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Eric London

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Beschreibung

Der Autor nutzt Archivmaterial, um ein neues Licht darauf zu werfen, wie die Regierungen der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion die trotzkistische Weltbewegung von den 1930er bis 1980er Jahren ausspioniert und infiltriert haben. Ab den 1930er Jahren gelang es beiden Regierungen, hochrangige Vertreter ihrer Geheimdienste innerhalb der amerikanischen trotzkistischen Socialist Workers Party (SWP) zu platzieren. Durch ihr Netzwerk von Spionen konnte die stalinistische Geheimpolizei GPU die Ermordung Leo Trotzkis, dem Führer der Russischen Revolution, im August 1940 in Mexiko organisieren. Das FBI nutzte sein Netzwerk von Undercover-Agenten, um die Verurteilung von 18 SWP-Mitgliedern im Jahr 1941 wegen Aufruhrs unter dem kurz zuvor verabschiedeten Smith Act vorzubereiten. In beiden Fällen setzte sich die Infiltration weit über die frühen 1940er Jahre hinaus fort. ›Agenten‹ dokumentiert die Untersuchung ›Sicherheit und die Vierte Internationale‹, die 1975 vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI) begonnen wurde, um das GPU-Netzwerk, das Trotzki ermordet hat, aufzudecken. Sie deckte auch die Infiltration des Staats durch US-Regierungsagenten auf, die innerhalb der SWP arbeiteten. Obwohl die SWP bereits 1947 erfuhr, dass ihre Partei von der GPU infiltriert worden war, unterließ sie es, eine tiefgehende Untersuchung durchzuführen, und vertuschte stattdessen 40 Jahre die Arbeit dieser Agenten, die dem Kampf für die sozialistische Weltrevolution ungeahnte Schäden zugefügt hatten.

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Seitenzahl: 248

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Eric London

AGENTEN

Das FBI und die GPU in der trotzkistischen Bewegung

Widmung

Tom Henehan: 1951 – 1977

Dieses Buch ist Tom Henehan gewidmet,

Märtyrer der Vierten Internationale,

der am 16. Oktober 1977 ermordet wurde.

Inhalt

Widmung

Einleitung

Der Smith-Act-Prozess und die staatliche Unterwanderung der trotzkistischen Bewegung

Eine »vorbildliche Genossin«: Sylvia Callen, stalinistische Agentin, 40 Jahre lang von der Socialist Workers Party (USA) gedeckt

Anhang A – Ein offener Brief von David North an Susan Weissman

Anhang B – Faksimile-Dokumente

Chronologie wichtiger Ereignisse im Zusammenhang mit der Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale

Glossar

Impressum

Ebenfalls im Mehring Verlag erschienen

Einleitung

Am 20. August 1940 wurde Leo Trotzki in Mexiko-Stadt ermordet. Dieses Attentat war der Höhepunkt des Terrors, den das stalinistische Regime in der Sowjetunion entfesselte. Er richtete sich gegen die gesamte Generation marxistischer Politiker, Arbeiter und Intellektueller, die 1917 die Oktoberrevolution angeführt und in Russland den Kapitalismus gestürzt hatten. Der Mord an Trotzki, dem herausragendsten Vertreter dieser Generation, versetzte der internationalen sozialistischen Bewegung einen verheerenden Schlag. Seine Folgen für das politische Bewusstsein und die Orientierung der Arbeiterklasse und somit für die Möglichkeit einer sozialistischen Revolution wirkten jahrzehntelang nach. Aus diesem Grund zählt der Mord an Trotzki zu den folgenreichsten und schlimmsten politischen Verbrechen des 20. Jahrhunderts.

Schon Monate vor dem Anschlag hatte sich Ramón Mercader (alias Frank Jacson), ein Agent der stalinistischen Geheimpolizei GPU, in Trotzkis gesichertes Anwesen in Mexiko-Stadt eingeschlichen. Dort lebte der Führer der Russischen Revolution seit Januar 1937 im Exil. Am Tag des Anschlags betrat Mercader das Gelände und traf Trotzki allein in seinem Büro an. Dort zog er einen Eispickel unter seinem Regenmantel hervor und schlug Trotzki nieder. Der Revolutionär starb am nächsten Tag im Alter von sechzig Jahren.

Obwohl die Kremlbürokratie und ihr internationales Syndikat politischer Lakaien versuchten, die Identität des Attentäters und seiner Auftraggeber zu verschleiern, stand Stalins Urheberschaft außer Zweifel. So stellte die trotzkistische Bewegung auf der Titelseite des »Militant«, der Zeitung der Socialist Workers Party (SWP), sofort Stalin und seine globale Mordoperation an den Pranger. In den Jahren zuvor war es demselben Agentennetzwerk gelungen, einen bedeutenden Teil der Führung der Vierten Internationale zu töten. Zu seinen Opfern zählten Leo Sedow, Trotzkis ältester Sohn und Leiter der Vierten Internationale in Europa, Rudolf Klement, Sekretär der Vierten Internationale, und Erwin Wolf, ein Sekretär Trotzkis. Die Stalinisten ermordeten außerdem Ignaz Reiss, einen Abtrünnigen der GPU, der sich zur Vierten Internationale bekannt hatte. Alle diese Mordanschläge gingen von einem weltweiten Agentennetz aus, dessen Ziel die Liquidierung Trotzkis und der trotzkistischen Bewegung war.

Auch in den Wochen und Jahren nach Trotzkis Ermordung waren zahlreiche Agenten weiterhin innerhalb der SWP aktiv. Sie operierten im Auftrag sowohl der stalinistischen Geheimpolizei als auch des amerikanischen Staats. Sie stahlen Parteidokumente und übermittelten ihren Auftraggebern Details wie Namen und Adressen von Mitgliedern, Informationen darüber, wo diese arbeiteten und ob sie Kinder hatten, wie auch Details über die Parteifinanzen, interne politische Konflikte und die internationale Korrespondenz.

Das furchtbare Verbrechen hatte umso schlimmere Aus­wirkungen, als es 35 Jahre lang so gut wie unerforscht blieb. Über fast die Hälfte der Zeitspanne, die seit dem Mord an Trotzki bis heute vergangen ist, war praktisch nichts darüber bekannt, wie die GPU das Attentat bewerkstelligt hatte. Weitgehend unbekannt war auch die Art und Weise, wie die Agenten im Auftrag sowohl der GPU wie auch des US-amerikanischen Staats die Socialist Workers Party und die Vierte Internationale ausspionierten.

Im Mai 1975 leitete das Internationale Komitee der Vierten Internationale die erste umfassende Untersuchung des Attentats von 1940 ein. Unter dem Titel Sicherheit und die Vierte Internationale veröffentlichte es in den darauffolgenden zehn Jahren die Ergebnisse seiner Untersuchung. Immer neue Einzelheiten kamen ans Licht. Die Hauptverantwortung für den Schutz Trotzkis in Coyoacán und für das katastrophale Versagen der Sicherheitsmaßnahmen lag bei der Socialist Workers Party (SWP). Und doch hatte sie über die Jahrzehnte hinweg darauf verzichtet, den Mord zu untersuchen. Wie sich zeigte, war dies nicht dem Mangel an Ressourcen geschuldet. Die SWP war von Agenten der stalinistischen Geheimpolizei durchsetzt, die jede Untersuchung sabotierten. Unter diesen Agenten sind vor allem Joseph Hansen und Sylvia Franklin (geborene Callen, Parteiname Sylvia Caldwell) zu nennen. Ihre Machenschaften stehen im Mittelpunkt dieses Bands.

In einem Dokument von 1981, das im Namen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale verfasst wurde, erklärte David North die historische Bedeutung der Untersuchung:

Sie ist sowohl die Fortsetzung als auch der Höhepunkt von Trotzkis Kampf. Der Mann, der mit Lenin gemeinsam die Oktoberrevolution von 1917 geführt und die Vierte Internationale gegründet hatte, wollte die Verbrechen des Stalinismus aufdecken und die internationale Arbeiterbewegung ein für alle Mal von dessen konterrevolutionärer Hinterlassenschaft befreien …

Wenn man von Sicherheit und die Vierte Internationale als einer »Untersuchung« spricht, muss man verstehen, dass dieses Wort den politischen und historischen Inhalt des Kampfs, den das Internationale Komitee seit sechs Jahren führt, nur zum Teil erfasst. Wie schon Trotzkis Entlarvung der Moskauer Prozesse von 1936 – 1938 ist auch dieser Kampf der höchste und bewussteste Ausdruck der objektiven Bewegung der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie und alle ihre Organe. [1]

Die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale war von bemerkenswerter Breite und Tiefe. Sie beruhte auf einer investigativen Arbeit von enormem Umfang, die sich über mehrere Kontinente erstreckte und Hunderte Stunden Interviews und Tausende Seiten historischer Dokumente umfasste.

Zum ersten Mal stellte die trotzkistische Bewegung eine systematische Untersuchung darüber an, wie sie von Agenten der GPU und der US-Regierung infiltriert worden war. Wenn die Fragen, die dabei gestellt wurden, einige Jahrzehnte früher aufgeworfen und beantwortet worden wären, hätte erheblicher Schaden von der Bewegung und ihren Mitgliedern abgewendet werden können.

Die Untersuchung war ein politischer Kampf, denn sie musste unter dem Beschuss eines internationalen Netzwerks der Stalinisten und ihrer politischen Verbündeten geführt werden. Diese reagierten auf Sicherheit und die Vierte Internationale mit erbitterter Feindschaft.

Das IKVI wusste, dass es für die Angriffe auf Sicherheit und die Vierte Internationale politische Gründe geben musste. In den Augen der Pablisten (einer internationalen Tendenz von Ex-Trotzkisten, die in ihrer Politik vor dem Stalinismus kapituliert hatten) war es ein unverzeihliches »Verbrechen«, dass das IKVI Dokumente ans Licht brachte, welche die Rolle der stalinistischen Geheimpolizei bei der Destabilisierung der trotzkistischen Bewegung und der Ermordung ihrer Führung entlarvten.

In ihrer Perspektivresolution von 1978 ging die Workers League auf die noch laufende Untersuchung ein. (Die Workers League war 1966 von den Trotzkisten in den USA gegründet worden, nachdem diese aus der SWP ausgeschlossen worden waren.) Mit folgenden Worten bewertete sie die politischen und historischen Errungenschaften der Untersuchung:

Durch Sicherheit und die Vierte Internationale haben die Vierte Internationale und das Internationale Komitee nichts Geringeres erreicht als die Wiederherstellung der historischen Kontinuität des Bolschewismus, die damit dem Griff der stalinistischen Konterrevolution und Fälschung entwunden wurde. Alle Lügen, Verdrehungen und Verbrechen des Stalinismus gegen den Trotzkismus, der den Kampf für einen Welt-Oktober verkörpert, all die ungeheuerlichen Taten, die Generationen von Arbeitern über die wahre Geschichte der Oktoberrevolution und die Rolle Trotzkis verwirren und desorientieren sollten – ihnen allen wurde ein gewaltiger Schlag versetzt, von dem sich der Stalinismus und alle Agenturen der imperialistischen Konterrevolution nie wieder erholen werden. [2]

Diese Einschätzung hat sich bestätigt. Das stalinistische Regime, das einst über ein Sechstel der Erdoberfläche herrschte, existiert heute nicht mehr. Die Kommunistischen Parteien, die einst Hunderte Millionen Mitglieder hatten und weltweit die Arbeiterorganisationen dominierten, sind zusammengebrochen.

Ein Vierteljahrhundert nach der Auflösung der Sowjetunion nimmt das Interesse der Bevölkerung am Sozialismus auf der ganzen Welt zu. Unter jungen Menschen in den USA und in Europa ist er populärer als der Kapitalismus. Aber gerade in Zeiten eines neuen Aufschwungs kommt der politischen Ausbildung von Arbeitern und Jugendlichen in historischen Fragen besonders große Bedeutung zu. Die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale liefert nicht nur wichtige historische Informationen über die Verbrechen gegen die trotzkistische Bewegung. Sie erklärt auch die entscheidende Bedeutung aller Fragen der politischen Sicherheit angesichts der Bedrohung durch den Staat und seine repressiven Polizei- und Nachrichtendienste.

Die Notwendigkeit, gegenüber staatlicher Unterwanderung und Provokationen wachsam zu sein, ergibt sich aus den politischen Gegebenheiten unserer Zeit. Wir leben in einer Periode von Massenüberwachung, gezielten Morden, ständigen Kriegen, Massenabschiebungen, Polizeimorden und CIA-Folter. Wie denkende Arbeiter sehr wohl wissen, hängt für die Arbeiterbewegung alles davon ab, dass sie politisch und faktisch von staatlichen Agenten unabhängig bleibt. Das ist für das Schicksal der sozialistischen Revolution eine Überlebensfrage.

Die Texte in diesem Buch behandeln zwei entscheidende und miteinander verbundene Themen der Geschichte der Vierten Internationale.

Der erste Essay, »Der Smith-Act-Prozess und die staatliche Unterwanderung der trotzkistischen Bewegung«, stützt sich zum einen auf Informationen aus dem wertvollen Buch »Trotskyists on Trial: Free Speech and Political Persecution Since the Age of FDR« von Donna T. Haverty-Stacke und zum anderen auf eine unabhängige Untersuchung durch die »World Socialist Web Site«, in deren Verlauf Tausende Seiten von Gerichtsprotokollen, Archivmaterial und bisher nicht verfügbaren FBI-Aufzeichnungen durchforstet wurden. Sein Thema ist die Entscheidung der US-Regierung vor dem Zweiten Weltkrieg, 29 Mitglieder der amerikanischen trotzkistischen Bewegung wegen »Aufruhr« vor Gericht zu stellen.

Der zweite Artikel, »Eine ›vorbildliche Genossin‹: Sylvia Callen, stalinistische Agentin, 40 Jahre lang von der Socialist Workers Party (USA) gedeckt«, schildert den Kampf des IKVI für die Entlarvung dieser stalinistischen Agentin. Fast neun Jahre lang hatte Callen privilegierten und uneingeschränkten Zugang zu äußerst sensiblen Informationen der Partei. Selbst als die Socialist Workers Party schon wusste, dass Callen eine Agentin war, fuhr sie fort, ihre Rolle als Spionin innerhalb der trotzkistischen Bewegung zu vertuschen, und betrieb eine Verschleierung, die fast vierzig Jahre lang Bestand haben sollte.

Im Anhang enthält dieser Band den »Offenen Brief an Susan Weissman«, in dem David North dem verlogenen Versuch dieser langjährigen Verteidigerin Joseph Hansens entgegentritt, Sicherheit und die Vierte Internationale zu diskreditieren. Es sei darauf hingewiesen, dass Weissman, die seit Jahrzehnten eine komfortable Stellung im Wissenschaftsbetrieb innehat, bis heute keinen Versuch unternommen hat, auf Norths Enthüllung ihrer Geschichtsfälschung zu antworten.

Ohne die politische Unterstützung von David North, dem Nationalen Vorsitzenden der Socialist Equality Party, wären diese Texte nicht entstanden. North hat in der Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale eine führende Rolle gespielt. Ich danke auch Alan Gelfand und John Burton, mit denen ich über die Entwicklung und das Ergebnis des »Gelfand Case« sprechen konnte. In diesem Gerichtsprozess, den Gelfand (mit Burtons Hilfe, der ihn als Anwalt vertrat) gegen die SWP und die US-Regierung führte, wurden wichtige Dokumente entdeckt, die Sicherheit und die Vierte Internationale auf der ganzen Linie bestätigt haben. Abschließend danke ich Jeannie Cooper und Heather Jowsey für ihre unermüdliche Arbeit bei der Herausgabe dieses Buchs, ebenso wie Jim Brewer, der an der Zusammenstellung und Anordnung des Bildmaterials beteiligt war.

Eric London

Anmerkung zur deutschen Ausgabe:

Die Zitate aus englischsprachigen Quellen wurden, sofern nichts anderes angegeben ist, fur diese Ausgabe von der Übersetzerin ins Deutsche übertragen.

1 How the GPU Murdered Trotsky, London 1981, S. i.

2 Perspektivdokument der Workers League von 1978 (unveröffentlicht), S. 38.

Der Smith-Act-Prozess und die staatliche Unterwanderung der trotzkistischen Bewegung

(Veröffentlicht in englischer Sprache auf der World Socialist Web Site am 8. und 9. Dezember 2016.)

Am 8. Dezember 1941 wurden 18 Trotzkisten zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie sich für den Sturz der US-Regierung eingesetzt hatten. Dieses Kapitel basiert auf Informationen aus dem Buch »Trotskyists on Trial: Free Speech and Political Persecution since the Age of FDR« [Trotzkisten vor Gericht. Redefreiheit und politische Verfolgung seit dem Zeitalter von Franklin Delano Roosevelt (FDR)] von Donna T. Haverty-Stacke. Darüber hinaus hat die »World Socialist Web Site« Tausende Seiten von Verhandlungsprotokollen, SWP-Archivmaterial und zuvor nicht verfügbare FBI-Unterlagen ausgewertet, die von Haverty-Stacke ans Licht gebracht wurden.

1941 leitete die Regierung Roosevelt einen der wichtigsten politischen Prozesse in der Geschichte der Vereinigten Staaten ein. Sie erhob Anklage gegen 29 Mitglieder der Socialist Workers Party (SWP) wegen Aufruhr und Verschwörung zum Sturz der Regierung. Am 27. Juni 1941 durchsuchten FBI-Agenten die Büros der Partei in Minneapolis. Kurz darauf berief die Staatsanwaltschaft eine Grand Jury ein. Am 27. Oktober 1941 begann das Verfahren vor einem Bundesgericht, das länger als einen Monat dauern sollte.

Die Socialist Workers Party war zum Zeitpunkt des Prozesses in politischer Solidarität mit der Vierten Internationale verbunden. Sie wurde strafrechtlich verfolgt, weil die Vereinigten Staaten ihren Eintritt in den Zweiten Weltkrieg in Europa und Ostasien vorbereiteten.

Die Angeklagten nutzten den Prozess, um die sozialistischen Prinzipien der Partei vor einem breiten Publikum zu verteidigen. Während der Vernehmung erklärten sie die Opposition der SWP gegen den imperialistischen Krieg und widerlegten den Versuch der Staatsanwaltschaft, die sozialistische Revolution als konspirativen Putsch darzustellen. Sie verhielten sich mutig und prinzipientreu, obwohl ihnen harte Gefängnisstrafen drohten. Die Mitschrift der eindrucksvollen Aussage des Nationalen Vorsitzenden der SWP, James P. Cannon, wurde von der SWP 1942 in der Broschüre »Socialism on Trial« [Der Sozialismus vor Gericht] veröffentlicht.

Am 1. Dezember 1941 befand die Jury 18 der Angeklagten für schuldig, gegen den neu erlassenen Smith Act verstoßen zu haben – ein Gesetz, unter dem eine »Verschwörung« zum Sturz der Regierung »unter Zwang und Gewalt« zum Kapitalverbrechen erklärt wurde. Die Jury empfahl allerdings ein mildes Urteil. Am 8. Dezember, einen Tag nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, verkündete der Richter den Schuldspruch und verurteilte die 18 Betroffenen zu Haftstrafen zwischen 12 und 16 Monaten. Am 22. November 1943 wies der Oberste Gerichtshof den Berufungsantrag gegen das Urteil ab. Im darauffolgen­den Monat stellten sich die Verurteilten den Bun­des­be­hörden und traten ihre Haft­stra­fen an. Präsident Roosevelt weigerte sich, sie zu begnadigen, obwohl diese Forderung in einer nationalen Kampagne von Tausenden Arbeitern und vielen prominenten In­tellek­tuellen und Anwälten un­ter­stützt wurde. Sechs der Ver­ur­teilten wurden nach zehn Monaten entlassen, den restlichen zwölf wurde im Januar 1945 nach mehr als einem Jahr Haft der Rest der Strafe erlassen.

Dieses bedeutende Ereignis in der Geschichte der sozialistischen Bewegung ist Gegenstand eines neuen Buchs mit dem Titel »Trotskyists on Trial: Free Speech and Political Persecution since the Age of FDR« [1]. Donna T. Haverty-Stacke, Professorin am Hunter College, ist ein bedeutendes Werk gelungen. Die Autorin hat nicht nur ein von der Wissenschaft ignoriertes Thema aufgegriffen, sondern auch 75 Jahre nach dem Prozess viele bisher unbekannte Details der Strafverfolgung und ihrer politischen und rechtlichen Implikationen ans Licht gebracht.

Haverty-Stacke hat eine sorgfältige Auswertung von zuvor nicht beachtetem oder nicht verfügbarem Archivmaterial des Justizministeriums und des Inlandgeheimdiensts Federal Bureau of Investigation (FBI) vorgenommen. Dieses Material blieb weitgehend unerforscht, da die bedeutende Rolle des Trotzkismus im politischen Leben der USA von der akademischen Forschung praktisch ignoriert wurde (mit der bemerkenswerten Ausnahme von Bryan Palmer, der eine Biografie von James P. Cannon und eine Geschichte des Generalstreiks in Minneapolis von 1934 verfasst hat).

Haverty-Stackes Buch liefert eine Fülle neuer Informationen über das Ausmaß der Infiltration der trotzkistischen Bewegung durch FBI-Agenten und Informanten. Sie zeigt auf, welche Diskussionen im Vorfeld des Prozesses innerhalb der Roosevelt-Regierung stattfanden. Immerhin war es die erste Anklage wegen Volksverhetzung in Friedenszeiten seit der Verabschiedung der vier diesbezüglichen Gesetze, der Alien and Sedition Acts, von 1798. Die Autorin erörtert die rechtlichen Fragen, die Behandlung des Berufungsantrags durch das zuständige Appellationsgericht des Bundes und die Bedeutung des Verfahrens als Präzedenzfall für weitere antikommunistische Prozesse in den 1940er und 1950er Jahren. Eingangs beleuchtet sie die Hintergründe des Verfahrens und den biografischen Werdegang der Angeklagten.

Die Auswahl der Angeklagten

Die Socialist Workers Party war eine starke Kraft innerhalb der amerikanischen Linken. Dies verdankte sie nicht nur ihrer Führerschaft in bedeutenden Streiks der 1930er Jahre, sondern auch und vor allem ihrer Identifikation mit den politischen Konzeptionen von Leo Trotzki. Als Führer der Oktoberrevolution von 1917 (zusammen mit Wladimir Lenin), als unerbittlicher Gegner der stalinistischen Degeneration der Sowjetunion und überdies als einer der größten Schriftsteller seiner Zeit war Trotzki auch im Exil eine wichtige Persönlichkeit der Weltpolitik. Selbst nach seiner Ermordung im August 1940 wurde der nachhaltige Einfluss seiner Ideen von seinen Feinden – den Stalinisten, den Faschisten und den »demokratischen« Imperialisten – gefürchtet. Zu den Letztgenannten gehörte in erster Linie die US-Regierung unter Präsident Franklin Delano Roosevelt.

Vierzehn der achtzehn SWP-Mitglieder, die nach dem Smith Act verurteilt wurden. Hintere Reihe, von links nach rechts: Farrell Dobbs, Harry DeBoer, Edward Palmquist, Clarence Hamel, Emil Hansen, Oscar Coover, Jake Cooper; vordere Reihe, von links nach rechts: Max Geldman, Felix Morrow, Albert Goldman, James Cannon, Vincent Dunne, Carl Skoglund, Grace Carlson, 1941

Die 29 Angeklagten setzten sich aus zwei Gruppen zusammen: Zum einen gehörten sie der Parteiführung aus dem nationalen Hauptquartier der SWP in New York City an, und zum anderen waren es SWP-Mitglieder aus Minneapolis, Minnesota, die Führungspositionen in der örtlichen Teamsters-Gewerkschaft, Local 544, innehatten.

Die erste Gruppe bestand aus langjährigen Führern der SWP, Berufsrevolutionären, deren Prinzipien in den Klassenkämpfen des frühen 20. Jahrhunderts geformt worden waren.

Unter ihnen hebt Haverty-Stacke vor allem James P. Cannon hervor, den Nationalen Vorsitzenden der SWP und Gründer des Trotzkismus in den Vereinigten Staaten. Cannon, geboren 1890 in Rosedale, Kansas, hatte auf dem Sechsten Kongress der Kommunistischen Internationale 1928 in Moskau Trotzkis Kritik an der stalinistischen Politik in die Hände bekommen. Zurück in den Vereinigten Staaten, erklärte er seine Übereinstimmung mit Trotzki. Nach seinem Ausschluss aus der Kommunistischen Partei gründete er die amerikanische Sektion der Linken Opposition und nahm Verbindung zu Trotzki auf.

James P. Cannon (Mitte) mit Max Eastman (links) und »Big« Bill Haywood (rechts) in der Sowjetunion, 1922

Felix Morrow, geboren 1906 in New York City, war Mitglied des Politischen Komitees der SWP und revolutionärer Journalist für die Parteipresse. Als Autor des Buchs »Revolution und Konterrevolution in Spanien« genoss er hohes Ansehen. Im Prozess hob die Staatsanwaltschaft Morrows Position in der Redaktion der theoretischen Zeitschrift »Fourth International« [Vierte Internationale] hervor.

Albert Goldman, eine weitere führende Figur in der SWP, war 1904 im Alter von sieben Jahren aus Weißrussland in die Vereinigten Staaten gekommen. Goldman war vor allem als Anwalt Leo Trotzkis bekannt. Er hatte Trotzki bei den Anhörungen der Dewey-Untersuchungskommission zu den stalinistischen Schauprozessen von 1937 vertreten. Die Anklage gegen diese drei Männer war für die Roosevelt-Regierung besonders wichtig, weil ihre politische und, im Falle von Cannon und Goldman, persönliche Beteiligung von zentraler Bedeutung war, um in Übereinstimmung mit dem Gesetz eine Verschwörung zum Sturz der Regierung nachzuweisen. Eine auffallende Auslassung auf der Liste der Angeklagten betraf Joseph Hansen, der drei Jahre lang, von 1937 bis 1940, als Sekretär Trotzkis tätig gewesen war. Sein Fehlen auf der Liste wird unten besprochen.

Albert Goldman berät Trotzki während einer Sitzung der Dewey-Kommission in Mexiko

Die zweite Gruppe der Angeklagten entstammte der SWP-Führung in Minneapolis. Dort hatte die Partei durch die Führung der Teamsters-Gewerkschaft die trotzkistische Bewegung zu einer einflussreichen politischen Kraft gemacht, die den Respekt von Tausenden Arbeitern genoss. Viele der trotzkistischen Angeklagten hatten persönlich den siegreichen Generalstreik der Lastwagenfahrer im Jahr 1934 in den Partnerstädten Minneapolis / Saint Paul angeführt und dabei 200 000 neue Gewerkschaftsmitglieder in den Staaten des Mittleren Westens gewonnen.

Haverty-Stacke beschreibt die Geschichte der kommunistischen Bewegung in der Region. Sie stellt fest, dass Minneapolis zu einem Zentrum der Unterstützung für die Linke Opposition wurde, nachdem die stalinistische Kommunistische Partei die Trotzkisten 1928 aus der Partei ausgeschlossen hatte: »Zusammen mit ihm [Cannon] gingen andere zukünftige Angeklagte des Smith Act in Minneapolis, einschließlich Vincent Dunne, Carl Skoglund und Oscar Coover.« [2]

Verhaftung von Vincent R. Dunne während einer Razzia der Nationalgarde im Streikbüro von Local 574 im Jahr 1934

In den Jahren nach dem Generalstreik versuchte die nationale Teamsters-Gewerkschaft unter der Führung des engen Roosevelt-Vertrauten Daniel Tobin vergeblich, die trotzkistische Führung von Local 544 (und seines Vorgängers Local 574) mithilfe von wüster antikommunistischer Propaganda abzusetzen.

Auch in den Wochen vor der Einleitung der Strafverfolgung durch die Regierung tobte im Local 544 ein Kampf um die Kontrolle über die Teamsters-Gewerkschaft von Minneapolis. Tobin und die Teamsters-Führung unternahmen einen neuen Versuch, die Trotzkisten zu vertreiben. Dies war zum Teil auf die Opposition der SWP gegen den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg zurückzuführen. Daraufhin stimmten Tausende von Lkw-Fahrern dafür, die American Federation of Labor (AFL) zu verlassen und ihren Ortsverband dem Congress of Industrial Organizations (CIO) einzugliedern.

Die Angeklagten aus Minneapolis hatten maßgeblich zum Austritt aus der AFL beigetragen. Einer von ihnen war Vincent Dunne. Neben ihm auf der Anklagebank saßen seine Brüder Miles und Grant. Alle drei hatten gemeinsam mit Carl Skoglund den Generalstreik angeführt. Grant konnte dem immensen Druck der Staatsanwaltschaft nicht standhalten und nahm sich am 4. Oktober 1941 das Leben.

Harry DeBoer war Lkw-Fahrer und wurde während des General­streiks von der Polizei angeschossen. Als führender Kader der SWP in Minneapolis besuchte er einige Jahre später Trotzki in Mexiko-Stadt.

Grace Carlson war im Sozialwesen beschäftigt. Die ehemalige Professorin an der University of Minnesota hatte 1940 mit einem Antikriegsprogramm als Kandidatin der Partei für den US-Senat über 8500 Stimmen erhalten.

Jake Cooper, ebenfalls aus Minneapolis, diente 1940 vier Monate lang als Trotzkis Wache in Coyoacán.

Farrell Dobbs, ein ehemaliger Bergmann, wurde 1939 zum Nationalen Sekretär der SWP für Gewerkschaftsfragen ernannt, nachdem er Streiks mit Tausenden von Lkw-Fahrern im Mittleren Westen organisiert hatte. Weitere Angeklagte aus Minneapolis, die letztendlich verurteilt wurden, waren Max Geldman, Clarence Hamel, Emil Hansen, Carlos Hudson, Karl Kuehn, Edward Palmquist und Oscar Schoenfeld.

Die Redaktion der Parteizeitschrift »Fourth International« schrieb im Juli 1941, nachdem die Liste der Angeklagten veröffentlicht worden war: »Ja, es liegt eine tiefe Logik darin, dass diese Verfolgungen und Anklagen vom Gestapo-FBI gerade jetzt, gerade hier und gerade gegen diese handverlesenen Opfer eingeleitet werden.« [3]

Diese Logik entfaltete sich auch vor Gericht. Die Anklage legte Beweise für die enge Verbindung mehrerer Angeklagter zu Leo Trotzki vor. Die Besuche von Cooper, DeBoer, Vincent Dunne, Cannon und Dobbs in Mexiko wurden als Beweis für eine staatsfeindliche Verschwörung präsentiert, ebenso Goldmans enge Beziehung zu Trotzki in den Jahren vor dem Prozess. Die Regierung hatte jedes »handverlesene Opfer« speziell zu dem Zweck ausgewählt, zu beweisen, dass eine verschwörerische Verbindung zwischen Trotzki und der mutmaßlichen Vorbereitung einer sozialen Revolution durch die SWP bestand.

Der Smith Act

Den 29 Angeklagten wurden zwei Straftaten vorgeworfen. Der erste Anklagepunkt bezog sich auf »rechtswidrige Verschwörung vom und vor dem 18. Juli 1938 bis zum Datum der Anklageschrift [23. Juni 1941] … zur gewaltsamen Zerstörung der Regierung der Vereinigten Staaten« unter Verstoß gegen eine strafrechtliche Bestimmung (18 US Code Section 6) aus der Bürgerkriegszeit, die dazu diente, die Rebellion der Sklavenhalter zu unterdrücken. [4]

Der zweite Anklagepunkt besagte, dass die Angeklagten »bewusst zu Ungehorsam in den Streitkräften aufgerufen und Literatur mit gleichem Zweck verbreitet« hätten. Sie hätten »wissentlich, vor­sätz­lich und aktiv die Pflicht, Notwendigkeit, Zweck­mäßigkeit und Ange­mes­sen­heit des Sturzes und der Zer­stö­rung der Re­gie­rung der Ver­ei­nig­ten Staaten durch Ge­walt und Ge­walt­taten befür­wor­tet, un­ter­stützt, em­pfoh­len und ge­lehrt«. Dies stel­le einen Ver­stoß gegen den Alien Registration Act dar, ein Gesetz aus dem Jahr 1940, das nach seinem Ur­he­ber, dem Kongressabgeordneten Howard Smith (Demokrat aus Virginia), auch als »Smith Act« bezeichnet wird. [5]

Haverty-Stacke beschreibt ausführlich die antikommunistischen Vorgänger des Smith Act, von den Gesetzen gegen »kriminelle Vereinigungen« der »Red Scare«-Ära nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zur Gründung des House Committee Investigating Un-American Activities [Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe] im Jahre 1938 durch den demokratischen Kongressabgeordneten Martin Dies aus Texas.

Laut den Abschnitten des Smith Act zur Volksverhetzung war es ein Verbrechen, den Sturz der US-Regierung zu befürworten, entsprechend zu schreiben oder sich zu organisieren. Dies konnte mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 20 Jahren geahndet werden. Die Abschnitte über Einwanderung verlangten die sofortige Registrierung von 5 Millionen Immigranten, von denen 900 000 kurz darauf als »feindliche Ausländer« eingestuft wurden, die interniert und/oder sofort abgeschoben werden mussten. Dieses Gesetz, das zur Verfolgung von Sozialisten und Kommunisten diente, wurde während des Kriegs auch auf 120 000 Amerikaner japanischer Abstammung an der Westküste angewandt. Im Gegensatz zur Darstellung Roosevelts als Verteidiger demokratischer Rechte trieb er die Intensivierung repressiver, polizeilicher Maßnahmen maßgeblich voran.

Die Kommunistische Partei, die ihre politischen Anweisungen von Moskau und der sowjetischen Geheimpolizei (dem NKWD / der GPU) erhielt, unterstützte die Verfolgung der Trotzkisten durch den Smith Act ohne jede Vorbehalte, wie sie später auch die Internierung von Amerikanern japanischer Abstammung unterstützte. KP-Chef Milton Howard rechtfertigte die Verfolgung der »faschistischen fünften Kolonne« mit der Begründung, dass die Angeklagten »nicht mehr Unterstützung von Arbeitern und Freunden der nationalen Sicherheit verdienen als die Nazis«. [6] In Minneapolis riet der stalinistische Funktionär Robert Minor bei einer Rede, die Roosevelt-Regierung solle im Umgang mit den amerikanischen Trotzkisten dem Beispiel folgen, das Moskau [während des Großen Terrors von 1936 – 1939] gegeben habe. [7]

Die Verabschiedung des Smith Act markierte eine drastische Ausweitung der Überwachungsbefugnisse des Staats gegenüber sozialistischen Gruppen, die in den Vereinigten Staaten tätig waren. Haverty-Stacke weist darauf hin, dass im Jahr 1939, »drei Tage, bevor das Repräsentantenhaus das Gesetz H. R. 5138, das heute als Alien Registration Bill bekannt ist, an den Senat überwies, Präsident Roosevelt einen geheimen Befehl erließ, ›der alle inländischen Ermittlungen [von Spionage, Gegenspionage und Sabotage] in die Hände des FBI bzw. seiner Military Intelligence Division und des Office of Naval Intelligence legte‹, mit dem FBI als zentraler Koordinierungsstelle«. [8]

Howard W. Smith, Kongressabgeordneter der Demokraten aus Virginia

Bereits 1936 schickte FBI-Direktor J. Edgar Hoover an Präsident Roosevelt Berichte über »inländische Subversive«, zu denen auch die trotzkistische Führung gehörte. [9] Hoover setzte den Präsidenten kontinuierlich unter Druck, um die Vollmacht zur Intensivierung der Überwachung durch seine Behörde zu erhalten. Roosevelt unterzeichnete den Gesetzentwurf am 29. Juni 1940. Haverty-Stacke schreibt, dass die Infiltration der SWP durch das FBI zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits weit fortgeschritten war: »Ende 1939 wurden sowohl das Teamsters-Local 544 in Minneapolis als auch die Socialist Workers Party mit Sitz in New York Zielobjekt der Untersuchungen des Bureaus.« [10]

Die Entscheidung zur Strafverfolgung

Als sich die USA aktiv auf den Kriegseintritt vorbereiteten, stand Roosevelt vor der Herausforderung, die Klassendisziplin durchzusetzen, die für den Kriegseinsatz erforderlich war. In den vorangegangenen 22 Monaten hatte sich die stalinistische Kommunistische Partei der Vereinigten Staaten von Amerika (KPUSA) im Einklang mit dem Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 gegen die Beteiligung der USA am Krieg in Europa ausgesprochen. Aber mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 schwenkte die KP von Opposition gegen den Kriegseintritt der USA zur vollen Unterstützung der Kriegsanstrengungen der Roosevelt-Regierung um. Die Stalinisten setzten sofort ihren Apparat ein, um die Arbeiterklasse im Zaum zu halten und einen landesweiten Streikverzicht durchzusetzen.

Die Entscheidung der Regierung Roosevelt, die Trotzkisten juristisch zu verfolgen, fiel am 23. Juni 1941, einen Tag nach dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion. Nachdem die KPUSA zur Unterstützung des Kriegs übergegangen war, wurde die SWP zur bedeutendsten sozialistischen Antikriegspartei in den Vereinigten Staaten. Entsprechend befürchtete die Roosevelt-Regierung, dass sie aufgrund ihrer prinzipientreuen Opposition ge­gen den imper­ialistischen Krieg zu einem Anziehungs­punkt für die Antikriegs­stim­mung in der amerikanischen Ar­bei­ter­klasse werden könnte.

Die Entscheidung zur Strafverfolgung war das Ergebnis einer monatelangen intensiven Diskussion auf den höchsten Ebenen des Justizministeriums und des FBI. Haverty-Stacke untersucht die umstrittenen rechtlichen und politischen Probleme, mit denen die Regierung konfrontiert war.

SWP prangert Verfolgung durch die »amerika­nische Gestapo« an

FBI-Direktor J. Edgar Hoover

Hoover war ein früher Verfechter der Strafverfolgung. Aber für das Justizministerium und Roosevelt selbst war sie mit einer Reihe von Risiken verbunden. Führende Beamte wie Generalstaatsanwalt Francis Biddle befürchteten, dass die Strafverfolgung eine breite Opposition erzeugen, die SWP mobilisieren und die liberale Basis der Roosevelt-Regierung abschrecken könnte.

Im Juni 1941 versuchte Hoover, Roosevelt unter Druck zu setzen. Er behauptete, dass die Socialist Workers Party im Falle des Kriegseintritts der USA »den Materialfluss zwischen Unternehmen mit Rüstungsverträgen zur Landesverteidigung zum Stillstand bringen« könnte. [11] Im selben Monat erklärten die Staatsanwälte Victor Anderson und Wendell Berge ihre Unterstützung für die Strafverfolgung. [12] Am 12. Juni 1941 schickte Teamsters-Präsident Tobin ein Telegramm an Roosevelt mit der Aufforderung zur Strafverfolgung. Haverty-Stacke schreibt: »Tobin argumentierte, dass die Trotzkisten, denen es gelungen war, Lkw-Fahrer in den Zentralstaaten zu organisieren, in der Lage waren, die kommerziellen Verkehrsnetze der Nation zu stören, und, wenn sie die Kriegskrise nutzten, die Regierung stürzen und einen sozialistischen Staat gründen könnten.« [13]

Die SWP vertrat während des Prozesses und in seiner Folgezeit die Auffassung, dass Roosevelt aufgrund des Tobin-Telegramms vom 12. Juni beschlossen habe, die SWP zu verfolgen. Aber das stimmte nur teilweise. Haverty-Stacke erklärt:

Wegen dieses Telegramms wurde Tobin beschuldigt, die Kette der Ereignisse in Gang gesetzt zu haben, die zur Verhaftung von 29 Mitgliedern der SWP und von Local 544 führte. Zum Zeitpunkt dieser Verhaftungen und während des Prozesses argumentierte die Verteidigung, dass Tobin einen politischen Gefallen von Roosevelt einforderte, dass der Präsident in einen internen Gewerkschaftsstreit eingriff und somit die erste Verfolgung unter dem Smith Act einleitete. Dieses Argument der »politischen Schuld« hat in der begrenzten wissenschaftlichen Literatur zu diesem Fall in unterschiedlichem Maße überlebt und die gängige Erinnerung an die Strafverfolgung innerhalb der SWP geprägt. Das Justizministerium hatte jedoch bereits im April 1941 ernsthaft über eine solche Verfolgung nachgedacht, basierend auf der unabhängigen Untersuchung des FBI, die bis in den Herbst 1940 zurückreicht. [14] (Hervorhebung hinzugefügt)

Letztendlich, so Haverty-Stacke, unternahm Francis Biddle »den Schritt in diesem Fall weitgehend wegen der Informationen, die er vom FBI erhielt«. [15]

Die zentrale Bedeutung von Leo Trotzki für die Sache der Staatsanwaltschaft

Haverty-Stacke konzentriert sich in ihrem Buch nicht auf dieses Thema, doch die Auswertung der Gerichtsakte durch die »World Socialist Web Site« ergab, dass sich die Staatsanwaltschaft auf den Nachweis einer Verbindung zwischen den angeklagten SWP-Mitgliedern und Leo Trotzki konzentrierte. Dies wurde zur entscheidenden Rechtsfrage, um die sich der gesamte Fall drehte. Nach dieser Theorie war Trotzki der Architekt, Ausbilder und Leiter der Aktivitäten der SWP in Minneapolis und im ganzen Land. So zentral war Trotzki für die Sache der Staatsanwaltschaft, dass er in der Grand Jury als Mitverschwörer aufgeführt wurde, obwohl er im August des Vorjahres ermordet worden war.

Die erfahrenen Anwälte des Justizministeriums, die sich bewusst waren, dass ein Urteil von »nicht schuldig« in beiden Anklagepunkten eine immense Peinlichkeit für die Regierung bedeutet hätte, legten eine Strategie zur Sicherstellung eines Schuldspruchs fest. Ihre Darstellung des Falls zielte darauf ab, den Zusammenhang zwischen Trotzki und den Angeklagten der SWP aufzuzeigen.