Agil führen - Silke Sichart - E-Book

Agil führen E-Book

Silke Sichart

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Beschreibung

Das Buch gibt mit verständlichen Erläuterungen einen Überblick über die Grundlagen agiler Führung. Mit praxiserprobten Methoden, konkreten Beispielen, Visualisierungen und Übungen zur Selbstreflexion unterstützen die Autoren Sie dabei, agile Prinzipien und Werte in Ihren eigenen Führungssalltag umzusetzen. Inhalte: - Neu in der 2. Auflage: Agil führen im Kontext virtueller oder hybrider Zusammenarbeit - Die Basis agiler Führung - Kompetenzen, Aufgaben und Rollenverständnis - Führung und Kommunikation - Die agile Toolbox: das agile Prozessmodell Scrum, RetrospektivenMit digitalen Extras: - Reflexionsfragen und -Übungen, z. B. zum agilen Mindset und zum Führungsmodell - Nützliche Checklisten - Agile Tools

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Seitenzahl: 522

Veröffentlichungsjahr: 2022

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[7]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumVorwortAbbildungsverzeichnis1 Wozu agiles Führen?1.1 Wir leben in einer VUCA-Welt1.2 Megatrends1.3 Komplexität1.4 Kooperation in Netzwerken1.5 Ständiger Change und Instabilität1.6 Digitalisierung1.7 Revolution der Kommunikation1.8 Wissensgesellschaft und Co-Creation1.9 Einbeziehung der Kund*innen1.10 Demografischer Wandel, Fachkräftemangel und Generationenmix 1.11 Positive Entwicklungen – kritische Einschätzungen1.12 Steigendes Bedürfnis nach Sinn1.13 Veränderung der Arbeitswelt – New Work 1.14 Agile Organisationen1.14.1 Maßnahmen auf dem Weg hin zu einer agilen Organisation1.14.2 Kennzeichen agiler Organisationen2 Was ist agiles Führen?2.1 Was ist agil?2.2 Wo liegen die Wurzeln der Agilität?2.3 Worauf ist Führung die Antwort?2.4 Agiles Führen: Segeln auf Sicht2.5 Experimentieren statt Planen2.6 Das Morgen mitdenken2.7 Agiles Führen – die Definition2.7.1 Agile Führungsprinzipien und Werte2.7.2 Was ist neu am agilen Führen?2.7.3 Die Kompetenzen2.8 VUCA, VOPA+ und SMAC 2.8.1 Das Modell VOPA+2.8.2 SMAC 2.9 Agile Führungsprinzipien in der Praxis2.10 Führen und Managen Hand in Hand2.11 Effectuation 3 Virtuelles und hybrides Führen3.1 Führen auf Distanz: das neue Normal3.1.1 Vorteile virtueller Zusammenarbeit3.1.2 Nachteile virtueller Zusammenarbeit3.1.3 Hybride Zusammenarbeit3.1.4 Virtuelles und hybrides Arbeiten im agilen Kontext3.2 Wie kann virtuelle und hybride Führung gut gelingen?3.2.1 Strukturen und Prozesse3.2.2 Kommunikation und Interaktion3.2.3 Vertrauen und Kontakt3.3 Konkretisierungen: Workhacks für virtuelles und hybrides Führen3.3.1 Virtuelle Retrospektiven 3.3.2 »GEH-spräche«3.3.3 Hacks für lebendige virtuelle Meetings von DIE SPIELER Unternehmens- und Improvisationstheater Hamburg3.3.4 Das neue Normal entwerfen4 Agil passt nicht immer und überall4.1 Ambidextrie: Wir brauchen beide Hände4.2 Organisations- und Situations-Check4.3 Was agiles Führen nicht ist5 Die Hürden des agilen Führens, oder: Die Kluft zwischen Theorie und Praxis5.1 Wir sind Perfektionisten5.2 Wir sind exakte Planer5.3 Wir haben hohe Fachkompetenz5.4 Wir arbeiten in Organisationen der alten Schule5.5 Wir haben gelernt: Wissen ist Macht5.6 Hierarchie gibt Orientierung5.7 Direkte Kommunikation mit dem Vorstand? Unvorstellbar!5.8 Wir leben in Konkurrenz statt in Kooperation5.9 Wir leben in einer Zeit, in der die Welten aufeinanderprallen 5.10 Die persönliche Agilität und die Agilität der Organisation passen nicht zusammen5.11 Wir sind verschieden5.12 Wir erleben den Change im Change 6 Auf dem Weg zum agilen Führen, oder: Wie wir die Hürden nehmen6.1 Der Ansatz der Studie »Gute Führung«6.2 Selbstführung6.3 Menschenbild6.4 Agiles Mindset6.4.1 Dynamische versus statische Grundhaltung6.4.2 Die agilen Werte6.4.3 Haben Sie ein agiles Mindset? Eine persönliche Standortbestimmung6.5 Lern- und Improvisationskultur entwickeln6.5.1 Eine positive Fehlerkultur6.5.2 Improvisation6.6 Vom klassischen zum agilen Führen: relevante Führungsansätze6.6.1 Situatives Führen6.6.2 Transformationale Führung6.6.3 Dienendes Führen6.6.4 Holacracy 6.6.5 Theorie U 6.6.6 Positive Leadership 6.6.7 Das Leipziger Führungsmodell6.6.8 Objectives and Key Results (OKR)6.6.9 Full Range of Leadership Model 7 Wichtige agile Führungskompetenzen7.1 Zurückhaltung7.2 Begeisterung7.3 Kontakt und Beziehungskompetenz7.3.1 Warum Beziehungskompetenz so wichtig ist7.3.2 Wie wir zum Teamplayer werden7.3.3 Reflexionsübung: Die Wirkung von Beziehung7.3.4 Kooperation in Netzwerken7.4 Empathie 7.4.1 Ein Blick ins Gehirn7.4.2 Varianten der Empathie 7.4.3 Empathie und empathisches Zuhören7.4.4 Muskeltraining: Empathie 7.5 Fühlen7.5.1 Angst7.5.2 Affekte7.5.3 Positive Gefühle7.5.4 Mut7.6 Integrität7.7 Authentizität7.8 Offenheit7.9 Unsicherheit aushalten7.10 Ambiguitätstoleranz: Widersprüche aushalten können8 Im Fokus: das eigene Ich8.1 Orientierung geben – auch bei eigener Orientierungslosigkeit 8.1.1 Sinn: »Start with why«8.1.2 Purpose 8.1.3 Gemeinwohl/Public Value 8.1.4 Visionen8.1.5 Werte8.2 Entscheidungen treffen8.2.1 Biases: Kognitive Verzerrungen8.2.2 Hilfestellung für Entscheidungen: Cynefin 8.2.3 Häufige Fehleinschätzungen8.2.4 Kontextübergreifendes Entscheiden8.3 Entscheidungen kommunizieren8.4 An Entscheidungen beteiligen8.5 Agiles Führen ist auf Rollen verteilt9 Im Fokus: die Mitarbeiter*innen9.1 Mitarbeiter*innen motivieren9.1.1 Selbstwirksamkeit: Basis für intrinsische Motivation9.1.2 Das SCARF-Modell9.1.3 1:3 – das Verhältnis von kritischen zu positiven Rückmeldungen9.1.4 Agiles Arbeiten kann glücklich machen9.2 Leistungsfähigkeit und Gesundheit erhalten9.3 Mitarbeiter*innen entwickeln und empowern 9.4 Raum und Zeit zum Denken geben9.5 Mitarbeiter*innen coachen 9.5.1 Ideal für agiles Führen: der systemisch-lösungsorientierte Coaching-Ansatz9.5.2 Zurückhaltung9.5.3 Musterunterbrechung9.5.4 Ressourcenfokussierung10 Im Fokus: das Team10.1 Meetings moderieren10.1.1 Die professionelle Gestaltung der Doppelrolle10.1.2 Die Aufgaben der Moderator*innen10.1.3 Phasen der Moderation10.2 Psychologische Sicherheit: der Rahmen für erfolgreiche Teams10.3 Sich vor und hinter das Team stellen10.4 Teams entwickeln10.4.1 Teamphasen 10.4.2 Die Belbin-Teamrollen10.5 Selbstorganisation fördern10.5.1 Erfolgsfaktor Entscheidungskompetenz10.5.2 Ohne Führung geht es nicht10.6 Agiles Führen der verschiedenen Generationen, Kulturen und Persönlichkeiten10.6.1 Generationsunterschiede – eine Konstruktion?10.6.2 Diversity Management: kultur- und generationensensibles Führen11 Im Fokus: die Organisation11.1 Koordinieren11.2 Netzwerke aufbauen11.3 Veränderungen gestalten11.4 Innovation fördern11.5 Hinterfragen und aufräumen12 Führen heißt kommunizieren12.1 Von Eisbergen und Filtern: Was unsere Kommunikation beeinflusst12.2 Unsere Einstellungen12.2.1 Komplementäre Transaktionen12.2.2 Überkreuzte Transaktionen12.2.3 Verdeckte Transaktionen12.2.4 Die Grundeinstellungen der Transaktionsanalyse12.3 Kommunikation: ein Wechselspiel zwischen Kopf und Körper12.3.1 Das Team in unserem Kopf12.3.2 Kommunikation beginnt im Körper: Embodied Communication12.4 Status, oder: Führen auf Augenhöhe12.4.1 Statussignale 12.4.2 Statusflexibilität und Lieblingsstatus 12.5 Sprache und persönliche Wirkung12.6 False Friends der Kommunikation12.7 Mauern bauen12.8 Metaphern, oder: Die Macht der Bilder12.9 Unentbehrlich: die Frage nach dem »Wozu?«12.10 Trichterkommunikation 12.11 Stell Fragen und hör zu!12.11.1 In Kontakt sein12.11.2 Wer fragt, führt12.11.3 Wirkungsvoll zuhören12.12 Feedback12.12.1 Feedback geben12.12.2 Feedback bekommen12.13 Dialog und Metadialog 12.14 Die Kommunikationsflut bändigen12.15 Tipps für gelungene Führungskommunikation13 Positiver Umgang mit Konflikten13.1 Konfliktarten 13.2 Moderation von Konflikten13.2.1 Die Prinzipien einer Konfliktmoderation 13.2.2 Leitfaden für eine gute Konfliktmoderation 13.3 Von Kompromissen und Win-win-Lösungen13.4 Konfliktlösung mit dem Harvard-Konzept13.5 Konflikttypen nach Virginia Satir 14 Agile Herangehensweisen14.1 Agile Innovations- und Geschäftsentwicklung14.1.1 Design Thinking 14.1.2 Lean Startup14.1.3 Innovation Blueprint 14.1.4 Marktplatz der Macher, oder: Schnellboote starten14.2 Agile Produktentwicklung14.2.1 Scrum 14.2.2 Kanban 14.3 Agiles Arbeiten skalieren: Spotify, SAFe, LeSS und Co.14.3.1 Scrum of Scrum 14.3.2 Der Spotify-Ansatz14.3.3 Agile Frameworks 14.4 Agile Formate14.4.1 Daily Stand-Ups14.4.2 Retrospektive14.4.3 Jam: Online-Brainstorming für große Teams14.4.4 Open Space14.4.5 Bar Camp14.4.6 Hackathon oder FedExDay 14.4.7 FuckUp Nights14.4.8 Kill a stupid Rule14.4.9 Planning Poker14.4.10 Delegation Poker14.4.11 Task Board 14.4.12 Stufen der Entscheidung14.4.13 Der konsultative Einzelentscheid14.4.14 Timeboxing LiteraturStichwortverzeichnisDie Autor*innenDigital Extras
[1]

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ISBN 978-3-648-15984-2

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Silke Sichart, Jörg Preußig

Agil führen

2. Auflage, Mai 2022

© 2022 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © jacoblund, iStock

Grafiken: Yvonne Brockerhoff, www.knipsblick.de

Produktmanagement: Anne Rathgeber

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[15]Vorwort

Die Wurzeln agilen Arbeitens reichen tief und sind zugleich weitverzweigt. Agilität ist kein neues Thema. Es wird seit vielen Jahren in unterschiedlichen Facetten bespielt. Wir verbinden damit beispielsweise Ansätze wie Scrum, Design Thinking, Holacracy, Kanban, Business Model Generation. Agiles Arbeiten hat angesichts der Digitalisierung und des großen Tempos, mit dem sich Änderungen heute vollziehen, zunehmend an Relevanz gewonnen. Die Megatrends unserer Zeit und die Rahmenbedingungen unserer modernen Arbeitswelt bringen neue Herausforderungen mit sich, bei denen agile Vorgehensweisen einen hohen praktischen Nutzen bieten.

Dementsprechend ändern sich auch die Anforderungen an Führungskräfte. Die Welt, in der wir leben und arbeiten, in der wir uns vernetzen und in Teams zusammen Neues gestalten, braucht eine neue Art der Führung, eine agile Führung, die Mitarbeiter*innen Eigenverantwortung gibt, sie auf Augenhöhe sieht, die sich flexibel an Situationen anpasst und die den fruchtbaren Boden für nötige Innovationen schafft.

Dieses Buch liefert Impulse und Ideen dafür, wie eine solche agile Führung aussehen kann.

Wir haben bei unserer Arbeit daran viele unterschiedliche Perspektiven und aktuelle Erkenntnisse berücksichtigt, unter anderem aus der Soziologie, der Neurobiologie, der Medizin, der Motivationsforschung und der Organisationsentwicklung. Wir haben die Schatzkisten dieser Disziplinen geöffnet und auf deren Basis herausgearbeitet, was Mitarbeiter*innen wirklich motiviert, wie Entscheidungen zustande kommen und wie sie wirken, wie wir unsere Leistungsfähigkeit erhöhen und unsere Gesundheit erhalten, wie wir Zusammenarbeit so gestalten, dass wir effektiv und effizient und dabei begeistert sein können.

Wir wünschen Ihnen wertvolle Erkenntnisse und viel Spaß beim Lesen!

Silke Sichart und Jörg Preußig

[17]Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:Entwicklungen und MegatrendsAbb. 2:VOPA+ ModellAbb. 3:Hemmnisse in OrganisationenAbb. 4:Stellschrauben der Zusammenarbeit im TeamAbb. 5:Klaren Rahmen für Meeting gebenAbb. 6:Ziele eines Meetings klar benennenAbb. 7:No Social DistanceAbb. 8:Überblick Ablauf RetroAbb. 9:Appreciative InquiryAbb. 10:Stacey-MatrixAbb. 11:Die Taylor-WanneAbb. 12:Die Change-KurveAbb. 13:Die drei Stufen der Entwicklung zu guter Führung (nach Kruse)Abb. 14:Situatives FührenAbb. 15:Theorie UAbb. 16:Leipziger FührungsmodellAbb. 17:Full Range of Leadership ModelAbb. 18:AffektbilanzAbb. 19:Belag-AffektbilanzAbb. 20:LeitbildAbb. 21:PurposeAbb. 22:Golden CircleAbb. 23:Fiktives Beispiel einer Public Value ScorecardAbb. 24:Visionen als Hin-zu-BewegungenAbb. 25:Cynefin-FrameworkAbb. 26:SelbstwirksamkeitAbb. 27:SCARF-ModellAbb. 28:Phasen der ModerationAbb. 29:Prägende Ereignisse der GenerationenAbb. 30:EisbergmodellAbb. 31:TrichterkommunikationAbb. 32:Wirkungsvoll zuhörenAbb. 33:Strategien der KonfliktlösungAbb. 34:Design Thinking ProzessAbb. 35:Build-Measure-Learn-LoopAbb. 36:Schnellboote starten – die VorbereitungAbb. 37:Schnellboote starten mit dem Marktplatz der MacherAbb. 38:Scrum im ÜberblickAbb. 39:Beispielprozess Fehlerbehebung[18]Abb. 40:Kaskadierung agiler TeamsAbb. 41:Skalierung von Agilität bei SpotifyAbb. 42:Open SpaceAbb. 43:Kill a stupid RuleAbb. 44:Kartensatz für Planning PokerAbb. 45:Die Stufen der Entscheidung

[19]1Wozu agiles Führen?

Agiles Führen, Digital Leadership, Führen 4.0 – es gibt mittlerweile viele Begriffe, die allesamt für ein neues, modernes Führungsverständnis in Organisationen stehen. Doch warum braucht es überhaupt eine neue Art der Führung?

Aufgrund der rasanten Entwicklung technischer Innovationen, der Digitalisierung, der Internationalisierung und des Wandels hin zur Wissensgesellschaft haben sich die Rahmenbedingungen unseres Alltags und unseres Arbeitens grundlegend verändert.

Jeremy Rifkin, Vordenker und Politikberater, interpretiert unsere Zeit daher auch als dritte industrielle Revolution: »Wir befinden uns inmitten einer tiefgreifenden Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen, weg von hierarchischer, hin zu lateraler Macht.«1 Er beschreibt damit ein Kippen unserer Strukturen um 90 Grad: weg von einer vertikalen (hierarchischen) hin zu einer horizontalen (kooperativen) Struktur.

All unsere Lebensbereiche werden durch die Digitalisierung beeinflusst: die Strukturen und Prozesse in Unternehmen, Geschäftsmodelle, unsere Art zu kommunizieren und unsere Zusammenarbeit. Unsere Gesellschaft und unser Arbeiten sind geprägt durch Social Media, E-Commerce, das Internet of Things, Big Data und Artificial Intelligence. Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche können wir auf Informationen, Dienstleistungen und Produkte zugreifen. Die Digitalisierung treibt das Tempo vieler Geschäftsprozesse an; immer mehr Aufgaben sind rasch und zeitgleich zu bewältigen. Die Dynamik nimmt zu.Die Erwartungen der Kund*innen, stets schnelle, innovative und individualisierte Lösungen für ihre Probleme, Wünsche und Bedürfnisse zu erhalten, sind ins Zentrum gerückt. Markt- und Kundenbedürfnisse ändern sich rascher. Ereignisse und Entwicklungen sind unvorhersehbarer und weniger planbar geworden.

Vom schwerfälligen Dampfer zum wendigen Schnellboot

Es ist erfolgsentscheidend, dass Unternehmen rasch auf Marktveränderungen reagieren können, dass sie Schnellboote2 sind statt großer Dampfer: flexibel und flink. Während früher Prognosen, Planung und deren effektive Umsetzung Erfolgsfaktoren für Unternehmen waren, ist es heute in erster Linie die Fähigkeit zu schneller und flexibler Adaption sich ständig verändernder Rahmenbedingungen.

[20]All dies stellt Führungskräfte und deren Teams vor die Herausforderung, schnell, innovativ und kompetent auf die sich ständig verändernden Rahmenbedingungen zu reagieren. Agile Prinzipien wie beispielsweise die Dezentralisierung und Selbstorganisation von Teams machen Unternehmen dabei besonders erfolgreich.3 Langwierige hierarchische Entscheidungsprozesse erweisen sich zunehmend als hinderlich.

Doch nicht nur von außen wirken Änderungen auf Unternehmen ein. Auch innerhalb der Organisationen gibt es Veränderungen und neue Trends: Fragen nach der Sinnhaftigkeit der Arbeit, nach Kommunikation auf Augenhöhe und individuellen Entwicklungsmöglichkeiten rücken stärker ins Zentrum. Viele Führungskräfte realisieren, dass junge Mitarbeiter*innen in die Organisationen kommen, die traditionelle Führung infrage und althergebrachte Karriere- und Motivationssysteme auf den Kopf stellen. Gleichzeitig bestimmen der Austausch über Social Media sowie Homeoffice und flexible Arbeitszeiten unser (Zusammen-)Arbeiten. Die Präsenzkultur schwindet zunehmend. Nie zuvor wurde so eng vernetzt über Orts- und Zeitgrenzen hinweg miteinander gearbeitet. Mitarbeiter*innen und Kund*innen stehen völlig neue Möglichkeiten aktiver Beteiligung zur Verfügung. Flache Hierarchien und Selbstorganisation in Netzwerken prägen das Bild.

Die Unternehmen von morgen fördern das Experimentieren, den Mut, Fehler zu machen, organisieren in Lernzyklen den Austausch über Fehlschläge und Missgeschicke und schaffen offene Netzwerke, in denen die Mitarbeiter*innen gemeinsam mit Kund*innen und Partner*innen die Weiterentwicklung gestalten.

Es gilt inzwischen als unumstritten, dass nur diejenigen Organisationen erfolgreich bleiben oder sogar gestärkt in die Zukunft blicken können, die es schaffen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und eine umfassende Transformation einzuleiten.

Damit es den Organisationen gelingt, sich auf diese veränderten Rahmenbedingungen einzustellen, die Veränderung von Haltung, Prozessen, Strukturen und Zusammenarbeit einzuläuten und umzusetzen, braucht es Führung. Es braucht Führungskräfte,

die sich und ihren Mitarbeiter*innen angesichts der zunehmenden Orientierungslosigkeit Orientierung geben können,die sich auf Neues einstellen und Neues initiieren können,die begeistern und motivieren können,die sich selbst und ihre Mitarbeiter*innen befähigen, ihre Potenziale zu entfalten.

[21]Es braucht moderne Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter*innen durch die VUCA-Welt begleiten.

In den folgenden Abschnitten stellen wir die Aspekte dar, die wir als besonders relevant für das Verständnis von agiler Führung erachten.

1.1Wir leben in einer VUCA-Welt

Inzwischen hat der Begriff VUCA in die Welt der Wirtschaft Einzug gehalten. Das Akronym, dessen Buchstaben für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity stehen, beschreibt kurz und knapp die wesentlichen Rahmenbedingungen unserer modernen Arbeitswelt.

Wofür VUCA stehtVolatilitätHohe Schwankungen, UnbeständigkeitUnsicherheitUnkenntnis über die Entwicklungen, Unberechenbarkeit, völlig neue Märkte entstehenKomplexitätVielfältige Verknüpfungen, wechselseitige Beeinflussung, Abhängigkeiten von unterschiedlichsten SeitenAmbiguitätWidersprüche, Rollenkonflikte, Mehrdeutigkeit

All diese Faktoren machen es erforderlich, dass sich Führungskräfte anders ausrichten, als sie es bisher getan haben. Ein Schlüssel dazu ist Agilität. Sie macht es möglich, in einem unsicheren und dynamischen Umfeld anpassungsfähig, flexibel und schnell zu agieren und zu reagieren. Dabei vereint Agilität Werte, Verhaltensweisen und unterschiedliche Methoden. Es geht nicht nur um organisatorische Prozesse und Prozessmethoden. Agiles Vorgehen betrifft immer auch soziale und kommunikative Aspekte und ist daher auch eine besondere Art der Führung.

Deutsche traditionelle Unternehmen können viel von den digitalen Vordenkern im Silicon Valley oder in der Start-up-Szene in Berlin lernen. Dort können wir agile Führung beobachten. Die eigenen Prozesse und Herangehensweisen werden immer wieder infrage gestellt, um sich ständig weiterzuentwickeln, zu lernen und innovativ zu sein.

[22]1.2Megatrends

Abb. 1: Entwicklungen und Megatrends (Quelle: www.zukunftstinstitut.de)

[23]Die Trend- und Zukunftsforschung beobachtet und beschreibt systematisch neue Entwicklungen. Sie analysiert die Veränderungen unterschiedlicher Bereiche unserer Gesellschaft, begonnen bei den Konsumgewohnheiten der Verbraucher über Medien und Technologien bis hin zu unserer Arbeitswelt. Sie identifiziert und verfolgt die Auswirkungen von Trends auf verschiedene Branchen und Märkte und letztlich auch auf jeden Einzelnen von uns. Ihr Fokus liegt unter anderem auch auf den Megatrends. Megatrends sind die Hauptreiber des Wandels unserer Gesellschaft und Wirtschaft.

Die Megatrends unserer Zeit sind Vernetzung, Globalisierung, Individualisierung, Wissensgesellschaft, Ökologie, Gesundheit und New Work. All diese Aspekte haben unmittelbare Auswirkungen auf die Gestaltung von Führung. Daher ist es für Führungskräfte zunehmend relevant, sich mit Trends innerhalb und außerhalb der eigenen Organisation zu beschäftigen, um die eigenen Mitarbeiter*innen und die eigene Organisation in Zukunft führen und in die Zukunft führen zu können.

1.3Komplexität

Viele zentrale Erkenntnisse zur aktuellen Situation der Führung lassen sich auch aus der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) ableiten.4 In einem Vortrag für das Forum »Gute Führung« dieser Initiative hat Professor Peter Kruse, Organisationspsychologe der Universität Bremen, die Ergebnisse seiner Studien vorgestellt. Er beschreibt, was »gute Führung« in der Zukunft bedeuten kann.5

Kruse geht davon aus, dass sich in unserer vernetzten Welt die Komplexität unaufhaltsam steigert, während gleichzeitig die Planbarkeit durch Ungewissheit der Entwicklung und Überraschungen stetig sinkt. Sein Fazit: Traditionelle Führung passt unter diesen Umständen nicht mehr. Es geht nicht mehr um das Ausrichten unseres Handelns auf ein klares Ziel hin, sondern um die Reduktion von Komplexität durch Mustererkennung. Die Führungskraft ist nicht länger der Planer oder die Planerin erfolgreicher Umsetzungsprozesse, sondern ein*e Partner*in für Reflexion. Zunächst gilt es, so die paradoxe These Kruses, Komplexität auszuhalten. Wenn wir es schaffen, sie auszuhalten, dann können wir sie im nächsten Schritt reduzieren. Erst wenn wir zulassen, dass wir etwas nicht verstehen, haben wir überhaupt eine Chance, es eventuell doch verstehen zu können.

[24]Wir befinden uns, so Kruse, im Übergang vom Verfügungswissen hin zum Orientierungswissen.

Verfügungswissen meint: Wir haben die nötigen hilfreichen Strategien und das nötige Wissen parat und können darüber verfügen, um die nächsten Schritte zu planen. Wir können aus unserem Wissen heraus entscheiden, welche Handlungsstrategien effizient und effektiv sind, um dann die passende Strategie zu wählen.

Orientierungswissen bedeutet demgegenüber: Es gilt, sich in der Situation selbst zu orientieren und für andere Orientierung zu schaffen, da die Zukunft nicht voraussagbar und die Komplexität so enorm ist, dass wir über keine bisherigen Strategien, Best Practices und Wissen verfügen. Dafür braucht es beständig neue Strategien und Offenheit. Die Fragen lauten dann: Welche Rahmenbedingungen sind jeweils bedeutsam und welche nicht? Und wie können wir diesen Rahmenbedingungen gemeinsam begegnen? Der Einzelne kann die Lösungen in komplexen Systemen allein nicht finden. Die Zeit der Alleingänge ist vorbei. Die intelligente Lösung entsteht im Netzwerk und nicht im Kopf eines Individuums.

1.4Kooperation in Netzwerken

Kooperation in kollektiven Netzwerken ist, so Kruse, das Topthema der Zukunft. Die Kernfrage lautet hier: Sind wir in der Lage, vom hierarchischen zum vernetzten Agieren umzuschalten?

Führungskräfte sind dann nicht mehr Vordenker und verantwortliche Kontrollinstanz, sondern Impulsgeber und Teilnehmer in Netzwerken.

1.5Ständiger Change und Instabilität

Change ist der Normalzustand geworden. Die Zeiten, in denen nach einer Veränderung eine Phase kam, in der sich die Änderung »setzen« konnte und die Mitarbeiter*innen in Anpassung daran neue Routinen entwickeln konnten, sind vorbei. Der nächste Change beginnt bereits, bevor der erste »abgeschlossen« ist.

Wir leben in einer Welt, in der vieles in ständigem Wandel ist. Und so kann die Technologie, die heute noch angesagt ist, morgen schon irrelevant sein; der Markt, der heute noch nicht existiert, kann morgen bereits gesättigt sein.

Auch die Zugehörigkeit der Mitarbeiter*innen zu Organisationen verliert an Bedeutung; die Wechselbereitschaft wächst. Das bedeutet: Die Systeme werden instabiler.

[25]Es geht nicht mehr darum, Arbeitsverhältnisse zu schaffen, die als auf Dauer Sicherheit gebende Identitätsanker dienen, sondern darum, Rahmenbedingungen für Mitarbeiter*innen zu kreieren, die ihre jeweilige Stelle als eine Station auf einem lebenslangen Lernweg sehen. Attraktivität zählt. Es dreht sich nicht mehr um die Frage: »Was begünstigt langfristige Bindungen?«, sondern um die Frage: »Was macht das gemeinsame Handeln augenblicklich sinnvoll?«

Die »gute« Führungskraft ist nach Kruse nicht mehr länger Vorbild und eine Sicherheit stiftende Autorität, sondern vielmehr ein Coach, der die Entwicklung seiner Mitarbeiter*innen begleitet.

1.6Digitalisierung

Viele Studien6 liefern uns heute ein sehr differenziertes Bild von den Folgen des digitalen Wandels in den Unternehmen. Einerseits zeigt sie deutlich: Die Digitalisierung ist heute in nahezu allen Organisationen spürbar. Was Innovationsfähigkeit und Flexibilität anbelangt, hat sich in den letzten Jahren der Druck deutlich erhöht. Der digitale Wandel forciert den Trend hin zur Projektarbeit. Die Ressourcen für notwendige Change-Maßnahmen sind allerdings begrenzt, da die Fachbereiche weiterhin parallel ein funktionierendes Kerngeschäft unter zunehmend raueren Marktbedingungen zu gewährleisten haben (vgl. hierzu näher das Kapitel 4.1).

Christian Illek, der Finanzvorstand der Deutschen Telekom, macht deutlich, wie wichtig es ist, Arbeit völlig neu zu organisieren. Er sagt: »Die Digitalisierung kommt nicht als laues Lüftchen daher, sondern als Sturm. Sie ist disruptiv.«7

Digitalisierung

Wenn wir von Digitalisierung sprechen, verstehen wir darunter den gebräuchlichen erweiterten Sinn: Digitalisierung ist ein durch technologische Entwicklung getriebener Wandel, der weitreichende strategische, organisatorische und kulturelle Veränderungen mit sich bringt.

In diesem Sinne geht es bei der Digitalisierung um weit mehr als nur um neue Technologien. Es geht neben dem Wandel in Unternehmen auch um gesellschaftliche Veränderungen: Unter anderem durch Social Media, Smartphones und Tablets verändert sich die Art und Weise, wie Menschen miteinander in Kontakt sind und miteinander [26]kommunizieren, und es ändert sich, was ihnen wichtig ist: unter anderem »Zugang zu« statt »Besitz von« beispielsweise Musik und Autos. Äußerst wichtig ist der Datenschutz. Die Fragen: »Was passiert mit meinen Daten? Wer darf über welche Daten verfügen?« werden zunehmend relevant.

Der 15. März 2016 steht für einen Meilenstein der künstlichen Intelligenz. An diesem Tag verlor der Südkoreaner Lee Sedol, ein Meister des chinesischen Brettspiels Go, gegen Googles neuronalen Netzwerkcomputer AlphaGo. Das war bis dahin unvorstellbar gewesen. Vor dem Spiel war vorhergesagt worden, dass es noch mindestens zehn Jahre dauern würde, bis Computer einen Weltklasse-Go-Spieler schlagen könnten. Diese Vorhersagen basierten auf der Tatsache, dass Go deutlich mehr potenzielle Stellungen (ca. 10170)8 hat, als es Atome im Universum gibt (ca. 1086). Dies erfordert eine Art Kreativität und Intelligenz, die für einen Computer bis zu diesem Zeitpunkt unmöglich schien.

AlphaGo bzw. seine Weiterentwicklungen AlphaGo Zero und AlphaZero sind sogenannte neuronale Netzwerke der Künstlichen Intelligenz (KI), die natürliche Sprache verstehen, Hypothesen generieren und auswerten können und sich kontinuierlich anpassen und lernen. Sie ahmen somit das menschliche Lernen und die menschliche Entscheidungsfindung nach. Solche KI-Systeme verbessern ihre Leistung kontinuierlich und ohne scheinbare Grenzen. Innerhalb kurzer Zeit hatten sie alles über Go gelernt und wurden besser, als jeder Mensch es sein kann.

Die rasante Entwicklung von AlphaGo ist ein entscheidendes Signal für die Zukunft, mit der wir uns heute bereits beschäftigen sollten: die Teilnahme einer künstlichen Intelligenz an vielen bisher menschlichen Tätigkeiten, die nahezu alles lernen und ihre Leistung kontinuierlich verbessern kann, mit einer Präzision und Geschwindigkeit, die für Menschen immer schwieriger zu erreichen sein wird.

Anfang 2014 verkündete John Chambers, der Vorstand von Cisco, dass wir in eine Ära eingetreten sind, in der die technologischen Entwicklungen »in einem Jahrzehnt fünfbis zehnmal wirkungsvoller sein werden als das gesamte Internet bisher«.910

Können Sie und Ihre Mitarbeiter*innen heute erahnen, welche Entwicklungen auf Sie zukommen werden? Und ist Ihr Unternehmen auf Auswirkungen dieser Größenordnung vorbereitet? Betrachten Sie für einen Moment, wie stark Ihr Unternehmen durch das Internet beeinflusst wurde, und stellen Sie sich dann etwas vor, das in seinen Auswirkungen etwa fünf- bis zehnmal stärker ist.

[27]Künstliche Intelligenz gewinnt zunehmend an Bedeutung. Bereits heute kann sie einige Krebsarten mit einer viermal höheren Genauigkeit diagnostizieren als Menschen11. Übersetzungsprogramme wie deepl.com liefern mithilfe ausgefeilter KI-Mechanismen heute bereits sehr genaue und nuancierte Texte. Das System arbeitet dabei mit in einer Geschwindigkeit von einer Million Wörtern pro Sekunde.

In den letzten 45 Jahren haben wir in einer Zeit gelebt, die maßgeblich von einer immer größer werdenden Präsenz sich exponentiell entwickelnder digitaler Technologien geprägt war. Diese digitalen Entwicklungen haben vieles beeinflusst; heute sind viel analoge Produkte und Prozesse in digitale Formate überführt. Denken Sie beispielsweise an die Ablösung der Vinylplatten durch digitale CDs, die wiederum durch nicht-physische MP3-Dateien der Musikstreaming-Dienste ersetzt wurden.

Big Data, prädiktive Analytik und 3D-Druck begleiten den Beginn eines zweiten digitalen Zeitalters mit seinem ganz eigenen und unverwechselbaren Charakter. Das Digital-Zeitalter bringt völlig neue Bedingungen und Mechanismen hervor, die von einer massiv vernetzten, stets präsenten und Künstlichen Intelligenz gebildet und gesteuert werden. Vieles wird in diesem Bereich kontrovers diskutiert. Matthias Horx beispielsweise, Soziologe und Leiter des Zukunftsinstituts in Frankfurt am Main, hält das Thema Künstliche Intelligenz für überschätzt.12 Es sei ein Hype, der gefährliche Illusionen schaffe. Es sei Zeit für eine, wie er es nennt, »digitale Ehrlichkeit«: Computer und Roboter können weder das Pflegeproblem in unserer immer älter werdenden Gesellschaft regeln noch Armut mildern noch den Verkehr entstauen. Dazu brauchen wir intelligentere soziale, humane Systeme.

Alle Organisationen erleben derzeit disruptive Entwicklungen. Viele von ihnen stehen nun vor der Herausforderung, in drei sehr unterschiedlichen Geschäftsumgebungen mit sehr unterschiedlichen Produkten und Dienstleistungen aufzutreten. Es geht darum,

Produkte und Dienstleistungen im traditionellen physischen und analogen Raum anzubieten, eine Präsenz auf den digitalen, Online-, sozialen, mobilen und globalen Markplätzen aufrechtzuerhalten, und gleichzeitig Angebote zu entwickeln, um in einer Welt erfolgreich zu sein, die von Sensoren, großen Datenmengen, prädiktiver Analytik und allgegenwärtiger Künstlicher Intelligenz angetrieben sein wird.

[28]1.7Revolution der Kommunikation

Die Digitalisierung hat enorme Auswirkungen auf unsere Kommunikation: Diese findet heute häufig nicht mehr bilateral statt, sondern folgt den Prinzipien »One to Many« oder »Many to Many«, wie z. B. in WhatsApp-Gruppen. Dadurch verändern sich die Transparenz der Themen, die Beteiligung am Austausch und häufig auch die Verantwortung.

Menschen stellen zunehmend selbst Inhalte ins Netz (Content, Kommentare, Likes, Dislikes etc.) und vernetzen sich über Social-Media-Plattformen. Dadurch verändert sich die (mediale) Kommunikation ebenfalls, da Empfänger zugleich auch zu (potenziellen) Sendern werden. Das, was interessiert, und das, was öffentlich diskutiert wird, wird zunehmend weniger durch die Presse oder andere Kommunikationsprofis oder von den Unternehmen vorgegeben, sondern durch die Resonanz auf Informationen einzelner. Peter Kruse beschreibt in einer Rede im Bundestag die Entwicklung der Kommunikation im Internet:13

Zunächst war das Internet ein Ort, in dem Menschen sich informieren konnten. Zugang zu Information war das Ziel. Zunehmend ging es dann auch darum, sich auch darzustellen, Spuren zu hinterlassen. Schließlich merkten die Menschen, dass sie durch das Netz mächtig werden können, wenn sie sich zusammenschließen.

Wir haben die Vernetzungsdichte enorm erhöht, und immer mehr Menschen sind in diesen Netzwerken aktiv. Kruse nennt nun das, was öffentlich diskutiert wird, »Spontanaktivität und kreisende Erregungen mit Tendenz zur Selbstaufschaukelung«14. Nicht die Presse, sondern Nutzer von Facebook, Twitter & Co. entscheiden also, was augenblicklich interessiert und was relevant ist.

Professor Bernhard Pörksen, Medienwissenschaftler der Uni Tübingen, beschreibt diesen Wandel der öffentlichen Kommunikation so: »Wir befinden uns in einem Übergang von der Mediendemokratie alten Typs hin zur Empörungsdemokratie des digitalen Zeitalters.«15 Wie sich dieser Wandel fortsetzen wird, vermag keiner vorherzusagen. Was Führungskräfte also brauchen, sind eine gute Beobachtungsgabe und die Kompetenz, gut hinzuschauen und hinzuhören. Ebenso sollten sie über das notwendige Maß an Empathie verfügen, um so mitzubekommen, was im Augenblick Resonanz in [29]den Systemen erfährt. Das heißt, es ist wichtig, nah dran zu sein am Markt und an den Menschen. So gewinnen Führungskräfte ein »Gefühl für die Resonanzmuster der Gesellschaft«.16

Digitale Medien werden genutzt, um sich auszutauschen, sich zu begeistern und auch, um sich wechselseitig zu warnen oder Widerstand zu organisieren und auf Missstände aufmerksam zu machen. Damit erhalten wir starke Kund*innen, starke Mitarbeiter*innen, starke Bürger*innen (Das »Me too«-Hashtag, das betroffene Frauen ermutigte, auf das Ausmaß sexueller Belästigung und sexueller Übergriffe aufmerksam zu machen, sensibilisierte Massen für ein bisher tabuisiertes Thema.).

Die sogenannten Digital Natives, also diejenigen Generationen, die mit der modernen Technologie aufgewachsen sind, tragen enorm zur Veränderung der Kommunikation bei. Für viele von ihnen sind soziale Kontakte sehr wichtig. Sie sind oft online und ständig in Interaktion und Kommunikation mit anderen. Für sie ist es üblich, zu liken und zu disliken, also Dinge und Aktionen zu bewerten und diese Bewertungen anderen auch (öffentlich) mitzuteilen. Diese Art der Kommunikation unterscheidet sich von der Kommunikation der Vor-Generationen. Doch auch die älteren Generationen checken inzwischen häufig mobil ihre E-Mails, schreiben via WhatsApp, shoppen online, erledigen ihre Bankgeschäfte über das Internet, surfen auf Online-Plattformen, posten, bloggen und tweeten. Sie werden daher auch Digital Immigrants genannt.

All diese Menschen realisieren, wie ihr Privatleben durch die neue Art der Kommunikation beeinflusst, verändert und teilweise auch vereinfacht wird: Sie können sich rasch Rat zu allen möglichen Themen einholen, Urlaube effizient buchen, Empfehlungen geben und erhalten, sich verabreden, am Leben der anderen teilhaben ...

Was privat geht, spielt auch zunehmend beruflich eine Rolle: Im Job wollen wir ebenso frei und effizient kommunizieren, Informationen austauschen, Transparenz schaffen, uns beraten etc.

1.8Wissensgesellschaft und Co-Creation

Charakteristisch für unsere Zeit ist, dass Wissen sich ständig erneuert. Der aktuelle Stand des Wissens und jegliche Art von Information sind heute allerorts und jederzeit verfügbar. Agile Organisationen haben erkannt, welche Vorteile es hat, allen Arbeitskräften Zugang zu allen wesentlichen Informationen und allem Wissen zu liefern. Sie ermöglichen es ihnen so, effektiver und effizienter zu arbeiten. Die offenen Einblicke [30]und die Transparenz sorgen dafür, dass Mitarbeiter*innen ein besseres Verständnis für das große Ganze, für Innovationsansätze und Möglichkeiten erhalten und auf dieser breiteren Basis neue Ideen entwickeln können.

Die Zeiten, in denen Wissen Macht war, sind vorbei – zumindest in agilen Organisationen. Wissen ist dort häufig nur einen Klick weit entfernt. Jedoch reicht Wissen allein in unserer aktuellen Welt und in unserem ökonomischen Wettbewerb nicht aus. Statt Wissen zu haben, geht es nun darum, es zur praktischen Anwendung zu bringen. Entscheidend ist also der Schritt vom Wissen zum Können. Diesen Schritt schaffen wir in unserer komplexen Welt meist nicht alleine, sondern nur gemeinsam in einem Team. Hierfür ist entscheidend, dass Mitarbeiter*innen unterschiedlichster Fachgebiete ihr Wissen vereinen und damit ein gemeinsames Ergebnis erarbeiten – in Co-Creation.

1.9Einbeziehung der Kund*innen

Co-Creation, also das gemeinsame Entwickeln innovativer Ideen, neuer Produkte oder Prozesse, findet in agilen Organisationen zunehmend auch gemeinsam mit dem Kunden und der Kundin statt. Durch die technologischen Möglichkeiten hat sich das Kundenverhalten elementar verändert. Kund*innen informieren sich vor der Kaufentscheidung über die Produkte und Dienstleistungen im Netz. Sie recherchieren Bewertungen und treten in Austausch mit anderen. Dies ist für Unternehmen Chance und Risiko zugleich. Eine große Chance besteht darin, in die direkte Kommunikation mit den Kund*innen gehen zu können, deren Bedürfnisse zu erfahren, sich auf diese einstellen zu können und die Kund*innen sogar in die Produktinnovationen miteinbeziehen zu können. Auf diese Weise entstehen Dienstleistungen und Produkte, die exakt zu den Bedürfnissen der Kund*innen passen. Der Kunde oder die Kundin wird vom Konsumenten zum »Prosumenten«.

Digitale Medien werden genutzt, um Produkte weiterzuentwickeln. Wie schnell das gehen kann, hat z. B. Elon Musk im Dezember 2016 gezeigt. Ein Kunde hatte sich per Tweet beschwert, dass viele ihre Elektroautos sehr lange an den Aufladestationen stehen ließen und diese damit für die anderen blockierten. Musk antwortete unmittelbar auf den Tweet und bot innerhalb einer Woche eine Lösung: Die Elektroautonutzer werden nun durch eine Message auf ihrem Smartphone darüber informiert, wenn ihr Auto aufgeladen ist. Wer sein Auto nicht fünf Minuten später von der Ladestation holt, zahlt eine Strafgebühr für jede weitere Minute.

An diesem Beispiel wird deutlich: Unsere Gesellschaft und unsere Arbeit sind heute geprägt durch Vernetzung, Austausch, Flexibilität und Schnelligkeit. Damit verlagern sich auch die Machtverhältnisse. Die Macht sitzt in manchen Bereichen zunehmend beim Nachfrager, also beim Kunden oder bei der Kundin, und nicht länger beim An[31]bieter oder Anbieterin. Entscheidend ist die Resonanz der Kund*innen. Daher ist die Schnittstelle zum Kunden und zur Kundin für Unternehmen zunehmend wichtig.

Die Art der Produktentwicklung wird dadurch revolutioniert. Ansätze wie Design Thinking oder Jobs To Be Done17, in denen sich von Anfang an in die Bedarfe der Kund*innen hineingedacht wird und diese tatsächlich früh in den Produktentwicklungsprozess miteinbezogen werden, haben allerorts Einzug in die Unternehmen gehalten. Die Beziehungen zwischen Kund*innen und Lieferanten verändern sich dadurch. Sie wachsen eng zusammen. Es entstehen integrierte Systeme und Netzwerke zwischen Unternehmen, komplementären Anbietern, den Kund*innen und auch den Wettbewerbern.

Sich als Teil eines Netzwerks zu verstehen, verlangt eine signifikante Änderung der inneren Haltung. Es ist eine Entwicklung vom »Ich« zum »Wir«. Das Ziel ist es, gemeinsam mit anderen Organisationen interessante Angebote für die Kund*innen zu entwickeln. Da Kund*innen erleben, wie einfach und schnell viele ihrer Wünsche in Erfüllung gehen, wachsen auch ihre Erwartungen fortlaufend. Sie sind heute deutlich anspruchsvoller im Hinblick auf Qualität, Lieferzeiten, Preise und Transparenz.

1.10Demografischer Wandel, Fachkräftemangel und Generationenmix

Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel werden seit vielen Jahren in Politik und Wirtschaft diskutiert; die meisten Unternehmen sind mittlerweile davon betroffen. Es wird strategisch relevanter, als Organisation so attraktiv zu sein, dass es zum einen gelingt, Fachkräfte zu rekrutieren, und zum anderen, sie in der Organisation zu halten. Die in Kapitel 5 beschriebenen Aspekte führen häufig dazu, dass Potenzialträger Organisationen verlassen. Doch Fachkräfte gehen tatsächlich meist wegen ihrer Führungskräfte und nicht wegen der Organisation. Die sogenannte Gallup-Studie bestätigt dies seit geraumer Zeit jedes Jahr aufs Neue: Der Engagement-Index wird seit 2001 einmal jährlich erstellt. Die Frage nach dem Grad der Bindung der Mitarbeiter*innen an ihr Unternehmen steht und fällt mit der Qualität der Führung. Der alte Spruch »Mitarbeiter kommen wegen des Jobs und gehen wegen des Chefs«, wird auch in dieser Umfrage immer wieder durch neue Zahlen untermauert.18 Das rückt den Einfluss, den Führungskräfte auf die Bindung der Fachkräfte und damit auf den Erfolg ihrer Organisation haben, nochmals in den Mittelpunkt.

[32]Neu ist, dass für die nächsten zehn bis 15 Jahre mehr ältere Mitarbeiter*innen im Unternehmen verbleiben werden, als Junge nachkommen. Gleichzeitig beobachten wir in vielen Organisationen eine Abkehr vom Senioritätsprinzip, was bedeutet, dass in einigen Themen die jungen Mitarbeiter*innen den älteren überlegen sind. Organisationen brauchen daher einen nie da gewesenen Dialog zwischen den Generationen, Knowhow-Transfer, eine Führung von Altersvielfalt und Ansätze für lebenslanges Lernen.19

1.11Positive Entwicklungen – kritische Einschätzungen

Technologische und medizinische Innovationen und politische Entwicklungen haben dafür gesorgt, dass weltweit immer weniger Menschen um ihr Überleben kämpfen müssen. Dieses positive Bild der Gesamtentwicklung der Welt widerspricht vollkommen dem Gefühl, das die meisten haben, wenn sie die Zeitung aufschlagen und die aktuellen Nachrichten lesen oder hören.

Negative Nachrichten sind nach Meinung des Harvard-Professors Steven Pinker ein Grund, warum die Menschen den Fortschritt der Menschheit immer wieder unterschätzen. Um den wahren Zustand der Welt zu erkennen, sagt er, sollten wir Zahlen verwenden. Er hat Daten und Fakten gesammelt, die das positive Bild belegen:20

Die Welt ist etwa 100 Mal wohlhabender als vor 200 Jahren, und entgegen der landläufigen Meinung ist ihr Reichtum heute gleichmäßiger verteilt als früher.Der Anteil der Menschen, die jährlich in Kriegen getötet werden, beträgt weniger als ein Viertel von dem der 1980er-Jahre und macht ein halbes Prozent der Opfer im Zweiten Weltkrieg aus.Im Laufe des 20. Jahrhunderts sank das Risiko der Amerikaner um 96 % bei einem Autounfall zu sterben, um 92 % bei einem Brand zu sterben und um 95 % einen tödlichen Arbeitsunfall zu erleiden.Die bessere Versorgung mit Medikamenten und eine bessere Hygiene ermöglichen es den Menschen, länger und gesünder zu leben.Vor zwei Jahrhunderten lebten nur 1 % der Menschen in Demokratien, und selbst dort wurde Frauen und Männern der Arbeiterklasse die Wahl verweigert. Heute leben zwei Drittel der Menschen in Demokratien.Der Glaube an die Gleichstellung von ethnischen Minderheiten und Homosexuellen ist in die Höhe geschnellt.

Wir mögen ja materiell reicher sein, werden einige anmerken, aber sind wir nicht weniger glücklich, weil wir wissen, dass andere noch mehr haben? Und was ist mit der [33]globalen Erwärmung oder den nordkoreanischen Atomraketen? Professor Pinker sammelte auch Antworten auf diese Fragen. In 45 von 52 Ländern der World Values Survey stieg das Glück zwischen 1981 und 2007. Es nimmt etwa im Einklang mit dem absoluten Pro-Kopf-Einkommen zu, nicht dem relativen Einkommen. Die Zahl der Atomwaffen in der Welt ist seit ihrem Höhepunkt um 85 % gesunken.

Und dennoch steigt der Populismus. Auch das Gefühl der Ungerechtigkeit und Unsicherheit21 nimmt zu. Die Mittelschicht fühlt sich zunehmend in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht.

Zudem gewinnen psychische Erkrankungen an Bedeutung. Psychische Ursachen waren laut einer Untersuchung der DAK 2017 zweithäufigste Ursache für Krankmeldungen, was einer Verdreifachung seit 1997 entspricht.22

Die globale Erwärmung ist tatsächlich eine Bedrohung. Der sehr heiße Sommer 2018 hat vielen Menschen klargemacht, dass die globale Erwärmung etwas in deren Leben verändern wird. Ökologisches Bewusstsein nimmt – zumindest in Teilen dieser Welt – zunehmend Raum ein.

Der Banken- und der Dieselskandal haben dazu beigetragen, dass Unternehmen kritischer betrachtet werden. Es ist daher zunehmend wichtig, dass Organisationen ihre ökologische, kommunikative, substanzielle Glaubwürdigkeit überprüfen.

1.12Steigendes Bedürfnis nach Sinn

Mit den heutigen Generationen Y, X und der Babyboomer-Generation erleben wir Menschen auf dem Arbeitsmarkt, die weniger nach Geld und Statussymbolen als nach einer sinnvollen Tätigkeit suchen. Das Bedürfnis nach Sinn in und durch Arbeit steigt. Der Global Purpose Index 201623 – eine weltweite Studie von imperative.comund LinkedIn – zeigt, dass circa 37 % der befragten Arbeitnehmer Sinn als ihre primäre Motivationsquelle im Job betrachten (in Abgrenzung zu Arbeitnehmern, die mit und durch Arbeit in erster Linie Einkommen, Status oder Aufstiegschancen sehen). Unternehmen, die ihren Purpose24 benennen können, haben deshalb im Wettbewerb um den umworbenen Nachwuchs einen klaren Vorteil: Sie machen sich für den Bewerbermarkt attraktiver.

[34]Das Bewusstsein für den Purpose des Unternehmens sorgt damit für Orientierung und für Klarheit, die gerade im Kontext unserer VUCA-Welt oft gesucht werden.

1.13Veränderung der Arbeitswelt – New Work

Die moderne Arbeitswelt verändert sich beständig:

Artificial Intelligence, die Künstliche Intelligenz, wird zunehmend Berufsbilder ablösen, so auch Teile der Führungsaufgaben. Alle analytischen, organisierenden, operativ-koordinierenden Aufgaben werden langfristig digitalisierbar sein. Führungskräfte und Teams werden sich in Zukunft von Computern beraten lassen, welche Entscheidungen sie treffen sollen. Sowohl die Frage ist offen, welche Arbeit es zukünftig überhaupt noch geben wird und welche Arbeitsplätze durch die fortschreitende Digitalisierung wegfallen werden, als auch die Frage, wie Arbeit zukünftig gestaltet sein wird. Letztere wird unter den Schlagworten Arbeit 4.0 und New Work diskutiert.

Das Konzept von New Work wurde ursprünglich von dem Sozialphilosophen Frithjof Bergmann entwickelt. Bergmann geht davon aus, dass das bisherige Job-System am Ende ist. Die Automatisierung führt immer mehr dazu, dass die Menschen sich mit der Frage konfrontiert sehen: »Was willst du in Zukunft im Arbeitsleben machen?« In der Vorstellung von Bergmann ist New Work eine Kombination aus Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Sinnstiftung. Dafür ist entscheidend, dass Mitarbeiter*innen die Möglichkeiten zur Entfaltung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit erhalten. Das bedeutet auch, ihnen Freiräume zu gewähren – sowohl zeitlich als auch räumlich.

New Work geht von einer völlig neuen Organisation von Arbeit aus. Es ist erforderlich, dass sich Mitarbeiter*innen unterschiedlicher Fachrichtungen treffen und austauschen können, damit innovative Ideen und Lösungen entstehen. Aufgaben werden in Projekte aufgeteilt. Diejenigen mit den besten Fähigkeiten für ein jeweiliges Projekt organisieren sich in Teams, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Teams und auch ganze Organisationen lassen sich auf diese Art als Netzwerke begreifen. Innovative Lösungen werden heute in immer kürzer werdenden Intervallen gebraucht, um an den dynamischen Märkten bestehen zu können. Die Antwort auf diese Herausforderung kann kein homogener Arbeitsalltag sein, bei dem alle Mitarbeiter*innen von 9 bis 17 Uhr in einer Abteilung physisch anwesend sind.

Wenn Menschen in Zukunft das machen, was sie wirklich machen wollen, und sich mit ihren Talenten in der Arbeitswelt verwirklichen, kann Arbeit nicht länger nur in einem Bürogebäude oder einer Abteilung organisiert sein. New Work nimmt daher mehrere Ebenen des Arbeitslebens in den Fokus: Architektur, technische Infrastruktur, Struktur, Prozesse und Führung.

[35]Die Einsicht, dass zufriedene Mitarbeiter*innen, die sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren, motivierter, produktiver und kreativer arbeiten, verändert unsere Arbeitsstrukturen. Das Ziel im Zeitalter von New Work ist es, Mitarbeiter*innen zu binden, und Arbeit, soziales Umfeld sowie eigene Interessen miteinander in Einklang zu bringen. So wird eine leistungsfördernde und gleichzeitig familiäre Atmosphäre geschaffen.

Ohnehin spielt der Teamgedanke in New-Work-Modellen eine immer größere Rolle, so beispielsweise beim Konzept des Jobsharing. Ebenso rückt Diversity immer mehr in den Fokus: Belegschaft und Management werden möglichst vielfältig besetzt, um verschiedene Einflüsse und Fähigkeiten zu nutzen.

Die Universität St. Gallen hat gemeinsam mit der Telekom-Innovationseinheit Shareground aus 60 Experteninterviews Thesen zusammengefasst, die künftige Handlungsfelder aufzeigen. Ähnliche Thesen finden sich in vielen weiteren Publikationen. Wir haben hier einige davon zusammengefasst.25

Unsere moderne Arbeitswelt ist geprägt durch

Networking: Netzwerke nehmen an Bedeutung zu. Es entstehen Arbeitsplätze ohne eindeutige organisationale Zuordnung und Zugehörigkeit.Peer-to-Peer statt Hierarchie: Hoch qualifizierte Fachexpert*innen kommunizieren global vernetzt. Der Nutzen, der qua fachlicher Expertise entsteht, leitet die Kommunikation und nicht in erster Linie die Organisationszugehörigkeit.Offenheit: Gemeinsame Produktentwicklung mit dem Kunden oder der Kundin führt zu einer Öffnung der Unternehmensgrenzen und -strukturen.Neue Interaktionsformen: Es wird diverse neue Spielarten an Kooperationen und Interaktionsformen geben, so beispielsweise zwischen Maschinen, Teammitgliedern, Kund*innen, mit dem Wettbewerb etc.Big Data: Die Fähigkeit, große Datenmengen zu interpretieren und zu kombinieren, wird zu einer der Erfolgsquellen überhaupt. KI wird als mächtige Analysemethode dementsprechend wichtig. Datenschutz bzw. Cyber Security sind große Themen der Zukunft.Führen auf Distanz: Globalisierung, virtuelle Teams, Homeoffice – all das verändert auch Führung. Die Kunst besteht darin, persönliche Beziehungen auch über »unpersönliche« Kanäle aufbauen und pflegen zu können.Beidhändige Führung: Führungskräfte müssen sowohl ständige Innovationen und Veränderungen vorantreiben sowie auch das bisherige Kerngeschäft sichern. Es muss ihnen also gelingen, sowohl die Zukunft zu ermöglichen und gleichzeitig die Gegenwart profitabel zu gestalten. Es ist eine spannende Frage, wie dieser Spagat dauerhaft zu leisten ist. Die zur Sicherung des Kerngeschäfts notwendigen [36]und erprobten Führungs-, Organisations- und Prozessstrukturen stehen den für die Förderung von Innovationen und agileren Abläufen notwendigen Change-Maßnahmen häufig geradezu diametral entgegen.Vermischung von beruflicher und privater Welt: Arbeitszeiten und -orte sind nicht mehr klar vom Privatleben getrennt. Das birgt Chancen und Risiken zugleich: So lassen sich Familie und Beruf zum Beispiel im Homeoffice leichter vereinen, gleichzeitig erhöht sich damit das Risiko enorm, keine Ruhepausen mehr zu haben und nicht mehr abschalten zu können (»Always on«).

Viele Führungskräfte stehen heute in Bezug auf diese Veränderungen vor mehreren Herausforderungen:

Sie sollen dafür Sorge tragen, dass Wissen allen Mitarbeiter*innen zugänglich ist und optimale Rahmenbedingungen für eine (auch digitale) Zusammenarbeit und Vernetzung herrschen. Sie sollen die Übernahme von Verantwortung in den Teams ermöglichen, damit diese schneller auf neue Marktbedingungen reagieren können. Sie sollen in der Lage sein, die Geschäftsmodelle ihres Unternehmens zukunftsfähig zu halten.

Dafür ist es notwendig,

das eigene Führungsverhalten immer wieder zu reflektieren und an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen;die Lösungskompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter*innen zu kennen und zu entwickeln, ihnen zu vertrauen und ihnen kreative Freiräume zu gewähren.

1.14Agile Organisationen

Wenn ein Unternehmen sich entscheidet, sich zu einer agilen Organisation zu entwickeln, dann funktioniert das erfahrungsgemäß nicht von heute auf morgen. Dieser Entwicklungsprozess braucht Zeit. Viele sprechen in diesem Zusammenhang auch vom Reifegrad einer Organisation. Je reifer, desto besser? Zumindest, was Agilität betrifft, wäre diese Annahme ein Trugschluss. Denn sie widerspricht der Erkenntnis, dass das Agile nicht für jede Organisation passend ist. Es gibt sehr reife Organisationsformen, in denen agiles Arbeiten und Führen nicht das Mittel der Wahl ist.

Eignet sich das Agile jedoch, führt man die neue Organisationsform am besten auch nach agilen Prinzipien ein: Die Verantwortlichen beobachten Entwicklungen, lernen aus den Folgen – und passen die neuen Strukturen flexibel daran an. Es ist wichtig, individuell die aktuelle Führungskultur, die Unternehmenssituation und die Mitarbeiterstruktur zu betrachten. Entscheidend ist, möglichst alle Beteiligten an Bord zu haben. Der Erfolg hängt davon ab, wie sehr die Führungskräfte und die Mitarbeiter*innen, die [37]die Veränderung initiieren und durchführen, individuell auf die Bedürfnisse der Organisation eingehen. Es gibt kein Patentrezept, das für alle gilt.

In manchen Organisationen werden zunehmend Hierarchiestufen abgeschafft. Das bedeutet jedoch nicht, dass in den damit entstehenden flachen Hierarchien weniger Führung notwendig ist.

1.14.1Maßnahmen auf dem Weg hin zu einer agilen Organisation

Um auf dem Weg hin zu einer agilen Organisation nicht ins Stolpern zu geraten, braucht es viele Maßnahmen, da es sich hierbei selbstredend um einen entscheidenden Veränderungsprozess handelt. Es gilt,

alle Führungskräfte ins Boot zu holen und sie zu befähigen,alle Mitarbeiter*innen einzubinden und ihr Potenzial zu nutzen,ein gemeinsames Zielbild zu entwickeln: Wohin wollen wir? Wozu tun wir das?,Werte zu definieren,erste Schritte und vor allem auch Quick Wins festzulegen, damit schnell sichtbar wird: »Es geht los und es lohnt sich!«,Strategie und Belohnungssysteme anzupassen,erforderliche Kompetenzen zu definieren und aufzubauen,Kommunikation bewusst zu gestalten,Ängste und Widerstände ernst zu nehmen.

Dabei lässt sich von den Besten lernen. Das Zielbild, die Vision digitaler Vorreiter weist folgende Merkmale auf:

Die Vision baut auf bisherigen Kompetenzen und Stärken auf.Sie begeistert die Mitarbeiter*innen.Sie entwickelt sich im Lauf der Zeit weiter.Sie wird von der obersten Führungsebene initiiert und von den einflussreichen Führungskräften getragen. Sie fungieren als echte Promotoren.Sie wird mithilfe der Mitarbeiter*innen schrittweise mit Leben gefüllt.Fehler, die Sie vermeiden solltenOben anfangenDie Führungsebene entscheidet allein, wohin es geht.Oben aufhörenAlles soll sich ändern, nur die obere Führung bleibt gleich.Nur unten anfangenDie Mitarbeiter*innen bekommen ein Scrum Training in der Hoffnung, dass die Organisation damit agil wird. Von der Führungsebene wird aber keine klare Vision zu Agilität vermittelt.Zu radikale Veränderun- genAlles wird auf einmal auf den Kopf gestellt. Die Folge: Verunsicherung und Verwirrung.[38]Einfach nur Trends übernehmenGenau schauen, wo welche Veränderung zielführend istZu ungeduldig seinBei Veränderungen gehen Mitarbeiter*innen und die ganze Organisation durch Krisen. Es ist wichtig, das zu wissen und dranzubleiben, auch wenn es schwierig wird. Das bedeutet auch, mit sich und den Mitarbeitenden Geduld zu haben und freundlich und optimistisch zu bleiben.Schuldzuweisungen statt offener FehlerkulturFehler sind Chancen. Ohne diese Einsicht funktioniert Change in Richtung Agilität nicht.

1.14.2 Kennzeichen agiler Organisationen

Agile Organisationen zeichnen sich aus unserer Sicht aus durch

eine konsequente markt- und kundenorientierte Struktur,eine Netzwerkorganisation,eine Organisation, die Zusammenarbeit über Organisationsgrenzen hinweg mit Kund*innen, Dienstleistern, Kooperationspartner*in und Mitbewerbern gestaltet,eine Organisation, die Führung auf verschiedene Rollen verteilt,eine Organisation, die transparente Kommunikation fördert,eine Organisation, die die Rahmenbedingungen für Selbstorganisation fördert,eine Kultur, die Fehler begrüßt, weil sie eine Voraussetzung für Lernen und Weiterentwicklung sind,eine Kultur, die Lernen und gemeinsame Weiterentwicklung ins Zentrum rückt,eine Kultur, in der die agilen Werte (siehe Kapitel 6.4.2) gelebt werden,eine Kultur, die Innovationen ermöglicht,eine Kultur, die das Experimentieren über das Planen stellt,eine Kultur, in der es mehr Feedback als Beurteilungen gibt,eine Kultur, die neben Feedback von Führungskräften auch Peerfeedback etabliert,eine Kultur, die sich dauernd reflektiert, neu erfindet und in ständiger Bewegung bleibt.

1 Rifkin (2011) / Als erste industrielle Revolution wird die tiefgreifende Veränderung der Arbeitsbedingungen und Lebensumstände bezeichnet, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann und verstärkt im 19. Jahrhundert von der Agrar- zur Industriegesellschaft geführt hat. Die zweite industrielle Revolution wird datiert auf die Jahrzehnte um 1900. Als deren Charakteristika gelten die intensivierte Mechanisierung, die Elektrifizierung und die Massenproduktion von Gütern (Taylorismus).

2 Faschingbauer (2017).

3 Laloux (2014).

4 Schomburg/Sobieraj/Kruse (2016), S. 85 – 97.

5 Peter Kruse sprach am 18.09.2013 auf der Messe »Zukunft Personal« über das Thema »Gute Führung«: https://www.youtube.com/watch?v=nDhwsNyWdVA (letzter Aufruf am 08.04.2019).

6 Vgl. unter anderem die Studie von Pierre Audoin Consultants und Hays: https://www.hays.de/documents/10192/118775/Hays-Studie-Von+starren+Prozessen+zu+agilen+Projekten-2015.pdf (letzter Aufruf am 09.04.2019).

7 Universität St. Gallen/Telekom Shareground: Arbeit 4.0: Megatrends digitaler Arbeit der Zukunft – 25 Thesen, Ergebnisse eines Projekts von Shareground und der Universität St. Gallen, 2015: https://Telekom.com/medien/konzern/285970 (letzter Aufruf am 09.04.2019).

8https://www.heise.de/newsticker/meldung/Zahlen-bitte-Die-fast-unendliche-Tiefe-des-Go-Spiels-3130017.html (letzter Aufruf am 09.04.2019).

9 Gyr/Friedman (2018), S. 22.

10 https://www.mckinsey.com/industries/high-tech/our-insights/ciscos-john-chambers-on-the-digital-era(letzter Aufruf am 09.04.2019).

11https://www.zeit.de/digital/internet/2016–10/deep-learning-ki-besser-als-menschen (letzter Aufruf am 09.04.2019).

12https://www.heise.de/amp/meldung/Trendforscher-Horx-Kuenstliche-Intelligenz-wird-ueberschaetzt-4260107.html (letzter Aufruf am 09.04.2019)

13 Peter Kruse: Rede im deutschen Bundestag am 05.07.2010, »Revolutionäre Netze durch kollektive Bewegungen«: https://www.youtube.com/watch?v=e_94-CH6h-o (letzter Aufruf am 09.04.2019).

14 Peter Kruse: Rede im deutschen Bundestag am 05.07.2010, »Revolutionäre Netze durch kollektive Bewegungen«: https://www.youtube.com/watch?v=e_94-CH6h-o (letzter Aufruf am 09.04.2019).

15 Pörksen (2018), Seite 19 – 22.

16 Peter Kruse, a. a. O.

17 Christensen/Hall et al. (2016).

18 Unter anderem in: Kestel (2015); vgl. auch https://www.gallup.de/183104/engagement-index-deutschland.aspx

19 Eberhardt (2016), S. 52.

20 Pinker (2018).

21 Vgl. auch Megatrend Sicherheit unter www.zukunftsinstitut.de.

22 DAK Gesundheit 2018, S. 18 f.

23 Imperative/LinkedIn: Purpose at Work – 2016 Workforce Purpose Index. New York: www.Imperative.com/purpose-lab (letzter Aufruf am 09.04.2019).

24 Vgl. Kapitel 7.1. Hier findet sich auch eine genaue Begriffsdefinition.

25 Petry (2016), S. 37.