei, Wege aufzuzeigen, wie wir unsere zellulären Reparatur- und Erneuerungssysteme geschmeidig am Laufen halten können. Was Sie selbst dazu tun können, Tag für Tag – das finden Sie in den weiteren Kapiteln des Buches.

Zellkompetenz Energieerzeugung

Nichts läuft in unserem Körper ohne unsere fantastischen Kleinstkraftwerke, die Mitochondrien. Je mehr Energie eine Zelle verbraucht, desto mehr Mitochondrien besitzt sie normalerweise. Eine Herzmuskelzelle hat um die 5000 dieser Kleinstkraftwerke an Bord. Nervenzellen, Leberzellen, Sinneszellen sind ebenfalls fantastisch bestückt. Sehr ungünstig allerdings ist die Tatsache, dass Mitochondrien bereits bei 25-Jährigen an erstem Leistungsschwund leiden. Was das für unsere Fitness bedeutet, wird vielleicht besonders drastisch klar, wenn wir die Menge an Mikrobatterien, das Adenosintriphosphat (ATP), betrachten, die unsere Mitochondrien pro Tag zu produzieren haben, damit sie sämtliche Lebens- und Stoffwechselvorgänge am Laufen halten: In Kilogramm gewogen produzieren die Mitochondrien in etwa so viel ATP, wie wir wiegen. Im Ruhezustand, wohlgemerkt. Wenn wir Sport treiben, wird’s noch deutlich mehr. Dieses gigantische Energieversorgungssystem neigt nun leider dazu, recht früh zu schwächeln, deshalb werden wir alles dafür tun, die Mitochondrien fit zu halten, auch wenn’s halt Abermilliarden sind, oder? Die Zellkompetenz Energieerzeugung muss so krisenfest werden, dass ein Blackout quasi unmöglich wird. Bleiben Sie also dran …

Zellkompetenz Entgiftung

Die unglaublich ausgeklügelten Entgiftungssysteme unserer Zellen sind noch immer nicht bis ins Detail aufgedeckt. Doch das, was wir heute schon an intelligenten Recycling- und Müllverbrennungsanlagen unserer Zellen kennen, ist schlichtweg phänomenal. So ausgeklügelt sind Müllabfuhr, Mülltrennung, die Verwertung von Restmüll und Einzelgrundstoffen sowie die Entsorgung von Sondermüll, dass es nicht wirklich verwundert, wenn solch komplexe Systeme irgendwann schlappmachen. Müllberge ballen sich dann in unseren Zellen, und diese Vorstellung ist ungut, die Folgen sind verheerend. Die vielen Spielarten von Demenz sind für Abermillionen Menschen der düstere Anfang vom Ende.

Doch es ist leider noch sehr viel mehr, was schieflaufen kann, wenn Müllabfuhr und Recyclingsysteme langsam versagen. Entzündungsreaktionen aller Art, ein schwächelndes Immunsystem, und dann die Ganzkörpersteifigkeit durch Verkleben der gigantischen Mengen an Kollagenfasern, die unseren Körper elastisch halten. Millionenfach und langsam, aber schrecklich sicher verklammern sie Elastizität und Leben: die AGEs (Advanced Glycation Endproducts). AGEs entstehen durch die dauerhafte Anlagerung von Traubenzucker (Glukose) an Eiweiß- und Fettverbindungen. Blutgefäße verlieren ihre Elastizität, Muskeln ihre Dehnungsfähigkeit, die Haut wirft Falten – kein Tanz mehr. Alles wird starr. Wird man sie sprengen können, diese Unmenge an Powerklebern, die uns von innen her versteinern? Was können wir tun für unsere Müllabfuhr, für reibungsloses Recycling, für die Reinigungstrupps unseres Zellgeschehens? Auch dazu Interessantes und Spannendes im Folgenden!

GUTE GENE – SCHLECHTE GENE: WIE GROSS IST ÜBERHAUPT UNSER SPIELRAUM?

Langlebigkeit, Alterserkrankungen und Gene – eine komplexe Angelegenheit

»Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit überleben will.«

ALBERT EINSTEIN

Das vorhergehende Kapitel hat es gezeigt: Wir können tatsächlich von einer Euphorie, von einem Hype in der Longevity-Forschung sprechen. Ja, heißt das denn, dass wir uns jetzt schon hymnisch auf eine um Jahrzehnte längere Gesundheit freuen dürften? Oder war da noch was?

Genau! Die Fessel der Gene! Da gibt es doch Menschen, die können Kette rauchen, beruflichen Dauerstress ertragen, Sportmuffel sein … und trotzdem 96 Jahre alt werden. So wie Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Das muss doch an den »guten Genen« liegen, meinen viele. Wer »schlechte Gene« hat, der kann trotz Fastenkuren, Sportquälerei und perfekter Ernährung keine Gnade erwarten. Der leidet früh und stirbt alsbald. Wir können uns anstrengen, wie wir wollen, was uns knebelt, ist die genetische Altersprägung? Diese Frage stelle ich besser allem voran, bevor ich eine umfassende Anleitung und Ideen liefern möchte für eine Therapie der Zellalterung, die voll und ganz in unseren Händen liegt und nicht im Gencode der DNA. Also noch einmal anders gefragt: Weiß man heute unseren Handlungsspielraum tatsächlich abzuschätzen? An welchen Stellschrauben meiner Alterung kann ich drehen – und wo setzt mir das Erbgut strenge Grenzen?

IRRITIERENDE FORSCHUNGSERGEBNISSE

Schauen wir uns den Status quo der Forschung an. Die schlechte Nachricht zuerst, und sie kommt von der Biostatistikerin PAOLA SEBASTIANI, Professorin an der Boston University School of Public Health. Sie nutzte ein fantastisches Altersregister, die New England Centenarian Study. Insgesamt wurden die Daten von 1900 Hochbetagten – also die der über 90-Jährigen – und ihrer Geschwister zusammengetragen. Die Forscher wollten wissen: Uralt zu werden, demnach deutlich über 90, ist das vielleicht stärker »guten Genen« zu verdanken, als wenn wir ein nur hohes Alter erreichen? Und welchen Einfluss haben die Gene, wenn jemand nicht einmal das durchschnittliche Lebensalter erreicht?

Das Ergebnis ist frappierend. Je älter ein Mensch wird, desto stärker spielen offenbar die Gene mit. THOMAS T. PERLS, Professor an der Boston University, der das Register der Uralten gegründet und mit ausgewertet hat, kommt zu der Erkenntnis, »dass in sehr hohem Alter die genetische Ausstattung eine immer größere Rolle spielt«. Die Begründung: Je älter Geschwister werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie alle noch älter werden. Will heißen: Wird ein Geschwister 95 Jahre alt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Bruder oder Schwester dasselbe Alter erreichen, um den Faktor 3,5. Bei Hundertjährigen liegt die Chance sogar neunfach höher, und bei 105-Jährigen steigt sie auf das 35-Fache an. Das bedeutet: In sehr hohem Alter hängt das weitere Überleben zu 75 Prozent von »guten Genen« ab. Nur zu 25 Prozent können diese Hochbetagten durch ihren Lebensstil Einfluss nehmen. Das deckt sich mit der Erkenntnis, dass sehr alte Geschwister in ähnlich hohem Alter dieselben Alterskrankheiten entwickeln. Aha. Gene spielen also doch eine entscheidende Rolle bei unserer Langlebigkeit, oder?

Aber hier kommt schon die gute Nachricht: Schauen wir uns eine andere brandaktuelle Studie an. Dr. GRAHAM RUBY und sein Team vom Biotechnologieunternehmen Calico Life Sciences in San Francisco denken da ganz groß, nämlich in der Dimension von 400 Millionen Menschen und deren Vorfahren. Sie nutzten eines der größten Abstammungsportale, nämlich Ancestry, das Familiendaten von 54 Millionen Menschen und deren rund sechs Milliarden Vorfahren verwaltet. GRAHAM RUBY und sein Team wählten nun Menschen samt Vorfahren aus, die im 20. und 19. Jahrhundert gelebt hatten. Sie wollten herausfinden: Ist Langlebigkeit erblich? Gibt die Statistik das her? Und auch hier war das Ergebnis frappierend – allerdings in eine ganz andere Richtung: Die Erblichkeit der Lebensdauer scheint in dieser Auswertung und über Generationen betrachtet, bei maximal nur sieben Prozent zu liegen! Ob die brutalen Auswirkungen der beiden Weltkriege aus dieser Auswertung eliminiert werden konnten, ist allerdings nicht ersichtlich.

Dennoch, eines scheint sich herauszukristallisieren: Eine größere Rolle als die Gene spielt die assortative Paarung. Damit ist gemeint, ob Menschen einen ähnlichen oder unähnlichen Partner wählen. Im ersten Fall spricht man von »positiver«, im zweiten von »negativer assortativer Paarung«. Die Stammbaumanalysen von RUBY und seinem Team lieferten jedenfalls interessante Daten darüber, dass Ehepartner oft ähnlich lang lebten, selbst die Schwiegereltern, Schwager und Schwägerinnen. Die Schlussfolgerung: Wir bevorzugen in der Partnerwahl Menschen, die einen ähnlichen Bildungsgrad haben, einen ähnlichen Lebensstil, ähnliche Ernährung. Der Lebensstil bedingt offenbar ganz klar die Langlebigkeit und schlägt die Genetik bei Weitem. Nach dieser Studie zumindest kommt der Einfluss der Gene auf diese gerade mal auf sieben Prozent. Was also ist nun Sache? 75 Prozent Geneinfluss auf die Langlebigkeit, zumindest für Hochbetagte, und sieben Prozent für sämtliche Altersgruppen? Das irritiert nun doch ein bisschen … Schauen wir uns deshalb das Erbgut noch etwas genauer an.

Gibt es das Methusalem-Gen?

Wenn man einzelne Gene oder Gengruppen identifizieren könnte, die uns länger leben oder auch stärker altern lassen, dann käme man der Sache mit der Erblichkeit des Alterns vielleicht etwas näher. Da wäre zum Beispiel das »Methusalem-Gen«. Wissenschaftler würden sich natürlich schämen, diese umgangssprachliche Bezeichnung in den Mund zu nehmen, denn Methusalem, Großvater von Noah, soll laut Bibel 969 Jahre alt geworden sein … Forscher sprechen hier viel lieber vom FOX03-Protein. Das steuert die Genaktivität bestimmter DNA-Bereiche und wird zum Beispiel bei Nahrungsmangel besonders aktiv. Es scheint den Anstieg des für die Langlebigkeit wichtigen Enzyms Sirtuin 1 zu aktivieren. Die Sirtuine werden später noch eine prominente Rolle in diesem Buch spielen.

Aber zurück zum FOX03-Gen, welches wir alle haben. Denn die Forschungsgruppe Gesundes Altern am Institut für Klinische Molekularbiologie an der Kieler Universität um Dr. FRIEDERIKE FLACHSBART hat 2009 etwas Hochinteressantes entdeckt. Menschen, die hundert Jahre oder noch älter werden, haben deutlich häufiger abweichende Varianten dieses Gens in ihrer DNA als der Durchschnitt. Damit wird – vor allem, wenn diese Menschen nur mäßig bis wenig essen – mehr Sirtuin 1 aktiviert als bei Menschen, die diese Genvarianten nicht haben. Und das könnte in direktem Zusammenhang mit gesunder Langlebigkeit stehen.

Was sagt die Mathematikerin und Physikerin der Kieler Universität dazu, Dr. AMKE CALIEBE? »Wenn man diese bestimmte Sequenz hat, die jetzt herausgefunden wurde, hat man eine höhere Wahrscheinlichkeit, hundert zu werden. Aber natürlich kann man auch ohne dieses Gen hundert werden. Man hat nur nicht eine so hohe Wahrscheinlichkeit.«

Aha. Also gibt es eine gewisse genetische Veranlagung für Langlebigkeit. Allerdings sollten wir im Hinterkopf behalten: Altern ist ein so unendlich komplexer Verfallsprozess, dass uns ein einziges »gutes« Gen unmöglich vor all diesen Schrecklichkeiten schützen kann. Umgekehrt dürfte uns dann auch ein »schlechtes« Gen allein keinesfalls ins Verderben stürzen …

Wie sieht es bei der Alterserkrankung Alzheimer aus?

Ungünstig im Alterungsprozess scheint es zu sein, die Variante 4 eines Gens zu tragen, das im Fettstoffwechsel eine Schüsselrolle spielt. Es handelt sich um das Gen, welches das Eiweiß Apolipoprotein E codiert. Drei Varianten des Gens gibt es: ApoE2, ApoE3 und ApoE4. Die ersten beiden machen keine Probleme. ApoE2 kommt am seltensten vor (bei circa elf Prozent der europäischen Bevölkerung) und scheint sogar positiv mit Langlebigkeit korreliert zu sein. ApoE3 haben die meisten Menschen (72 Prozent). Ungünstig ist ApoE4, das bei 17 Prozent der Bevölkerung vorliegt, denn diese Menschen laufen Gefahr, einen enormen Anstieg des »schlechten Cholesterins« LDL zu erleiden. Sie sind nicht nur einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesetzt, sondern auch für Typ-2-Diabetes und für Alzheimer.

Die ungünstige Genkombination ApoE4/3 oder noch ungünstigere ApoE4/4 tragen hierzulande immerhin 23 Prozent der Menschen in sich.

Beschränken wir uns hier auf die genetische Veranlagung für Alzheimer-Demenz: Da wir mit einer doppelten Genausstattung (von Vater und Mutter) gesegnet sind, erscheinen die Varianten entweder einmal oder zweimal in unserem Erbgut. Menschen, die die Genkombination ApoE4/3 haben, laufen ein vierfach höheres Risiko, an der Spätform der Alzheimer-Demenz zu erkranken, als die Träger der Zweier- und Dreierkombinationen. Das Risiko für ApoE4/4-Träger ist sogar leider zwölffach höher. Dazu tritt die Krankheit bei diesen Gentypen rund zehn Jahre früher auf, so Dr. CHRISTOPH MARSCHALL vom Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) in Martinsried.

Forscher des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin um Professor THOMAS WILLNOW haben jetzt herausgefunden, was das von der Genvariante ApoE4 produzierte Protein in den Nervenzellen anrichtet: Es soll eigentlich ungesättigte Fettsäuren, die verschiedene gehirnschützende Aufgaben haben, über Rezeptoren in die Nervenzellen transportieren. Die Variante ApoE3 tut das auch. Aber ApoE4 verklumpt mit dem Rezeptor. Die Versorgung der Nervenzelle leidet massiv.

ApoE4 (links) lässt die Rezeptoren im Inneren der Nervenzelle verklumpen. Der Rezeptor kann nicht mehr arbeiten, die Zelle wird nicht versorgt. Bei ApoE3 (rechts) arbeiten die Rezeptoren problemlos an der Zelloberfläche.

Aha. Nun weiß man, wie ApoE4 unsere Nervenzellen schwächt, wie eine genetische Vorbelastung unsere Langlebigkeit einschränken kann. Was also um Himmels willen tun? Sollten sich alle einem Gentest unterziehen? Doch wenn ich weiß, »lch bin ApoE4«, kann ich ja nichts tun. Thomas Willnow und sein Team arbeiten derzeit an einem Wirkstoff, der verhindert, dass ApoE4 mit dem Rezeptor verklumpt. »Wenn es gelingt, ein solches Medikament zu entwickeln, könnte ein Screening auf ApoE4 sinnvoll sein«, sagt der Zellbiologe. »Doch bis es so weit ist, möchte ich selbst lieber nicht wissen, welche ApoE-Variante ich habe.« Und, ganz wichtig zur Entlastung: Nicht jeder, der ApoE4-Träger ist, wird die Spätform von Alzheimer entwickeln. Nur das Risiko ist höher. Außerdem gilt: Es gibt noch viele weitere Faktoren, die Alzheimer-Demenz auslösen können. Deshalb können auch die Träger von ApoE2 und ApoE3 erkranken. Nur ist das Risiko für sie geringer.

GENTEST: JA ODER NEIN?

Nach diesem brandaktuellen Exkurs wären wir also bei der Gretchenfrage angelangt: Würde es nicht grundsätzlich Sinn machen, das gesamte eigene Genom analysieren zu lassen? Damit könnten wir uns sozusagen den »geheimen Bauplan« des eigenen Körpers und Stoffwechsels rundum transparent machen und natürlich auch dessen eventuelle Konstruktionsfehler, genetische Defekte und damit Veranlagungen für Krankheiten. Wir würden Hinweise erhalten, ob wir mit besonderen Risiken leben, die das Leben drastisch verkürzen könnten. Das setzt allerdings die Annahme voraus, dass unsere Langlebigkeit zu einem hohen Prozentsatz genetisch bestimmt wäre. Was wir ja bislang keineswegs konstatieren konnten.

Sicher allerdings ist zunächst: Träger der ApoE4-Variante sind einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt, die spät auftretende Alzheimer-Erkrankung zu entwickeln. Da könnten doch viele an Aufklärung interessiert sein – anders als der Zellbiologe THOMAS WILLNOW, der eine Diagnostik erst dann vornehmen möchte, wenn Therapiemöglichkeiten vorhanden sind, um den Patienten zu schützen. Wer sich der Wahrheit seiner Gene also radikal ausliefern will, kann eine mögliche ApoE4-Belastung ziemlich leicht herausbekommen. In Deutschland sind Gentests allerdings nur dann gesetzlich gestattet, wenn sie ein Arzt für eine bestimmte Diagnose durchführen möchte. In den USA hingegen kann man solche Tests aber problemlos online bestellen, und das haben bislang bereits Millionen Kunden allein beim Marktführer 23andMe getan. Weitere Anbieter sind unter anderen MyHeritage und AncestryDNA. (»Heritage« heißt »Erbe« und »Ancestry« bedeutet so viel wie »Abstammung«.) In diesen Namen spiegelt sich das strikte Verbot der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA aus dem Jahr 2013, Gesundheits-Genanalysen anzubieten. Untersuchungen zur genetischen Abstammung blieben aber erlaubt. Zwei Jahre später lockerte die FDA dieses Verbot jedoch weitgehend, und 23andMe kam um eine Umbenennung herum. Der Name spielt auf die 23 Chromosomenpaare an, in denen unsere rund 23.000 Gene verpackt sind. Genau genommen sind es noch viel mehr, aber für eine Genanalyse sind nur die Gene spannend, die aktiv, also für die Produktion von Proteinen zuständig sind. Und die dürfen nun – wohlgemerkt nur in den USA – per Speichelproben untersucht werden, und zwar auf 99 genetische Veranlagungen und 200 genetisch bedingte Krankheiten, auch auf ApoE4.

Eine Genanalyse ist heute erschwinglich, aber nur in den USA erhältlich. Auch ein Versand nach Deutschland ist nicht möglich.

Und so bekommt nun der Kunde nach ein paar Wochen online sein Genprofil mit entsprechenden Risikoeinschätzungen zugesandt. So zum Beispiel die für das Risiko einer Erkrankung an der Alzheimer-Spätform, Typ-2-Diabetes oder etwa an Parkinson. Er erhält aber auch Hinweise auf mögliche Unverträglichkeiten, etwa gegenüber Gluten. »Das wäre doch was für mich«, sagen Sie vielleicht. Doch wieso warnen uns so viele Pressestimmen vor einer solchen genetischen Selbsterkenntnis? Na ja, zum einen ist nicht jeder in der Lage, ein anonym per E-Mail übermitteltes Risikoprofil ohne ärztlichen Beistand psychisch zu verdauen, wenn es etwa eine schlimme Botschaft enthält. Noch dazu ist es für einen Laien kaum einzuschätzen, was beispielsweise die Aussage »Ihre Gene sind mit einer 37-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Typ-2-Diabetes verbunden« konkret für seine Gesundheit bedeutet, und die bange Frage bleibt: Was tun? Die Verunsicherung wächst noch, wenn man in kritischen Artikeln liest, dass es auch Fehlanalysen gibt, sehr selten zwar, aber immerhin. Vielleicht könnte man Genanalysen mit einer größeren Unbekümmertheit als Fingerzeige nehmen, bestimmte Vorbelastungen im Hinterkopf zu behalten, sich selbst auf Symptome zu beobachten und schon mal per Änderung im Lebensstil vorzubeugen … wenn man denn grob wüsste, wie stark nun die genetische Ausstattung unsere Krankheitsanfälligkeit und damit auch Langlebigkeit prägt. Sie sehen, wir sind wieder bei der Eingangsfrage angelangt.

Eine glasklare Prozentangabe dazu werden Sie von keinem Wissenschaftler erhalten. Allein in meinen Expertengesprächen reichten die Schätzungen, wie stark denn summa summarum die Gene fürs Altern unverrückbar verantwortlich sind, von 10 bis 50 Prozent. Doch wenn ich diese Expertenmeinungen mit den aktuellen Studien in renommierten Fachmagazinen verrechne – dann landen wir ganz klar bei einer 30:70-Gewichtung: 30 Prozent unserer Lebensspanne scheint genetisch programmiert, 70 Prozent durch Lebensstil bestimmbar. Das tut auf jeden Fall gut, oder? Wir sind also definitiv sehr viel mehr als die Summe unserer Gene! Zu mehr als zwei Dritteln ist unsere Lebensspanne von uns aktiv beeinflussbar. Und unter diesem Gesichtspunkt verliert eine Genanalyse an Unerbittlichkeit.

Ich selbst habe bislang noch keine Genanalyse gemacht. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Doch so langsam, mit den Jahren … wird die Neugier stärker, vielleicht doch eventuelle Risiken aufzudecken. Also wollte ich einen Test bei dem amerikanischen Unternehmen 23andMe bestellen. Doch keine Chance, Lieferungen nach Deutschland und Österreich sind nicht möglich, hieß es auf der Website. Also bat ich Dominik Duscher?, den Test für mich zu bestellen. Als Arzt müsste das doch rechtens sein. Er fragte persönlich nach bei 23andMe. Doch auch er erhielt eine Absage: »Leider liefert 23andMe derzeit keine Gesundheitsberichte an Kunden in Deutschland und Österreich. Die Aufsichtsbehörden in Ihrer Region setzen Anforderungen, die bestimmte Berichte oder Produkte verbieten.« Wer also, zumindest in Deutschland und Österreich, etwas mehr über seine genetischen Risikopotenziale wissen möchte, erfährt sie nur, wenn ein Arzt einen begründeten Verdacht auf einen genetisch bedingten Defekt bescheinigt – und sei es eine Laktoseintoleranz!

Doch nun schließt sich gleich die nächste Frage an: Wenn ich denn per gesundem Lebensstil, mit Entspannungstechniken und Nahrungsergänzungsmitteln, vielleicht auch entsprechenden Medikamenten meine gesunde Lebensspanne massiv verlängern kann – wer sagt mir denn, was da für mich am besten funktioniert? Ich kann doch nicht täglich Dutzende Pillen einwerfen, Marathonläufe und Fastenkuren machen, ohne herausfinden zu können, was bei mir tatsächlich lebensverlängernd wirkt? Dazu braucht es am besten eine unbestechliche Messmethode. Bislang gab es die aber nicht, genauer gesagt: Es gab sie nicht für den Laien. Jetzt gerade ändert sich das!

Was schlägt die epigenetische Uhr?

Bis vor Kurzem hoffte man, mit der Länge der Schutzkappen unserer Chromosomen, der Telomere, ein einigermaßen verlässliches Messinstrument für unsere Aussichten auf Langlebigkeit gefunden zu haben. In unserem Grundlagenbuch haben wir die großartige Telomer-Entdeckerleistung von Prof. ELIZABETH BLACKBURN gewürdigt, die 2009 nicht nur den Nobelpreis für ihre Arbeit erhielt, sondern uns auch noch schonungslos vor Augen führte, dass Stress die Telomere verkürzt und damit gnadenlos die Lebenszeit. Doch als Indikatoren für potenzielle Langlebigkeit wurden die Telomere in der Wissenschaftsszene mittlerweile bereits wieder beiseitegelegt, ihre Aussagekraft ist zu ungenau. Der aktuelle Liebling der Molekularbiologen ist nun die epigenetische Uhr. Ja, es mutet schon etwas gespenstisch an, mit welcher Präzision sie unser wahres biologisches Alter enthüllen kann – das nicht mit unserem chronologischen Alter aus dem Pass übereinstimmen muss. Und auch zu unserer Lebenserwartung kann die epigenetische Uhr einiges, vielleicht Befreiendes, eventuell aber auch Erschreckendes vorhersagen.

EPIGENETIK

Kleine Moleküle steuern die DNA und beeinflussen die Aktivität der Gene.

Schalter im Genom:

Die Sequenz bleibt unverändert, aber das Gen wird abgeschaltet.

Kleine Moleküle – starke Schalter: Methylgruppen steuern die DNA-Aktivität, indem sie die Ablesung von bestimmten Genen und damit die Produktion von Proteinen stoppen.

Näher beleuchtet: die Epigenetik

Wir sind mehr als die Summe unserer Gene. Da ist nämlich zum einen die genetische Grundausstattung, die DNA, die in sämtlichen unserer Zellen identisch ist. Und doch haben wir rund 250 verschiedene Zelltypen, die sehr verschieden funktionieren. Deshalb gibt es zum anderen ein »darüber liegendes« System, die Epigenetik (»epi« aus dem Altgriechischen für »oberhalb, auf«). Dieses steuert das Ein- und Ausschalten der Gene unserer Grundausstattung, sodass verschiedene Zelltypen entstehen. Es erzeugt also für jeden Zelltyp andere Muster aktiver und inaktiver DNA-Sequenzen.

Der »epigenetische Code« ist – neben dem genetischen Code – ein zweiter, ein Steuerungscode, der als Dirigent unserer Zellfunktionen auftritt. Und diese Steuerung reagiert auch auf Lebensstil und Umweltfaktoren. So hat man bei eineiigen Zwillingen, die ja dieselben Gene haben, im Alter von drei Jahren fast identische epigenetische Muster gefunden. Im Alter von 50 Jahren dagegen gab es deutlich unterschiedliche Muster – wenn die Lebensverhältnisse der Zwillinge stark voneinander abwichen.

Wie funktioniert er nun, der epigenetische Code? Ein wesentliches System ist das der Methylierung. Methylgruppen sind kleine Moleküle, die aus einem Kohlenstoffatom und drei Wasserstoffatomen bestehen. Sie setzen sich als »Ein- und Ausschalter« einzelner Gene auf die DNA, und zwar nur auf ganz bestimmte Stellen – nur dort, wo die DNA-Bausteingruppe Cytosin-Guanin (CpG) vorkommt. Und wo solche Strukturen gehäuft zu finden sind, spricht man von CpG-lnseln. Das Wichtige dabei: Methylierungen verhindern, dass bestimmte Gensequenzen abgelesen werden. Das heißt, sie schalten Gene aus. Bestimmte Nahrungsmittel beispielsweise wirken sich positiv auf die Methylierungsmuster aus. Stress, Traumata, Übergewicht und Rauchen wirken dagegen nachweislich negativ, nämlich »alt machend«.

Das Epigenom ist somit eine Art »Umweltgedächtnis« für unsere Zellfunktionen. Methylierungen nehmen im Alter ab, was bedeutet, dass viele Gene aktiv sind, die wir gar nicht aktiv haben wollen. Das Entscheidende hierbei sind also die Methylierungsmuster. So scheinen die Methylierungen sowohl Kennzeichen des Alterungsprozesses zu sein als auch die Zellalterung zu bewirken.

Wie funktioniert die epigenetische Uhr?

STEVE HORVATH, der deutsche Professor für Humangenetik und Biostatistik an der University of California Los Angeles, hat die Erkenntnisse zur Epigenetik geschickt genutzt, um für eine wissenschaftliche Sensation zu sorgen: ebenjene epigenetische Uhr. Wenn ein Biostatistiker von einer »Uhr« spricht, findet man von einem Uhrwerk natürlich keine Spur. Es geht hier vielmehr um die algorithmische Auswertung der Methylierungsmuster (siehe auch die beiden vorherigen Seiten) Tausender Probanden.

Es lässt uns schon staunen, dass Horvath schließlich 353 CpG-Inseln im Meer unseres Erbguts identifizierte, die eindeutige Aussagen über den Alterungsstatus einer Person zulassen. Er konnte mithilfe großer Datenmengen das Methylierungsmuster – eine Art Chiffre – für das chronologische, kalendarische Alter eines Menschen definieren. Weist also das Geburtsdatum im Pass ein Alter von 64 Jahren auf, hat die Horvath-Uhr die entsprechende Methylierungschiffre dafür. Und nun kommt es: Horvaths epigenetische Uhr misst Abweichungen von dieser Chiffre. Erkennt die Uhr zum Beispiel ein Methylierungsmuster, das einem 72-Jährigen entspricht, dann ist dieser Mensch biologisch acht Jahre älter, als in seinem Pass verzeichnet. Sein Sterberisiko wäre damit laut Einschätzung der Forscher doppelt so hoch wie bei einem Menschen, dessen Methylierungsmuster dem Durchschnitt aller Probanden entspricht, bei denen chronologisches sowie biologisches Alter übereinstimmen. Sprich: Der biologisch 72 Jahre alte 64-Jährige wäre für Alterskrankheiten doppelt so anfällig wie die biologisch 64-Jährigen. Umgekehrt: Misst die epigenetische Uhr bei einem 64-Jährigen ein Methylierungsmuster, das dem eines 57-Jährigen entspricht, halbiert sich mit einiger Wahrscheinlichkeit dessen Sterberisiko, und Alterskrankheiten dürften deutlich später auftreten.

Die epigenetische Uhr als eine Art algorithmische Version des grimmschen Märchens vom Gevatter Tod? Da brennt in der Höhle für jeden ein Lebenslicht, die eine Kerze ist kurz, die andere lang, und wenn sie erlischt, stirbt der Betreffende schließlich. Und die epigenetische Uhr enthüllt die Kerzenlänge für jeden von uns? Gruselige Vorstellung.

Doch ich kann Sie beruhigen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Denn die epigenetische Programmierung ist zwar umweltabhängig und alterstypisch, aber sie ist eben auch reversibel. Nehmen wir zum Beispiel den Faktor Stress. Wir wissen: Stress macht alt, denn Stress führt wie Alterung zur Verringerung der Methylierung der CpG-lnsel am FKBP5-Gen (siehe Abbildung auf der nächsten Seite). Da eine Methylierung quasi ein Aus-Schalter für die Genaktivität ist und dieser Aus-Schalter jetzt wegfällt, wird dieses Gen stärker abgelesen. Leider führt das zu Entzündungsreaktionen. Will heißen: Stress bewirkt Entzündung. Aber: Eine Stressminderung kann die ursprüngliche Methylierung tatsächlich wiederherstellen. Die Epigenetik kann also durchaus Spiegel unseres Lebensstils sein!

METHYLIERUNG ALS START-STOPP-MECHANISMUS

Je älter wir sind, desto weniger Stoppschilder finden wir auf unserer DNA. Immer mehr Genabschnitte werden abgelesen und Proteine produziert, die eventuell gar nicht benötigt werden und manch Ungutes bewirken können, wie zum Beispiel Entzündungen.

Nehmen wir zwei Beispiele aus der Ernährung: Brokkoli und grüner Tee. Die Epigenetikerin Prof. ISABELLE MANSUY an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich bezeichnet beide als »Methyl-Donoren«. Sie könnten also einer Verringerung von Methylierungen entgegenwirken und stehen im positiven Verdacht, Alterungsprozesse zu verlangsamen. Jetzt fragen Sie vermutlich: Kann ich die epigenetische Uhr denn schon selber nutzen? STEVE HORVATH hat seine Studie erst 2013 publiziert – das Ganze ist demnach ziemlich frisch! Doch die epigenetische Uhr, sie tickt bereits und findet immer mehr Anwender außerhalb der Wissenschaft. In Deutschland brachte die Firma cerascreen 2018 den Genetic Age Test auf den Markt, ein weiteres Unternehmen, epiAge, folgte mit dem gleichnamigen Test Anfang 2021. Während der Genetic Age Test auf die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut baut, wurde der epiAge-Test zusammen mit dem Epigenetiker Prof. MOSHE SZYF von der McGill University Montreal entwickelt. Da dies die neuesten Ansätze sind, habe ich mit dem Geschäftsführer von epiAge Deutschland, MARTIN A. BERLET, gesprochen, um herauszufinden, was diese »Uhr« auf dem Ziffernblatt der Langlebigkeit anzeigen kann – und was nicht.

Martin A. Berlet, wie genau ist denn Ihre epigenetische Uhr im Vergleich zur Horvath-Uhr? Wie viele CpG-Inseln messen Sie in den Zellen der Speichelprobe?

Ich darf hier den Entwickler der Uhr zitieren, Professor Moshe Szyf: »epiAge verwendet 13 CpG-Inseln aus einer Region, die unter 450.000 untersuchten Inseln die höchste Korrelation mit dem chronologischen Alter aufweist. Ein direkter Vergleich mit den für die Horvath-Uhr verwendeten Inseln zeigte ähnliche Korrelationen. Durch das Reduzieren der Anzahl der zu untersuchenden Inseln haben wir weniger Störeffekte bei der Analyse. Sie werden vielleicht überrascht sein, wenn Sie lesen, dass die Horvath-Uhr 353 CpG-Inseln auswertet – und das Fraunhofer-Institut mit dem Genetic Age Test rund 70. Der Fokus auf eine kleinere Gruppe hochspezifischer CpG-Inseln vereinfacht die Analyse bei geringer Fehlerrate – und die Kosten sinken.«

Wie wende ich die Uhr denn nun praktisch an? Habe ich das richtig verstanden, dass Sie sie als eine Art Teststreifen sehen, mit dem ich checken kann, ob mich bestimmte Änderungen in meinem Lebensstil, Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente tatsächlich verjüngen? Die Uhr müsste ich also mehrfach anwenden, damit sie aussagekräftig wird, oder?

Ein erster Test gibt Ihnen Auskunft über den aktuellen Status quo ihres epigenetischen Alters. Das ist auf jeden Fall ein emotionaler Moment: Stellen Sie beispielsweise fest, schneller gealtert zu sein als der Durchschnitt, werden Sie sich sicherlich ernsthafte Gedanken darüber machen, wie Sie dem in Zukunft entgegenwirken können. In jedem Fall ein guter Ansporn, den eigenen Lebensstil infrage zu stellen! Wenn Ihr Ergebnis jünger ausfällt, scheinen Sie etwas richtig zu machen. Viele Menschen versuchen, sich durch Fitness und Diäten dauerhaft gesund zu halten, aber diese Gewohnheiten sind noch kein Garant für ein gesundes langes Leben. Denn es gibt auch andere schwerwiegende Faktoren, die unser Altern beeinflussen und sich nicht auf einer Waage ablesen lassen wie zum Beispiel Stress oder Krankheit.

Angenommen, Sie messen Ihr biologisches Alter, nehmen dann für einen Zeitraum von, sagen wir, einem halben Jahr Metformin ein oder Resveratrol oder Kurkuma (Anmerkung: zu all diesen Wirkstoffen später mehr) – und messen schließlich wieder.

Wenn Sie die biologische Uhr verlangsamen oder gar zurückdrehen konnten, dann haben Sie ein starkes Indiz dafür, dass Ihre Maßnahmen tatsächlich Wirkung zeigen. Das gleiche Prinzip gilt beispielsweise auch für Lifestyleänderungen wie regelmäßige Meditation oder eine Ernährungsumstellung.