Achtsam und erfolgreich im Beruf - Paul E. Flaxman - E-Book

Achtsam und erfolgreich im Beruf E-Book

Paul E. Flaxman

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Beschreibung

Wie Sie Klienten und Mitarbeiter mit ACT stark für die Arbeitswelt machen Das Ziel der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) ist die psychische Flexibilität eines Menschen – ein Merkmal, das in jedem Bereich des Lebens wichtig ist. Doch nirgendwo sonst verbringen Menschen so viel Zeit wie an ihrem Arbeitsplatz. Die Arbeit schafft Zufriedenheit, Rückhalt und Gemeinschaft, verursacht aber oftmals auch Stress, Konflikte und Hoffnungslosigkeit. Ein flexibler Mitarbeiter kann sich an einem flexiblen Arbeitsplatz voll und ganz entfalten. Daher können sowohl Arbeitgeber und Führungskräfte als auch Arbeitnehmer eine Menge von ACT lernen. Dieses Buch ist der erste Ratgeber zum Einsatz der ACT im betrieblichen Kontext. Es richtet sich an Interessierte mit und ohne Vorwissen, die andere in den ACT-Prinzipien schulen wollen. Neben der Einführung in das Modell und die Forschungslage bietet es vor allem ein schrittweise angelegtes Konzept, um achtsame und wertegeleitete Beschäftigte auszubilden.

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Paul E. Flaxman, Frank W. Bond & Fredrik LivheimAchtsam und erfolgreich im BerufMit ACT die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz stärken

Über dieses Buch

Nirgendwo sonst verbringen Menschen so viel Zeit wie an ihrem Arbeitsplatz. Die Arbeit schafft Zufriedenheit, Rückhalt und Gemeinschaft, verursacht aber oftmals auch Stress, Konflikte und Hoffnungslosigkeit. Um in diesem Spannungsfeld dauerhaft gesund zu bleiben und auch den Spaß am Tun nicht zu verlieren, ist es wichtig, die eigenen Ziele und Werte im Auge zu behalten, gleichzeitig aber auch flexibel in seinen Handlungen zu bleiben. Psychische Flexibilität lautet das Zauberwort! Sie ist auch der Kern in der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Daher können sowohl Arbeitgeber und Führungskräfte als auch Arbeitnehmer eine Menge von ACT lernen. 

 Dieses Buch ist der erste Ratgeber zum Einsatz der ACT im betrieblichen Kontext. Es richtet sich an Interessierte mit und ohne Vorwissen, die andere in den ACT-Prinzipien schulen wollen. Neben der Einführung in das Modell und die Forschungslage bietet es vor allem ein schrittweise angelegtes Konzept, um achtsame und wertegeleitete Beschäftigte auszubilden.

Paul E. Flaxman ist Professor der Psychologie an der City University in London. 

Frank W. Bond ist Professor der Psychologie an der Goldsmiths University in London. 

Fredrik Livheim ist Klinischer Psychologe am Forschungscenter für psychosoziale Gesundheit des Karolinska Instituts in Stockholm, Schweden.

Copyright: © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2015

Copyright: © der Originalausgabe: 2013 by Paul E. Flaxman, Frank W. Bond and Fredrik Livheim

Die Originalausgabe ist 2013 unter dem TitelThe mindful and effective employee: an acceptance & commitment therapy training manual for improving well-being and performance bei New Harbinger Publications erschienen.

Übersetzung: Franka Reinhart

Coverfoto: © vege – Fotolia.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2015

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-020-0

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-028-6 (EPUB), 978-3-95571-312-6 (PDF), 978-3-95571-311-9 (MOBI).

In Erinnerung an meinen wunderbaren Freund „Onkel“ Brendan und für Sherylin, meine Mitreisende

P. E. F.

Für Aidan Conway, meinen Quell der Liebe und der psychischen Flexibilität

F. W. B.

In Erinnerung an meinen geliebten großen Bruder und Freund Jan und für meine Inspirationsquellen: meinen Mann Tobias Livheim und meine Kollegen, Freunde und Lehrer JoAnne Dahl und Steven C. Hayes

F. L.

Geleitwort

Nirgendwo sonst verbringen die meisten Menschen so viel Zeit wie bei der Arbeit. Arbeit kann die Grundlage für Zufriedenheit, Stress, Rückhalt, Konflikte, Sinn, Emotionen, Kontakt, Wut, Gemeinschaft und mitunter auch Hoffnungslosigkeit sein. Im Leben vieler Menschen spielt sie also eine enorm wichtige Rolle.

Erstaunlicherweise ist die Arbeitswelt jedoch für die meisten Fachleute, die sich mit der menschlichen Psyche beschäftigen, nur ein Randthema, während Wirtschafts- und Organisationsberater wiederum nur selten auf die Arbeit von Psychologen zurückgreifen. Seit jeher haben konträre Ansichten und Desinteresse einen enormen Graben zwischen klinischem Bereich und Arbeitsleben geschaffen.

Im ACT-Umfeld ist dies anders. Die erste randomisierte Studie zum Thema ACT nach der Veröffentlichung des englischen Originals von Akzeptanz- und Commitment-Therapie durch Hayes, Strosahl & Wilson 1999 (dt. Ausgabe 2004) war eine Intervention im betrieblichen Kontext (Bond & Bunce, 2000). Seit dieser ersten Untersuchung haben ACT-Fachleute weiter im Bereich der Arbeitswelt geforscht. Die klinischen Erkenntnisse der ACT-Community finden Eingang in die Arbeitswelt und umgekehrt.

Und das hat gute Gründe. ACT basiert auf einem netzwerkartig aufgebauten funktionalen Entwicklungsmodell kontextueller Interventionen. Dieses Modell ist ein Kernbestandteil der kontextuellen verhaltenswissenschaftlichen Tradition (Contextual Behavioral Science, CBS), aus der ACT hervorgegangen ist. Dieses Entwicklungsmodell befördert die Verbindung zwischen den Experten im klinischen Bereich und in der Arbeitswelt.

Der funktionale Kontextualismus richtet sein Hauptaugenmerk auf veränderliche, vom Kontext abhängige Ursachen, um Analysen zu erstellen, mit denen sich psychische Vorgänge sowohl vorhersagen als auch beeinflussen lassen. Seine Vertreter beschäftigen sich insbesondere mit den Grundprinzipien und suchen zudem gezielt nach neuen Prinzipien zur Erklärung der menschlichen Wahrnehmung. Es geht ihnen darum, die Komplexität des Menschen und seine Verhaltensprobleme zu verstehen, indem sie sowohl die Umwelt als auch das Innenleben des Menschen betrachten. Dabei versuchen sie Problemfelder abzubilden, die auf dem Verständnis normaler psychischer Prozesse beruhen. Außerdem sind sie mittlerweile in der Lage, mehrere Sprachsysteme einzusetzen – hochpräzise Systeme im Versuchslabor und unschärfere in der Praxis –, ohne dass dabei Inkohärenzen auftreten.

Diese Kombination hat es ermöglicht, die klinischen Erkenntnisse in die Arbeitswelt zu tragen und umgekehrt. ACT findet keineswegs nur Anwendung bei konkreten Problemen am Arbeitsplatz, wie etwa Stress, sondern auch in der Führungskräfteentwicklung. Zudem geht es dabei nicht nur um die psychische Gesundheit, sondern ebenso um die Effektivität von Beschäftigten. Ein flexibler Mitarbeiter kann sich an einem flexiblen Arbeitsplatz voll und ganz entfalten, sodass sowohl Arbeitgeber und Führungskräfte als auch Arbeitnehmer eine Menge von den ACT-Fachleuten lernen können.

Insofern fungiert ACT von seiner Ausrichtung her als Bindeglied zwischen Klinik und Arbeitswelt. Dabei kommt allerdings ein großes „Aber“ ins Spiel. Wenn ACT für außerklinische Zwecke eingesetzt werden soll, sind gewisse Anpassungen erforderlich. Es ist illusorisch anzunehmen, dass man sich mit ACT vertraut machen und dann einfach in die Arbeitswelt stolpern kann in der Annahme, dort nachhaltig etwas auszurichten. Hier gilt es, eine Reihe von Besonderheiten und Hinweisen zu beachten, um im betrieblichen Kontext wirkungsvolle ACT-basierte Maßnahmen platzieren zu können. Dieser Transfer ist erheblich, ebenso wie die speziellen Bedingungen des Arbeitslebens.

Es gibt zwar bereits theoretische Abhandlungen, in denen es um die Anwendung von ACT und Bezugsrahmentheorie (BRT, engl. Relational Frame Theory, RFT) in der Arbeitswelt geht (z. B. Hayes, Bond, Barnes-Holmes & Austin, 2006), doch das vorliegende Buch ist der erste wirkliche Ratgeber zum Einsatz von ACT im betrieblichen Kontext. Es gibt Auskunft über den Bedarf, das Modell und die Forschungslage, aber vor allem gibt es Anwendern ein in einzelne Schritte gegliedertes Konzept an die Hand, um achtsame und wertegeleitete Beschäftigte auszubilden. Dieses Buch sollte Psychologen, die bereits über Erfahrung mit Gruppenschulungen sowie der Anwendung von ACT oder verwandten Methoden verfügen, einen großen Schritt weiterhelfen, um ACT-Interventionen am Arbeitsplatz wirkungsvoll zu gestalten. In diesem Buch finden sich zahlreiche Beispiele für bereits erprobte (und ausgewertete) betriebliche Interventionen, auf die man zurückgreifen kann, so als würde man einen vertrauten Berater konsultieren. Die Autoren sind ausgewiesene Experten. Sie wissen genau, wie man auf diesem Gebiet vorgehen sollte, weil sie selbst praktisch tätig sind. Und nun sind sie bereit, ihr Wissen weiterzugeben.

Sie können dazu beitragen, mit Hilfe von ACT achtsame und effektiv agierende Beschäftigte auszubilden – zum Vorteil von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen. Hier finden Sie eine wissenschaftlich fundierte Methode dafür.

Steven C. Hayes

Universität Nevada

Danksagung

Paul Flaxman: An erster Stelle möchte ich mich herzlich und aufrichtig bei meinen Co-Autoren Frank Bond und Fredrik Livheim bedanken. Frank war derjenige, der mich überhaupt auf ACT aufmerksam gemacht hat, wofür ich ihm zutiefst verbunden bin. Frank ist nach wie vor ein inspirierender Mentor und Freund. Mein herzlicher Dank geht auch an dich, Fredrik, insbesondere dafür, dass du so bereitwillig Auskunft über dein Schulungsprogramm für ACT-Trainer gegeben hast, aber auch für deine immer freundlichen und ermutigenden Worte, während dieses Buch langsam Gestalt annahm.

Wie immer danke ich auch der britischen und weltweiten ACT-Community für den bewusst praktizierten offenen Dialog und die Weitergabe von Informationen und Materialien. Zu Dank verpflichtet bin ich auch DJ Moran, Rachel Collins und Rob Archer für ihre Mitarbeit an diesem Buch. Hier in Großbritannien danke ich ganz besonders Joe Oliver, Eric Morris und Vasiliki Christodoulou, die mich bei der Reflexion vieler Aspekte unserer ACT-Sitzungen unterstützt haben. Darüber hinaus gilt mein Dank auch Mia Söderberg, die viele ACT-Sitzungen über sich ergehen ließ und dazu eine Reihe äußerst wertvoller Hinweise gab, die bei der Gestaltung nachfolgender Interventionen berücksichtigt wurden.

Außerdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Michael Chaskalson und Bhante Bodhidhamma zu danken, die mich in meiner Achtsamkeitspraxis begleitet haben und die mir, jeder auf seine ganz eigene Weise, zu einer Reihe von tiefgreifenden persönlichen Einsichten verholfen haben. Zu großem Dank verpflichtet bin auch dem Team des Verlags New Harbinger Publications, insbesondere Melissa Valentine, Catharine Meyers und Rosalie Wieder für ihre Geduld und die redaktionelle Betreuung im Verlauf der Arbeit.

Bedanken möchte ich mich auch bei den Fördermittelgebern, unter anderem dem Economic and Social Research Council und Guy’s and St Thomas’ Charity, die es für wert erachten, ACT-Programme für die Arbeitswelt zu unterstützen.

Mein Dank geht zudem an folgende Personen, die dazu beigetragen haben, unser Trainingskonzept und die damit verbundene Forschung bekannt zu machen und praktisch umzusetzen: Catharine Anderson und Susan Folwell für ihre Unterstützung in der ganz frühen Phase sowie Barbara Wren, Teresa Jennings, Clare Allen, Leslie Morrison, Jan Hill-Tout und Anthony Schwartz. Diese wunderbaren Menschen haben mich in meiner Laufbahn und bei der im vorliegenden Buch beschriebenen Arbeit hervorragend unterstützt. Ich bin außerordentlich dankbar, Teil ihres Netzwerks zu sein.

Zu guter Letzt danke ich all jenen, die sich trotz ihrer vollen Terminkalender Zeit genommen haben, an unseren ACT-Workshops teilzunehmen. Für all das Lachen, ebenso wie für die traurigen Momente, heiklen Bilder von Busfahrgästen, Augenblicke des Staunens und der Erkenntnis und die Berichte über das Streben nach einem wertegeleiteten Leben. An dieser Arbeit habt ihr ebenso großen Anteil wie wir.

Frank Bond: Das Material in diesem Buch fasst die ersten zwölf Jahre meiner akademischen Laufbahn zusammen. Insofern ist es mir unmöglich, allen Menschen zu danken, die mich auf meinem Weg begleitet haben, der in dieser Veröffentlichung mündet. Dennoch möchte ich einigen Menschen explizit meinen Dank aussprechen. Die Großzügigkeit, die Steven Hayes mir als jungem klinischem Psychologen und Wissenschaftler entgegengebracht hat, führte mich zu diesem wundervollen akademischen Weg, auf dem ich mich befinde – wofür ich ihm immer dankbar sein werde. David Bunce und Michael Bruch waren meine Mentoren, mit denen gemeinsam ich die erste, von Steve und mir entwickelte Intervention „ACT at Work“ sorgfältig getestet habe. Für ihre Unterstützung bin ich ihnen sehr zu Dank verpflichtet. Die weltweite ACT-Community ist nicht nur eine Quelle der intellektuellen und wissenschaftlichen Inspiration, sondern dort habe ich auch einige meiner besten Freunde gefunden, zu denen auch Fredrik Livheim gehört. Zuletzt möchte ich noch Paul Flaxman danken, von dem die Idee zu diesem Buch stammt. Einen besseren Kollegen kann man sich nicht wünschen. (Paul war auch der ideale Kompagnon für eine Forschungsreise durch Großbritannien – eindeutig eins meiner schönsten Arbeitsjahre.)

Fredrik Livheim: Für die Einladung, an diesem Buch mitzuarbeiten, bin ich meinen Co-Autoren sehr dankbar. Die Zusammenarbeit mit beiden ist eine große Inspiration. Und danke dir, Frank, dass du an diesem heißen Tag im Sommer 2003 mit dem Auto in Schweden aufgetaucht bist und mir ACT-Methoden für betriebliche Gruppen vorgestellt hast. Das war genau das, wonach ich gesucht hatte. Mein Dank gilt außerdem den vielen hundert Kursleitern, die ich ausgebildet habe. Von ihnen habe ich so unendlich viel gelernt, dass ich sie als meine Lehrer bezeichne.

Und dann gibt es noch drei Menschen, denen ich auf ewig dankbar sein werde und die ich daher besonders erwähnen möchte. Tobias Livheim, danke für deine bedingungslose Liebe und dass du mich auf dieser coolen Reise namens Leben begleitest! Ich danke dir außerdem für deine klugen Gedanken und deine Geduld. JoAnne Dahl danke ich für ihre Freundschaft, die ich sehr schätze, und dafür, dass sie mir ACT nahegebracht und mich sanft in die Welt hinaus geschubst hat. Steven Hayes gehört mein Dank für seine unfassbare Großzügigkeit, Unterstützung und Hilfsbereitschaft – er ist mein absoluter „Superstar“ in Sachen Wissenschaft und Psychologie.

Einleitung

Obwohl die positiven Auswirkungen der Erwerbstätigkeit auf das seelische Wohlbefinden und die Lebensqualität allgemein anerkannt sind, treten psychische Erkrankungen bei Berufstätigen dennoch recht häufig auf. In Großbritannien wurde beispielsweise bei Untersuchungen in unterschiedlichen Branchen ermittelt, dass etwa einer von vier Beschäftigten an einer gängigen psychischen Störung leidet (typisch sind hier Angstzustände und / oder Depressionen). In einigen Berufsgruppen liegt diese Zahl sogar bei 40 Prozent (Hardy, Shapiro, Haynes & Rick, 1999; Stride et al., 2007). Eine Reihe ähnlicher Statistiken zu dieser Problematik (siehe Kapitel 1) zeigt, dass die Problemlage in den meisten Industrienationen vergleichbar ist.

Führen Sie sich nun einmal Ihre eigenen Kollegen und Vorgesetzten vor Augen. Eine nicht unerhebliche Zahl von ihnen könnte aktuell massiv mit Zukunftsängsten zu kämpfen haben, wodurch ihr Verhalten negativ beeinflusst wird. Gut möglich, dass sie sich unzulänglich fühlen oder ihnen der Lebenssinn abhanden kommt.

Ein Teil dieser Belastungen und Dysfunktionen, die bei Erwerbstätigen vorkommen, werden ganz unmittelbar durch bestimmte Aspekte des Arbeitsumfelds ausgelöst. Dazu gehören beispielsweise überhöhte Anforderungen, geringe Autonomie und Kontrolle in Bezug auf anstehende Aufgaben, Mangel an Unterstützung und Respekt seitens der Vorgesetzten sowie ein chronisches Ungleichgewicht zwischen Verdienst bzw. Anerkennung und Engagement des Betreffenden. Interventionen, die auf derartige Stressfaktoren im Arbeitsumfeld abzielen, sind enorm wichtig, wenn es darum geht, die Gesundheit von Mitarbeitern zu schützen und ihre Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu fördern.

Doch dies ist lediglich eine Seite der Medaille. Wenn etwas für die seelische Gesundheit im Arbeitsleben getan werden soll, sind Arbeitsmediziner gefragt, die ihr Augenmerk auf die Stärkung der psychischen und behavioralen (verhaltensbezogenen) Ressourcen des Einzelnen richten. In diesem Bereich können die Prinzipien und Methoden der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) einen wertvollen Beitrag für die seelische Gesundheit, Resilienz und die Leistungsfähigkeit von Beschäftigten leisten. ACT bedient sich einer Reihe von speziellen Strategien zur Förderung von Achtsamkeit und Akzeptanz und wendet diese in Interventionen an, die Menschen dazu verhelfen sollen, bestimmte, für sie wünschenswerte Verhaltensmuster zu erkennen und anzustreben. Dazu sollte man von Anfang an wissen, dass ACT sich von den traditionelleren Verfahren zur Förderung der seelischen Gesundheit im betrieblichen Kontext unterscheidet, die primär auf Stressbewältigung im weitesten Sinne ausgerichtet sind. Ein wichtiger Aspekt besteht darin, dass es bei ACT nicht darum geht, die Form, Häufigkeit oder Intensität unerwünschter Gedanken oder Gefühle – also das, was wir als inneres Erleben bezeichnen – zu verändern. Vielmehr werden im Rahmen von ACT die Kompetenzen Achtsamkeit und Akzeptanz gefördert, die dann gezielt und aktiv eingesetzt werden, um wertegeleitete Ziele und Handlungen umzusetzen. ACT ist im Kern ein verhaltenspsychologischer Ansatz. Im vorliegenden Buch finden Sie eine Vielzahl von Interventionen, die Beschäftigte ermutigen, Handlungsmuster zu erkennen und anzuwenden, in denen ihre wertvollsten persönlichen Stärken und Eigenschaften zum Tragen kommen.

Dieses Buch ist das Resultat von zirka 15 Jahren Beschäftigtentraining und Forschung. Das hier beschriebene Prinzip zum Einsatz von ACT am Arbeitsplatz basiert auf einem erstmals 1996 von Frank Bond und Steve Hayes entwickelten ACT-Programm für die Arbeitswelt. Dieser ursprünglich auf drei Sitzungen ausgelegte ACT-basierte Ansatz wurde von Paul Flaxman weiterentwickelt und für den Einsatz in einer Reihe von großen Londoner Organisationen der öffentlichen Hand angepasst. Fredrik Livheim und seine schwedischen Kollegen haben ein innovatives und evidenzbasiertes Schulungsprogramm für ACT-Trainer entwickelt, wodurch ACT für immer mehr Beschäftigte zugänglich wird. (Dieses Schulungsprogramm für ACT-Trainer wird in Kapitel 8 dieses Buches beschrieben)

Im vorliegenden Buch möchten wir darstellen, wie ACT in Trainingsprogramme umgesetzt werden kann, die für Mitarbeiterteams in den verschiedensten betrieblichen Kontexten anwendbar sind. Das Ziel besteht dabei darin, ACT-basierte Interventionen in der Arbeitswelt möglichst breit zugänglich zu machen. Das funktioniert freilich nicht immer ganz reibungslos: Die Teilnehmer von ACT-Interventionen werden ermutigt, sich bewusst mit problematischen inneren Vorgängen auseinanderzusetzen, um ganz aktiv eine wertegeleitete Lebensführung anzustreben. Dabei geht es unter anderem um so entscheidende Fragen wie „Worum soll es in meinem Leben hauptsächlich gehen?“, und darum, in welchem Maße das bisherige Verhalten des Betreffenden mit den jeweiligen Antworten übereinstimmt. Sobald die Beschäftigten beginnen, ihre persönlichen Werte ganz bewusst zum Leben zu erwecken, werden ihnen nicht hilfreiche oder problematische Gedanken, Emotionen und Empfindungen natürlich viel stärker bewusst als je zuvor. Aus diesem Grund benötigen wir eine Vielzahl von entsprechend ausgebildeten Fachleuten, die zunächst einmal bereit sind, die ACT-Kernprozesse hinreichend intensiv auf ihr eigenes Privat- und Berufsleben anzuwenden. Erst nachdem sie sich mit dem ACT-Ansatz intensiv und im eigenen Erleben vertraut gemacht haben, sind sie darauf vorbereitet, andere darin zu schulen. Wenn wir so viele Menschen wie möglich erreichen wollen, scheint die Arbeitswelt der ideale Ort dafür.

Dieses Buch ist sowohl für Leser von Interesse, für die dieser Interventionsansatz noch relativ neu ist, als auch für jene, die bereits über eine gewisse Erfahrung mit den ACT-Prinzipien und -Prozessen verfügen. Im einleitenden Kapitel erörtern wir die theoretischen Grundannahmen, wie sich die Verfügbarkeit von ACT-Interventionen in der Arbeitswelt erhöhen lässt. In unserer Argumentation berufen wir uns auf die hohen Erkrankungsraten von gängigen psychischen Störungen unter Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter. Zudem heben wir die Einsatzbreite des zugrundeliegenden Interventionsmodells hervor und zeigen interessante Parallelen zwischen der ACT-Philosophie und neueren arbeitsmedizinischen Trends auf. In den darauffolgenden Kapiteln beschreiben wir ein, auf drei Sitzungen konzipiertes, ACT-basiertes Trainingsprogramm, das bereits erfolgreich in den verschiedensten betrieblichen Kontexten eingesetzt wurde. In diesem Teil des Buches beschreiben wir grundlegende ACT-Strategien und geben Auszüge aus Interaktionen zwischen Teilnehmern und Trainern wieder, die exemplarisch für typische Effekte stehen, die wir bei dieser Trainingsform festgestellt haben. Dabei haben wir allerdings einige spezifische Angaben geändert, um die Anonymität der Teilnehmer und ihres Umfelds zu wahren und dennoch die unserer Ansicht nach entscheidenden Inhalte zu vermitteln. In den letzten Kapiteln unseres Buches erörtern wir, welche Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich sind, um diese Form der Intervention im betrieblichen Kontext so durchzuführen, dass sie dem ACT-Ansatz entspricht. Außerdem betrachten wir nochmals die Faktenlage für den Einsatz ACT-basierter Trainingsprogramme am Arbeitsplatz und schildern abschließend, wie die ACT-Prinzipien zunehmend Anwendung finden, um vielfältige betriebliche Anliegen zu unterstützen – so zum Beispiel in der Team-, Führungskräfte- oder Karriereentwicklung.

Wir hegen die Hoffnung, dass dieses Buch für ACT-Anwender eine wertvolle Wissensbasis darstellt und zu weitreichenden Verbesserungen des psychischen Wohlbefindens und der Verhaltenswirksamkeit von Berufstätigen führt.

1. Prävalenz und Folgen psychischer Beschwerden in der Arbeitswelt

Ehe wir unser auf drei Sitzungen konzipiertes ACT-basiertes Trainingsprogramm vorstellen, möchten wir unsere Beweggründe für den Einsatz von ACT zur Förderung der seelischen Gesundheit und Verhaltenswirksamkeit am Arbeitsplatz verdeutlichen. Dazu geben wir in diesem Kapitel eine Reihe von Zahlen an, wie verbreitet psychische Erkrankungen unter Berufstätigen sind und welche Kosten sie verursachen. Um zu belegen, dass es sich hierbei um ein weltweites Phänomen handelt, verwenden wir bewusst Prävalenzschätzungen, die aus Studien an Berufstätigen (bzw. der Allgemeinheit) in unterschiedlichen Ländern stammen, wie z. B. den USA, Großbritannien, verschiedenen EU-Staaten und Australien.

Gut möglich, dass wir damit längst offene Türen einrennen und den Lesern des vorliegenden Buches vollkommen bewusst ist, welch immense Kosten psychische Beschwerden für die Betroffenen, ihre Arbeitgeber und die gesamte Gesellschaft verursachen. Trotzdem halten wir es für angebracht, die in diesem Kapitel aufgeführten Statistiken über Verbreitung und Kosten nochmals hervorzuheben, da viele Verantwortliche auf Arbeitgeberseite sich nicht bewusst sind, welche Tragweite die psychischen Beschwerden ihrer Beschäftigten eigentlich haben. Wenn sich beispielsweise Führungskräfte für ACT interessieren, um etwas gegen einen zu hohen Krankenstand zu unternehmen, nehmen sie oftmals bass erstaunt zur Kenntnis, dass noch viel höhere Kosten entstehen, wenn Arbeitnehmer mit psychischen Beschwerden zur Arbeit erscheinen, dort aber nur sehr begrenzt leistungsfähig sind (Kessler & Frank, 1997). Hinzu kommt, dass Arbeitgeber die Prävalenz psychischer Beschwerden in der eigenen Belegschaft seit jeher drastisch unterschätzen (Shaw Trust, 2006), was wiederum einen Einfluss darauf hat, in welchem Maße Ressourcen und Arbeitszeit in Interventionen wie ACT investiert werden. Daher müssen psychologische Fachkräfte, die ACT in der Arbeitswelt anbieten wollen, den Entscheidungsträgern auf Arbeitgeberseite die ethischen und wirtschaftlichen Argumente für eine Verbesserung der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeiter überzeugend nahebringen. Mit den nachfolgend dargestellten Informationen möchten wir dafür Hilfestellung geben.

Prävalenz psychischer Beschwerden in der Arbeitswelt

Aus einer Vielzahl von epidemiologischen Studien geht hervor, dass psychische Störungen in der menschlichen Gesellschaft immens verbreitet sind. Wie Daten aus aller Welt belegen, traten in den vergangenen zwölf Monaten bei 19 bis 30 Prozent der Bevölkerung eines Landes klinisch relevante psychische Beschwerden auf (Hilton et al., 2008). Besonders vertraut sind wir konkret mit den britischen Prävalenzraten, wo man davon ausgeht, dass bei knapp einem Viertel (23,4 %) der erwachsenen Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt seelische Beschwerden auftreten (Sainsbury Centre for Mental Health, 2007). Am weitesten verbreitet in der Allgemeinbevölkerung sind dabei Angstzustände und Depressionen. Diese psychischen Beschwerden belasten die Volkswirtschaften in aller Welt finanziell ganz erheblich, was sich insbesondere in einer verminderten Arbeitsproduktivität niederschlägt (siehe z. B. Kessler, Merikangas & Wang, 2009; Sobocki, Jönsson, Angst & Rehnberg, 2006; Thomas & Morris, 2003).

Obwohl hinsichtlich der gesamtgesellschaftlichen Prävalenz von psychischen Erkrankungen ein breiter Konsens besteht, hält sich hartnäckig der Irrglaube, innerhalb der arbeitenden Bevölkerung wären diese Raten signifikant niedriger (Sainsbury Centre for Mental Health, 2007). Schließlich seien Berufstätige gezwungen, jeden Morgen aufzustehen, zu ihrer Arbeitsstelle zu fahren und dort eine angemessene Leistung zu erbringen, um ihre Entlohnung und Weiterbeschäftigung zu sichern. Angesichts der Anforderungen des beruflichen Alltags liegt die Vermutung nahe, dass ein beträchtlicher Anteil der von seelischen Leiden betroffenen Beschäftigten früher oder später aus dem Arbeitsleben ausscheidet. Es wurde jedoch vielfach nachgewiesen, dass die gängigsten psychischen Beschwerden unter Erwerbstätigen nahezu genauso verbreitet sind wie in der Allgemeinbevölkerung.

Bei Studien in Bezug auf US-amerikanische Arbeitnehmer wurde festgestellt, dass rund ein Drittel der Beschäftigten unter einer sehr hohen Stressbelastung oder stressbedingter Arbeitsunfähigkeit leidet und durchschnittlich einer von zehn Angestellten im Monat vor der Untersuchung 14 oder mehr Tage spürbare seelische Belastungen aufwies (National Institute for Occupational Safety and Health, 2002). In ähnlichem Maße ermittelten Kessler & Frank (1997) bei US-amerikanischen Arbeitnehmern eine durchschnittliche 30-Tages-Prävalenz von 18 Prozent der im DSM (Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders) gelisteten psychiatrischen Störungen. Dabei traten zwischen den einzelnen Berufsgruppen leichte Abweichungen (die Raten lagen zwischen 11 und 30 %) auf. Aus der vierten europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen (Parent-Thirion, Macias, Hurley & Vermeylen, 2007) ging hervor, dass Stress in Europa das am zweithäufigsten angeführte Gesundheitsproblem am Arbeitsplatz ist, von dem durchschnittlich 22 Prozent der Erwerbstätigen in 27 Ländern betroffen sind.

Die Daten aus Großbritannien belegen schließlich, dass einer von sechs Arbeitnehmern zu irgendeinem Zeitpunkt unter typischen psychischen Problemen, wie etwa Depression, Angst oder stressbedingten Beschwerden, leiden wird. Diese Zahl erhöht sich auf einen von fünf Arbeitnehmern, wenn zusätzlich Drogen- oder Alkoholmissbrauch eine Rolle spielen. Im Gegensatz dazu treten schwerwiegende psychische Probleme, wie zum Beispiel psychotische oder bipolare Störungen, bei schätzungsweise 1 bis 3 Prozent der Erwerbstätigen auf (Seymour & Grove, 2005).

Auch wenn diese Angaben gewisse Schwankungen aufweisen (teilweise aufgrund unterschiedlicher Methoden zur Datengewinnung bzw. der Klassifizierungskriterien), liegen die Gemeinsamkeiten auf der Hand. Alles in allem geht aus den Ergebnissen dieser (und vieler anderer) groß angelegter Untersuchungen klar hervor, dass psychische Beschwerden unter den Arbeitnehmern der industrialisierten Welt enorm verbreitet sind. Die Schlussfolgerungen daraus sind für uns eindeutig: Die Arbeitswelt bietet einen idealen Kontext für die Verbesserung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung. Diese Auffassung wird zusätzlich untermauert durch die nachfolgend erörterten Erkenntnisse, aus denen hervorgeht, dass die meisten der unter den genannten Problemen leidenden Arbeitnehmer nur dann in den Genuss einer psychologischen Intervention kommen, wenn sie am Arbeitsplatz erfolgt.

Behandlungsraten bei psychischen Erkrankungen von Arbeitnehmern

Bei einer Befragung australischer Arbeitnehmer werteten Hilton et al. (2008) die Behandlungsprävalenz der am stärksten belasteten Arbeitnehmer aus. Dabei fanden sie heraus, dass lediglich 22 Prozent der Erwerbstätigen mit klinisch relevanten Beschwerden sich aktuell in Behandlung befanden. Diese niedrige Behandlungsrate wurde durch folgende Faktoren beeinflusst:

31 Prozent der psychisch stark belasteten Arbeitnehmer waren sich nicht darüber im Klaren, dass sie möglicherweise unter seelischen Beschwerden leiden.

29 Prozent der betroffenen Mitarbeiter war bewusst, dass sie unter seelischen Beschwerden leiden, ohne sich jedoch in Behandlung zu begeben.

19 Prozent der betroffenen Beschäftigten befanden sich bereits früher – jedoch nicht aktuell – in Behandlung, obwohl ihre Beschwerden eine Intervention erfordert hätten.

Ähnlich geringe Behandlungsraten wie bei den psychisch belasteten australischen Arbeitnehmern sind auch in anderen Nationen wiederzufinden. So werden schätzungsweise drei Viertel der britischen Beschäftigten mit gängigen psychischen Beschwerden (Angstzustände und / oder Depressionen) keinerlei Interventionen zuteil (Seymour & Grove, 2005). Zusätzlich zu den von Hilton et al. (2008) ermittelten Einflussfaktoren wird eine Reihe von anderen Gründen angeführt, die möglicherweise dazu beitragen, dass derart wenige betroffene Arbeitnehmer sich um psychologische Intervention bemühen oder diese erhalten. Zum einen ist es den Beschäftigten möglicherweise unangenehm, im Kollegenkreis psychische Probleme einzugestehen, und sie schrecken davor zurück, sich für einen Besuch beim Psychologen frei zu nehmen (Black, 2008). Darüber hinaus gehen manche der Betroffenen vielleicht davon aus, dass die einschlägigen Therapeuten hauptsächlich schwerwiegendere psychische Erkrankungen behandeln, und verkennen, dass professionelle Hilfe durchaus auch bei leichteren seelischen Beschwerden angeraten ist (Sainsbury Centre for Mental Health, 2007). Und schließlich gibt es auch bestimmte Gruppen von Beschäftigten, etwa junge Männer, die sich generell schwertun, bei gesundheitlichen Problemen Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies gilt umso mehr bei psychischen Beschwerden (siehe dazu z. B. Oliver, Pearson, Coe & Gunnell, 2005).

Alles in allem können wir aus diesen Beobachtungen schließen, dass psychologische Interventionen häufig nicht bei jenen Arbeitnehmern ankommen, die an den gängigsten Formen seelischer Beschwerden leiden. Selbstverständlich sehen wir ACT-Gruppentrainings für Beschäftigte keineswegs als Allheilmittel für die Problemkombination aus psychischen Beschwerden und geringen Behandlungsraten an. Am Ende des Kapitels erörtern wir weitere wichtige Interventionsansätze innerhalb der Arbeitswelt, die vor dem Hintergrund der hier dargestellten Prävalenz- und Kostenstatistiken ebenfalls Beachtung finden sollten. Aufgrund der hohen Zahl von Beschäftigten, die anderweitig keine geeignete psychologische Hilfe aufsuchen oder erhalten, gehen wir dennoch davon aus, dass gruppenbezogene ACT-Programme am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle spielen können, um Wohlbefinden, Verhaltenswirksamkeit und Lebensqualität einer Vielzahl von Menschen zu verbessern. Diese Annahme wird durch die wissenschaftlichen Forschungen in Bezug auf ACT und psychische Flexibilität gestützt, über die wir im letzten Teil dieses Buches informieren (siehe Kapitel 9).

Bei der Durchführung und Auswertung von ACT-Maßnahmen in britischen Betrieben richten wir unser Augenmerk zunehmend besonders auf jene Arbeitnehmer, die sich durchaus darüber im Klaren sind, dass sie unter psychischen Beschwerden leiden und (aus welchem Grund auch immer) ansonsten keine Behandlung erhalten. Aus der Vielzahl von mäßig bis schwer psychisch belasteten Arbeitnehmern, die sich freiwillig für unsere ACT-Programme anmelden, ist zu schließen, dass die Betroffenen durchaus auf psychologische Angebote eingehen, sofern diese für sie leicht zugänglich sind (und beispielsweise nicht als Therapie sondern als Kurs oder Training und während der Arbeitszeit stattfinden). Diesem Thema wenden wir uns noch einmal detaillierter zu, wenn es darum geht, wie sich ACT-Trainingsprogramme den Beschäftigten nahebringen lassen und welche Arbeitnehmer sich typischerweise dafür anmelden (siehe Kapitel 4).

Die Kosten psychischer Beschwerden von Erwerbstätigen für die Wirtschaft

Die seelischen Beschwerden von Mitarbeitern verursachen Unternehmen beträchtliche Kosten. Diese resultieren hauptsächlich aus verstärkter Personalfluktuation, erhöhtem Krankenstand und verringerter Produktivität der betroffenen Beschäftigten. Nachfolgend stellen wir dies anhand von Zahlen genauer dar.

Der in den USA herausgegebene Annual Survey of Occupational Injuries and Illnesses sammelt Daten aus der Privatwirtschaft über die Gründe und Dauer der Arbeitsunfähigkeit von Beschäftigten. Daraus geht hervor, dass Angst, Stress und neurotische Störungen einen erheblich höheren Anteil an der Gesamtzahl der langfristigen Krankschreibungen ausmachen als Verletzungen oder andere Erkrankungen. Insbesondere im Jahr 2001 hatten 42,1 Prozent der Arbeitsausfälle psychische Gründe und schlugen mit 31 oder mehr Krankheitstagen zu Buche. Die Anzahl der Ausfalltage von US-amerikanischen Arbeitnehmern aufgrund von gängigen psychischen Beschwerden war damit durchschnittlich viermal höher als die Anzahl der Ausfalltage aufgrund aller anderen nicht tödlich verlaufenden Verletzungen und Erkrankungen zusammen (National Institute for Occupational Safety and Health, 2004). In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass psychische Beschwerden im Gegensatz zu Verletzungen oder physischen Erkrankungen häufig lange Zeit unerkannt und unbehandelt bleiben, bis sie so akut werden, dass der Betroffene längerfristig ausfällt, um wieder zu genesen (Black, 2008).

In Großbritannien haben Wissenschaftler vom Sainsbury Centre for Mental Health eine aufschlussreiche Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für das Problem der Gesundheitsbeschwerden am Arbeitsplatz durchgeführt. Ihrer Schätzung nach bescheren psychische Beschwerden der britischen Wirtschaft pro Jahr Kosten in Höhe von 26 Milliarden Pfund (ca. 30 Milliarden Euro). Diese Gesamtsumme setzt sich wie folgt zusammen:

8,4 Milliarden Pfund (10 Milliarden Euro) pro Jahr aufgrund von Krankschreibungen (wovon ca. 40 % auf psychisch bedingte Beschwerden entfallen);

15,1 Milliarden Pfund (18 Milliarden Euro) pro Jahr aufgrund von verminderter Produktivität am Arbeitsplatz;

2,4 Milliarden Pfund (knapp 3 Milliarden Euro) pro Jahr aufgrund von Personalwechsel, um Mitarbeiter zu ersetzen, die wegen psychischer Beschwerden ausgeschieden sind.

Interessant an den oben angeführten Zahlen ist besonders, dass die verringerte Arbeitsproduktivität infolge von psychischen Beschwerden finanziell erheblich schwerer wiegt als die Kosten für krankheitsbedingten Arbeitsausfall. Hier kommt das Phänomen des „Präsentismus“ ins Spiel, das durch arbeitsmedizinische Forschung und Politik mit Interesse wahrgenommen wird (siehe dazu z. B. Johns, 2010). Als Präsentismus wird das Bestreben von Beschäftigten bezeichnet, trotz Krankheit am Arbeitsplatz zu erscheinen, obwohl ihre Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Dies tritt besonders bei psychischen Problemen auf, da die Betroffenen befürchten, aufgrund ihrer emotionalen oder seelischen Beschwerden stigmatisiert zu werden. Je nach Herkunftsland sind die daraus resultierenden Kosten für die Wirtschaft 1,5-mal bis ein Vielfaches höher als die Kosten durch Krankschreibungen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Präsentismus besonders stark unter Büroangestellten und hoch qualifizierten (und somit besser bezahlten) Mitarbeitern verbreitet ist (Sainsbury Centre for Mental Health, 2007).

Obwohl auf diesem Gebiet definitiv Fortschritte zu verzeichnen sind, ist es wichtig, dass Unternehmer und sonstige betriebliche Entscheidungsträger weiterhin auf die, durch psychische Leiden, entstehenden Kosten für die Arbeitgeberseite aufmerksam gemacht werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen psychologische Trainingsprogramme am Arbeitsplatz, die das seelische Wohlbefinden und die Verhaltenswirksamkeit verbessern sollen, nicht mehr als Luxusangebot, sondern vielmehr als sinnvolle Investition mit erheblichem Einsparpotenzial. Daten aus Australien belegen, dass Arbeitgeber, die in die psychologische Gesundheitsförderung – beispielsweise in Form von Vorsorgeuntersuchungen und Förderung der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten – investieren, mit dem fünffachen Ertrag dieser Investition rechnen können (Hilton, 2005). Oder, um es mit dem Autor einer großen britischen Studie zum Thema Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu sagen: „Good mental health is good business“ („Eine stabile Psyche rechnet sich“, Black, 2008).

Die Kosten psychischer Beschwerden von Erwerbstätigen für die Gesellschaft

Die durch psychische Leiden von Berufstätigen verursachten Kosten wirken sich unweigerlich auch auf die Gesamtgesellschaft und -wirtschaft aus. Dies schlägt sich zum Beispiel in erhöhten Aufwendungen für Gesundheitswesen und staatliche Sozialleistungen nieder, um die große Zahl von psychisch erkrankten Personen im erwerbsfähigen Alter zu unterstützen. Darüber hinaus wird auch die gesamtwirtschaftliche Leistung durch die verringerte Produktivität der betroffenen Arbeitnehmer geschmälert.

Eine groß angelegte Studie mit US-amerikanischen Arbeitnehmern kam zu dem Ergebnis, dass die Gesundheitsausgaben für Beschäftigte mit hoher Stressbelastung 46 Prozent höher waren als bei Arbeitnehmern mit geringer Stressbelastung (Goetzel et al., 1998). In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geht man davon aus, dass psychische Probleme durchschnittlich Kosten in Höhe von 3 bis 4 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) verursachen. Darin eingerechnet sind Behandlungskosten und Ertragseinbußen infolge von Krankschreibungen und verringerter Produktivität von Mitarbeitern (Seymour & Grove, 2005). In Großbritannien geraten jährlich 200.000 Erwachsene im erwerbsfähigen Alter aufgrund von psychischen Beschwerden in Abhängigkeit von Sozialleistungen (Black, 2008). Und schließlich hat das Centre for Mental Health (2010) unlängst den Anstieg der Kosten für Wirtschaft und Gesellschaft infolge von psychischen Erkrankungen zwischen 2002 / 2003 und 2009 / 2010 in England ermittelt. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten lagen demnach 2009 / 2010 bei schätzungsweise 105,2 Milliarden Pfund (126 Milliarden Euro), was einer Steigerung von 36 Prozent seit 2002 / 2003 entspricht. Dabei entfiel der größte Anstieg auf die Ausgaben für Gesundheits- und Sozialleistungen, der bei 70 Prozent lag. Dabei ist außerdem zu beachten, dass die Ertragseinbußen im genannten Bericht eher zu gering angesetzt sind, da Produktivitätsverluste aufgrund von Präsentismus nicht berücksichtigt wurden. Die Autoren dieser Studie zeichnen mit ihren Zahlen ein bestürzendes Bild im Hinblick auf die gesamtgesellschaftlichen Kosten: Psychische Beschwerden stellen für die britische Allgemeinheit eine stärkere Belastung dar als die Kriminalität.

Interventionsansätze

Um die seelische Gesundheit und das berufliche und private Funktionsniveau zu verbessern, gibt es ganz unterschiedliche Interventionen für die Arbeitswelt. Traditionell sind viele davon jedoch auf das Thema Stressbewältigung am Arbeitsplatz beschränkt. Auf den betrieblichen Einsatz orientierte Stressbewältigungsmaßnahmen zielen darauf ab, die Arbeitsbedingungen so zu modifizieren, dass psychische Beschwerden von Beschäftigten vermieden oder verringert werden. Derartige Maßnahmen sind in der Regel als Primärprävention einzuordnen, da sie sehr früh ansetzen und das Ziel darin besteht, arbeitsbedingte Stressfaktoren an der Quelle zu reduzieren (Cox et al., 2000; Giga, Cooper & Faragher, 2003). Die gängigsten betrieblichen Methoden haben dabei einen stark partizipativen Charakter, indem die Beschäftigten ganz unmittelbar einbezogen werden, um einerseits Probleme und Lösungen zu erkennen und andererseits Strategien zur Problembeseitigung umzusetzen. Obwohl die Forschungsergebnisse in Bezug auf solche Programme eher uneinheitlich sind, wurde in einer Reihe von Studien festgestellt, dass diese Maßnahmen wichtige Aspekte des Arbeitslebens positiv beeinflussen (wie etwa das Maß an Kontrolle und Autonomie in Bezug auf die Arbeit) und somit das Wohlbefinden der Beschäftigten verbessern können (Bond, Flaxman & Bunce, 2008; Holman, Axtell, Sprigg, Totterdell & Wall, 2010). Diese Interventionen müssen jedoch mit einem gewissen Augenmaß durchgeführt werden, da manche Arbeitgeber erfahrungsgemäß nicht über die persönlichen Bewältigungsressourcen verfügen, um etwaige Veränderungen im Arbeitsumfeld ihrer Mitarbeiter wohlwollend aufzunehmen (siehe z. B. Bond et al., 2008; Jex, Bliese, Buzzell & Primeau, 2001; Meier, Semmer, Elfering & Jacobshagen, 2008; Schaubroeck, Jones & Xie, 2001).

Im Gegensatz zu diesen auf das Arbeitsumfeld orientierten Bestrebungen konzentrieren sich individuelle Stressbewältigungsmaßnahmen im Allgemeinen auf den Umgang des Einzelnen mit stressauslösenden Ereignissen und zielen darauf ab, die Bewältigungsressourcen des Beschäftigten zu verbessern. Dabei ist der geläufigste (und empirisch am besten ausgewertete) Ansatz das Stressbewältigungstraining (SBT). Solche Kurse werden üblicherweise in kleinen Gruppen von Beschäftigten am Arbeitsplatz durchgeführt und bestehen zumeist aus einer Kombination traditioneller KVT-Methoden (KVT = Kognitive Verhaltenstherapie) wie beispielsweise kognitive Umstrukturierung, Übungen zur Muskelentspannung und Zeitmanagement-Training. Viele dieser Programme beruhen auf Varianten von Donald Meichenbaums (1985) vielfach erprobtem Stressimpfungstraining. Neuere Analysen der SBT-Forschungsliteratur kommen zu dem Schluss, dass diese vielfältigen, KVT-basierten Maßnahmen wirkungsvoll zur Verbesserung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz beitragen können (Murphy, 1996; Richardson & Rothstein, 2008; van der Klink, Blonk, Schene & van Dijk, 2001). Interessant ist dabei die wissenschaftliche Erkenntnis, dass diese Programme nicht zu viele Komponenten umfassen sollten, da sie sonst an Wirkung einbüßen (möglicherweise würde das die ohnehin schon sehr beanspruchten Arbeitnehmer überfordern; Richardson & Rothstein, 2008).

Im Einklang mit dem jüngsten Aufschwung der KVT-Bewegung nehmen wir bereits den Einfluss von achtsamkeitsbasierten Verfahren zur Stressbewältigung (Mindfulness-Based Stress Reduction, kurz MBSR) zur Förderung der seelischen Gesundheit am Arbeitsplatz wahr. Solche MBSR-Kurse werden zunehmend für Beschäftigte direkt im beruflichen Umfeld angeboten (siehe z. B. Chaskalson, 2011; Williams, Kolar, Reger & Pearson, 2001). Es ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen, dass derartig kompakte (oder „niedrigdosierte“) Varianten der traditionellen Achtsamkeitsprogramme die seelische Gesundheit von Arbeitnehmern eindrucksvoll verbessern können (Klatt, Buckworth & Malarkey, 2009). Wir unterstützen ausdrücklich die Bestrebungen, solche achtsamkeitsbasierten Interventionen für Arbeitnehmer leichter zugänglich und verfügbar zu machen.

Im Rahmen des zuvor beschriebenen Klassifikationssystems für Interventionen wäre ACT als überwiegend individuell ausgerichteter Ansatz einzuordnen, da es darum geht, das persönliche Maß der psychischen Flexibilität eines Beschäftigten zu verbessern. In diesem Sinne möchte das vorliegende Buch an die historische Verbindung zwischen KVT und SBT-Programmen am Arbeitsplatz anknüpfen und den ACT-Interventionsansatz für das berufliche Umfeld anpassen. In den hinteren Kapiteln werden wir außerdem den Einsatz von ACT für Ziele betrachten, die über eine Verbesserung der seelischen Gesundheit von Beschäftigten hinausgehen. Dies umfasst beispielsweise die Anwendung des ACT-Modells und der zugehörigen Interventionsmethodik für die Führungskräfte-, Karriere- oder Organisationsentwicklung (siehe Kapitel 10).

Die Leser dieses Buches wird es wenig überraschen, dass wir in ACT großes Potenzial sehen, um die Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz in Theorie und Praxis voranzubringen. Im Gegensatz zu den traditionelleren SBT-Programmen liegt ACT ein übergreifendes Theoriemodell zugrunde, an dem sich Wissenschaftler klar orientieren können, die auf Veränderung abzielende Interventionsprozesse beurteilen, statistisch erfassen und überprüfen wollen (siehe z. B. Bunce, 1997). Darüber hinaus ist die Konzentration von ACT auf die Förderung der psychischen Flexibilität, anstelle von „Symptomlinderung“, konform mit dem aktuellen Trend in der arbeitsmedizinischen Theorie und Praxis. Dieser Thematik widmen wir uns in Kapitel 3 noch einmal genauer und erläutern dort auch die theoretischen Grundlagen für den angestrebten Ausbau von ACT-Programmen zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz.

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der verschiedenen, in diesem Kapitel dokumentierten Prävalenzstatistiken mag es kaum überraschen, dass psychische Beschwerden vielfach als das vordringlichste Gesundheitsproblem gelten, dem Berufstätige heute ausgesetzt sind. Einige namhafte Autoren gehen davon aus, dass diese Problematik in Zukunft in dem Maße weiter verschärft wird, wie die beruflichen Anforderungen steigen (Erwartung eines höheren Arbeitstempos und Einhalten knapperer Termine bei geringeren Ressourcen), die Arbeitsplatzsicherheit abnimmt und sich in weiten Teilen der industrialisierten Welt eine wirtschaftliche Ungewissheit ausbreitet (siehe Milczarek, Schneider & Gonzalez, 2009; Seymour, 2010). Geht man davon aus, dass Beschäftigte bis zu 60 Prozent ihrer „wachen Lebenszeit“ mit Arbeit zubringen, so folgt daraus, dass das berufliche Umfeld einen wichtigen Kontext für die Verbesserung der psychischen Gesundheit und Lebensqualität des Menschen bietet. In den meisten in diesem Kapitel zitierten Beiträgen wird Arbeitgebern empfohlen, vom traditionell reagierenden Umgang mit psychischen Beschwerden viel stärker zu einem präventiven Ansatz zur Förderung der seelischen Gesundheit überzugehen. Die Forschung der vergangenen zehn Jahre legt nahe, dass ACT bei solchen Bemühungen eine wichtige Rolle spielen kann.

2. Was ist ACT?

ACT steht an der Spitze einer neuen Generation Kognitiver Verhaltenstherapien (KVT). Was teilweise als „dritte Welle“ der KVT bezeichnet wird, ist erkennbar geprägt durch ein modernes wissenschaftliches und klinisches Interesse für die uralte Praxis der Achtsamkeit, die als wichtiger Weg hin zu seelischer Gesundheit und Verhaltenswirksamkeit angesehen wird (Hayes, 2004). Während die KVT sich traditionell darauf konzentriert, die Inhalte (d. h. die Form oder Häufigkeit) unerwünschter oder dysfunktionaler Gedanken, Gefühle oder Körperempfindungen des Menschen zu beeinflussen, setzen achtsamkeitsbasierte Strategien darauf, ganz grundlegend die Einstellung eines Menschen zu seinem inneren Erleben zu verändern.

ACT lässt sich wahrscheinlich am besten als kontextuelle KVT beschreiben (Hayes, Villatte, Levin & Hildebrandt, 2011), da Interventionsmodell und Methodik von ACT darauf abzielen, die problematischen psychischen Kontexte zu verändern, in denen kognitive und emotionale Inhalte erlebt werden. ACT unterscheidet sich von anderen bekannten achtsamkeitsbasierten Ansätzen, wie etwa achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) oder achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (Mindfulness-Based Cognitive Therapy, MBCT), da sie viel stärker die Verhaltensaktivierung anhand selbst gewählter Werte in der Vordergrund stellt. ACT ist vom Kern her eine Verhaltenstherapie, die fest verwurzelt ist in der etablierten verhaltensanalytischen Theorie über die fundamentalen Aspekte menschlicher Sprache und Kognition (bekannt als Bezugsrahmentheorie bzw. BRT, siehe unten). Obwohl ACT völlig zu Recht als achtsamkeitsbasierter Ansatz eingeordnet wird, strebt man mit ACT-Interventionen keineswegs Achtsamkeit als Selbstzweck an. Stattdessen nutzt ACT eine Reihe von Achtsamkeits- und Akzeptanzprozessen aus, um Menschen dazu zu verhelfen, wertegeleitete Lebensziele und Handlungen anzustreben.

In diesem Kapitel beleuchten wir den Zusammenhang zwischen ACT und Bezugsrahmentheorie (BRT) und definieren dann alle sechs, in Wechselbeziehung stehenden Prozesse, die zusammen das sehr breit anwendbare Modell der psychischen Flexibilität bilden. Am Ende des Kapitels erläutern wir, wie wir dieses Interventionsmodell auf ein Trainingsprogramm für Gruppen übertragen haben, das psychische und behaviorale Kompetenzen, d. h. Achtsamkeit und wertebasiertes Handeln[1](values-based action), wirkungsvoll miteinander kombiniert.

ACT und Bezugsrahmentheorie (BRT)

Wie bereits erwähnt, basiert ACT auf der Bezugsrahmentheorie (engl. Relational Frame Theory, RFT), der zufolge der Kern der menschlichen Sprache und Kognition darin besteht, dass der Mensch in der Lage ist, auf Ereignisse oder Objekte auf komplexe Weise relational zu reagieren (Hayes, Barnes-Holmes & Roche, 2001). Diese Bezugnahme erfolgt dabei nicht nur aufgrund der physischen (z. B. größer als) oder zeitlichen Merkmale (z. B. vorher oder nachher), sondern auch anhand von willkürlich festgelegten (z. B. kulturell bedingten, allgemein üblichen oder vereinbarten) Eigenschaften. Eine von vielen Möglichkeiten, wie wir Relationen zwischen Objekten herstellen können, ist das physische Vergleichen. So sieht man beispielsweise, dass ein 5-Cent-Stück physisch größer ist als eine 10-Cent-Münze, lernt allerdings, dass die kleinere Münze mehr wert ist als die größere. Wichtig ist dabei, dass wir solche Bezüge nur in bestimmten Situationen herstellen (beispielsweise wenn wir entscheiden, wie viel Trinkgeld wir einem Kellner geben). Das hat große Vorteile, da gelegentlich diese relationale Herangehensweise auch hinderlich sein kann (wenn wir etwa unser Kleingeld zählen wollen, spielt es ja überhaupt keine Rolle, dass ein 10-Cent-Stück mehr wert ist als eine 5-Cent-Münze, obwohl es kleiner ist). Darüber hinaus können wir dadurch lernen, sehr subtile Unterscheidungen vorzunehmen, sowie in Ereignissen komplizierte und komplexe Muster zu erkennen.

Die Bezugsrahmentheorie hebt hervor, dass unsere erlernten relationalen Reaktionen auf Ereignisse und Objekte, zum Beispiel in Form von Vergleichen, dazu führen, dass die Funktion (oder Bedeutung / Eigenschaft) eines Ereignisses oder Objektes sich auf andere überträgt (bzw. auf sie abfärbt). Diese Transformation von Reizfunktionen erklärt, warum wir uns zum Beispiel glücklich fühlen, wenn wir ein Musikstück hören, das uns in einem schönen Urlaub begleitet hat: Die Funktionen Strand, Freunde und Essen sind dann nicht nur auf dieses Lied bezogen (d. h. dass wir an Urlaub denken, wenn wir es hören), sondern das Stück hat die angenehmen Reizfunktionen des Urlaubs übernommen.

Viele Objekte und Ereignisse können in die verschiedensten Bezüge gesetzt werden, d. h. Menschen lernen, die Reize zu vergleichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen, sie hierarchisch zu ordnen oder beliebig zeitlich zu gliedern. Fachlicher ausgedrückt sprechen wir von unterschiedlichen Bezugsrahmen oder Bezugsnetzwerken, innerhalb derer ein Mensch lernen kann, relational auf Ereignisse und Objekte zu reagieren. Das bedeutet, viele Reize sind imstande, die Funktion anderer Reize zu verändern. Wir Menschen sind im Endeffekt „Bezugsmaschinen“ und tun dies häufig, ohne es zu bemerken. Die Transformation der Reizfunktionen (eingeschlossen unserer Gefühle und Sorgen) erfolgt also permanent und unterliegt Veränderungen.

Diese außerordentlich knappe und allgemeinverständlich gehaltene Darstellung der Bezugsrahmentheorie soll hervorheben, dass ACT eine empirisch gesicherte Sprach- und Kognitionstheorie zugrunde liegt (Hayes, Bunting, Herbst, Bond & Barnes-Holmes, 2006). Als nächstes wollen wir auf Grundlage dieser Darstellung erörtern, warum die kontextuelle KVT nicht darauf abzielt, die menschlichen Kognitionen zu verändern oder deren Wahrhaftigkeit anzuzweifeln. (Eine detaillierte und verständliche Darstellung der BRT findet sich in Törneke, 2010. Hayes et al., 2001, stellen die BRT fachspezifischer dar.)

ACT als kontextuelle KVT

Zu den wichtigsten Schlussfolgerungen der BRT im Hinblick auf die Verbesserung der seelischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit gehört die Annahme, dass die Bezüge zwischen Objekten und Ereignissen erlernt sind. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wies Pawlow in seinen Experimenten mit dem speichelnden Hund nach, dass erlernte Reflexe nicht vollständig verschwinden oder ausgelöscht werden können. Sie können zwar unterbunden werden, treten aber sehr wahrscheinlich spontan wieder auf und werden erneuert.

Offensichtlich gilt dies ebenso für Bezüge zwischen Sprache, Kognitionen und Emotionen. Daraus lässt sich schließen, dass psychologische Interventionen mit dem Ziel, diese Bezüge zu verändern (also sie auszumerzen), nicht sehr erfolgversprechend sind. Diese Hypothese deckt sich mit den Forschungsergebnissen einiger Wissenschaftler. So fanden zum Beispiel Longmore und Worrel (2007) heraus, dass die Wirksamkeit inhaltsbezogener KVTs durch den Versuch, die Inhalte menschlicher Kognitionen zu verändern oder infrage zu stellen, nicht wesentlich gesteigert wird. Eines der wichtigsten Merkmale von ACT und anderer kontextueller KVTs (wie etwa der achtsamkeitsbasierten kognitiven Therapie) besteht darin, die inneren Vorgänge eines Menschen weder anzuzweifeln noch deren Häufigkeit oder Form verändern zu wollen. Stattdessen geht es darum, Einfluss darauf zu nehmen, wie jemand auf sein inneres Erleben reagiert oder relational antwortet, damit er offener, aufmerksamer und aktiver leben kann (Hayes et al., 2011, S. 141). Genauer wird die kontextuelle KVT wie folgt konzeptualisiert:

„Gegründet auf einen empirischen, an Prinzipien orientierten Ansatz, ist die dritte Welle der Verhaltens- und kognitiven Therapie besonders sensibel gegenüber dem Kontext und den Funktionen psychischer Phänomene, nicht nur gegenüber deren Form; deshalb tendiert sie ergänzend zu eher direkten und didaktischen, zur Betonung kontextueller und erlebnisbezogener Veränderungsstrategien. Diese Behandlungen streben, anstelle eines eliminativen Ansatzes für eng definierte Probleme, bevorzugt die Konstruktion breit gefächerter, flexibler und effektiver Repertoires an und betonen die Bedeutung der Themen, die sie untersuchen – im Hinblick auf Therapeuten ebenso wie auf Patienten.“

(Hayes, 2004, S. 5 f., zitiert nach R. F. Sonntag, http://cip-medien.com/media/download_gallery/05-02/2005-2-04.%20Sonntag.pdf)

Die kontextuelle KVT geht davon aus, dass seelische Gesundheit und Leistungsfähigkeit eher davon beeinflusst werden, welche Einstellung ein Mensch zu seinen Gedanken und Gefühlen hat, als von deren Form (d. h. wie negativ sie sind). Diese Annahme wird zunehmend auch empirisch untermauert und findet in den verschiedensten Bereichen menschlichen Erlebens ihre Bestätigung. Bei chronischen Schmerzen zum Beispiel entscheidet eher die Erlebensvermeidung (experiential avoidance, EA) des Schmerzes als dessen tatsächliches Maß über eine etwaige psychosoziale Beeinträchtigung (McCracken, 1998). Inzwischen gibt es eine Reihe von Konzepten, die ebenfalls von dieser Grundannahme ausgehen und heute eine zentrale Rolle bei klinisch-empirischen Methoden spielen. Dazu gehören u. a. Belastungstoleranz (z. B. Brown, Lejuez, Kahler & Strong, 2002; Schmidt, Richey, Cromer & Buckner, 2007), Gedankenunterdrückung (z. B. Wenzlaff & Wegner, 2000) sowie Achtsamkeit (Baer, 2003).

Das ACT-Modell der psychischen Gesundheit und Verhaltenswirksamkeit

Aus Sicht von ACT und BRT wird die psychische Gesundheit vor allem dadurch beeinflusst, wie unsere Kognition mit der aktuellen Situation oder Umgebung (oder mit dem Ereignis der Verstärkung [contingencies of reinforcement]) interagiert und ob wir dadurch bestärkt oder behindert werden, unsere langfristigen Werte und Ziele zu verfolgen (Hayes, Luoma, Bond, Masuda & Lillis, 2006).

ACT und BRT gehen von der Hypothese aus, dass Menschen – in Abhängigkeit von den Anlässen wertebezogenen Handelns in einer gegebenen Situation – flexibel sein müssen, in welchem Maße sie sich bei ihren Handlungen durch inneres Erleben (momentane Gedanken, Gefühle oder Körperempfindungen) einerseits oder den in dieser Situation gegebenen Anlässen andererseits leiten lassen. Eine Verschmelzung mit dem wörtlichen Inhalt von Gedanken (kognitive Fusion) und der Versuch, unerwünschten inneren Vorgängen aus dem Weg zu gehen (als Erlebensvermeidung bezeichnet), intensivieren mutmaßlich die Auswirkungen und den Einfluss von emotionalen und kognitiven Inhalten auf das menschliche Handeln, selbst wenn diese Quellen der Verhaltensregulierung dysfunktional sind (Hayes et al., 2001). Infolgedessen verstärken der unterdrückende oder vermeidende Umgang mit Gedanken und Gefühlen zum einen seelische Beschwerden (z. B. Wenzlaff & Wegner, 2000) und beeinträchtigen zum anderen die Verhaltenswirksamkeit, indem sie in bestimmten Situationen den Einfluss wirkungsvoller Strategien auf das menschliche Handeln mindern (Hayes, Luoma, et al., 2006).

In den Anfangsjahren von ACT lautete der übergreifende Begriff für das Modell psychischer Störungen Erlebensvermeidung – also der Versuch, Form oder Häufigkeit von negativen persönlichen Erfahrungen bzw. die situative Sensibilität dafür zu verändern, obgleich dies zu Verhaltensschwierigkeiten führt (Hayes, Wilson, Gifford, Follette & Strosahl, 1996). Der Ausdruck Akzeptanz beschrieb die adaptive Seite dieses Modells, wobei Akzeptanz in diesem Zusammenhang definiert wird als die Bereitschaft, sich beim Streben nach den eigenen Werten und Zielen unerwünschten inneren Vorgängen auszusetzen (d. h. nicht deren Form, Häufigkeit oder die Sensibilität dafür zu verändern) (Hayes et al., 1996).

Die Begriffe „Akzeptanz“ und „Erlebensvermeidung“ sind nach wie vor hilfreich, wenn hervorgehoben werden soll, inwiefern die Vermeidung von unerwünschtem innerem Erleben die Sensibilität eines Menschen für die wertebezogenen Möglichkeiten in einer bestimmten Situation mindert. Wenn es jedoch darum geht, das ACT-Modell als Ganzes darzustellen, haben die beiden Begriffe ihre Grenzen. Zum einen beziehen sich diese Begriffe ausschließlich auf die menschlichen Reaktionen auf unerwünschte Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen und berücksichtigen nicht den viel breiter angelegten Anspruch von ACT, dass es von Belang ist, wie ein Mensch auf sein inneres Erleben insgesamt reagiert, egal ob unerwünscht, erwünscht oder neutral. Immerhin können die Verhaltenswirksamkeit (zum Beispiel gute Leistungen im Beruf) und die Fähigkeit, ein vitales Leben zu führen, genauso beeinträchtigt werden, wenn angenehme oder schlichtweg banale Gedanken oder Gefühle die Sensibilität für die wertebezogenen Möglichkeiten mindern. Wenn sich jemand zum Beispiel für besonders toll hält, kann dies seine Verhaltensflexibilität verringern, sobald er Fehler macht und „toll“ als Beschreibung nicht mehr so recht passt. Ganz ähnlich verhält es sich, wenn jemand nur noch von seinem bevorstehenden Urlaub träumt und gar nicht mehr in der Lage ist, auf Möglichkeiten zu reagieren, die möglicherweise für seine Ziele wichtiger oder dringender sind. In solchen Situationen wird inneres Erleben nicht unbedingt vermieden (sondern vielleicht sogar aktiv angestrebt). Trotzdem wird das Handeln – genau wie bei der Vermeidung inneren Erlebens – überproportional durch innere Vorgänge beeinflusst, und zwar zu Lasten der wertebezogenen Möglichkeiten. Diese Prinzipien kommen im Rahmen des im vorliegenden Buch beschriebenen Trainings zum Tragen, bei dem die Teilnehmer lernen, wie sie sich im alltäglichen Handeln stärker von ihren persönlichen Werten leiten lassen können (indem der negative Einfluss momentaner Gedanken und Gefühle auf das Verhalten verringert wird).

Gemäß dem ACT-Modell und dessen zugrundeliegenden Annahmen muss der Mensch – abhängig von den wertebezogenen Chancen in einer bestimmten Situation – flexibel darin sein, wie stark er sein Handeln entweder auf die Möglichkeiten in einer gegebenen Situation oder sein inneres Erleben stützt – ungeachtet dessen, ob dieses innere Erleben unerwünscht, erwünscht oder neutral ist. Um hervorzuheben, welch große Rolle für ACT die Flexibilität spielt, wird der wichtigste psychologische Kernprozess seit einigen Jahren zunehmend als psychische Flexibilität bezeichnet. Die psychische Flexibilität wird definiert als die Fähigkeit, sich ohne unnötige Abwehr auf den gegenwärtigen Augenblick und die daraus resultierenden Gedanken und Gefühle einzulassen und das eigene Verhalten, im Einklang mit dem Streben nach den persönlichen Werten und wertebasierten Zielen, beizubehalten oder zu verändern (Hayes, Luoma et al., 2006).

Akzeptanz und Erlebensvermeidung sind Beispiele für psychische Flexibilität bzw. Inflexibilität. Diese beiden Termini können nach wie vor verwendet werden. Sie beziehen sich auf psychische Haltungen, die Menschen einnehmen, wenn der gegenwärtige Augenblick unerwünschte Gedanken und Gefühle mit sich bringt, die sie lieber vermeiden wollen. Daher werden diese Begriffe häufig im Zusammenhang mit Psychopathologie und Psychotherapie verwendet. Die ACT-Prinzipien und -Methoden kommen jedoch zunehmend auch in nichttherapeutischen Situationen zum Einsatz, wenn es beispielsweise darum geht, die Verhaltenswirksamkeit zu steigern, um das Leistungssniveau von Berufstätigen im Arbeits- und Privatleben zu verbessern (z. B. Bond & Bunce, 2000; Bond et al., 2008). Wenn ACT im außerklinischen Kontext angewandt wird, steht oftmals nicht die menschliche Neigung, unerwünschte Gedanken und Gefühle zu vermeiden, im Mittelpunkt. Stattdessen geht es möglicherweise eher darum, wie eine zu starke „Verstrickung“ mit kognitiven und emotionalen Inhalten das wirkungsvolle Streben nach wertegeleiteten Handlungen und Zielen behindern kann.

Psychische Flexibilität erreichen: Das Hexagon-Modell[2]

Es lässt sich relativ unkompliziert auf den Punkt bringen, dass psychische Flexibilität dann vorliegt, wenn ein Mensch in der Lage ist, sich in seinem Handeln entweder von den in einer gegebenen Situation vorhandenen Möglichkeiten oder seinem inneren Erleben leiten zu lassen – je nachdem, in welchem Maße ihm beides dazu verhilft, in der jeweiligen Situation seine Werte umzusetzen (ein guter Mitarbeiter, zugewandter Elternteil, liebevoller Partner o. ä. zu sein). Welche Handlungen geeignet sind, um dies zu erreichen, ist eine ganz andere Frage – nämlich, was kann ein Mensch tun, um psychisch flexibler zu werden. Einer weniger fachspezifischen Definition zufolge besteht psychische Flexibilität darin, sich als bewusstes menschliches Wesen auf den gegenwärtigen Augenblick einzulassen und der Situation entsprechend so zu handeln, dass es den selbst gewählten Werten dient (Hayes, Strosahl, Bunting, Twohig & Wilson, 2004). Diese anschaulichere Definition wird durch sechs in Wechselbeziehung stehende Prozesse repräsentiert (siehe Abb. 2.1), die zusammen dazu beitragen, einen Kontext der psychischen Flexibilität zu erzeugen. Wichtig ist noch der Hinweis, dass die psychische Flexibilität nicht (wie ein Puzzlespiel) exakt aus diesen sechs Kernprozessen besteht, die als Einzelteile ein großes Ganzes bilden. Vielmehr sind diese Prozesse eher als Leitlinien zu verstehen, die Menschen dazu verhelfen, sich auf die psychische Flexibilität einzulassen (in der Abbildung als Zentrum des Hexagons dargestellt). Im Folgenden wollen wir uns diesen sechs Kernprozessen zuwenden.

Abbildung 2.1: Die sechs ACT-Kernprozesse als Hexagon-Modell

Kognitive Defusion

Kognitive Fusion