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Wenn ein Kontinent erzählen könnte ... Dieser Band aus der Reihe "märchenhaft" enthält Märchen, Songs und Gutenachtgeschichten. Sie sind von der Aura Afrikas inspiriert. Sie sind beseelt von den Menschen, denen wir begegnet sind. Sie sind bereichert von den grandiosen Landschaften, die wir sehen durften. Ganz egal, ob klein oder groß. Ganz egal, ob arm oder reich. Überall gab es Geschichten zu entdecken. Alles zusammen ist Teil unserer Seele geworden. Oder schon immer gewesen.
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Seitenzahl: 75
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Für Nkosingiphile
SOS-Kinderdorf Nhlangano (Eswatini)
„Alles ist möglich! Es erscheint immer unmöglich, bis es vollbracht ist.“
Nelson Mandela
Vorwort
Afrika: Eine Ode
Ovambo und der Schwanz des Leoparden
Von der Spinne und der Weisheit
Quagga, das Kuschelzebra
Samba Gana: Ein afrikanisches Märchen
Tabea, der Pinguin
Ziyanda
Danke
Bild 1 Kapstadt, Victoria & Alfred Waterfront - Jochen Nagel
„Ukuhamba Kukubona.
Wer die Welt bereist, öffnet ein Fenster.“
„Wir meinen nicht wirklich, wir meinen nicht wirklich, dass das, was wir erzählen werden, auch wahr ist.“
Mit diesen Worten pflegen die Geschichtenerzähler der Ashanti ihre Erzählungen zu beginnen. Eine Geschichte ist eine Geschichte, und deshalb kann man sie erzählen, wie es der eigenen Phantasie, dem eigenen Wesen oder der jeweiligen Umwelt entspricht; und wenn die Geschichte Flügel bekommt und zum Eigentum anderer wird, dann sollte man sie auch nicht aufhalten. Eines Tages kehrt sie zu einem zurück, bereichert um neue Details und mit einer neuen Stimme.
Dieses besondere Merkmal kommt in den traditionellen Schlussworten des Erzählers zum Ausdruck: „Dies ist meine Geschichte, die ich erzählt habe, ob sie nun schön war oder nicht. Mögen Teile fortgetragen werden und Teile davon zu mir zurückkehren.“
Dieser Band aus der Reihe „märchenhaft“ enthält ein paar Märchen, Songs und Gutenachtgeschichten, die von der Aura Afrikas inspiriert sind.
„Ukuhamba Kukubona. Wer die Welt bereist, öffnet ein Fenster.“
Seit dem ersten Atemzug unterhalb des Tafelbergs von Kapstadt spüren wir eine seltsame, tiefe und anhaltende Verbundenheit zu diesem mächtigen Kontinent und speziell zur Heimat Nelson Mandelas.
Dieses afrikanische Gefühl einer echten zweiten Heimat lässt uns bis heute nicht los und die Erkenntnisse vor Ort mündeten in diesen kleinen Geschichten.
Sie sind beseelt von den Menschen, denen wir begegnet sind und die wir auch als Patenkinder unterstützt haben. Sie sind bereichert von den grandiosen Landschaften und verschiedenen Orten. Ganz egal, ob klein oder groß, ob arm oder reich. Überall gab und gibt es Geschichten zu entdecken.
Alles zusammen ist Teil unserer Seele geworden. Oder ist es schon immer gewesen.
Bild 2 Hout Bay, Südafrika - Jochen Nagel
Afrika
Du bist mein Traum
Mein einziger Traum
Berge bis zum Firmament - hoch
Es ist ein Traum
Bild 3 Cathedral Peak, Südafrika - Jochen Nagel
Afrika
Du bist mein Traum
Mein einziger Traum
Wüsten weit und leer
Weit. So weit. Endlos weit
Oed und leer. Menschenleer
Afrika
Schwarz. Stark. Heiß
Wild. Rau. Weit
Schön
Folge der staubigen Piste hin bis zum Horizont
Du weißt doch niemals genau was kommt
Es ist ein Traum
Bild 4 Addo Elephant Park, Südafrika - Jochen Nagel
Afrika
Du bist mein Traum
Mein einziger Traum
Wälder und Gräser so grün - dicht
Selbst die Blumen der Wüste blühen leuchtend schön
Das Licht in Pastell, es umschmeichelt mich sanft und warm
Und die Menschen voll Stolz, voll Kraft - doch so arm
Und die Tiere so wild und so stark und so frei
Afrika
Schwarz und stark. Afrika
Nur mein Herz kann Dich sehen. Afrika
Schwarz. Stark. Wild. Afrika
Weit. Reich. Schön. Afrika
Arm. Krank. Oed. Afrika
Laut. Heiß. Leer. Wüst. Afrika
Das Kreuz des Südens es geleitet mich heim zu Dir;
mit diesem Stern bin ich nie allein
Heim. Afrika
Endlich heim. Afrika
Schwarz. Stark. Wild. Afrika
Weit. Rau. Schön. Afrika.
Bild 5 Kapstadt, Victoria & Alfred Waterfront - Jochen Nagel
Es war ein glühend heißer Tag. Beinahe unbarmherzig brannte die Sonne auf die Savanne. Mensch und Tier suchten gleichermaßen den kühlenden Schatten der Hütten, der Schirmakazien oder der noch sprudelnden quirligen Bäche und Flüsse. Ovambo mochte die Hitze. Wenn alle vor dem großen lebensspendenden Gestirn flüchteten, ging er hinaus.
Das lag an seiner Aufgabe, einer seiner vielen Aufgaben, dem Ziegen hüten. Ovambo trieb die Herde dann zum Oribi, wo die meckernden Vierbeiner erquickendes Wasser fanden. Hier lebte er. Unweit des kleinen Flusses Oribi, der sich durch die Savanne schlängelte, um Büsche und Bäume floss, über und unter den Felsen gluckste, um dann in die große Oribi-Schlucht zu stürzen. Manchmal, wenn Ovambo wieder einmal mit sorgenvoller Miene ein versprengtes Zicklein am Rande der Schlucht suchte, sah er den Regenbogen im Wasserfall. Sein Traumbild.
Doch nicht nur Labsal fanden die Tiere hier. Es konnte noch so heiß sein, in der Nähe des Wasserfalls war das Grün stets so üppig, dass die Herde immer etwas zum Fressen fand und so gute Milch gab. Ganz besonders lecker war der Käse. Außerdem war er dann ganz allein, konnte die Ziegen zu versteckten Kräutern führen und seinen Gedanken freien Lauf lassen.
Bild 6 Oribi Gorge, Südafrika - Jochen Nagel
Seine Freunde, die im Schatten einer großen Schirmakazie dösten, nervten ihn dann nicht. Immer wieder zogen sie ihn auf. Ovambo war ein Einzelkind. So musste er nicht nur die wichtige Aufgabe Ziegen hüten übernehmen. Nein, auf ihn warteten auch Mädchenaufgaben: Wasser am Brunnen holen, Feuerholz sammeln, Obst an den seltenen Ständen an der Hauptstraße holen, die Wäsche zum Oribi-Fluss tragen, die Hütte fegen. Und vieles mehr.
Er hatte keine Schwestern wie seine Freunde, die solch „niedrige“ Aufgaben niemals übernehmen würden. Wie gerne hätte Ovambo mit ihnen Fußball gespielt oder sich im Speerwerfen geübt oder seine Technik im Bogenschießen verbessert oder wäre einfach nur durch den Busch geschlendert, um einer grünen Mamba als Mutprobe auf den „Schwanz“ zu treten.
Das fiel für ihn aus. Manchmal grämte er sich darüber. Nicht, dass er seine Mutter Basotho nicht gerne unterstützt hätte. Nein, aber seine Tanten Sasatho, Sesetho, Sisitho, Sosotho und Susutho rührten keinen Finger. Ovambo ärgerte sich kräftig. Weil seine Freunde ihn aufzogen. Weil er kein normaler Junge war. Weil weder seine fünf Tanten noch sein Vater für seine Mutter da waren.
Eines Tages hatte er allen Mut zusammen genommen und seine Mutter nach seinem Vater gefragt. Er sei in die Goldminen gegangen, wie die Männer seiner Tanten. Er schicke regelmäßig Geld und werde zurückkehren, war die einsilbige Antwort seiner Mutter. Ovambo fühlte, dass nur ein Teil der Wahrheit entsprach, wollte seine Mutter aber aus Respekt vor ihr nicht quälen.
Wenn die Freunde wieder einmal zu sehr über ihn Späße machten, zog sich Ovambo auf seinen Lieblingsplatz zurück. Er hockte dann über dem Wasserfall des Oribi auf einem Fels. Rechts und links gluckste der Bach vorbei, vereinigte sich vor dem Felsen und stürzte dann in die Tiefe. Hier ließ Ovambo seine Gedanken in die Ferne schweifen. Er träumte von Heldentaten - insbesondere, die Legende zu erfüllen, ein Stück vom Schweif des Leoparden zu bekommen.
Alle Männer mit Leopardenschwänzen um den Hals waren Legenden. Denn die Suche nach der scheuen Katze war schwer. Die meisten Afrikaner haben noch nie einen Leoparden gesehen. Zu schlau war die Großkatze. Und wenn man sie entdeckte, gab es einen Kampf auf Leben und Tod. Häufig endete er nicht gut für den Krieger.
Ovambo, heute einmal ohne seine Ziegen, hing an diesem Tag, der besonders heiß war, wieder einmal seinem Lieblingsleopardenheldentraum nach. Er war völlig in sich versunken. Nur den Wasserfall hörte er noch schwach.
Bild 7 Oribi Gorge, Südafrika - Jochen Nagel
Aus dem Nichts erschien der Hase Quemba und sprach ihn an: „Ich kenne deine Gedanken. Ich kann dir helfen.“
Erschrocken fuhr Ovambo herum. Konnte es wahr sein? Sprach der Hase mit ihm?
„Ja, ich bin es, der mit dir spricht.“
„Was willst du?“ fragte der Junge ungläubig.
„Du willst einen Leopardenschweif. Und ich kann ihn dir besorgen. Daran denkst du doch die ganze Zeit. Heute, gestern und all die Tage zuvor, an denen du auf deinem Lieblingsplatz gesessen hast.“
„Woher kennst du meine Gedanken?“ Ovambo war verunsichert.
„Ich bin Quemba. Ich kenne die Gedanken, deine Gedanken“, sprach der Hase, „was ist nun? Soll ich dir helfen?“
Ovambo legte seine Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Aber so angestrengt, dass der Hase seinen Überlegungen nicht folgen konnte. Natürlich, es war sein Traum, einen Leopardenschweif um den Hals zu tragen. Niemand würde mehr über ihn lästern, ihn als Mädchen, als Schwächling bezeichnen. Aber - galt der Hase Quemba nicht als wenig zuverlässig, wankelmütig. Gleich seinem Lauf über die Steppe, der ihn mal hierhin und mal dorthin führte. Der Hase wechselte so rasch die Richtung, dass es einem den Atem verschlug. Und, umsonst bekam er seinen Leopardenschweif garantiert nicht.
„Was verlangst du von mir?“ überraschte Ovambo Quemba, dem es nicht gelungen war, durch die Nachdenkfältchen zu dringen.
„Welch´ garstig Wort!“ sprach er entrüstet, „für ein solch wertvolles Geschenk, wie einen Leopardenschweif, kann es nur ein angemessenes Gegengeschenk geben.“
„Ich besitze nichts von Wert“, sagte Ovambo ein klein wenig verzweifelt.
Verschmitzt, aber nicht zu offensichtlich verschmitzt, dachte Quemba, jetzt habe ich ihn, und sagte: „Lass uns einen Handel schließen. Wie zwei Männer. Zwei Krieger. Leistung und Gegenleistung.“
Das hörte sich vernünftig an, dachte Ovambo, auch wenn ihn letzte Zweifel plagten.
„Was schlägst du vor?“
„Das hört sich viel besser an“, sagte der gewitzte Hase und trug seinen Handel vor.