ADHS im Erwachsenenalter - verstehen, erkennen, handeln - Kerstin Heil - E-Book

ADHS im Erwachsenenalter - verstehen, erkennen, handeln E-Book

Kerstin Heil

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Beschreibung

Unkonzentriert, chaotisch, reizoffen – oder einfach neurodivers? ADHS bei Erwachsenen wird häufig übersehen, unterschätzt und missverstanden. Dieses Buch räumt auf mit Vorurteilen und gibt einen alltagstauglichen Überblick über die vielfältigen Facetten von ADHS. Kerstin Heil vermittelt fundiertes Wissen über Ursachen, Diagnose, Symptome und Begleiterkrankungen – ergänzt durch konkrete Tipps für Alltag, Beruf, Beziehungen und Selbstwert. Der praxisnahe Ratgeber bietet Checklisten, Tools, Selbsthilfestrategien sowie ein Glossar, Literaturtipps und Anlaufstellen. Ein Buch für alle, die ADHS verstehen wollen – mit Herz, Verstand und einem klaren Blick auf das echte Leben.

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Seitenzahl: 117

Veröffentlichungsjahr: 2025

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IMPRESSUM

Autorin und verantwortlich im Sinne des § 5 TMG / § 55 RStV:Kerstin HeilSchenkenböhlstraße 23 e67098 Bad DürkheimDeutschland

E-Mail: [email protected]

Titel:ADHS im Erwachsenenalter – verstehen, erkennen, handeln

Der praxisnahe Guide für Betroffene und Angehörige

Herstellung: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 BerlinKontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Satz und Layout: MS Office 365Covergestaltung: Canva Pro / Kerstin Heil / ChatGPT

Hinweis zur KI-Nutzung:

Dieses Werk wurde in Teilen mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz erstellt.Verwendetes Tool: ChatGPT von OpenAI (Textassistenz, Formulierungshilfe, Cover).Die finale inhaltliche Verantwortung, Auswahl und Gestaltung lagen bei der Autorin.Alle Inhalte wurden sorgfältig geprüft und verletzen nach bestem Wissen keine Urheberrechte oder Persönlichkeitsrechte Dritter.

Haftungsausschluss:Dieses Buch wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Die Autorin übernimmt jedoch keine Haftung für eventuelle Schäden oder Nachteile, die direkt oder indirekt aus der Nutzung der in diesem Buch enthaltenen Informationen entstehen.

Es handelt sich nicht um eine medizinische, psychologische, rechtliche oder steuerliche Beratung. Bei gesundheitlichen, rechtlichen oder anderen relevanten Fragen wird empfohlen, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Alle dargestellten Erfahrungen, Tipps und Einschätzungen sind subjektiv und spiegeln die persönliche Meinung der Autorin zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wider.

Für externe Links oder Hinweise auf Produkte, Dienstleistungen oder Webseiten wird keine Verantwortung übernommen.

Copyright:© 2025 Kerstin HeilAlle Rechte vorbehalten.Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Was ist ADHS?

Kapitel 2: Wie sich ADHS im Erwachsenenalter zeigt

Kapitel 3: Der Weg zur Diagnose

Kapitel 4: Was hilft wirklich?

Kapitel 5: Alltag mit ADHS

Kapitel 6: ADHS im Job

Kapitel 7: Liebe im Ausnahmezustand

Kapitel 8: Zwischen Nähe und Rückzug

Kapitel 9: Wer bin ich eigentlich?

Kapitel 10: Alltag im Griff

Kapitel 11: Morgen. Vielleicht. Ganz bestimmt.

Kapitel 12: Gefühlsexplosionen

Kapitel 13: Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?

Kapitel 14: Zeit ist relativ – vor allem bei ADHS

Kapitel 15: Wenn alles zu viel wird

Kapitel 16: Tausend Tabs im Kopf

Kapitel 17: Gefühlskarussell

Kapitel 18: Ich bin nicht kaputt

Kapitel 19: Arbeitsplatz Achterbahn

Kapitel 20: Immer müde, immer zu viel

Kapitel 21: ADHS und Schlafstörungen

Kapitel 22: ADHS erklären

Kapitel 23: ADHS im Alltag

Kapitel 24: ADHS und Beziehungen

Kapitel 25: ADHS im Beruf und Studium

Kapitel 26: ADHS und Emotionen

Kapitel 27: ADHS und Ernährung

Kapitel 28: ADHS und Schlaf

Kapitel 29: ADHS und Alltagstipps

Kapitel 30: ADHS und Selbstwert

Kapitel 31: ADHS und Freizeitgestaltung

Kapitel 32: ADHS und Humor

Kapitel 33: ADHS und Kreativität

Kapitel 34: ADHS und soziale Medien

Kapitel 35: ADHS und Achtsamkeit

Kapitel 36: ADHS und Stressmanagement

Kapitel 37: ADHS und Zeitmanagement

Abschluss

Literatur- und Linktipps

Checklisten

Adressen & Anlaufstellen

Glossar: Fachbegriffe einfach erklärt

Einleitung: Warum dieses Buch nötig ist

ADHS. Drei Buchstaben, die viele noch immer automatisch mit zappeligen Grundschulkindern verbinden, die den Unterricht stören und ihre Hausaufgaben vergessen. Was dabei oft übersehen wird: Die „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung“ ist keine Kinderkrankheit. Sie wächst sich nicht einfach aus. Sie bleibt – auch im Erwachsenenalter. Sie verändert sich, sie tarnt sich, sie wird oft nicht erkannt. Aber sie bleibt.

Tatsächlich ist ADHS bei Erwachsenen weit verbreiteter, als viele glauben – und dabei oft noch viel zu wenig verstanden. Viele Betroffene sind Jahrzehnte durchs Leben gegangen, ohne zu wissen, warum sie ständig zu spät kommen, Termine vergessen, den Haushalt nicht geregelt bekommen oder in Beziehungen anecken. Sie haben gelernt, sich anzupassen, durchzubeißen oder sich zurückzuziehen. Nicht selten bezahlen sie dafür mit chronischem Stress, Selbstzweifeln, Erschöpfung – oder mit Diagnosen wie Depression, Angststörung oder Burn-out, die nur die Oberfläche berühren.

Gleichzeitig erleben wir in den letzten Jahren eine wachsende Aufmerksamkeit für ADHS im Erwachsenenalter. Immer mehr Menschen – vor allem Frauen – erhalten spät, manchmal erst mit 30, 40 oder sogar 60 Jahren die Diagnose. Und mit dieser Diagnose kommt oft eine Mischung aus Erleichterung, Überforderung und unzähligen Fragen.

Dieses Buch ist für genau diese Menschen geschrieben – für Betroffene, für Angehörige, für alle, die sich endlich ein umfassendes, verständliches und realistisches Bild von ADHS im Erwachsenenalter machen wollen. Es geht nicht um Klischees oder schnelle Patentlösungen. Es geht um echte Informationen, um Zusammenhänge, um Alltagstauglichkeit. Es geht darum, wie es ist, mit einem Gehirn zu leben, das anders funktioniert – und was das im Beruf, in Beziehungen, im ganz normalen Wahnsinn des Alltags bedeutet.

Wir werden gemeinsam einen Blick auf die wissenschaftlichen Grundlagen werfen – aber ohne Fachchinesisch. Wir schauen auf Symptome, die sich oft gut verstecken. Auf ein Leben mit Chaos, aber auch mit Kreativität. Auf Herausforderungen – und auf Ressourcen. Wir sprechen über Diagnostik, Medikamente, Therapieformen und über all das, was man tun kann, um sich selbst besser zu verstehen und das Leben einfacher zu machen.

Denn ADHS bedeutet nicht automatisch Scheitern. Es bedeutet: anders denken, anders fühlen, anders funktionieren. Wer dieses Anderssein versteht, kann lernen, damit umzugehen – und sogar darin zu wachsen.

Wenn du selbst betroffen bist, wird dir dieses Buch helfen, dich besser zu verstehen. Wenn du mit einem betroffenen Menschen lebst oder arbeitest, wirst du lernen, anders – fairer, unterstützender – hinzuschauen. Und wenn du einfach neugierig bist, erwartet dich ein ehrlicher, fundierter und alltagstauglicher Blick auf ein Thema, das längst mitten in unserer Gesellschaft angekommen ist.

Legen wir los.

Kapitel 1: Was ist ADHS?

Mehr als Zerstreutheit – eine neurobiologische Realität

Wenn jemand ständig vergisst, wo er den Schlüssel hingelegt hat, chaotische To-do-Listen führt und in Meetings gedanklich abschweift, hört man schnell den Spruch: „Du hast bestimmt ADHS.“ Meist ist das halb im Spaß gemeint – dabei steckt hinter diesen drei Buchstaben weit mehr als ein bisschen Zerstreutheit.

ADHS, ausgeschrieben Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die das Gehirn betrifft – insbesondere die Bereiche, die für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle, Motivation und Selbstregulation zuständig sind. Und obwohl sie im Kindesalter beginnt, bleibt sie bei einem Großteil der Betroffenen auch im Erwachsenenalter bestehen – nur oft in veränderter Form.

Keine Mode-Diagnose

ADHS ist keine neumodische Erfindung. Schon in medizinischen Schriften des 18. und 19. Jahrhunderts wurden Menschen beschrieben, die sich impulsiv verhielten, nicht stillsitzen konnten oder große Schwierigkeiten hatten, sich zu konzentrieren. Die wissenschaftliche Beschreibung entwickelte sich über Jahrzehnte weiter, die Begriffe änderten sich (Zappelphilipp-Syndrom, MCD, HKS), aber die Symptome blieben.

Heute geht man davon aus, dass etwa 4–5 % aller Erwachsenen weltweit von ADHS betroffen sind – doch die Dunkelziffer ist hoch. Viele werden nie diagnostiziert, weil sie gelernt haben, sich anzupassen oder weil ihre Symptome nicht in das klassische Bild passen.

ADS oder ADHS – was ist der Unterschied?

Das H in ADHS steht für Hyperaktivität – die auffällige Unruhe, das „Nicht-still-sitzen-Können“, das bei Kindern oft zuerst auffällt. Doch nicht alle Menschen mit ADHS sind hyperaktiv. Manche wirken ruhig, verträumt, innerlich abwesend – sie fallen weniger auf, kämpfen aber genauso mit Konzentrations- und Organisationsproblemen.

In der Alltagssprache hat sich deshalb der Begriff ADS (ohne Hyperaktivität) eingebürgert. Medizinisch spricht man von drei Erscheinungsformen:

Vorwiegend unaufmerksamer Typ (eher „ADS“)

Vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ

Kombinierter Typ (am häufigsten bei Erwachsenen)

Viele Erwachsene mit ADHS haben eine Mischung aus verschiedenen Symptomen, die sich im Laufe ihres Lebens verändert haben.

ADHS – eine Störung der Selbststeuerung

Anders als oft angenommen, ist ADHS keine Aufmerksamkeitsstörung im klassischen Sinn – denn Betroffene können sich durchaus konzentrieren, manchmal sogar extrem (→ Hyperfokus). Das Problem ist vielmehr die Regulation der Aufmerksamkeit: Sie lässt sich schwer steuern. Reize werden nicht richtig gefiltert, der Fokus springt, und die Aufmerksamkeit landet oft nicht dort, wo sie gebraucht wird – sondern dort, wo es gerade interessant, neu oder emotional ist.

Dazu kommt eine veränderte Impulskontrolle: Viele Betroffene handeln, bevor sie denken, platzen mit Gedanken heraus, kaufen spontan Dinge, unterbrechen Gespräche – nicht aus Unhöflichkeit, sondern weil der Impuls zu stark ist, um ihn zu unterdrücken.

Auch das Arbeitsgedächtnis ist häufig beeinträchtigt. Das führt dazu, dass Informationen nicht zuverlässig gespeichert oder abgerufen werden können – was sich in Vergesslichkeit, chaotischen Abläufen und einem Gefühl von mentalem Durcheinander zeigt.

Ursachen: Kein Erziehungsfehler, sondern Genetik und Gehirnchemie

ADHS ist keine Folge von schlechter Erziehung, übermäßigem Zuckerkonsum oder Bildschirmzeit. Es handelt sich um eine erblich bedingte Störung mit biologischer Basis. Bei Menschen mit ADHS sind bestimmte Botenstoffe im Gehirn – vor allem Dopamin und Noradrenalin – nicht in ausreichender Menge oder nicht zur richtigen Zeit verfügbar. Diese Stoffe sind wichtig für Motivation, Antrieb, Belohnungsverarbeitung und Konzentration.

Gleichzeitig zeigen bildgebende Verfahren, dass bei ADHS bestimmte Gehirnareale – insbesondere im präfrontalen Cortex – anders aktiviert werden. Das erklärt, warum Betroffene oft Schwierigkeiten haben, sich selbst zu organisieren, Aufgaben zu planen oder Impulse zu kontrollieren.

ADHS ist nicht gleich ADHS

Ein weiteres Missverständnis: ADHS verläuft bei jedem Menschen anders. Die Symptome können sich in Art, Intensität und Kombination stark unterscheiden – auch je nach Lebensphase, Geschlecht oder Umfeld. Während der eine vor Energie überquillt und von einem Projekt zum nächsten springt, versinkt die andere im inneren Stillstand, kämpft mit Antriebslosigkeit und dem Gefühl, „nichts auf die Reihe zu kriegen“.

Frauen mit ADHS werden besonders häufig übersehen, weil sie seltener durch Hyperaktivität auffallen, aber stärker unter innerem Druck, Selbstzweifeln oder emotionaler Überforderung leiden. Bei ihnen äußert sich ADHS oft eher leise – aber nicht weniger belastend.

Eine unsichtbare Hürde im Alltag

ADHS ist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Es gibt keinen Bluttest, keine eindeutige äußere Kennzeichnung. Viele Betroffene wirken im Alltag „ganz normal“ – bis man näher hinschaut: Der überquellende Wäschekorb, das vergessene Meeting, die unerledigte Steuererklärung, die nächtliche Grübelei, das schlechte Gewissen, der Frust über das eigene Chaos.

Diese unsichtbaren Hürden führen nicht selten zu chronischer Überforderung, innerem Stress und einem Gefühl von Anderssein – oft begleitet von einer langen Geschichte aus negativen Rückmeldungen, Missverständnissen und Rückschlägen.

ADHS ist nicht nur Belastung

So herausfordernd ADHS sein kann – es ist nicht nur negativ. Viele Betroffene verfügen über große Kreativität, hohe Empathie, blitzschnelles Denken, unkonventionelle Lösungswege, Begeisterungsfähigkeit und einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Es ist kein Zufall, dass viele Unternehmer:innen, Künstler:innen oder Erfinder:innen von sich sagen, ADHS zu haben. Die Herausforderung besteht darin, die Stärken zu erkennen und die Schwächen zu managen – und genau darum geht es in diesem Buch.

Im nächsten Kapitel werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie sich ADHS im Erwachsenenalter zeigt – jenseits von Schulnoten und Spielplatzproblemen. Denn auch wenn die Symptome subtiler werden, verschwinden sie nicht. Sie wechseln nur das Gewand.

Kapitel 2: Wie sich ADHS im Erwachsenenalter zeigt

Wenn das Chaos nicht mehr in die Schultasche passt

ADHS bei Erwachsenen ist wie ein Chamäleon: Es passt sich an, bleibt oft lange unentdeckt – und richtet trotzdem jede Menge Durcheinander an. Während bei Kindern die Symptome meist auffälliger und „äußerlich“ sind (z. B. Zappeln, Stören, Nicht-stillsitzen-Können), verlagert sich ADHS im Erwachsenenalter oft nach innen. Die Betroffenen kämpfen weniger mit Lehrern, dafür mehr mit sich selbst – mit einem chaotischen Kopf, schlechtem Zeitmanagement, emotionaler Achterbahnfahrt und einem ständigen Gefühl der Überforderung.

Und genau das macht die Sache so schwierig: Viele Erwachsene mit ADHS wirken auf den ersten Blick ganz normal – freundlich, gebildet, vielleicht ein bisschen verplant, aber nicht „auffällig“. Erst beim zweiten Hinsehen zeigt sich: Da ist ein Leben voller Stress, Selbstzweifel und gescheiterter Organisationsversuche.

Typische Symptome im Erwachsenenalter

ADHS ist ein ganzes Bündel an Symptomen – und jedes Bündel sieht etwas anders aus. Aber einige typische Merkmale zeigen sich bei sehr vielen Betroffenen:

Konzentrationsschwierigkeiten

Nicht immer und nicht überall – aber in genau den Momenten, wo sie besonders gebraucht wird, ist die Konzentration wie weg. Routineaufgaben? Kaum machbar. Lange Mails lesen? Anstrengend. Telefonate führen? Ein Kraftakt. Die Aufmerksamkeit springt ständig – oder bleibt minutenlang am falschen Detail hängen.

Zeitmanagement und Aufschieberitis

ADHS ist berüchtigt für seine „Jetzt-oder-nie“-Logik. Alles, was keinen akuten Druck macht, wird weggeschoben – bis der Stresslevel explodiert. Deadlines werden ignoriert, Termine vergessen, Aufgaben aufgeschoben, obwohl man weiß, dass es Stress gibt. Ironischerweise sind viele Betroffene unter Zeitdruck plötzlich hochproduktiv – aber das System ist auf Dauer kräftezehrend.

Organisation und Chaos

Die To-do-Liste existiert – irgendwo. Kalender sind halb gefüllt oder ungenutzt. Der Schreibtisch gleicht einem Schlachtfeld, die Wohnung wirkt „kreativ unaufgeräumt“, der Kühlschrank enthält entweder 7x das Gleiche oder gar nichts. Struktur? Schwierig. Routinen? Nur mit sehr viel Mühe.

Impulsivität

Manchmal platzt ein Gedanke einfach heraus – ungefiltert. Oder es wird impulsiv etwas gekauft, obwohl das Konto leer ist. Oder man meldet sich zu drei Projekten gleichzeitig an, weil alles so spannend klingt. Die Fähigkeit, einen Reiz zu bewerten und dann erst zu reagieren, ist bei vielen ADHS-Betroffenen eingeschränkt.

Emotionale Dysregulation

Ein Satz, ein Blick, ein Gefühl – und schon ist alles anders. Wut, Traurigkeit, Euphorie oder Panik können innerhalb weniger Minuten wechseln. Viele Erwachsene mit ADHS empfinden Emotionen intensiver und schwerer steuerbar. Sie sind nicht „launisch“, sondern emotional überflutet. Reaktionen wirken übertrieben – sind aber innerlich völlig echt.

Vergesslichkeit und Verzettelung

Vom Supermarkt zurückkommen – und das Wichtigste vergessen haben. Den Namen des neuen Kollegen nicht mehr wissen. Die E-Mail im Kopf zigmal geschrieben, aber nie abgeschickt. Oder fünf Projekte gleichzeitig anfangen – und keines zu Ende bringen. Das Arbeitsgedächtnis macht, was es will. Multitasking? Funktioniert nicht. Fokus halten? Schwierig.

Die unsichtbaren Folgen: Selbstbild und Lebensqualität

Das Problem an der Sache: Wer jahrzehntelang hört (oder sich selbst sagt), man sei unzuverlässig, faul, unkonzentriert, chaotisch, „zu sensibel“ oder „nicht belastbar“, übernimmt das irgendwann ins eigene Selbstbild. Viele Erwachsene mit ADHS sind hochgradig selbstkritisch. Sie zweifeln an sich, versuchen ständig, sich zu verbessern – und scheitern an Anforderungen, die andere scheinbar mühelos meistern.

Das führt oft zu:

Schamgefühlen und Schuld („Ich krieg’s einfach nicht hin“)

Erschöpfung und Burnout (durch ständigen Kompensationsversuch)

Beziehungsproblemen („Warum kannst du dir das nie merken?“)

Karrierebrüchen (häufige Jobwechsel, Probleme mit Hierarchien)

Selbstwertproblemen (ständig das Gefühl, „nicht normal“ zu sein)

Der Tarnmodus: Maskierung und Kompensation

Gerade Menschen mit spätdiagnostiziertem ADHS haben häufig über Jahre oder Jahrzehnte Masken entwickelt, um zu funktionieren: Checklisten, Erinnerungs-Apps, Perfektionismus, Dauerstress, ständige Selbstkontrolle. Sie übererfüllen, um nicht negativ aufzufallen. Viele erscheinen nach außen organisiert, freundlich, leistungsfähig – aber innerlich herrscht das totale Chaos.

Diese Maskierung kostet Energie. Viel Energie. Und sie hält oft nicht ewig. Viele Betroffene „funktionieren“ gut – bis etwas im Leben kippt: ein Jobverlust, eine Trennung, ein Kind, das eigene ADHS hat. Dann bricht die mühsam errichtete Fassade zusammen – und die Suche nach Antworten beginnt.